Protocol of the Session on April 24, 2015

Entschuldigung bitte, Vincent, darf ich das jetzt zu Ende führen?

… ich möchte diese Thematik in Ruhe mit den fachpolitischen Kolleginnen und Kollegen besprechen können. Nimm es mir bitte nicht übel – das sage ich, weil wir uns nun lange genug kennen –,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

nimm es mir bitte nicht übel, dass sich das an diesem Tage so nicht entscheiden lässt.

(Vincent Kokert, CDU: Nein, das entschuldigt Herr Jaeger.)

Ich möchte aber inhaltlich auf zwei Dinge eingehen, was hier, glaube ich, in der Debatte nicht wirklich deutlich geworden ist: worüber wir eigentlich reden und weswegen die Befürchtungen, die von dem einen oder anderen aufgemacht werden, und vielleicht auch die Überlegungen des einen oder anderen, dem es tatsächlich zu lange dauert, nicht völlig von der Hand zu weisen sind.

Wir reden hier tatsächlich über einen Zeitraum ab dem Moment der Inbetriebnahme eines Kraftwerkes, das CO2 emittiert für einen Zeitraum von 41 Jahren, bevor wir überhaupt an dem Punkt angekommen sind, wo sich dann der entsprechende Klimabeitrag verfestigt hat – 20 Jahre, es ist ja eben dargelegt worden, 20 Jahre im Grunde, die beitragsfrei sind, wenn man das mal so ausdrücken darf,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und ihr wollt schneller?!)

und ab dem 21. Jahr dann linear die entsprechenden Beiträge beziehungsweise die entsprechenden Emissionsreduzierungen.

Es ist richtig, es gibt innerhalb meiner Partei durchaus Leute, denen diese 21 Jahre, die dann folgen, ein bisschen zu lange dauern. Das ist eine Diskussion, die nicht nur auf Bundesebene geführt wird, das ist eine Diskussion, die auch in meinem eigenen Landesverband geführt wird. Das ist ja auch im Grunde das Positive, dass das Spektrum nicht nur dahin geht: der Vorschlag von Sigmar Gabriel auf der einen Seite und auf der anderen Seite diejenigen, ich nenne jetzt mal Hannelore Kraft und andere, die sagen, das ist Teufelswerk.

Wenn man darüber redet, dass man noch mal 21 Jahre hat, die erst mal gebraucht werden, um diesen Punkt zu erreichen, bei dem sich dann der Klimabeitrag auf einem bestimmten Niveau verfestigt hat, dann muss man zwei Dinge deutlich sagen: einmal – es ist schon angesprochen worden – die Frage der Abschreibung auf das Anlagevermögen, das ist dann lange vorbei.

Aber, was dazukommt – deswegen halte ich den Vorschlag von Sigmar Gabriel, ich persönlich, auch unter diesem betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt für eine wirklich intelligente Lösung –, in diesen 21 Jahren bleibt es den Kraftwerksbetreibern völlig unbenommen, technische Lösungen in die Anlagen einzubauen, die den CO2Ausstoß ihrerseits wieder minimieren, weil es ja eine Kopplung zum Alter des Kraftwerkes nicht gibt, sondern es gibt eine Kopplung zwischen dem CO2-Ausstoß und

dem entsprechenden Klimabeitrag, sodass dort – und das muss man natürlich den Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen auch entgegenhalten, weil ich persönlich diese Diskussion in den 80erJahren schon einmal miterlebt habe – Kraftwerke oder überhaupt CO2-emittierende Anlagen die Möglichkeit haben, etwas dagegen zu tun. Das heißt, Sie können entsprechende technologische Lösungen finden, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und damit auch die finanzielle Belastung wieder zu reduzieren.

Ich habe es gerade angesprochen, ich habe das in den 80er-Jahren selber schon einmal erlebt, in NordrheinWestfalen, wo es entsprechende Diskussionen gab um den Einbau von Schadstofffiltern und die gleiche Diskussion geführt wurde nach dem Motto, das gefährdet Arbeitsplätze, wir dürfen das nicht machen. Was war das Ergebnis? Es hat dazu geführt, dass es einen innovativen Schub zum Beispiel bei entsprechenden Filteranlagen gegeben hat. Warum sollte das nicht hier auch möglich sein, als einer der Nebeneffekte, die dann tatsächlich auftreten?

