Die zuständigen Behörden zur Beantragung von Sicherungshaft sind bereits nach Paragraf 62 Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes gehalten zu prüfen, ob durch mildere Maßnahmen der Zweck der Haft ebenfalls erreicht werden könnte. Vor diesem Hintergrund kommen mildere Mittel bereits kraft Gesetzes zur Anwendung. Natürlich sind insofern auch die von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vorgetragenen Maßnahmen, wie die Erteilung von Meldeauflagen, die räumliche Beschränkung des Aufenthalts, die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Ausreiseberatung, die Vereinbarung von Sicherheitsleistungen oder Garantien durch Vertrauenspersonen, in Betracht zu ziehen. Näherer Ausführungsbestimmungen bedarf es somit nicht, denn dieses ist längst geübte und gelebte Praxis.
Zu der Forderung, einen Haftantrag grundsätzlich für höchstens zwei Wochen zu stellen, kann ich nur entgegnen, dass auch hier das Aufenthaltsrecht bereits eine Regelung enthält, denn nach Paragraf 62 Absatz 1 Satz 2 Aufenthaltsgesetz ist die Inhaftnahme kraft Gesetzes sowieso schon auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken.
Ich halte diese Vorgabe auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Sicherungshaft generell – generell – nur als letztes Mittel zur Anwendung kommt, für ausreichend. Eine grundsätzliche Beschränkung des Haftantrages auf zwei Wochen ist nicht erforderlich, da, und das ist wichtig für die Haftdauer, die jeweiligen Umstände des Einzelfalls von maßgeblicher Bedeutung sind und auch Sie hier nicht generelle Regelungen und Gleichmacherei machen können.
Ich bleibe beim Thema Einzelfallentscheidung, denn das spielt auch bei den besonders schutzbedürftigen Personen natürlich eine Rolle. Nach Ziffer 62 Punkt 0.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 sollen Minderjährige, die das 16. Lebensjahr noch nicht, und Ausländer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, sowie Schwangere
beziehungsweise Mütter innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzvorschriften grundsätzlich nicht in Haft genommen werden. Halten sich die Eltern des minderjährigen Ausländers nicht im Bundesgebiet auf, hat die Ausländerbehörde mit dem zuständigen Jugendamt wegen der Unterbringung des Ausländers bis zur Abschiebung Kontakt aufzunehmen. Minderjährige Ausländer, deren Asylantrag abgelehnt wurde, sollen bis zur Abschiebung regelmäßig in der bisherigen Unterkunft untergebracht werden. Bei Familien mit minderjährigen Kindern soll in der Regel nur Sicherungshaft für ein Elternteil beantragt werden. Die haftbeantragenden Behörden sind somit bereits nach den geltenden Rechtsvorschriften angehalten, schutzwürdige Belange des Einzelnen zu würdigen. Dies gilt letztendlich und selbstverständlich auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Schwerbehinderungen.
Meine Damen und Herren, auch die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion ist somit überflüssig und abzulehnen. Es wird etwas gefordert, was bereits jetzt Gegenstand einer jeden Prüfung auf Inhaftnahme ist.
Ich komme jetzt zum letzten Punkt. Die Landesregierung soll sich auf Bundesebene für die Abschaffung der Sicherungshaft einsetzen und zu diesem Zweck aktiv an der Entwicklung von Alternativen mitwirken. Hier erlauben Sie mir bitte, Frau Gajek, einen kleinen Ausflug nach Europa, denn es ist erklärtes Ziel, im Rahmen der gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik illegale Migration wirkungsvoll zu bekämpfen. Dabei besteht Konsens zwischen allen Mitgliedsstaaten in Europa, ich wiederhole, zwischen allen Mitgliedsstaaten, dass Drittstaatsangehörige, die unerlaubt eingereist sind und hier kein Aufenthaltsrecht erhalten können oder denen das Aufenthaltsrecht in einem rechtsstaatlichen Verfahren entzogen wurde, konsequent zurückzuführen sind, ich betone, europäisches Recht.
Mit der Richtlinie 2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008, das ist die sogenannte Rückführungsrichtlinie, wurden für alle Mitgliedsstaaten einheitliche Verfahrensnormen und Standards zur Rückführung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen festgelegt, und die gilt für Deutschland und die gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber deswegen müssen wir das doch nicht gut finden, bloß weil das andere festgestellt haben. – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Rückführungsrichtlinie sieht in ihrem Kapitel vier ausdrückliche Regelungen für die Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung vor. Dieses Recht ist national umgesetzt worden, und zwar in der Bundesrepublik Deutschland.
