Protocol of the Session on March 12, 2015

Meine Damen und Herren, als GRÜNE-Fraktion haben wir mehrere Anträge in den Landtag eingebracht, wie wir diesen Wandel gestalten wollen. Hierzu gehörte unter anderem eine Strategie für den Breitbandausbau. Sie haben es abgelehnt. Weiterhin hatten wir die Nutzung offener Daten hier beantragt. Sie haben es abgelehnt. Wir wollten die Nutzung offener Standards und offener Software. Sie haben es abgelehnt. Wir wollten die Förderung junger Start-Ups, zum Beispiel auf der CeBIT. Sie haben es abgelehnt. Wir wollten die Überarbeitung der ITStrategie vor dem Hintergrund der NSA-Affäre. Sie haben es abgelehnt. Wir wollten offenen WLAN-Empfang. – Übrigens hat Herr Dobrindt heute, glaube ich, groß verkündigen lassen, dass vor seinem Ministerium jetzt offenes WLAN ist. – Wir wollten es unter anderem in Zügen. Sie haben es abgelehnt. Das ließe sich noch fortsetzen. Sie haben alle Anträge abgelehnt, aber keine eigene Idee präsentiert.

Ich frage Sie also: Was wollen Sie eigentlich? Ablehnen ist das eine, da muss man aber auch sagen, was man stattdessen will. Wichtige Entscheidungen werden aufgeschoben. Die Haushaltsüberschüsse werden nicht für den Breitbandausbau genutzt, stattdessen hält die Landesregierung lieber 66 Millionen Euro zurück, damit im Wahljahr auch jeder Minister ausreichend Fördermittelbescheide für Mikroprojekte, so nenne ich sie jetzt mal, übergeben kann.

(Heiterkeit bei Tilo Gundlack, SPD: Mit dem Hubschrauber aber!)

Diese Koalition ist ein Neinsager und Bremser in Sachen digitaler Wandel. Die Landesregierung ist eine Innovationsbremse für unser Land!

(Andreas Butzki, SPD: Aber wir haben ja Grün.)

Nun könnte man als Opposition natürlich ganz zufrieden sein, denn wenn die Regierung schon mal die Arbeit einstellt, fällt es leicht, auf die Versäumnisse hinzuweisen.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Aber da werden wir es uns nicht so einfach machen, denn die Tatenlosigkeit der Landesregierung hat dramatische Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit unseres

Landes. Sie laufen dem digitalen Wandel leider hinterher, statt den Rahmen für eine zukunftsfeste Entwicklung für unser Land zu gestalten.

Während gerade auf einer Messe in Barcelona eine Glühbirne vorgestellt wurde, die als WLAN-Repeater funktioniert, während das US-Unternehmen Cisco prognostiziert, dass die Zahl der Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, sich von derzeit 25 Milliarden bis zum Jahr 2020 auf 50 Milliarden verdoppeln wird, während das selbstfahrende Auto entwickelt wird und niemand weiß, wie man dazu die Verkehrsregelungen anpassen muss, während sich die Datenmengen alle zwei Jahre verdoppeln, während Land- und Ernährungswirtschaft die Branchen sind, die für sich die Digitalisierung am wichtigsten einschätzen, was macht da eigentlich die rotschwarze Landesregierung? Sehen Sie nicht auch die Welle, die da auf uns zuläuft, wo wir als Politik tätig werden müssen, um diesen Wandel zu gestalten?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist bei Weitem nicht nur ein Problem des Landes, der ländlichen Regionen, dass wir nur dünne Netze haben, das betrifft natürlich auch die Städte. Denn wenn alle an ihrem Digitalfernseher auf den Knopf drücken und die Sendung von vorne beginnen lassen, dann schmelzen Ihnen auch die Netze in den Städten. Wenn das hundert Leute machen und die Sendung von vorne beginnen lassen, dann ist es im Netz zappenduster.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Gerade, wenn sie immer die gleiche Stelle gucken wollen.)

Das kann sein.

Ich kann Ihnen allerdings sagen, was die Landesregierung macht: Sie lässt sich feiern für einen angeblichen Breitbandanschluss von zwei Megabit pro Sekunde, den nun 97 Prozent aller Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern haben. Das hält die Landesregierung für einen Riesenerfolg. Ich kann dazu gratulieren, das ist allerdings das Ziel von vorgestern, das Sie erreicht haben. Wir wollten uns doch eigentlich Gedanken über die Ziele von morgen und übermorgen machen. Mit zwei Megabit brauchen Sie etwa 20 Stunden, um einen HD-Film herunterzuladen. Das sind so die effektiven Ladezeiten.

Erst vor vier Wochen wurde überhaupt geklärt, wer in diesem Land für den Breitbandausbau in der Landesregierung zuständig ist. Nach langem Gerangel zwischen Till Backhaus, Harry Glawe, Lorenz Caffier und Christian Pegel soll es nun der Infrastrukturminister machen.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Hat er sich durchgesetzt?)

Die Bundesregierung hat ihre Ausbauziele allerdings bereits im August vorgestellt. Was haben Sie denn seitdem gemacht?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ringkampf.)

Offensichtlich nur Zuständigkeitspingpong gespielt –

(Torsten Renz, CDU: Hat er doch selbst gesagt.)

eine der größten Infrastrukturherausforderungen, und Sie wissen erst seit vier Wochen, wer überhaupt zuständig ist! Das ist in der Tat keine grandiose Leistung.

