Protocol of the Session on September 8, 2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 99. Sitzung des Landtages. Die Landesregierung hat gemäß Paragraf 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung verlangt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 99. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 99. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die heutige Sitzung die Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der parlamentarischen Sommerpause wurden uns die traurigen Nachrichten übermittelt, dass die ehemaligen Mitglieder des Landtages Mecklenburg-Vorpommern Hermann

Bollinger und Erhard Bräunig verstorben sind.

Hermann Bollinger gehörte dem Landtag in der 1. und 2. Wahlperiode und noch einmal von 2001 bis 2002 an. Er war Mitglied der CDU-Fraktion. Von 1990 bis 1994 war er Vorsitzender des Innenausschusses. Unter seinem Vorsitz wurden während der 1. Wahlperiode die gesetzlichen Grundlagen für alle wesentlichen Bereiche der Innenpolitik in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen. Der Ausschuss hatte in diesen vier Jahren dem Plenum 63 Gesetzentwürfe zur Beschlussfassung vorgelegt und 42 Gesetzentwürfe mitberatend erörtert.

Erhard Bräunig war von 1998 bis 2001 Mitglied des Landtages, der SPD-Fraktion. Er war außerdem von 1993 bis 1994 Landrat des Landkreises Grevesmühlen und von 2001 bis 2008 Landrat des Landkreises Nordwestmecklenburg.

Im Namen des Landtages spreche ich den Angehörigen unser tief empfundenes Beileid aus. Ich darf Sie bitten, sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle noch ein organisatorischer Hinweis. In der Sommerpause wurde im dritten Zwischengeschoss oberhalb der Lobby eine komplette Erneuerung der Deckenkonstruktion notwendig. Diese ist nun abgeschlossen. Ebenfalls im Rahmen dieser umfangreichen Baumaßnahmen wurde in diesem Zusammenhang der Tresen der ehemaligen gastronomischen Versorgung im Bereich der Lobby zurückgebaut. Die Versorgung wird künftig im Schlosscafé des Schlossgartenflügels in gewohnter Qualität umfangreich angeboten. Mit Beginn der regulären parlamentarischen Sitzungswochen, das bedeutet also, heute noch nicht, wird in der Lobby eine adäquate Versorgung angeboten. Heute können Sie sowohl das Essen als auch die Getränke im Schlosscafé erhalten. Dort ist ein Fernseher aufgebaut und die Landtagssitzung wird dorthin übertragen.

Ich freue mich, dass ich auch noch eine weitere positive Nachricht übermitteln darf, und möchte unserem Kollegen Detlef Müller nachträglich ganz herzlich zu seinem runden Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU,

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Vielen Dank. –

Gern, Herr Müller. –

Niemand sagt das Alter. –

Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD –

Gratulationen)

Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2016/2017, auf Drucksache 6/4199, in Verbindung mit der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Haushaltsgesetzes 2016/2017 und eines Verbundquotenfestlegungsgesetzes 2016/2017, auf Drucksache 6/4200, in Verbindung mit der Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Mittelfristige Finanzplanung 2015 bis 2020 des Landes Mecklenburg-Vorpommern einschließlich Investitionsplanung, auf Drucksache 6/4198.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Haushalts- begleitgesetzes 2016/2017 (Erste Lesung) – Drucksache 6/4199 –

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Haushaltsgesetzes 2016/2017 und eines Verbundquotenfestlegungs- gesetzes 2016/2017 (Erste Lesung) – Drucksache 6/4200 –

Unterrichtung durch die Landesregierung Mittelfristige Finanzplanung 2015 bis 2020 des Landes Mecklenburg-Vorpommern einschließlich Investitionsplanung – Drucksache 6/4198 –

Das Wort zur Einbringung hat die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Heike Polzin. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Man könnte meinen, die Finanzministerinnen und Finanzminister in der Bundesrepublik hätten zurzeit gut lachen. Der Staatshaushalt erzielte zur Jahresmitte einen zweistelligen Milliardenüberschuss, die Zinsen sind im Keller und auch vom Arbeitsmarkt gibt es nahezu durchweg gute Nachrichten. Eitel Sonnenschein beim Blick auf die finanzielle Großwetterlage, so will es scheinen, allerdings sollten auch die Wolken am Konjunkturhimmel nicht ignoriert werden.

