Protocol of the Session on October 28, 2020

(Dietmar Eifler, CDU: Aha!)

Der Paragraf 50 des Haushaltsgrundsätzegesetzes sowie die Paragrafen 9 und 14 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft geben bundesgesetzlich vor, dass mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes auch der mittelfristige Finanzplan jährlich dem Parlament vorgelegt werden muss. In MecklenburgVorpommern wird nach Paragraf 12 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung der Haushaltsplan im Gegensatz zum Bund für zwei Jahre aufgestellt. Die Landesregierung leitet daraus ab, dass auch die Mittelfristige Finanzpla

nung nur alle zwei Jahre dem Parlament vorzulegen und zu veröffentlichen ist.

Es gibt zwei wesentliche Argumente, die der Auffassung der Landesregierung entgegenstehen:

Erstens die juristische Argumentation. Es gibt ein wegweisendes Urteil vom 22. November 2005 des Verfassungsgerichtshofes Berlin, in dem die Pflicht einer jährlich weitergeschriebenen Finanzplanung hervorgehoben wird. Zwar hat dieses Urteil Bindungswirkung nur für Berlin, es besitzt aber, wie in der Fachliteratur hervorgehoben wird, auch eine Signalwirkung für alle Länder mit zweijähriger Haushaltsgesetzgebung. Nach dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ist der Finanzplan jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen. Es wird hervorgehoben, dass die Regel auch für die Haushaltswirtschaft der Länder gilt. Ergänzend verpflichtet der Paragraf 31 Absatz 1 unserer Landeshaushaltsordnung den Finanzminister ausdrücklich, nach den Bestimmungen des oben genannten Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sowie des Haushaltsgrundsätzegesetzes zu handeln. Es ist also das Recht des Parlamentes, einen aktualisierten Finanzplan für die Jahre 2020 bis 2024 zu verlangen.

Zweitens die inhaltliche Argumentation. Eine Mittelfristige Finanzplanung umfasst laut Lexikon der öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft die Finanzplanung einer Struktureinheit über insgesamt mindestens fünf Jahre. Dies betrifft das nicht abgeschlossene Vorjahr, das aktuelle Jahr und drei weitere Jahre. Mecklenburg-Vorpommern hat sich, wie einige andere Bundesländer auch, sogar für ein viertes Jahr in der Zukunft entschieden. Diese Planung wird jährlich neu erstellt und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst. Der Sinn dieser Mittelfristigen Finanzplanung liegt in der planerischen Übersicht der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben. Dabei sind die geplanten Investitionen besonders zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit einer jährlichen Fortschreibung ergibt sich aus der damit möglichen jährlichen Berücksichtigung neuer Rahmenbedingungen und aktueller wirtschaftlicher Gegebenheiten. Die Daten der Mittelfristigen Finanzplanung ermöglichen somit eine rechtzeitige, angemessene finanztechnische Reaktion auf unerwartete oder außerordentliche Ereignisse und Entwicklungen, wie zum Beispiel die SARS-CoV-2-Pandemie.

Es ist also nicht so, dass unsere Forderung nach einer Fortschreibung der vorliegenden Mittelfristigen Finanzplanung aus 2019 eine formelle Frage ist. Nein, sie soll dem Parlament in der anstehenden Debatte zum zweiten Nachtragshaushalt 2020 verdeutlichen, in welche langfristig finanziellen Problemlagen wir als Land geraten könnten. Die Negativsalden – von der Regierung als Handlungsbedarfe verharmlost – belaufen sich in der Mittelfristigen Finanzplanung von 2019 bereits ab 2024 auf insgesamt 530 Millionen Euro. Die jetzige Neuverschuldung durch beide Nachtragshaushalte und die voraussichtlichen Mindereinnahmen der kommenden Jahre laut Steuerschätzung werden diese Handlungsbedarfe nochmals deutlich ansteigen lassen. Wir möchten mithilfe der Finanzplanung wissen, auf welche voraussichtlich zu erwartenden Werte.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Mit dem Antrag „Konsolidierungsmöglichkeiten im laufenden Haushalt nutzen – Einsparungen durchsetzen“,

