Protocol of the Session on June 3, 2015

Na, dass Ihnen das nicht passt, Herr Nieszery, weil Herr Burgdorf nicht das berichtet, was Sie gern möchten, das kann ich mir gut vorstellen. Anhören müssen Sie sich das auch.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war vorhersehbar, wollen wir mal so sagen.)

Ich zitiere ihn aus der Anhörung: „Ralph Burgdorf (Direk- tor des Amtsgerichts Pasewalk …): … Im Verwaltungsbereich ist es so, dass ich mittlerweile mit den Geschäftsleitern dreimal die Woche in die 54 Kilometer entfernte Stadt Anklam fahre. Dadurch ist uns knapp ein Arbeitstag verloren gegangen, den wir nicht rauskriegen,“

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

„der auch in der Pensenberechnung“ – das ist diese Personalberechnung – „für die Verwaltung nicht enthalten ist. Das heißt, die Bearbeitung in der Verwaltung verzögert sich generell. Die Reisekosten lasse ich mal außen vor, Kosten sollen ja nicht gespart werden.“

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

„Wir haben in Anklam kein Verwaltungszimmer. Wir haben in Anklam keine Anbindung an die IT, ist auch nicht vorgesehen, technisch machbar, aber ist nicht vorgesehen. Wir können in Anklam also nicht unsere Verwaltungssachen aus Pasewalk bearbeiten. Ist zu aufwendig.“

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

An einer anderen Stelle geht es weiter, wieder Zitat: „Verfahrensstaubeschwerden. Ich habe noch nie so viele Beschwerden erhalten wie derzeit. Täglich gehen Beschwerden in allen Bereichen ein. Ich würde die Abge

ordneten mal bitten, einen Tag ins Amtsgericht Pasewalk zu kommen.“

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dafür haben wir Amtsrichter.)

„Suchen Sie sich einen Tag aus. Einen Tag mal in der Poststelle. Einen Tag mal mitkriegen, welche Anrufe kommen und welchen Wortlaut diese Anrufe haben. Gerichtsvollzieher bräuchte ich vier, habe ich drei; bekomme täglich Ankündigungen von Schadensersatzforderungen, Dienstaufsichtsbeschwerden und so weiter und so fort.“

Aber er war nicht der Einzige, der aus seinen Erfahrungen berichtet hat. Wir haben auch Thomas Rehbein, Richter am Amtsgericht Ludwigslust, vorher in Hagenow, gehört. Er berichtet, wieder Zitat: „Wir sind mit 9,75 Kollegen von Hagenow und Ludwigslust nach Ludwigslust gezogen, sind jetzt in der ersten Phase 8,5. Das heißt, das Personal hat sich erstmal reduziert.“ 10 war ja übrigens die Messlatte, wo ein Gericht funktioniert. „Das heißt, das Personal hat sich erstmal reduziert. Wir werden aller Voraussicht nach im Sommer zwei weitere Kollegen verlieren und haben jetzt schon die Ansage seitens der Justizverwaltung, sprich des Präsidenten des Landgerichtes, dass wir da mit irgendwelchen Hilfeleistungen und Aushilfen nicht rechnen können. Das heißt, wir haben dann einen Zustand, wo uns dann vier bis fünf Kollegen fehlen werden. Und bildhaft gesprochen haben wir schon überlegt, ob wir dann dieses 4 mal 2 Meter lange weiße Stück Tuch anschaffen und an den Fahnenmast hissen, nämlich die berühmte weiße Fahne, die hier mehrfach auch in den Debatten eine Rolle spielte.“ Das ist die Zustandsbeschreibung aus den Amtsgerichten, sehr geehrte Damen und Herren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aus zwei.)

Das haben Sie schlicht und ergreifend mal zur Kenntnis zu nehmen aus der Praxis!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aus zwei Amtsgerichten.)

So ist die Situation.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aus zwei Amtsgerichten. – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Und jetzt gehen Sie her und sagen, wir machen die Augen zu vor dem Urteil des OVG.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Von Leuten, die offensichtlich nicht in der Lage sind, ihren Laden in den Griff zu kriegen.)