Deswegen, denke ich, sollte man die Befürchtungen, die von dort geltend gemacht werden, auch nicht überbewerten. Ich kann das verstehen, dass die Bundesländer, die vorrangig betroffen sein werden, natürlich erst mal darauf schauen, wie sich das bei ihnen darstellt, aber, und dann komme ich damit auch gleich zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, man muss nicht im vorauseilenden Gehorsam gleich sämtliche Bedenken, die von dort aufgeworfen werden, zu seinen eigenen machen.

Und, Frau Kollegin Schwenke, Sie haben es selber gesagt, es ist ein Unterschied zwischen dem, was möglicherweise real in dem Bereich der Arbeitsplätze und Arbeitsplatzabbau, eintreten wird, und dem, was möglicherweise vor Ort an Ängsten ist. Nun kann ich das verstehen, dass man Ängste aufnimmt, und man sollte sie auch nicht einfach zur Seite schieben, aber Aufgabe von Politik kann es nicht sein – insbesondere in den Ländern Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, aber auch Saarland –, dass man sagt, weil diese Ängste da sind, nehmen wir sie jetzt einfach mal so und richten uns danach, sondern man muss, wenn diese Ängste nicht real sind, von den Kolleginnen und Kollegen fordern, dass sie sich inhaltlich damit auseinandersetzen. Und wenn es tatsächlich diesen befürchteten Arbeitsplatzabbau

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Aber das impliziert das doch, Herr Schulte.)

nicht gibt, dann muss man das den Menschen dort vor Ort auch so deutlich sagen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Aber den wird es doch geben. Irgendwann sind die ja mal weg, hoffentlich.)

Na, nicht die Menschen, so habe ich Sie auch nicht verstanden.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Nein, nicht die Menschen, aber die Arbeitsplätze.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch etwas zu dem Punkt „Konversionsprogramm für die Kohlewirtschaft“ sagen. Mal völlig losgelöst davon, dass ich auf dem Standpunkt stehe, dass es nicht Aufgabe

des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern ist, ein solches Konversionsprogramm in die Debatte einzuführen, da teile ich völlig die Auffassung, die hier auch von Herrn Minister Pegel vorgestellt worden ist, muss man sich doch auf der anderen Seite fragen – und damit stelle ich jetzt nicht auf die Konversionsprogramme ab, die es zum Beispiel im Land gegeben hat, was die Nutzung von ehemaligen militärischen Flächen angeht, sondern hier geht es ja tatsächlich um den Industriezweig – und auch mal sehen, dass die Länder, die vorrangig betroffen sind – jetzt spreche ich aus eigener Erfahrung, auch von Nordrhein-Westfalen –, 50 Jahre und länger Zeit gehabt haben, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das hilft den betroffenen Menschen überhaupt nicht.)

Nein, das hilft den Menschen nicht, aber man muss auch mal deutlich sagen, wo die Verantwortung liegt.

Ich kann Ihnen sagen, dass schon in den 80er-Jahren Berechnungen vorgelegen haben, in welchem Umfang jeder Arbeitsplatz in der Kohle- und Stromenergie – damals in erster Linie Kohlekraftwerke – durch die öffentliche Hand subventioniert worden ist.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das haben wir immer kritisiert.)

Man muss sich ganz offen die Frage stellen, ob wir diejenigen sein müssen hier in Mecklenburg-Vorpom- mern, die wir uns ja eigentlich als jemanden verstehen, der das Thema „Erneuerbare Energien“ nach vorne bringen will – und so verstehe ich auch den Antrag, der von den GRÜNEN eingebracht worden ist –, die an dieser Stelle eine solche Forderung aufmachen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich würde es den Landtagsabgeordneten, gegebenenfalls auch den Bundestagsabgeordneten überlassen,...

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Welche Forderung? Das habe ich eben nicht gehört.)

Nach dem Konversionsprogramm.

… dass die entsprechenden Forderungen von dort aufgemacht werden.

Ich hoffe, dass hier zwei Dinge deutlich geworden sind, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass es bei Ihrem Antrag – explizit auch vor dem Hintergrund der hier durchgeführten Begründung – von meiner Seite, und so habe ich auch den Minister verstanden, keinerlei inhaltlichen Bedenken gibt. Aber ich bitte auch darum, dass Sie an dieser Stelle Verständnis haben – und das wird Ihnen ja vielleicht auch mal passieren –, dass Sie an einem solchen Tag mit einem solchen Ereignis, das Sie vor sich haben, das dann doch so nicht mit beschließen möchten. – Vielen Dank.