Drucksache 7/4925 vom April dieses Jahres, forderten wir frühzeitig haushalterische Sparmaßnahmen, um die Neuverschuldung auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen. Mit dem Antrag „Mittelfristige Finanzplanung 2020 bis 2025“, Drucksache 7/4998 vom Mai dieses Jahres, forderte die AfD-Fraktion die Regierung auf, die Mittelfristige Finanzplanung der aktuellen Entwicklung anzupassen und noch in diesem Jahr dem Parlament vorzulegen. Leider wurden beide Anträge durch die anderen Fraktionen des Parlaments abgelehnt.

In der damaligen Debatte sagte der Finanzminister, ich zitiere: „… wir reden dann im Herbst über den zweiten Nachtragshaushalt. Wir reden dann natürlich auch über die Mittelfristige Finanzplanung …“, Zitatende. Auf die schriftliche Nachfrage unseres Fraktionsvorsitzenden, ob diese Aussage bedeute, dass es eine Fortschreibung der Mittelfristigen Finanzplanung geben werde, hat der Finanzminister es nicht für nötig befunden zu antworten. Das ist ein grober Verstoß von Minister Reinhard Meyer gegen Artikel 40 Absatz 2 Satz 1 unserer Landesverfassung und eine Missachtung unseres Parlaments.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir als Parlamentarier haben ein Recht auf die Vorlage einer jährlichen Mittelfristigen Finanzplanung, wir haben ein Recht darauf, über den finanzpolitischen Kurs frühzeitig informiert zu werden, wir haben ein Recht, über wichtige Ausgaben im Kernhaushalt mitzubestimmen.

Der Entwurf des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 enthält bereits eine Reihe von Angaben zur Finanzplanung. Hierzu gehören die Steuermindereinnahmen von 1,55 Millionen Euro von 2020 bis 2021, die Steuermindereinnahmen von 2022 bis 2024 von 1,42 Millionen Euro, die Kofinanzierung des Bundeskonjunkturprogramms 2020 bis 2024 von 486 Millionen Euro, die Tilgungen für 2025 bis 2044 in Höhe von 142,5 Millionen Euro, die Krankenhausinvestitionen und so weiter und so fort. Sie kennen das alles bereits. Diese Form der Darstellung ist aber Stückwerk und nicht geeignet, dem Parlament eine finanzpolitische Orientierung zu geben. Das Parlament braucht für den Zeitraum 2020 bis 2024 Übersichten zu „Bereinigte Gesamteinnahmen“, „Entnahmen aus Rücklagen“, „Einnahmen von der EU“, „Bereinigte Gesamtausgaben“, „Personalausgaben“, „Versorgungsausgaben“, „Zinsausgaben“ und „Handlungsbedarfe“. Das Parlament braucht keine vom Kernhaushalt verselbstständigte Sondervermögen. Das Parlament muss die Kontrolle über den Haushalt behalten.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Und wir müssen heute bereits vorausschauen und dem neuen Parlament ab Herbst 2021 die Möglichkeit einräumen, eigenständig über Ausgaben und politische Prioritäten in Abhängigkeit von der Einnahmesituation zu entscheiden.

Warum legt die Regierung keine Fortschreibung der Mittelfristigen Finanzplanung vor? Aus Sicht meiner Fraktion ist klar, die Fortschreibung der Mittelfristigen Finanzplanung würde nämlich deutlich machen, in welche finanzielle Misere die Regierung das Land führt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Bedienung der Zinsen, derzeit rund 200 Millionen Euro, die Kredittilgungen, 142,5 ab 2025, und die Zahlungen der nicht gedeckten Versorgungslasten in Höhe von 8,3 Milliarden Euro werden die künftigen Haushalte belasten und künftige Parlamente in ihren Handlungsspielräumen strangulieren.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sollten Sie diesen Weg der Konsolidierung in Abstimmung mit den anderen Ländern aber nicht gehen wollen, dann bleibt eigentlich nur eine andere Lösung, nämlich die angeheizte Inflation.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wenn Sie, Herr Minister, einen dritten Weg gehen wollen, so sind wir gespannt, wie dieser aussehen soll.

