(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Kaum ist er gewählt, schon ist er weg hier. Schön, dass du hier redest!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will darauf hinweisen, dass der Innenminister in höchster Mission in der Bundesrepublik Deutschland unterwegs ist
und mit dem Bundesinnenminister und weiteren 15 Länderkollegen die innere Sicherheit in Deutschland bespricht. Von daher vertrete ich ihn heute gern.
Ja, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, die Corona-Pandemie bringt viele Einschränkungen, aber auch Herausforderungen mit sich. Die meisten von uns erleben diese Einschränkungen auch im politischen Betrieb, und der Landtag ist einer davon. Weniger Veranstaltungen, weniger Diskussion, weniger Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern, das ist für viele Kolleginnen und Kollegen auch frustrierend. Wir können nicht alle Menschen erreichen, und andererseits drückt die Zeit. Wir müssen uns auch vorbereiten auf Bundestags- und Landtagswahlen.
Letztlich wirkt sich die Corona-Pandemie auch auf den Kernbestand des politischen Betriebes in MecklenburgVorpommern aus. Und das Stichwort heißt „Wahlen“. Wahlkreismitgliederaufstellung, Listenparteitage, kommunale Wahlen wie Landes- und Bundestagswahlen, das alles ist durch einen kleinen Virus, den man nicht sehen kann, verursacht und betrieben worden im wahrsten Sinne des Wortes. Bundes- und Landtagswahlen sind zwar erst im September wahrscheinlich, bis dahin haben wir die Pandemie durch hoffentlich eine gelungene Impfkampagne im Griff. Nichtsdestotrotz müssen wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten, und im schlimmsten Fall heißt es auch, die Wahlen vollständig als Briefwahl durchführen zu müssen.
Noch dringender notwendig sind Regelungen für Parteiveranstaltungen, da die Kandidaten zu den genannten Wahlen rechtzeitig aufgestellt werden müssen. Die Satzungen der Parteien sehen grundsätzlich Präsenzpflicht, viele Nominierungsveranstaltungen und Listenparteitage vor. Ich muss niemandem erläutern, dass dieses Vorhaben natürlich in Pandemiezeiten „äußerst“ trivial ist und natürlich auch dafür sorgt, dass – mein Kollege Ehlers hat das schon angekündigt oder angedeutet –, dass viele Listenaufstellungen oder vor allen Dingen Direktkandidatenwahlen verschoben werden mussten. Das ist eine Folge von Covid-19, aber wir brauchen für den Ernstfall eben Lösungen. Und von daher ist es richtig, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag jetzt im verkürzten Verfahren in den Landtag einbringen, um dafür zu sorgen, dass wir rechtzeitig dann auch die Möglichkeiten haben, Verordnungen auf den Weg zu bringen und dafür zu sorgen, dass wir uns auch an die Bundesvorgaben mit anlehnen. Das hat jedenfalls der Innenminister vor.
Meine Damen und Herren, es ist so, dass wir natürlich einerseits die Fragen zu beantworten haben, in Rechtsverordnungen und im Landes- und Kommunalwahlgesetz abweichende Regelungen zu treffen, um die fristgerechte Vorbereitung und Durchführung von Wahlen zu ermögli
chen. Diese Rechtsverordnung kann dann erlauben, dass Wahlbewerber aufgestellt werden, die ohne die eigentlich gesetzlich vorgesehenen Versammlungen und abweichend von den jeweiligen Parteisatzungen benannt wurden. Auch die Anforderungen an die Unterstützungsunterschriften können abgesenkt werden, und zu guter Letzt wäre auch eine reine Briefwahl möglich.