Wenn solche Situationen vor Ort angetroffen werden, was glauben Sie denn, wie die Präsidien der Amtsgerichte ihre Entscheidungen zur Verteilung der Aufgaben treffen werden? Da wird nichts mehr von dem übrig bleiben, was Ihnen, insbesondere den Abgeordneten der CDU aus den betroffenen Orten, zugesagt worden ist, sondern es wird genau das passieren, was hier von den LINKEN und uns prognostiziert worden ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sind Sie jetzt auch noch Hellseher, Herr Suhr?)

Auf absehbare Zeit werden diese Nebenstellen geschlossen werden oder geschlossen werden müssen. Das wird die Konsequenz sein, sehr geehrte Damen und Herren.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und das, was ich in der Tat nicht nachvollziehen kann, ist, dass Sie sich dieser Debatte vorhin beim Dringlichkeitsantrag noch nicht mal stellen.

Also zusammengefasst: Selbstverständlich werden wir dem Volksbegehren zustimmen. Und ich kann Ihnen sagen, genauso, wie viele aus diesem Hause, ich gehörte dazu, nicht davon ausgegangen sind, dass das Volksbegehren es schafft oder die Initiatoren es schaffen, weit mehr als 120.000 Unterschriften zu sammeln, gehe ich auch davon aus, dass so mancher möglicherweise überrascht sein wird am 6. September,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Schauen wir mal!)

wenn ein Drittel der Wahlberechtigten Ja sagt zum Volksbegehren. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Suhr.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Anklam steht noch ein Wegweiser, auf dem zu lesen ist: „Zur Agentur für Arbeit“ und „Zum Amtsgericht“. Der Wegweiser ist nur noch zur Hälfte richtig, leider ist es die falsche Hälfte. Was die Stadt nicht braucht, ist die Massenarbeitslosigkeit, symbolisiert durch die Agentur für Arbeit. Das bleibt. Dafür wird die Infrastruktur abgebaut, nicht etwa gestärkt, wie das in einer benachteiligten Region wie Vorpommern eigentlich sein müsste.

Angeblich soll die Degradierung des Amtsgerichtes zur sogenannten Zweigstelle das Funktionieren der Justiz verbessern. Aber um die in Ihren Augen politisch unverdächtige „Frankfurter Rundschau“ vom 4. März 2015 zu zitieren, Zitatanfang: „Weite Wege zu Gerichten sind das beste Mittel, um die Distanz zwischen Bürgern und Justiz zuverlässig zu vergrößern.“ Zitatende. Durch all die Schließungen von Gerichten, Polizeirevieren, Freiwilligen Feuerwehren und Schulen wird gar nichts besser, nur die Wege werden weiter. Dass davon die Kriminalitätsbekämpfung, der Brandschutz, das Bildungs- und das Rechtswesen profitieren, wird außer der Landesregierung wohl keiner glauben. Es dient auch nicht der Gesundheit, wenn ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis dichtmachen und der Krankenwagen deswegen 15 Minuten länger braucht.

Was bei dieser Pseudoreform überhaupt nicht berücksichtigt wird, ist der Raum. Der wird ja nicht weniger, nur weil die Bevölkerung schrumpft. Es ist ja nicht so, dass die Leute immer mehr zusammenrücken und weite Landstriche räumen würden, um Platz zu machen für Wölfe, Biber und Elche. Die besiedelte Fläche bleibt die gleiche, also muss auch die Präsenz von Justiz, Polizei, Feuer

wehr, Gesundheits- und Schulwesen die gleiche bleiben, es sei denn, man möchte ganze Regionen von der Infrastruktur ausnehmen. Das sollte man den dort lebenden Bürgern dann aber auch sagen, und das bitte schön vor der Wahl.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Dann sollen CDU und SPD in Anklam zum Beispiel Infostände machen und sollen sagen, wir nehmen euch das Gericht weg, wir nehmen euch alles weg, ihr seid abgehängt, aber wählt uns trotzdem. Und wenn sich dann ein paar Idioten finden, die das machen, ist das auch in Ordnung. Das ist deren freie Wahl.