Kommen wir zur Frage, warum gerade in diesem Jahr die Vorlage eines aktualisierten Finanzplans, also eine Überarbeitung der Mittelfristigen Finanzplanung, so wichtig ist.

(Dietmar Eifler, CDU: Jetzt wird es spannend.)

Die Frage lässt sich kurz und präzise beantworten: weil die kalkulatorischen Annahmen, auf deren Grundlage die vorliegende Finanzplanung vom Juli 2019 erstellt wurde, in diesem Frühjahr durch die Folgen der Corona-Krise komplett über den Haufen geworfen wurden. Kurz: Die Annahmen vom Juli 2019 waren damals schon zu optimistisch und stimmen heute schlichtweg überhaupt nicht mehr. Angesichts der Corona-Pandemie und dem Versiegen der bisher scheinbar immerwährend sprudelnden Steuereinnahmen werden die strukturellen Ausgabenbindungen der Regierung aus dem Doppelhaushalt 2020/21 für die kommenden Jahre zu einer dauernden Belastung, nahezu einer schweren Hypothek für den Landeshaushalt, denn sowohl Einnahme- als auch Ausgabensituation haben sich drastisch verschlechtert.

Die Bundesregierung erwartete im Frühjahr einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr um 6,3 Prozent. Die Interimssteuerschätzung vom September bestätigt die Einnahmeeinbrüche, und ich erwarte vom Finanzministerium noch im Laufe der Beratungen zum zweiten Nachtrag 2020, dass die Daten der Novembersteuerschätzung vorgelegt und in den Entwurf eingearbeitet werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst für die Landesregierung der Finanzminister Herr Meyer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nun die Landeshaushaltsordnung geändert werden. Die AfD-Fraktion will die Landesregierung verpflichten,

die Mittelfristige Finanzplanung abweichend von der bisherigen Regelung jährlich vorzulegen. Soweit zum Antrag. Und die spannende Frage: Was soll man nun dazu sagen? Am besten passt der Titel einer meiner Lieblingsfilme „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

(Heiterkeit bei Ann Christin von Allwörden, CDU)

Und heute, meine Damen und Herren, ist wieder „Murmeltiertag“. Bereits am 15. Mai und noch verstärkt am 11. Juni, Herr Dr. Jess, haben wir an dieser Stelle darüber debattiert, aber es ist nicht besser geworden. Sie haben jetzt das, was Sie verbal als Anträge gestellt haben,

(Zuruf von Jörg Kröger, AfD)

in einen Gesetzesantrag gestellt, aber die Argumentation bleibt die gleiche.

Natürlich ist es richtig, wenn der Bund seine Finanzplanung jährlich vorlegt. Das hat natürlich einen Hintergrund. Anders als wir legt der Bund auch jährlich Haushaltspläne vor. Wir hingegen haben einen Doppelhaushalt. Das bedeutet, dass das Parlament die Ausgaben für zwei Jahre festlegt. Und im Gegensatz zum Doppelhaushalt, den das Parlament in Form des Haushaltsgesetzes beschließt, wird die Finanzplanung zunächst einmal nur zur Kenntnis genommen. Sie hat Programmcharakter, aber natürlich dient sie als Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Bewertung einnahme- und ausgabenwirksamer Maßnahmen.

Nun ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Finanzplanung einen Zeitraum von fünf Jahren abbilden muss. Wir legen dem Parlament daher die Finanzplanung zeitgleich mit den jeweiligen Beschlüssen zu den Doppelhaushalten vor und dann immer für sechs Jahre, also in 2019 für die Jahre 2020 bis 2024, sodass es entsprechend einen Überblick gibt. Damit hat das Parlament auch im zweiten Haushaltsjahr einen Ausblick auf die gesamten fünf Jahre. Und was würde passieren, wenn wir Ihnen die Finanzplanung jährlich vorlegten? Eigentlich nichts. Ich rede über den Gesetzesantrag. Statt alle zwei Jahre einen Ausblick auf die nächsten sechs Jahre erhielten Sie jedes Jahr einen Ausblick auf die kommenden fünf Jahre. Ein echter Gewinn!