Das Wichtigste an dem gesamten Regelwerk ist aber, es geht nicht ohne das Parlament. Der Landtag würde nicht nur den Startschuss für die Erarbeitung der Verordnung geben, er müsste darüber durchaus auch über die Verordnung bestimmen, und er müsste vor allen Dingen zustimmen, damit sie Rechtskraft erlangt. Und falls der Landtag nicht rechtzeitig zusammentreten kann, übernimmt sein Wahlprüfungsausschuss diese Aufgabe. Der Bundestag hat das für sich bei dem Bundestagswahlverfahren ebenfalls durch Verordnungsermächtigungen auf den Weg gebracht.
Die Bundesregierung erarbeitet zurzeit einen Verordnungsentwurf. Darauf wartet das Land MecklenburgVorpommern auch, um sich dann an diesem Verordnungsentwurf auf der Bundesebene anzulehnen. Es geht ja nicht darum, den schönsten Preis zu bekommen, sondern es geht darum, einheitliche Verordnungen abgestimmt auf den Weg zu bringen. Von daher, denke ich, ist es richtig, dass Sie der Überweisung in den zuständigen Innenausschuss durchaus entsprechen sollten. Das ist jedenfalls meine Empfehlung. Und von daher wünsche ich Ihnen natürlich im Ausschuss entsprechend gute, vor allen Dingen aber auch schnelle Beratungen, und ich denke, dass die Fraktionsvorsitzenden schon dafür sorgen werden.– Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir lehnen den Antrag ab, sind jedenfalls dagegen. Zur Begründung kann ich mich gleich auf das beziehen, was mein Kollege Schneider zu Tagesordnungspunkt 8, Gesetz zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der Kommunen, bereits ausgeführt hat.
Meine Damen und Herren, was ist eigentlich zurzeit im Umlauf und die Vorstellung von einer Naturkatastrophe oder einem ähnlichen Ereignis höherer Gewalt, das es uns unmöglich macht, Wahlen und Versammlungen dazu im Vorfeld durchzuführen? Wir leben in einer Region, wo es Naturkatastrophen eines solchen Ausmaßes, wie sie dafür vorliegen müssten, schlechthin nicht gibt. Es gibt ja weder Tsunamis noch Erdbeben, die daran denken lassen, dass keine Versammlungen stattfinden können. Uns drohen auch keine Bombenangriffe.
Ja, eine das soziale Leben durch Infektionsschutzerfordernisse einschränkende Epidemie kann, wenn man das
denn sehr weit auslegt, als eine solche Naturkatastrophe angesehen werden, etwa bei längeren Ausgangssperren. Davon sind wir aber weit entfernt. Das Problem ist ganz einfach: Es geht uns zu gut. Wir sind mental verweichlicht
Eine Pandemie ohne Übersterblichkeit verängstigt ein ganzes Land. Das ist das eigentliche Problem. Die gleich hohen Risiken werden je nach Gewöhnung völlig unterschiedlich wahrgenommen. Das reicht für den in Anführungsstrichen fürsorglichen, fürsorglichen, von den Koalitionsparteien vorgesehenen Eingriff in die demokratischen Rechte der Parteien.
Eine Inzidenzzahl, die allein keine Aussagekraft hat, kann dann Anlass geben, diese Rechte auszusetzen.
Machen wir uns nichts vor, das, was so aussieht – und den ehrlichen Willen will ich Ihnen gar nicht absprechen, dass also Vorsorge getroffen werden müsse, um die Durchführung von Wahlen durch Erleichterungen von Verfahrensvorschriften abzusichern –, ist in der praktischen Auswirkung ein Programm für die etablierten Parteien, denn deren Strukturen sind gefestigt, auf Vertreterversammlungen ausgerichtet und Entscheidungsprozesse im Wege elektronischer Kommunikation unkomplizierter, wohl auch von oben möglicherweise steuerbarer als bei einer noch basisdemokratisch ausgerichteten Partei wie der AfD.
Und wenn die für den Notfall vorgehende Umstellung auf eine digitale Demokratie funktioniert, dann ist das Risiko nicht fern, dass daraus Stück für Stück Normalität wird, denn einmal eingespielt wird sich zeigen, dass mit der elektronischen Kommunikation ein neues Herrschaftselement entsteht, das neben seiner Effizienz auch neue Möglichkeiten der Beeinflussung eröffnet.
