Protocol of the Session on December 15, 2020

und stellen sich dann hier noch hin und behaupten, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen.

Ich habe die Aussprache eben genutzt, mal die Parlamentsdokumente zu durchforsten. Angefangen im Mai, da hat Herr Förster hier eine Rede für die AfD gehalten, und die trug die Überschrift, mehr oder weniger sinngemäß, mehr Schweden wagen. Ich darf ein kleines Zitat machen von Herrn Förster aus dem Mai, ich glaube, dem 14. Mai dieses Jahres, Zitat: „Der Blick nach Schweden ist deshalb sehr wohl angebracht, denn dort ist jedenfalls eine nachhaltige Strategie zu erkennen.“ Zitatende. Dann wird darauf eingegangen, dass man in Deutschland mehr Infektionen zulassen möge, dass es darum gehen müsse, und das sei die Forderung der AfD – 14. Mai, Rede von Herrn Förster hier an dieser Stelle –, dass es eine kontrollierte Durchseuchung der Bevölkerung geben müsse. Das hätte deutlich geringere Folgen, obwohl – ja, auch das hat Herr Förster damals gesagt –, es sei mit einer deutlich erhöhten Todeszahl zu rechnen.

Und da möchte ich sagen, Herr Kramer, wenn Sie sich hier hinstellen und einen 6-Punkte-Plan verkünden – übrigens, ich sehe in Ihrem Antrag nur drei Punkte, vielleicht muss ich den zweimal ausdrucken und nebeneinanderlegen,

(Beifall und Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD)

damit es sechs werden – und sagen,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, ein Trick, bisschen Glühwein, Glühwein!)

wir müssten uns gerademachen und eingestehen, dass wir gescheitert seien, ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Die AfD müsste wirklich mal dazu stehen, dass sie hier nicht nur im Mai durch Herrn Förster, sondern auch im Juni, noch mal durch Herrn Förster, zuletzt im August durch eine Intervention von Herrn Schneider, immer wieder sind Sie hier auf das Thema Schweden zu sprechen gekommen.

Und da möchte ich es wirklich einmal mit unserem Fraktionsvorsitzenden Thomas Krüger halten, der hat das ausgerechnet: Wäre die Landesregierung in MecklenburgVorpommern den Kurs der AfD gefahren, nämlich so wie in Schweden hier die Kontakte nicht zu beschränken, die Hygienemaßnahmen nicht entsprechend zu verhän

gen, dann hätte es hier in Mecklenburg-Vorpommern 1.000 zusätzliche Tote gegeben.

(Holger Arppe, fraktionslos: Das wissen Sie doch gar nicht! Woher wissen Sie denn das?!)

Das ist doch wohl ein krachendes Scheitern von Verantwortung und von Politik zum Wohle der Menschen hier im Land!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Thomas Krüger, SPD: Genau so.)

Das wäre Ihr Kurs gewesen, und Ihre Schlingerpartie jetzt hier im Nachhinein kann darüber auch nicht hinwegtäuschen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung, das Landesparlament macht es anders, befindet sich in einem Prozess der permanenten Bewertung und Abwägung. Und dieser Weg der permanenten Abwägung und Anpassung, der ist unglaublich mühsam, aber er ist unverzichtbar. Und noch mal, ich freue mich, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen. Der gleich ja auch noch auf der Tagesordnung stehende Antrag von SPD, CDU und DIE LINKE zeigt, dass ein maximaler Schutz und bestmögliche, maßvolle begleitende Maßnahmen in Kita, in Schule, in Pflege und in der Wirtschaft, viele weitere Bereiche sind schon angesprochen worden, dass das unser gemeinsamer Anspruch hier in diesem Hause ist, meine Damen und Herren.

