Protocol of the Session on April 6, 2017

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Zweitens. Es ist für uns nicht gerecht, wenn für Frauen wegen der Übernahme von weitaus mehr Familienverantwortung oder unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung Einkommenslücken entstehen, die sich durch die gesamte Erwerbsbiografie ziehen und am Ende eine minimale Rente bedeuten. Es ist aus unserer Sicht nicht gerecht, wenn soziale Berufe viel schlechter entlohnt werden als Berufe in der Wirtschaft oder wenn Menschen, die 40 Stunden in der Woche arbeiten, noch beim Amt aufstocken müssen.

Es ist aus unserer Sicht höchst ungerecht und auch unsozial, wenn Alleinerziehende im Steuerrecht nach wie vor benachteiligt werden. Ich nenne da nur das Ehegattensplitting, das Alleinerziehende benachteiligt, da die Entlastung der Paare deutlich höher ist, und das – Frau Oldenburg hat es vorhin gesagt – bei mehr als zehn Jahren, in denen die verschiedenen Bundesministerinnen versprochen haben, Alleinerziehende deutlich mehr zu unterstützen.

Ungerecht ist es aus unserer Sicht auch, wenn sich Schulsozialarbeiter von Jahresvertrag zu Jahresvertrag hangeln müssen oder angehende Erzieherinnen und Erzieher einen Teil ihrer Ausbildung selbst finanzieren müssen und danach trotz hoher Qualifikation unter dem Tariflohn entlohnt werden. Ich konnte gestern gerade von einer Erzieherin erfahren, dass ihr Lohn so gering ist, dass sie nebenbei noch an der Aldi-Kasse arbeiten muss. Das ist für uns höchst ungerecht, sehr geehrte Damen und Herren.

(Sebastian Ehlers, CDU: Und wie wollen Sie das lösen?)

Und es ist für uns höchst ungerecht, dass nach wie vor seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern eine hohe Kinderarmutsquote von über 20 Prozent herrscht. Das soll der Erfolgskurs der Landesregierung sein? Es ist ein Armutszeugnis für die Landesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist Ihre Politik der vergangenen Jahrzehnte, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Deshalb fordern wir ein Umsteuern und klare Bekenntnisse sowie Maßnahmen der Landesregierung auf Bundes- und Landesebene, denn es sind nicht alles nur Maßnahmen, die auf Bundesebene durchgesetzt werden müssen, sondern es ist, wenn ich an die Schulsozialarbeit oder an die Kitas denke, durchaus auch Ländersache.

Wir haben es zudem gestern in der Debatte zum Änderungsgesetz des KiföG erlebt: SPD und CDU weichen weiterhin die Standards auf und senken damit die Qualität bei der Betreuung der Jüngsten, und das, wo Ihnen Bildung doch so wichtig ist, wie ich vorhin von Herrn Glawe hören durfte. Dabei ist eine gebührenfreie und qualitativ hochwertige Bildung unabdingbar für bestmögliche Entwicklungschancen und gleiche Startbedingungen der nachfolgenden Generationen. Was bei der Förderung der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden versäumt wird, ist unwiederbringlich. Bildung und Förderung dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Nur so ist das System der frühkindlichen und schulischen Bildung sowie der Berufs- und Hochschulausbildung gerecht.

Elternbeitragsfreiheit in der frühkindlichen Bildung ist eine konkrete Maßnahme für niedrigschwelligen und gleichen Zugang zur Kindertagesbetreuung für alle Kinder. DIE LINKE fordert die Gebührenfreiheit für Eltern seit Jahren.

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

Nun ist die SPD zumindest mit Lippenbekenntnissen nachgezogen. Im Wahlprogramm der SPD ist die stufenweise Elternbeitragsentlastung hin zur Vision der kostenfreien Kita festgeschrieben. Wie wir gestern von Herrn Brade hören durften – Schritt für Schritt irgendwann einmal.

(Beate Schlupp, CDU: Irgendwie muss es ja bezahlt werden. – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Aber geschehen ist rein gar nichts.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Aber geschehen ist rein gar nichts. Regelungen zur Umsetzung der Versprechen, wie sie jetzt mit der KiföGNovelle hätten erfolgen könnten, bleiben außen vor. Da geht die Glaubwürdigkeit den Bach runter, sehr geehrte Damen und Herren der SPD.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Nur vor Landtagswahlen wie jetzt in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein positioniert sich die SPD zur gebührenfreien Bildung von der Kita bis zur Uni. Stehen Sie zu Ihren Wahlversprechen!

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Und, Herr Heydorn, weil Sie sagten: „Dafür brauchen wir Sie nicht“, Sie brauchen uns sehr wohl dafür. Wenn wir nicht immer von links drücken würden, würden Sie nach rechts rücken.