Zu dem Milliardenüberschuss trugen die einzelnen Bundesländer mit gerade mal 500 Millionen Euro bei und auch dieses Plus war bis Ende Juli fast aufgebraucht. Die Börsen kämpfen weltweit mit heftigen Turbulenzen, das Wachstum in den Schwellenländern schwächelt und auch die Eurokrise ist keineswegs ausgestanden. Wer jetzt, von Euphorie beflügelt, große neue, dauerhafte Ausgabenprogramme anschiebt, der dürfte in naher Zukunft ein böses Erwachen erleben. Sie wissen, dass

das nicht der Stil in der Finanzpolitik unseres Bundes- landes ist, und damit waren wir die letzten Jahre gut beraten. Dieses Jahr werden wir es wahrscheinlich das zehnte Mal in Folge schaffen, den Haushalt ohne neue Schulden auszugleichen. Das ist das Ergebnis einer verantwortungsbewussten Ausgabenpolitik

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

und es wird Sie sicher nicht überraschen, dass wir auch mit dem vorliegenden Entwurf des Doppelhaushaltes von diesem Pfad der Tugend nicht abweichen. Das bedeutet, keine neuen Kredite – nicht 2016 und auch nicht 2017. Das ist eine Leistung des gesamten Kabinetts, die ich nicht hoch genug bewerten kann, denn all den Jubelmeldungen über steigende Steuereinnahmen zum Trotz, mit dem Auslaufen der Mittel aus dem Solidarpakt haben die ostdeutschen Bundesländer ein ungleich schwereres Päckchen zu tragen, um im Jahr 2020 die Schuldenbremse einhalten zu können. Sie können das jetzt gern als Kassenwartrhetorik abtun, aber die 600 Millionen Euro, die wir heute weniger haben als vor acht Jahren, sind nun mal ein Fakt, der sich nicht so einfach ausblenden lässt.

Dass wir es trotzdem schaffen, Ausgaben von über 7,8 Milliarden Euro ohne die Aufnahme neuer Schulden zu finanzieren, zeigten die Fortschritte der vergangenen Jahre, die sich letztlich auch bei den Steuereinnahmen niederschlagen. Allein im kommenden Jahr rechnen wir mit einem Steuerplus gegenüber dem laufenden Jahr von über 240 Millionen Euro. Diese Entwicklung ist bemerkenswert und ein Erfolg, der nicht unwesentlich mit den Entscheidungen der vergangenen Jahre zusammenhängt: Hohe Investitionsausgaben, Verbesserungen bei Schulen und Hochschulen, die Förderung von Kindern und damit ein wichtiger Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, all das sind wichtige Beiträge zur Landesentwicklung, die sich letztlich auch bei den Einnahmen niederschlagen.

Und dieser Linie, Schwerpunktsetzung mit Augenmaß, bleiben wir mit dem aktuellen Entwurf des Doppelhaushaltes treu. Wir führen den erfolgreichen Weg der vergangenen Jahre fort. Wir wollen die Ausgaben für Bildung von der Krippe bis zur Hochschule sowie für In- frastruktur- und Wirtschaftsentwicklung noch einmal steigern. Und auch die Kommunen wollen wir nicht im Regen stehenlassen. In diesem wichtigen Bereich wird es, wie schon in den Vorjahren, Sonderleistungen geben, die deutlich über den Finanzausgleich hinausgehen. Nur eines wollen wir nicht, neue Schulden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Haushalt ist auch das Produkt seiner Vorgänger. Wir haben dauerhafte Ausgabenprogramme immer mit der Fragestellung abgewägt, ob wir das, was wir uns heute leisten wollen, auch morgen noch leisten können. Wir haben viele Leistungen auf den Prüfstand gestellt und wir haben Strukturen an absehbare Entwicklungen angepasst. Nur diese vorausschauende Politik hat es uns in den vergangenen Jahren ermöglicht, Schwerpunkte zu setzen, die für die Entwicklung unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind.