Im Justizwesen gibt es Missstände, aber die bestehen nicht darin, dass es zu viele Amtsgerichte gäbe, sondern zum Beispiel darin, dass es in Deutschland, anders als in anderen europäischen Ländern, immer noch keine unabhängigen Staatsanwaltschaften gibt. Immer noch können Parteibuchjustizminister darüber bestimmen, wer angeklagt werden kann und wer nicht. Diese politische Justiz gehört beseitigt,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und das aus Ihrem Munde!)

aber nicht die Amtsgerichte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Die NPD unterstützt daher den Gesetzentwurf und hofft, dass es eine weitere böse Überraschung für die Große Koalition gibt, wenn das Quorum nämlich zustande kommt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jaja.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Texter für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mal den Versuch unternommen, vor der heutigen Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt nachzuvollziehen, wie lange wir uns eigentlich schon mit dem Thema Gerichtsstrukturreform beschäftigen. Das fällt gar nicht so leicht.

Aber, Herr Suhr, Sie haben recht – das muss ich ja zugeben –, noch bevor überhaupt ein Gesetzentwurf zum Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz in den Landtag eingebracht wurde, gab es bereits im August 2012 – das ist richtig – eine Volksinitiative, mit der wir uns hier im Landtag und natürlich auch im Europa- und Rechtsausschuss beschäftigt haben. Dazu hat es auch eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen gegeben. Dann folgte im März 2013 der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz, welcher in

Erster und in Zweiter Lesung ganz klar im parlamentarischen Rahmen im Landtag behandelt wurde. Zusätzlich wurde er natürlich auch im Europa- und Rechtsausschuss und in den mitberatenden Ausschüssen umfangreich beraten. Eine öffentliche Anhörung mit über 50 Sachverständigen erfolgte.

Warum sage ich das? Es ist also nicht so, dass hier leichtfertig und ohne Beschäftigung mit den Konsequenzen durch den Landtag eine neue Gerichtsstruktur fest

gelegt wurde, sondern vielmehr wurde trotz der geltend gemachten Einwände gegen die Gerichtsstruktur ein Bedarf gesehen, die bestehende Struktur der Gerichte an die erwarteten Entwicklungen anzupassen. Ich möchte auch noch mal daran erinnern, dazu hat sich die Koalition im Koalitionsvertrag verpflichtet. Der Ausschuss und auch der Landtag haben sich also umfassend mit dem Thema Gerichtsstrukturreform beschäftigt und sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, bevor dann das Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz beschlossen wurde und am 15. November 2013 in Kraft getreten ist.

Ungeachtet dieses parlamentarischen Verfahrens steht es den Bürgern unseres Landes natürlich frei, die verfassungsrechtlich eingeräumten Mittel der direkten Demokratie zu nutzen. Davon haben die Initiatoren des Volksbegehrens auch erfolgreich Gebrauch gemacht. Sie haben die für ein Volksbegehren notwendigen 120.000 gültigen Unterschriften gesammelt. Die geschichtliche Bedeutung des erstmaligen Erreichens dieses verfassungsrechtlich vorausgesetzten Quorums habe ich bereits in meinen letzten Reden zu diesem Thema im Landtag betont. Für das erstmalige Erreichen des Quorums gebühren den Initiatoren des Volksbegehrens unser Respekt und auch unsere Anerkennung.

Meine Damen und Herren, durch das Erreichen des Quorums haben sich der Landtag und der Europa- und Rechtsausschuss erneut mit dem Thema Gerichtsstrukturreform beschäftigt und eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen am 15. April 2015 durchgeführt. Gegenüber den Angaben und Stellungnahmen der Sachverständigen in den vorangegangenen Anhörungen sind aber bei dieser Anhörung zum Volksbegehren nach meiner Auffassung keine neuen Argumente vorgetragen worden, bereits Gesagtes wurde wiederholt.