(Martina Tegtmeier, SPD: Oh, Frau Bernhardt! – Zurufe von Tilo Gundlack, SPD, und Susann Wippermann, SPD)

Insofern müssen wir bei der gebührenfreien Kita immer weiter Druck machen, dass Sie es auch endlich mal in Mecklenburg-Vorpommern umsetzen.

(Tilo Gundlack, SPD: Da musst du doch selber drüber lachen.)

Schön wäre es, wenn es in dieser Legislaturperiode überhaupt mal in Betracht käme.

Das nächste Problem, was wir hier in MecklenburgVorpommern haben, die Schulsozialarbeit muss flächendeckend sichergestellt werden. Statt Flickschusterei muss das Land endlich ein dauerhaftes Konzept entwickeln und für eine langfristige Finanzierung sorgen. Die Novelle des SGB VIII, die derzeit auf der Bundesebene vorgenommen wird, kann für eine gesetzliche Verankerung der Schulsozialarbeit sorgen und auch hier den Bund stärker in die Verantwortung nehmen. Was wir aber in Mecklenburg-Vorpommern erleben, ist ein Trauerspiel. ESF, BuT, Einzelplan 06 des Wirtschaftsministeriums –

(Zuruf aus dem Plenum: Olé, olé!)

all das sind Mittel, aus denen die Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpommern bezahlt wird. Das ist kein langfristiges Konzept zur Sicherung der Schulsozialarbeit.

Dann kommen wir zum Schluss, da möchte ich doch noch mal auf ein paar Dinge eingehen. Herr Glawe meinte, ein Dauerthema der Landesregierung sei, die soziale Gerechtigkeit herzustellen. Und er sagte, unter anderem würde er soziale Gerechtigkeit darüber definieren, dass Armut vermieden werden sollte. Ich finde es vor diesem Hintergrund traurig, dass in dem aktuellen Koalitionsvertrag sowohl im Bund als auch hier im Land von SPD und CDU das Thema Armut nicht einmal auftaucht. Sie nehmen Armut überhaupt nicht wahr. Das ist auch das, was ich im Sozialausschuss wahrnehme, wenn Kollegen der SPD immer wieder versuchen, Armut wegzudefinieren. Obwohl es eine EU-weite Definition von Armut gibt, wird versucht zu sagen, na ja, Armut ist noch im Bildungsbereich und da und da, das können wir nicht so anwenden, die Definition.

(Torsten Renz, CDU: Na, jetzt nicht die große Linie verlassen!)

Sie konnten mir noch keine Definition von Armut sagen, die für Sie zutrifft, Herr Heydorn, das muss ich Ihnen mal ganz ehrlich sagen. Was ist denn für Sie überhaupt Armut?

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Sind die Menschen, die von Leiharbeit, von befristeten Arbeitsverträgen da draußen leben, nicht in Armut?

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Mann, Mann, Mann!)

(allgemeine Heiterkeit – Beifall Sebastian Ehlers, CDU – Tilo Gundlack, SPD: Musst selber lachen, ne?! – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Nee, das ist einfach nur noch traurig, eigentlich müsste ich Tränen in den Augen haben.

Wenn Sie sagen, dass es den Menschen so gut geht in Mecklenburg-Vorpommern und in Deutschland wie schon lange nicht mehr, dann frage ich Sie: Haben Sie nicht den EU-Bericht zur Armut wahrgenommen, der Deutschland bescheinigt,

(Beate Schlupp, CDU: Wann gehts ihnen denn besser?)

in den letzten zehn Jahren ging die soziale Spaltung immer weiter auseinander,

(Beate Schlupp, CDU: Wann gehts ihnen denn besser?)

durch die Familienmaßnahmen der Bundesregierung und auch hier im Land befördert? Das ist ein Verschließen der Augen vor den Problemen hier im Land.

Zudem sagte Herr Glawe, Bedürftige werden nicht fallengelassen, die Kinder von Eltern im Hartz-IV-Bezug bekommen doch ihre Kitabeiträge erstattet.

(Martina Tegtmeier, SPD: Wir werden unsere Redezeit heute auch noch ausnutzen.)

Aber ganz ehrlich, das hat doch nichts mit der Landesfinanzierung, mit Ihnen zu tun, sondern das wird allein durch die Gemeinden getragen – diese Gelder –, durch Gemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte. Sich damit hier zu brüsten, ist einfach nur unredlich.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Martina Tegtmeier, SPD, und Egbert Liskow, CDU)

Und das Dritte …

Nee, ich muss ab und zu mal draufgucken, Frau Tegtmeier, weil ich schon noch versuche, meine Reden ein bisschen frei zu halten.

(Martina Tegtmeier, SPD: Ihr Mundwinkel ging irgendwie nach oben.)

Nee, da kann ich auch nicht mehr lachen bei dem Thema, wenn ich Ihre Arroganz hier höre.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Als Nächstes sagten Sie – von Herrn Renz und Herrn Glawe durften wir das hören –, die Wähler dankten es Ihnen nicht.