Zu den wichtigsten Entscheidungen, die getroffen wurden, zählen wohl ohne Zweifel unsere Personalkonzepte. Sie wissen, dass das Personal der größte Ausgabepos

ten des Haushaltes ist. Mehr als jeden vierten Euro geben wir für die Beschäftigten sowie für die Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen aus, und trotz des Personalabbaus steigen unter anderem aufgrund der Tarifabschlüsse unsere Kosten weiter. Erstmals werden wir mit dem Doppelhaushalt die Grenze von 2 Milliarden bei den Ausgaben überschreiten. Dennoch, um unsere Personalausgabenquote von knapp über 25 Prozent werden wir bundesweit von vielen noch beneidet. Es ist eben alles relativ.

Vor allem die alten Bundesländer kämpfen zunehmend mit steigenden Versorgungsausgaben. Dass uns für Mecklenburg-Vorpommern diese Probleme nicht in gleichem Umfang Sorge bereiten, ist auch ein Ergebnis klugen Handelns. Zum einen sind wir mit dem Mittel der Verbeamtung von Anfang an sehr sorgsam umgegangen, zum anderen, und das ist das Entscheidende, haben wir frühzeitig einen Versorgungsfonds aufgelegt, damit wir uns von den kurzfristigen Einsparungen bei den Sozialversicherungen nicht blenden lassen, denn anders als bei den Angestellten steht das Land für die Pension seiner Beamtinnen und Beamten gerade. Mit unserem Versorgungsfonds handeln wir langfristig, wir machen zukünftige Ausgaben transparent und wälzen diese Aufgaben nicht auf die kommenden Generationen ab.

Und transparent sind wir auch bei der Anlage dieser Mittel. Regelmäßig haben wir den Finanzausschuss über die Entwicklung des Versorgungsfonds informiert, zuletzt vor gut einem Jahr durch meinen Staatssekretär. So dürfte auch bekannt sein, dass wir bis Ende des vergangenen Jahres eine Rendite von rund 6 Prozent erzielen konnten. Allerdings spüren wir jetzt auch die Schattenseiten des niedrigen Zinsniveaus. Als der Fonds aufgelegt wurde, gingen wir in unserem Modell von einer durchschnittlichen Verzinsung von 4,5 Prozent aus. Die ist mittlerweile in weiter Ferne.

Um die Versorgungslasten aus dem Sondervermögen zahlen zu können, hätten wir jetzt genau drei Möglichkeiten:

Erstens. Wir gehen ein höheres Anlagerisiko ein.

Zweitens. Wir erhöhen die Abführung von momentan 20 Prozent der Bezüge.

Oder aber drittens, und das ist die Möglichkeit, die wir Ihnen als Lösung im Haushaltsgesetz vorschlagen, wir greifen künftig bei den Umschuldungen von Krediten auf diesen Fonds als Investor zurück. Das hat zwei große Vorteile: Zum einen verbleiben die Zinsen, die wir sonst an Banken zahlen würden, bei uns im Land, und zum anderen sichern wir damit das notwendige Wachstum der Pensionsrückstellung.

Eines muss ich dabei aber noch einmal klarstellen: Bei uns geht es nicht um versteckte zusätzliche neue Kredite, mit denen wir Haushaltslöcher stopfen wollen, uns geht es allein darum, dass die Pensionen weiterhin sicher bleiben.

Es ist noch gar nicht lange her, da sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (DIE GRÜNEN) nebulös, mit den Pensionen müsse etwas getan werden. Pensionskürzungen nahm er von dieser Forderung ausdrücklich nicht aus. Als Landesregierung in Mecklenburg-Vorpom- mern wollen wir diesen Weg nicht gehen, aber wir dürfen auch nicht erst handeln, wenn es zu spät ist.

Mit unserem Pensionsfonds sind wir Vorreiter in der gesamten Bundesrepublik, weil wir als einer der ersten diese Rückstellungen direkt aus dem Haushalt und nicht über Kredite finanzieren.

(Vincent Kokert, CDU: So ist es.)