Die Gefährlichkeit des Corona-Virus ergibt sich aus der Tücke seiner Verbreitung. Das möchte ich anlässlich der Aussprache zu der Regierungserklärung auch wirklich noch einmal in Erinnerung rufen. Das gerät, so mein Eindruck, bei der Debatte über die Details manchmal fast schon aus dem Blick. Wenn sich jemand mit dem Corona-Virus infiziert, so ist diese Person nach circa 48 Stunden selber ansteckend, kann dann andere Menschen infizieren, nur durch die Anwesenheit im selben Raum, verstärkt, wenn diese Person laut spricht, aber auch dann, wenn diese Person einfach nur atmet. Das ist total anders als bei vielen anderen Viren. Und zu diesem Zeitpunkt, wo eine infizierte Person bereits das Virus verbreiten kann, spürt die das in der Regel noch gar nicht, hat keine Symptome, fühlt sich oft einfach gesund. Und auch ein Corona-Test würde in dieser frühen Phase oftmals vermutlich ein negatives Ergebnis haben. Und nach rund fünf Tagen kommen dann, wenn sie überhaupt kommen, Symptome.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Ab diesem Zeitpunkt schlagen dann auch diese PCRTests relativ zuverlässig an, wenn eine Infektion vorliegt.

Und dieser, ich nenne es mal, blinde Fleck der unentdeckten Übertragung, der unbemerkten Verbreitung ist der Hauptgrund dafür, dass überall auf diesem Planeten, wo Regierungen und Politik diese Pandemie einfach laufen lassen, weil sie sagen, Schutzmaßnahmen runter, Eigenverantwortung stärken, haste nicht gesehen, dass überall dort die Infektionszahlen wirklich durch die Decke gehen,

(Thomas Krüger, SPD: So, genau so ist es!)

die gerade noch von Arppe, MdL Arppe hier negierte Übersterblichkeit,

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

sprich die tatsächlich auf Corona zurückführbaren Todesfälle deutlich in der Statistik zu sehen sind. Das trifft für Großbritannien oder für die USA ebenso zu wie für Schweden. Das Projekt des Euro-Mortalitätsmonitorings, EuroMOMO, zeigt beispielsweise für Frankreich, Italien, England, Spanien eine extreme Übersterblichkeit, 30/40 Prozent mehr Tote als üblich. In Italien sind es im März 50 Prozent mehr Tote, die zu beklagen waren, in der Lombardei – Sie kennen das aus den Berichterstattungen vom Anfang – mehr als 190 Prozent.

So, meine Kolleginnen und Kollegen, Herr Arppe, warum das hier in Deutschland nicht so ist – Sie haben eben ja von Deutschland gesprochen, nicht wahr, Herr Arppe –, warum das hier in Deutschland nicht so ist, da gibt die Wissenschaft eine einhellige Antwort: Weil die Maßnahmen schnell ergriffen worden sind,

(Heiterkeit bei Nikolaus Kramer, AfD)

weil von der vernünftigen Mehrheit und der Ministerpräsidentin und dem Kabinett nicht geleugnet, negiert, gepöbelt und gezetert, sondern gehandelt wurde im Interesse der Menschen hier im Land.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zurufe von Nikolaus Kramer, AfD, und Stephan J. Reuken, AfD)

Und wenn die Krankenhausbetten erst voll sind, dann ist es zu spät zum Gegensteuern. So lange werden wir nicht warten, weil die nächsten Patientinnen und Patienten dann längst infiziert sind. Sie wissen nur noch nichts davon. So entsteht doch exponentielles Wachstum!

Meine Damen und Herren, dass die Einschränkungen, wie sie seit November in Kraft sind, letztlich nicht die maximale von uns allen gewünschte Wirkung entfaltet haben, liegt übrigens auch daran – gestern Abend war das wieder unter anderem in Rostock, aber auch in vielen anderen Städten zu bewundern, in Anführungsstrichen –, dass es einen Anteil der Bevölkerung gibt, der sowohl das Corona-Virus an sich als auch die daraus erwachsenden Gefahren einfach nicht ernst genug nimmt, teilweise sogar leugnet. Und die AfD befeuert diese Bewegung. Das ist so. Da stehen Sie ja auch zu. Das ist ja einer der wenigen Punkte, wo Sie dazu stehen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das haben wir heute früh gesehen, ohne Masken standen sie da!)

