Und wir befassen uns hier mit der Kommunalverfassung, und ich habe gedacht, na ja, gut, Frau Bernhardt ist ja sonst immer nicht für die Kommunalverfassung zuständig, aber hier stehen ja Behinderten- und Kinderrechte im
Vordergrund. Aber, Frau Bernhardt, Sie sind Juristin, und deswegen kann ich Ihnen das auch nicht durchgehen lassen, weil Sie wissen, Paragraf, nein, Artikel 28 Grundgesetz, Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet“ werden, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft … in eigener Verantwortung zu regeln.“ Und wenn Sie dann hier sagen, wir schieben die Verantwortung auf die kommunale Ebene, es ist Ermessen der kommunalen Körperschaften, Beiräte einzurichten und so, dann sage ich, ja, genau so ist das.
Und ich weiß nicht, wer sich noch daran erinnert, als wir seinerzeit in die Hoheitsrechte der Kommunen eingegriffen haben, in die Organisationshoheit, um genau zu sein, als wir hier die Gleichstellungsbeauftragten verpflichtend für Gemeinden über 10.000 Einwohner vorgeschrieben haben, der weiß noch, was das für ein Kraftakt gewesen ist.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Und warum geht das hier nicht? Schlechtes Beispiel, Frau Tegtmeier, schlechtes Beispiel, ein Eigentor sozusagen!)
Herr Ritter, deswegen habe ich das eben gesagt. Das ist für Gemeinden vorgeschrieben, die mehr als 10.000 Einwohner haben, und es war nicht einfach.
Der Antrag oder der Gesetzentwurf von Ihnen sieht für alle Gemeinden und die Landkreise gleichermaßen vor, hier Regeln einzuführen, die in die Organisationshoheit eingreifen. Und wenn man sich mal hier unsere geschützten Gemeindestrukturen anguckt, sprechen wir hier auch, ich habe es vorhin schon mal angesprochen, von Gemeinden, fast 250 Stück noch, die weniger als 500 Einwohner haben, also inklusive Bürgermeister sieben Gemeindevertreter, die manchmal nur die Pflichtausschüsse haben und nicht mal einen Hauptausschuss und auch keine Beiräte haben, und für alle gleichermaßen wollen wir diese Verpflichtung einführen. Das ist die eine Seite. Von daher, wir halten viel davon, dass die Gemeindevertretungen ihre Aufgaben so strukturieren und die Ausschüsse bilden, die hilfreich sind für die Entscheidungsfindung vor Ort.
Außerdem haben Sie vorhin auch noch gesagt, Frau Bernhardt, dass Kinder und Jugendliche keinerlei Rechte haben.
Wir haben Rechte für Einwohnerinnen und Einwohner ab 14 Jahre, also Jugendliche, Kinder nicht. Das ist so, da haben Sie vollkommen recht, aber das in einem Abwasch mal so eben zu sagen, das lasse ich Ihnen auch nicht durchgehen.
Sie sprachen vorhin auch von einem Flickenteppich, was die Jugend- und Kinderbeiräte in den Gemeinden angeht. Da haben Sie vollkommen recht. Und viele Gemeinden gestehen den Kindern und Jugendlichen mehr Rechte zu, als kommunalverfassungsmäßig überhaupt zulässig ist. Deswegen hat meine Fraktion auch selbst einen Gesetzentwurf erarbeitet Anfang des Jahres, der nämlich genau das vorsieht, wonach im Sinne einer verbesserten Jugendbeteiligung in den Kommunen zum einen die Möglichkeit ‒ allerdings die „Möglichkeit“ ‒ der Bildung von Jugendbeiräten ausdrücklich in der Kommunalverfassung verankert werden sollte. Und um eine effektive Beteiligung an politischen Verfahren ermöglichen zu können, sollte es den Gemeinden darüber hinaus freigestellt werden, in der Hauptsatzung Regelungen zu treffen, die für den Jugendbeirat ein Teilnahme-, Rede- und Antragsrecht in der Gemeindevertretung und in den Ausschüssen vorsehen sollte, soweit kinder- und jugendrelevante Angelegenheiten betroffen sind. Eine entsprechende Möglichkeit hatten wir auch für die Landkreise bezogen auf die Ausschüsse des Kreistags vorgesehen. Dieser Entwurf für eine Änderung der Kommunalverfassung wurde aber von unserem Koalitionspartner leider nicht mitgetragen, sodass er nicht das Licht dieses Saals erblickt hat.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, weil sie Ihren Antrag abgelehnt haben, lehnen Sie unseren ab! Ach, das ist wieder das Theater!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister in Vertretung des Innenministers hat eigentlich schon alles Wesentliche gesagt, auch Frau Tegtmeier. Deshalb will ich auch gleich zum Kern kommen. Es geht ja im Kern darum, ob wir aus einer Kannbestimmung eine Sollbestimmung machen, also es verpflichtend vorschreiben. Ich glaube, wir sind die letzten Jahrzehnte gut damit gefahren, dass wir den Kommunen in ihrem eigenen Hoheitsbereich die Entscheidungskompetenz übergeben, ob sie solche Beauftragten oder Beiräte einführen. Es gibt da viele gute Beispiele, auch auf Kreisebene, auch auf kommunaler Ebene.