Meine Damen und Herren, im ersten Jahr des Doppelhaushaltes ist das erste Jahr der Prognose dann identisch mit dem beschlossenen Haushalt. Einen wirklichen Mehrwert kann ich beim besten Willen nicht erkennen, denn der entscheidende Punkt, meine Damen und Herren, der steht schon in der Landeshaushaltsordnung, und das ist die klare Verpflichtung der Landesregierung, bei allen erheblichen Änderungen der Haushaltsentwicklungen und deren Auswirkungen auf die Finanzplanung Sie, liebe Abgeordneten, zu unterrichten. Und genau das tun wir. Das tun wir im Finanzausschuss, das machen wir hier im Plenum. Und insofern machen wir das regelmäßig. Vorhaltungen, das würde nicht geschehen, man könnte das nicht beurteilen, weise ich an der Stelle eindeutig zurück, denn wir machen das regelmäßig, zumindest im Finanzausschuss und im Plenum hier. Ich habe auf die Daten hingewiesen: Im Mai, im Juni haben wir natürlich immer wieder über die Haushaltssituation geredet.

Und gerade in diesen Zeiten haben wir als Landesregierung auch ein Interesse daran, gemeinsam mit Ihnen zu beraten und Sie auch entsprechend zu informieren. Wir

machen das bei den Steuerschätzungen, das haben wir offengelegt, wir machen das bei den Vorlagen eines Entwurfs für den Nachtragshaushalt: erster Nachtragshaushalt 2020, zweiter Nachtragshaushalt 2020, dann zusammen mit dem Nachtragshaushalt 2021 heute. Hier finden Sie alle Darstellungen zu den Auswirkungen auf den Finanzplan, ebenso wie Prognosen zur voraussichtlichen Entwicklung der Finanzwirtschaft vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. All das – streng genommen formal mit der Gesetzesänderung, wenn man ihr folgen würde – müssten wir dem Landtag dann gar nicht mehr vorlegen.

Herr Dr. Jess, ich weiß nicht, ob das die eigentliche Intention war. Ich gehe mal davon aus, nein.

Meine Damen und Herren, wir haben auch die Herausforderung klargemacht. Ich habe das heute in meiner Rede zur Einbringung der beiden Nachtragshaushalte auch deutlich gemacht. Also auch an dieser Stelle wahren wir die Transparenz und die Offenheit und die Verpflichtung, Sie entsprechend zu informieren. Mein Fazit: Im Ergebnis ist die beantragte Änderung der Landeshaushaltsordnung weder notwendig noch systematisch sinnvoll. Eine Annahme des Gesetzentwurfes kann ich aus Sicht der Landesregierung daher nicht empfehlen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion Folgendes: Die Mittelfristige Finanzplanung wird dem Landtag seit jeher zusammen mit der Einbringung des Haushalts vorgelegt, seitdem ein Doppelhaushalt aufgestellt wird, also alle zwei Jahre. Meine Fraktion hatte mit dieser Praxis auch grundsätzlich kein Problem. Das gilt sowohl für die Zeit der Regierungsbeteiligung als auch für die Zeit in der Opposition.

(Egbert Liskow, CDU: Das hört sich gut an.)

Die AfD-Fraktion möchte, dass nunmehr in jedem Jahr die Mittelfristige Finanzplanung vorgelegt wird. Die Argumente und insbesondere die Entscheidungsgründe des Verfassungsgerichtshofes Berlin nehmen wir aber auch ernst, obwohl das Urteil bereits 15 Jahre alt ist und jedenfalls bislang nicht nennenswert nach MecklenburgVorpommern ausgestrahlt hat.

(Egbert Liskow, CDU: Doch, jetzt!)