Sie stellen immer wieder die Wirksamkeit von CoronaSchutzregeln infrage, indem Sie fordern auch, dass sie aufgehoben oder in Teilen aufgehoben werden, und Sie begünstigen damit natürlich Risikoverhalten.

Auch heute wieder stellen Sie die Wirksamkeit einer strikten Kontaktreduzierung infrage, obwohl es im Winter der einzige Weg ist, das Infektionsgeschehen wirklich gründlich einzudämmen. Das zeigen uns die Zahlen aus anderen Staaten, Frankreich, Italien. Dass es ohne eine solche strikte Regel nicht geht, zeigen übrigens inzwi

schen auch die Zahlen aus Schweden. Wenn wir runterwollen mit den Infektionen – und, meine Damen und Herren, wir müssen runter mit den Infektionen, wenn wir unseren Krankenhäusern wieder etwas mehr Luft geben wollen, den Ärztinnen und Ärzten, den Schwestern, den Pflegerinnen und Pflegern,

(Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

die haben übrigens auch Weihnachten und Silvester und wollen nicht die ganze Zeit am Limit durcharbeiten –, dann müssen wir jetzt unseren Beitrag dazu leisten, zu Hause bleiben, Kontakte reduzieren, Hygieneregeln beachten. Das können wir. Das haben wir übrigens am Anfang dieses Jahres auch gezeigt, da ist es gelungen, durch einen solchen Lockdown die Corona-Ausbreitung richtig einzudämmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, wer immer noch ohne MundNasen-Schutz auf Demonstrationen oder zum Einkaufen geht, wer den Abstand zu anderen Menschen nicht wahrt und sich fleißig weiter mit möglichst vielen Leuten trifft, der ist kein Widerstandskämpfer gegen einen Obrigkeitsstaat, der ist einfach nur ignorant, selbstbezogen und unverantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Weihnachten bedeutet für uns Nächstenliebe und Herzlichkeit und nicht Egozentrik und Kaltherzigkeit. Und anders kann man den Umgang der sogenannten Querdenker, der selbsternannten Corona-Leugner und letzten Endes auch der AfD mit Corona nämlich nicht nennen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in diesem Jahr Weihnachten so feiern, dass wir zurückblickend auch in ein paar Jahren sagen können, zum Jahreswechsel 2020/2021 haben wir gezeigt, dass Solidarität und die Vernunft Schlimmeres verhindert haben. Weihnachten 2020 war anders, werden wir dann in der Rückschau sagen, aber letztlich hat die Mitmenschlichkeit gesiegt und hat das Leben vieler Menschen bewahrt und Leid verhindert. Ich glaube, näher kommen wir gemeinsam, wenn wir diesen Weg gehen, dem Wunder der Weihnacht nicht. – Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Herr Abgeordneter Barlen, zu Ihrem Wortbeitrag liegt mir ein Antrag auf Kurzintervention des fraktionslosen Abgeordneten Herrn Arppe vor.

Bitte schön, Herr Arppe!

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrter Herr Barlen, niemand, da haben Sie völlig recht, der bei Verstand ist, leugnet die Existenz des Corona-Virus. Es geht hier auch gar nicht darum, sondern es geht ja um Kritik an den Maßnahmen der Regierung, an der Politik der Regierenden, und das muss in einer Demokratie doch möglich sein, ohne dass die, die

diese Kritik üben, sich von den Regierenden beschimpfen und diffamieren lassen müssen. So etwas hatten wir schon mal, vor längerer Zeit, erstens.

Zweitens. Ich habe eine Studie der Ludwig-MaximiliansUniversität in München angeführt, und Sie können doch jetzt nicht einfach immer nur dann die Wissenschaft als Kronzeugen anführen, wenn Ihnen die Aussagen dieser Wissenschaftler in den Kram passen.

(Thomas Krüger, SPD: Er hat nicht zugehört.)

Wenn es aber nicht so ist, dann negieren Sie diese Ergebnisse dieser Studie in diesem Fall. Und es ist nun mal so, dass die Übersterblichkeit nicht nachweisbar ist, trotz Corona,

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

im Vergleich zu den Vorjahren.

Und drittens... Ja, das war es eigentlich schon.