Auch auf Bundesebene ist Konsens, dass Abschiebungen von Personen, die kein Anrecht darauf haben, in Deutschland zu verbleiben, konsequent durchgeführt werden müssen. Ich sage es ganz ehrlich: Für mich gehört zu einer konsequenten Rückführungspolitik auch die Möglichkeit,
eine Person beim Vorliegen der Voraussetzung, über die ich im Vorfeld gesprochen habe, als letztes Mittel auch in Haft nehmen zu können. Denn es gibt, und davor sollte man die Augen nicht verschließen, schließlich immer wieder Fälle, in denen sich Menschen einer ordnungsgemäßen Abschiebung widersetzen oder sich ihr entziehen
oder sich ihr entziehen, und bei denen daher nur noch die Haftanordnung die Vollziehbarkeit der Abschiebung sicherstellt. Auch wenn der eine oder andere Abschiebung aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen sollte, so gehört es doch auch zum Wesen eines Rechtsstaates, eine rechtmäßige und vollziehbare Abschiebungsverfügung tatsächlich zu vollstrecken.
Ich möchte aber noch einmal auf das Thema Rechtsstaat zu sprechen kommen. Sicherungshaft findet nur, das haben Sie auch unterschlagen, beim Vorliegen eines richterlichen Beschlusses statt.
Dabei ist sowohl der Vorbehalt der richterlichen Entscheidung über die freiheitsentziehende Maßnahme
als auch die Möglichkeit des Betroffenen, einen Rechtsbehelf in Anspruch zu nehmen, gewährleistet. Wird glaubhaft vorgetragen, dass der Betroffene sich der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entziehen will und freiwillig ausreist, ist er nicht in Haft zu nehmen, und er wird es auch nicht. Ich setze großes Vertrauen in die Behörden auf allen Ebenen, dass sie nach Recht und Gesetz handeln. Man muss sich auch die Frage stellen, ob man sehenden Auges zulassen will, dass Ausländer nach illegaler Einreise, was im Übrigen an und für sich grundsätzlich eine Straftat wäre,
gegebenenfalls untertauchen und sich auf unabsehbare Zeit illegal in Deutschland aufhalten. Das kann man als Staat nicht tolerieren und deswegen müssen wir auch dafür geltendes Recht umsetzen.
Meine Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, letztendlich liegt es aber auch zum Teil in der Verantwortung des Betroffenen selbst, Sicherungshaft und Abschiebegewahrsam zu vermeiden, weil in Deutschland gilt auch deutsches Recht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Na, Frau Kaselitz hats auch nicht leicht, ne?! – Dagmar Kaselitz, SPD: Genau.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem uns vorliegenden Antrag soll entsprechend Punkt 1 die Landesregierung aufgefordert werden, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass gegen den Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung für Ausländer in Deutschland Einspruch eingelegt wird. Der Entwurf dieses Gesetzes der Bundesregierung dient, wie dessen Titel bereits besagt, maßgeblich der Reform des Bleiberechts sowie der Änderung des Ausweisungsrechts.
Ein Teil des Gesetzentwurfes, auf den der Antrag abstellt, ist darauf ausgerichtet, den Aufenthalt von Personen, denen unter keinem Gesichtspunkt ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht, wieder zu beenden und deren vollziehbare Ausreisepflicht durchzusetzen. Die Ausweisung ist künftig das Ergebnis einer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durchgeführten Abwägung von Bleibe- und Ausweisungsinteressen, wobei die Auslegung auf Tatbestandsseite gerichtlich voll überprüfbar ist.
Bisher ist in dem schon genannten Paragrafen 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 Aufenthaltsgesetz geregelt, dass ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Sicherungshaft zu nehmen ist, „wenn … der begründete Verdacht besteht, dass er sich dieser Abschiebung entziehen will“.
Nach der im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderung wird diese Regelung in Paragraf 62 präzisiert. Danach kann ein Ausländer in Sicherungshaft genommen werden, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf konkret festgelegten Anhaltspunkten beruhen, und demnach ein begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will. Diese konkreten Anhaltspunkte als objektive Kriterien für eine Fluchtgefahr im Falle einer Abschiebung beziehungsweise Rückführung im Sinne der EU-Rückführungsrichtlinie sind im Gesetzentwurf in Paragraf 2 Absatz 14 neu aufgenommen worden. Alle dort geregelten Tatbestände knüpfen an Gesichtspunkte an, die in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis bisher schon für die Annahme einer Entziehungsabsicht oder Fluchtgefahr herangezogen wurden, und bilden insoweit die bisher angewandte Rechtslage ab.