Und diese Vorsorge schlägt sich auch in anderen politischen Entscheidungen nieder. So hat das Instrument des Versorgungsfonds auch dazu beigetragen, dass es aus finanzpolitischer Sicht vertretbar war, in unserem Land in die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern einzusteigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für den Bildungsbereich dürfte das eine der wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre gewesen sein, denn noch nie hatten wir in den letzten Jahren so viele Bewerbungen von Lehrerinnen und Lehrern, die in Mecklenburg-Vor- pommern arbeiten wollen. Das scheint ein deutliches Zeichen, dass der Lehrerberuf in unserem Land attraktiver geworden ist. Dazu haben neben der Verbeamtung auch die anderen Maßnahmen beigetragen, die mit dem im letzten Doppelhaushalt beschlossenen 50-MillionenPaket umgesetzt wurden. Und dieses Programm ist, wie Sie wissen, keine Einmalinvestition, diese Mittel stehen Jahr für Jahr zur Verfügung. Man sieht das recht deutlich, wenn man die Entwicklung der Bildungsausgaben der vergangenen Jahre vergleicht.

Der Entwurf des Haushaltsplanes sieht für das kommende Jahr Ausgaben von über 1,7 Milliarden Euro vor. Das sind fast 200 Millionen Euro mehr als noch vor vier Jahren. Ein wesentlicher Teil dieser Mehrausgaben geht nicht zuletzt auf zusätzliche Lehrerstellen zurück. Damit können wir auch die vielfältigen Herausforderungen bei der Inklusion in unseren Schulen erfolgreich angehen. Daher kann ich nicht verstehen, wenn einige in der Opposition stets bemüht sind, diese enormen finanziellen Anstrengungen kleinzureden. Ich glaube, niemand kann hier ernsthaft bestreiten, dass wir bei der Bildung in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt haben. Allein der Blick auf die Schulabgänger ohne Abschluss macht das deutlich. Seit 2008 hat sich die Quote derjenigen, die die Schule ohne Berufsreife verlassen, nahezu halbiert – Tendenz weiter fallend. Und ich kann Ihnen versprechen, dass wir an diesem wichtigen Punkt nicht nachlassen werden.

In den kommenden Jahren sollen die Ganztagsschulen weiter ausgebaut werden und das Angebot, den Schulabschluss an den Volkshochschulen kostenlos nachzuholen, erweitert werden. Förderung fängt, wie Sie alle wissen, aber nicht erst in der Schule an. In den Krippen, in den Kindertagesstätten und bei den Tagesmüttern unseres Landes wird ein wichtiger Grundstein für den weiteren Lebensweg gelegt.

Mit einer Betreuungsquote von 97 Prozent sind wir bundesweit an der absoluten Spitze. Um die Betreuung weiter zu verbessern, haben wir erst im vergangenen Monat den Betreuungsschlüssel zum insgesamt dritten Mal im Laufe dieser Legislatur abgesenkt. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ist eine Fachkraft für 15 Kinder verantwortlich. Und ich betone: Fachkraft! In unserem Land wollen wir frühkindliche Bildung mit einem hohen Anspruch an Standards sicherstellen. Uns geht es nicht allein um eine Betreuung. Daher sind die Zahlen, die die Bertelsmann Stiftung unlängst veröffentlicht hat und die

Mecklenburg-Vorpommern bundesweit auf einem hinteren Rang sehen, aus meiner Sicht das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Wir investieren viel in diese Frühförderung. Das zeigt sich auch darin, dass wir nicht nur Bundesgesetze umsetzen, um ausreichend Betreuungsplätze vorzuhalten. Wir wollen den Eltern bei uns im Land diesen Schritt erleichtern. Deshalb haben wir die Eltern bei den Beiträgen deutlich entlastet. Das sind im Übrigen ähnlich wie bei dem 50Millionen-Paket Ausgaben, die einmal verkündet wurden, nun aber in jedem Jahr finanziert werden müssen. Und wir reden hier nicht über kleine Summen. Wenn die Ausgaben im kommenden Jahr, wie im Entwurf vorgesehen, auf rund 194 Millionen Euro steigen, dann sind das über 70 Millionen Euro mehr als noch vier Jahre zuvor. Deutlicher lässt sich die Schwerpunktsetzung der Landesregierung wohl kaum mit Zahlen belegen.