(Beifall Heinz Müller, SPD – Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist auf jeden Fall eine neue Begründung.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Petereit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass das mehr oder weniger selbst verordnete Klimaschutzziel bis 2020 nicht mehr zu erreichen ist, ist inzwischen den meisten klar. Was wir jedoch als viel ernsteres Problem ansehen, ist, dass dafür dann auch noch Strafzahlungen an die EU fällig werden. Hier wird einmal mehr deutlich, dass es sich bei der BRD um keinen souveränen Staat handelt. Wenn sich jemand ein Ziel setzt und dieses nicht erreicht, dann ist das im Grunde doch schon schlimm genug. Aber dann von einem Dritten noch eine Verlierergebühr aufgebrummt zu bekommen, ist völlig daneben.

Und noch mal, ich habe das diese Woche hier schon einmal gesagt: Wäre die Daseinsvorsorge in der Hand des Volkes, wäre es viel einfacher, Veränderungen in der Stromversorgung vorzunehmen. Ohne geschönte und gefilterte Informationen von profitorientierten Unternehmen und ihren Lobbyisten erhält man nicht nur ein klareres Bild auf das Ganze, sondern kann Energiepolitik im Interesse des Volkes betreiben ohne Rücksicht auf Renditen.

Zurück zum Antrag. Ihr Antrag ist nichts weiter als Polittheater. Die Botschaft: Guckt mal, wir GRÜNEN haben hier was gefunden, was der Gabriel gesagt hat, das finden wir ganz toll. Und das wird bestimmt furchtbar lustig zu sehen, wie die SPD-CDU-Koalition hier damit umgeht, wenn die sich im Bund schon streiten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie haben nichts begriffen hier im Landtag.)

Ihre Unterhaltung hatten Sie, Sie können das gerne als Pressemitteilung auf Ihre Internetseite packen, aber Ihr Antrag ist abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall Stefan Köster, NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Jaeger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man mit einer Fahrradtasche ein Gesetz ins Parlament trägt, ist es deswegen noch nicht gut. Das ist völlig richtig, Herr Eifler. Aber man kann ja mal reingucken in so ein Gesetz. Und das hätte mich jetzt, ehrlich gesagt, wirklich interessiert: Wie finden Sie wirtschaftspolitisch dieses Gesetz? Welche Auswirkungen sehen Sie konkret? Wie gehen Sie mit diesem Gesetz auf Bundesebene um? Diese Fragen sind Sie schuldig geblieben.

(Torsten Renz, CDU: Antworten.)

Ja, diese Fragen an das Gesetz, aber am Ende für mich auch die Antworten, das ist richtig. Danke für die Ergänzung.

(Torsten Renz, CDU: Hand in Hand.)

Herr Eifler, ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Bundeskanzlerin keine lose Deckskanone ist, die irgendetwas zum Thema Klimaschutz erzählt und sagt, 2050 wollen wir 80 Prozent regenerative Stromproduktion. Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin das tatsächlich ernst meint. Und wenn Sie 80 Prozent Stromproduktion aus regene-

rativen Energien wollen – wir GRÜNEN wollen sogar 100 Prozent –, dann kann ich Ihnen versichern, es ist erstens technisch möglich und zweitens wird es zu Veränderungen kommen müssen, rein nach mathematischer Logik. Sie können nicht einfach sagen, bei uns produzieren Kohlekraftwerke das, was sie bisher produziert haben, aber wir machen 80 Prozent regenerative Stromproduktion.

Meine Erwartung an die CDU bei diesem Punkt ist einfach, ehrlich zu sagen, was sie eigentlich will. Ich kann es doch verstehen, dass Sie sagen, wir finden das alles mit der Energiewende inzwischen Quatsch und wir wollen jetzt wieder zurück zu Atom und Kohle, das ist doch okay,

(Dietmar Eifler, CDU: Herr Jaeger, das stimmt doch gar nicht. Das meinen Sie doch auch nicht, das meinen Sie doch nicht. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

aber dann kommunizieren Sie es öffentlich, dann haben wir eine politische Auseinandersetzung zu dem Thema und alles ist schick. Aber sich hinzustellen, wir wollen 80 Prozent regenerativ,

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)