(Torsten Renz, CDU: Ein Glück, dass wir Herrn Saalfeld haben!)

Auch sonst erleben wir nur Kompetenzgerangel zwischen den Ministerien. Derzeit beschäftigen sich vier Ministerien mit den Herausforderungen des digitalen Wandels. Herr Glawe darf nicht mehr so recht mitreden, hätte aber Geld im Wirtschaftsministerium zu verteilen. Minister Backhaus lässt sich für die Ziele der Vergangenheit feiern, verfolgt eine Politik von vorgestern, soll aber weiter den Breitbandausbau fördern.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Herr Pegel, der jetzt zuständig ist, verfügt über keine Fördermittel und ihm fällt nicht mehr ein, als für den Breitbandausbau ein zusätzliches Kapitel im Landesentwicklungsplan einzufügen, wohl wissend, dass dieses Kapitel ein reines Placebo ist und der Landesentwicklungsplan keine Wirkung für den Breitbandausbau ent- falten wird. Der Innenminister soll obendrein für die IT-Sicherheit sorgen, hat aber mehr Interesse an Überwachung als an Sicherheit – in der Tat keine guten Voraussetzungen in diesem Land.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und das wollen Sie sich alles noch mal erklären lassen?)

Stimmt. Gute Frage, Herr Ritter. Ich will zumindest auf die Probleme hinweisen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Der Bildungsminister hat auch noch ein gehöriges Wörtchen beim Thema Medienkompetenz mitzusprechen – also in der Tat ein breites Feld.

Scheinbar gibt es überhaupt keine Linie in dieser Regierung, wie die Infrastruktur der Zukunft ausgebaut werden soll, wie wir überhaupt mit den ganzen Herausforderungen des digitalen Wandels umgehen wollen. Wenn aber noch nicht einmal die Basis und das Fundament für den digitalen Wandel bereitstehen, wie sollen wir dann die Herausforderungen des digitalen Wandels bewältigen? Es bleibt ein großes Geheimnis der Großen Koalition, darum brauchen wir dringend eine Regierungserklärung. Wir brauchen eine Landesstrategie für den digitalen Wandel!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ja, das ja. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Erklären Sie der Öffentlichkeit, wie es weitergehen soll! Ich weiß es nicht. Ich kann ja nun auch nicht Kaffeesatzleserei betreiben.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU: Fragen Sie doch mal den Minister! – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Im Koalitionsvertrag kommt das Wort „digital“ übrigens genau ein Mal vor, nämlich wenn davon gesprochen wird, dass die Printmedien auch in der digitalen Welt unverzichtbar sind. Das ist in der Tat richtig, aber auch nicht mehr.

Mehr ist SPD und CDU dazu erst einmal nicht eingefallen. Vielleicht war allerdings das Internet 2011 auch noch

nicht erfunden, man weiß es nicht. Und bevor Sie jetzt auf die digitale Agenda der Bundesregierung oder, wie es der „Spiegel“ nannte, die „WWW-Wunschliste“ verweisen, damit können Sie sich nicht aus der Affäre ziehen und sich herausreden. Diese digitale Agenda ist leider vor allem eine Ankündigung mit wenig Inhalten. Antworten für unser Land werden schon gar nicht gegeben, da müssen Sie sich als Landesregierung und Große Koalition schon selbst die Arbeit machen.

Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf beim digitalen Wandel ist vielfältig. Wir haben das in unserem Antrag angerissen mit einigen Punkten, auf die ich jetzt eingehen möchte, weitere werden sich sicherlich in der Debatte ergeben. Ich kann also hier kein abschließendes Bild geben, verzeihen Sie es mir.

Das jüngste Debakel der Landesregierung in Sachen digitaler Wandel haben wir gerade erst erlebt. Nachdem im Dezember klar wurde, dass es keinen Gemeinschaftsstand des Landes auf der CeBIT geben wird, wurde nun öffentlich, dass noch nicht einmal der vermeintliche Notnagel,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es gab gar keinen.)

ein norddeutscher Gemeinschaftsstand, umgesetzt wird. Natürlich kann sich der Ministerpräsident hinstellen und sagen, dass es doch an den Unternehmen liegt, ob und wie sie auf der CeBIT vertreten sind, aber genau solche Aussagen zeigen doch die gleichgültige Einstellung dieser Landesregierung gegenüber der IT-Branche.

(Egbert Liskow, CDU: Haben Sie gesehen? Ist nicht grün, ist rot, eine Viertelstunde schon.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte. Sagen Sie uns, wie soll es in diesem Land weitergehen! Ich freue mich auf die Debatte und werde dann in der Aussprache fortfahren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Saalfeld.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Innenminister Herr Caffier. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Lieber Herr Saalfeld, ich habe hier irgendwo etwas von einer Regierungserklärung zum digitalen Wandel gelesen und plötzlich stehe ich am Rednerpult.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Tja, verrückt.)

Nun gut, ein weiteres wichtiges Thema, für das das Innenministerium mit zuständig ist, und ich lege großen Wert darauf, mit zuständig, weil wir die Aufgabe gemeinsam lösen und weil es überhaupt kein Chaos in der Landesregierung gibt oder Nichtzuständigkeitsfragen, wie Sie das gerade erwähnt haben.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verantwortungspingpong.)