Demokratie muss erfahrbar und erlebbar sein. Die Möglichkeiten, an demokratischen Entscheidungen teilhaben zu können, müssen auch von denjenigen als Chance verstanden und begriffen werden, die der Demokratie bisher mit Skepsis entgegengetreten sind. Die Verantwortung dafür liegt, das ist meine feste Überzeugung, zum großen Teil bei uns, bei den politisch Verantwortlichen, weil wir den Rahmen gestalten, wie das geschehen kann.
Rainer Prachtl ging seinerzeit bei seiner Festrede darauf ein, und ich möchte ihn mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren. Zitatbeginn: „Meinungsforscher weisen uns immer wieder darauf hin: ‚Die öffentliche Geringschätzung der Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie.‘ Das wird sichtbar – und das wissen Sie alle – an der großen Zahl der Nichtwähler, ich könnte noch ‚Protestwähler‘ hinzufügen, und an der geringen Zahl der Parteimitglieder der demokratischen Parteien in unserem Land, die ich mir wirklich viel, viel größer wünschte.“
„Viele Wähler sind abgekoppelt, weil sie davon ausgehen, dass sie ihre Lebenswirklichkeit nicht mehr wahrnehmen.“
„von ganz links oder ganz rechts Protestlust entfachen, die Extremisten, aber nicht der Demokratie nutzt.“
Sehr geehrte Damen und Herren, Rainer Prachtl hat aus meiner Sicht zutreffend beschrieben, wo der Ansatzpunkt gerade für uns und für die Politik ist.
Wir haben uns am gestrigen Tag anlässlich des anstehenden Volksentscheides schon mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt. Wir sollten diese mahnenden Worte ernst nehmen, denn wenn sich Menschen von der Politik abwenden, wenn sie die Chancen,
die ihnen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Verfassung unseres Landes bieten, weder ergreifen noch erkennen können, dann ist es vor allem auch unsere Aufgabe,
Da jetzt von der Fensterfront immerzu irgendwelche Zwischenrufe kommen: Ich finde, wir haben es in den letzten 20 Jahren wirklich gut hinbekommen, dass es einen Konsens zwischen den Demokraten gibt,
die sich gegen das wenden, was von der rechtsextremen Seite, auch in diesem Parlament, immer wieder vorgetragen wird.
Dazu gehört, dass wir mehr Mut haben sollten, jungen Menschen viel früher die Möglichkeit zur gesellschaftlichen und politischen Teilhabe einzuräumen.
Das wäre auch deshalb ein wichtiger Schritt, wenn wir hier noch mal über das Wahlalter mit 16 zur Landtags- und Bundestagswahl nachdenken. Dazu gehört, dass wir
Die Menschen in unserem Land wollen mitgestalten und mitentscheiden. Das erfolgreiche Volksbegehren zur Ge- richtsstrukturreform und die derzeit laufenden Bürgerbegehren zu den geplanten Theaterfusionen im Ostteil des Landes sind wichtige Indikatoren dafür, dass die Menschen sich einmischen wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Menschen wollen sich einmischen, sie wollen mitgestalten. Es geht darum – und zwar völlig unabhängig von der Frage, ob uns das passt, was sie inhaltlich vertreten –, das ernst zu nehmen und die Möglichkeiten einzuräumen, dass sie das auch umfassend tun können. Wenn wir das nicht tun, wenn wir dies nicht ernst nehmen und die Möglichkeiten nicht einräumen, dann wird das zur Frustration und zur Abwendung von demokratischer Teilhabe führen.
Und genau das ist eine wesentliche Aufgabe, die wir alle zusammen in diesem Parlament haben, sehr geehrte Damen und Herren.
Nun hat der Kollege Müller vorhin zu einer ganzen Reihe von inhaltlichen Punkten Stellung genommen und Sie haben richtigerweise auch darauf Bezug genommen, dass unsere Verfassung anders als andere Landesverfassungen inhaltliche Ziele beschreibt. Ich halte das übrigens für richtig und gut,
weil es einen Orientierungspunkt gibt, auch für die Arbeit hier im Parlament. Dass dabei ein Vertreter der die Landesregierung unterstützenden Fraktion eher das Positive herausarbeitet, kann ich nachvollziehen. Sie haben zumindest den Versuch der differenzierten Betrachtung gemacht,
aber dass Sie dem Kollegen Holter vorwerfen, er hätte das nicht getan, das habe ich zumindest in diesem Beitrag nicht so verstanden. Ich will auch den Versuch einer differenzierten Betrachtung zu einigen Punkten, die Sie vorgetragen haben, machen,
wobei ich als Oppositionsvertreter, Herr Müller, glaube, dass ich mir herausnehmen kann, vielleicht eher die problematischen Punkte zu benennen.
Sie haben die Arbeitslosigkeit angesprochen. Ich glaube, jeder hier im Hause freut sich darüber, dass sich die Arbeitslosenzahlen so entwickelt haben, wie sie sich derzeit oder in den letzten Monaten und schon seit geraumer Zeit entwickeln.
Ich freue mich aber überhaupt nicht darüber – und da hat Herr Müller ja die Zahl 4.000 genannt –, dass wir nach wie vor eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit haben, und dass es uns bei genau diesen 30.000 Menschen, die in unserem Land leben und die langzeitarbeitslos sind, nicht gelingt, sie gesellschaftlich – nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern gesellschaftlich – und auch politisch zu integrieren. Das ist ein Riesenproblem und da fehlen der Landesregierung im Augenblick die passenden Antworten, um das zu lösen. Die hat am gestrigen Tage auch Frau Hesse hier nicht gebracht.
man kann natürlich hergehen und sagen, gucken wir uns doch mal die problematische Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen an, die unter der Armutsgrenze leben. Wenn man da über ein Drittel redet, und das tun wir hier in diesem Land, dann kann man das nicht einfach abtun
Schon das Problem als solches ist nicht gelöst und das muss hier benannt werden, sehr geehrte Damen und Herren.