Der Gesetzentwurf läuft darauf hinaus, dass nach Feststellung des Landtags, dass wegen einer Naturkatastrophe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt die Durchführung einer Wahl ganz oder teilweise unmöglich ist, das Innenministerium ermächtigt wird, per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Landtags alle erforderlichen Regelungen zu treffen, um die Wahlen durchzuführen. Das heißt, wenn sich die Regierung und die sie tragenden Parteien einig sind, dass ein solcher Fall von höherer Gewalt vorliegt, kann das Innenministerium durch Verordnung faktisch das gesamte Wahlrecht aushebeln und auf digital umstellen. Ohne ins Detail zu gehen, hier liegt eine Generalermächtigung vor, die mit Fantasie und Kreativität fast alles ermöglicht, und zwar
mit Wirkung auch für die Opposition, unabhängig davon, ob diese von diesen Segnungen Gebrauch machen will oder diese strikt ablehnt. Das ist ein ungeheuerlicher Eingriff, wobei die Antragsteller, wie ersichtlich, bereits die derzeitige Situation als ausreichend ansehen, um den Katastrophenfall auszurufen.
Meine Damen und Herren, haben Sie wirklich keine Bedenken, dass Sie überhaupt erwägen, unter den gegenwärtigen Bedingungen der Corona-Pandemie derartige Eingriffe in den Kernbereich demokratischer Spielregeln als möglich anzusehen?! Der Schutz der Bevölkerung vor Infektionen kann hier bei einer vernünftigen Abwägung nicht ausreichen, um dringend notwendige Präsenzversammlungen der Parteien zu untersagen. Die Erfahrungen, die ich bisher machen durfte in den wenigen Telefon- und Videokonferenzen, reichen also jedenfalls aus, nach dem jetzigen Stand zu sagen, das kann bei Weitem eine Präsenzversammlung nicht ersetzen. Das ist schwierig. Das ist keine Kommunikation, wie wir sie gewohnt sind, und insbesondere an manchen Stellen funktioniert das gar nicht, weil kein Internet besteht.
Nochmals, wir haben eine Pandemie, unser Lebensrisiko, statistisch, ob Sie es hören wollen oder nicht, minimal gefühlt erheblich erhöht, dieses Risiko kann jeder in eigener Verantwortung durch Beachtung der Abstandsregeln wesentlich minimieren. Wir tummeln uns in Einkaufszentren, sitzen in Nah…
Was soll denn dieser Einwand?! Wenn sie im Krankenhaus sind auf der Intensivstation, dann kommen sie ohnehin nicht in Betracht, und das gibt neben den CovidPatienten noch andere hier, die auf den Intensivstationen sind.
Wir tummeln uns in Einkaufszentren, sitzen in Nahverkehrsmitteln eng zusammen und kommen bei der Arbeit und im privaten Bereich mit anderen Menschen zusammen. Nur zur Wahl gehen oder an einer Wahlversammlung teilnehmen, das soll nicht möglich sein.
Die AfD hat jüngst – und mein Kollege Schneider hat das Beispiel ja auch zu Recht erwähnt – wahrscheinlich zum Bedauern des politischen Gegners bewiesen, dass ein Parteitag mit 600 Delegierten
(Julian Barlen, SPD: Otto von Bismarck hätte sich gefreut. – Sebastian Ehlers, CDU: Das war eine schöne Vorlage gerade. – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)
Nochmals: Wenn ein Parteitag mit 600 Delegierten mühsam und unter Beachtung der Hygienebestimmungen von Leuten, die Sie Corona-Leugner nennen, wenn die also vernünftig da einen solchen Parteitag abhalten können, da muss es doch bei Ihnen, wo Sie so extrem friedlich, demokratisch und sachlich sind, doch ohne Weiteres gehen.