Das jetzt hier verpflichtend zu tun, halten wir für den falschen Weg. Wir glauben, es gibt ja auch durchaus, wenn man, ich bin ja selbst auch Stadtvertreter und Kreistagsmitglied, man muss ja auch nicht alles institutionalisieren, Frau Bernhardt. Es gibt ja durchaus Möglich
keiten, das werden Sie aus der Kommunalpolitik auch kennen, dass man mit Jugendlichen, mit Behinderten, mit Senioren auch außerhalb solcher Beiräte, eigentlich ist das ja auch die Regel, ins Gespräch kommt,
ob man in ein Pflegeheim, in ein Altenheim geht, ob man in den Jugendklub mehrmals jährlich geht. Ich weiß, Herr Ritter macht das in Stavenhagen auch. Ich selber bin auch öfter in Stavenhagen in den Jugendklubs unterwegs. Dort hört man die Probleme und Nöte der Betroffenen auch vor Ort an.
Ich glaube, es ist gut, dass wir das so handhaben, dass wir das in die Entscheidungshoheit der jeweiligen Kommune geben. Das hat am Ende, darauf ist, glaube ich, Frau Tegtmeier eben auch eingegangen, auch etwas mit Größe zu tun. Nun braucht vielleicht eine Gemeinde mit 500 Einwohnern, da sind die Bedürfnisse vielleicht anders als in einer Gemeinde von über 10.000 Einwohnern.
Und das will ich zum Gesetzentwurf noch sagen: Wenn wir so eine verpflichtende Bestimmung einführen, Frau Bernhardt, dann hat das auch etwas mit Kosten zu tun, und dann kann man das nicht so einfach machen, wie in Ihrem Gesetzentwurf unter „D Kosten Keine“. Wenn wir so etwas machen ‒ wir kennen das von den Amtsjugendwarten und Amtswehrführern ‒, dann muss das Land dafür auch die Kosten übernehmen, dann gehört hier auch eine vernünftige Kostenabschätzung dazu und was es das Land am Ende kostet.
Das fehlt in diesem Gesetzentwurf auch. Und deshalb glauben wir, dass das wie bisher die gelebte Praxis ist.
Natürlich kann man an der einen oder anderen Stelle auch als Mitglied darauf hinwirken, dass die Beteiligung verbessert wird. Ich glaube, es ist aber gut und richtig, dies in der Entscheidungshoheit der Kommunen zu belassen, und deshalb werden wir Ihren Gesetzentwurf auch nicht überweisen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Nach der Debatte kann ich nur sagen, es ist schade, dass Sie die Chance verpassen, diesen Gesetzentwurf im Ausschuss gemeinsam mit Experten zu diskutieren.
Und ich würde jetzt noch mal zu einigen Debattenbeiträgen etwas sagen. Zunächst will ich anfangen mit der AfD. Ich könnte Ihnen sagen, dass, wenn Sie sagen, dass Kinder und Jugendliche eine fehlende Urteilsfähigkeit haben, könnte ich Sie fragen, worauf Sie das begründen. Wenn Sie sagen, dann könnten ja auch Senioren kommen, könnte ich Sie daran erinnern, dass es seit zehn Jahren ein Landesseniorenmitwirkungsgesetz gibt, wo genau die Mitwirkung von Senioren besprochen ist. Ich
könnte ebenso sagen, wenn Sie meinen, wir machen das aus reinem Eigennutz, Sie an wissenschaftliche Studien erinnern, wonach belegt ist, dass gerade Kinder und Jugendliche, wenn ihnen ein Wahlrechtsalter ab 16 zusteht, sie eher kleinere Parteien wie die GRÜNEN wählen und mitnichten DIE LINKE davon profitiert.
Das alles könnte ich Ihnen sagen. Aber wissen Sie, ich möchte eigentlich die Jugend gerne zu Wort kommen lassen, und ich finde, mein Sohn, der diese Debatte verfolgt, fasst es gut zusammen.
Ich zitiere ihn: „Kein Wunder, dass du die AfD blöd findest, wenn die immer so einen Blödsinn reden!“