Anders als bisher werden die einzelnen Anhaltspunkte und die insoweit zu beachtenden Anforderungen nun aber gesetzlich festgelegt. Liegt einer der nun geltenden Anhaltspunkte vor, so ist das lediglich ein erstes Indiz dafür, dass im konkreten Fall eine Fluchtgefahr bestehen könnte – ich wiederhole hier sicher an dieser Stelle zum Teil die Ausführungen des Ministers –, aber welches Gewicht diesem Indiz zukommt und ob tatsächlich vom Bestehen einer Fluchtgefahr ausgegangen werden kann, bedarf der Prüfung im Einzelfall. Gegebenenfalls sind weitere zutreffende Indizien heranzuziehen. Dabei sind auch Umstände zu berücksichtigen, die trotz des Vorliegens der geregelten Anhaltspunkte gegen die Annahme einer Fluchtgefahr sprechen können.
Sehr geehrte Damen und Herren, im zweiten Punkt des Antrages soll die Landesregierung unter anderem aufgefordert werden, durch einen Erlass für Abschiebungshaftanträge die Regelung zu treffen, dass stets zu prüfen ist, ob nicht die Anordnung milderer Maßnahmen zur Vermeidung von Abschiebungshaft infrage kommt. Diese Forderung ist bereits gesetzlich verankert. Ebenfalls in Paragraf 62 Aufenthaltsgesetz ist geregelt, dass die Abschiebungshaft unzulässig ist, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann. Auch die Forderung, dass die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, ist bereits geltendes Recht. Das Aufenthaltsgesetz besagt ausdrücklich, dass die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, im Übrigen wird durch den in Rede stehenden Gesetzentwurf hinsichtlich des Vollzugs der Abschiebungshaft nunmehr ausdrücklich im Aufenthaltsgesetz klargestellt, dass der Situation schutzbedürftiger Personen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Auch diese Ergänzung dient der Umsetzung der bereits erwähnten EU-Rück- führungsrichtlinie. Die Gruppe der schutzbedürftigen Personen erfasst gemäß dieser Richtlinie wie bereits von Frau Gajek teilweise benannt, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer und physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.
Meine Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, was Sie im vorliegenden Antrag jedoch vollkommen unerwähnt lassen, ist die mit dem angesprochenen Gesetzentwurf maßgebliche Zielrichtung, nämlich
die Reform des Bleiberechts. Anders als es Ihr vorliegender Antrag auf den ersten Blick vermuten lassen könnte, wird mit dem Entwurf vor allem darauf abgezielt, die Rechtsstellung derjenigen zu stärken, die auch ohne einen rechtmäßigen Aufenthalt Integrationsleistungen erbracht haben oder die schutzbedürftig sind. So wird eine alters- und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung geschaffen, um nachhaltige Integrationsleistungen, die trotz des Fehlens rechtmäßigen Aufenthalts von einem Geduldeten erbracht wurden, durch Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus zu honorieren. Zudem wird die bisher schon bestehende Möglichkeit, einem gut integrierten jugendlichen oder heranwachsenden Geduldeten legalen Aufenthalt zu gewähren, erleichtert.
Für das deutsche Programm zu Neuansiedlung von Schutzsuchenden, dem Resettlement-Programm, wird nach dem Abschluss seiner Pilotphase eine eigenständige Rechtsgrundlage geschaffen. Schutzbedürftigen Resettlement-Flüchtligen, also solchen, die besonders schutzbedürftig sind, wird damit in Deutschland eine dauerhafte Lebensperspektive geboten.
Da Resettlement künftig ein fest institutionalisiertes Programm zur dauerhaften Neuansiedlung von Schutzsuchenden in Deutschland sein wird, soll eine speziell auf diese Form der Zuwanderung aus humanitären Gründen zugeschnittene Regelung getroffen werden. Im Bereich des humanitären Aufenthaltsrechts wird eine deutliche Verbesserung des Aufenthaltsrechts für die Opfer von Menschenhandel realisiert. Auch wird die Rechtsstellung von subsidiär geschützten und Resettlement-Flüchtlingen weiter an die von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen angeglichen. Das sind in meinen Augen große Fortschritte.
(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und die Rückschritte, die damit einhergehen, wenn nicht mehr gezahlt wird?)
Noch eine Bemerkung zum Schluss: Die Ablehnung des heutigen Antrages steht nicht im Gegensatz zu unserer Haltung für eine gemeinsame, sachliche und gute Flüchtlingspolitik. Das werden wir uns von niemandem unterstellen lassen. Die gestrige Debatte und auch die heutige Berichterstattung unterstreichen das hoffentlich. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.