(Udo Pastörs, NPD: Als Spitzenorganisation wird das von den Menschen begriffen. Die sind nicht so blöd, wie Sie hoffen.)
Wir reden aber über einen Geheimdienst. Und wenn wir über einen Geheimdienst reden, dann gibt es weltweit Regularien,
daraus folgen auch Verlautbarungen, Öffentlichkeitsarbeit und Co. Ich hätte mir gewünscht bei all der Kritik meines geschätzten Kollegen Barlen an dem hiesigen Landesamtes für Verfassungsschutz,
auch mal einen kleinen Blick über die Ländergrenzen zu tun. Ich habe es gerade noch mal schnell gemacht und habe auf die Seiten von Bremen, Brandenburg, Thüringen und Rheinland-Pfalz – rein zufällig alles Bundesländer mit SPD-Beteiligung – geschaut, und siehe da, dort sieht es genauso aus.
Also haben wir in Deutschland vielleicht ein Problem bei der Öffentlichkeitsarbeit, aber beileibe nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Ich denke, das gehört einfach auch mit zur Wahrheit.
Der Bericht des Innenministeriums zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungs- ausschusses des Deutschen Bundestages umfasst – das ist hier dargestellt worden – 29 Seiten, die Beschlussempfehlung und der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages – auch das ist gesagt worden – 1.386 Seiten. Auf den ersten Blick mag unser Bericht in Mecklenburg-Vorpommern etwas dünn ausfallen, aber eben nur auf den ersten Blick. Denn wie so oft im Leben sollte man nicht auf Äußerlichkeiten abstellen. Der Unterschied resultiert schon ganz einfach daraus, dass das eine ein Untersuchungsbericht mit Beweiserhebung und mit allem Drum und Dran ist, und das andere ein sehr gut strukturierter Bericht ist über das, was bisher in Mecklenburg-Vorpommern realisiert wurde.
Ich denke, diese 29 Seiten haben auch eine gewisse Signalwirkung, denn sie sollen verdeutlichen, dass eben vieles – und das hat der Kollege Ritter möglicherweise auch in eine andere Richtung ausgelegt –, dass eben
vieles, was der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages an Bundesbehörden oder Landesbehörden kritisiert hat, nicht auf unser Bundesland zutraf.
Nehmen Sie das einfache Beispiel „Verfolgung rechter Motive in dem Mordfall in Mecklenburg-Vorpommern“. Die sind sehr wohl von dem LKA verfolgt worden, aber dann aus den dem Kollegen Ritter bekannten Gründen verworfen worden. Nehmen Sie den Vorschlag Mecklenburg-Vorpommerns, einen einheitlichen Ermittlungsansatz zu fahren, die Führung des Ermittlungsverfahrens in einer Hand zu konzentrieren. Auch das – das ist den Unterlagen zu entnehmen – war ein Vorschlag Mecklenburg-Vorpommerns und wurde verworfen. Das wären jetzt zum Beispiel schon zwei Hinweise des NSUUntersuchungsausschusses, wo ich sage, es wäre eine rhetorische Übung, darauf hinzuweisen, dass wir das ja alles schon gemacht haben.
In kurzer, sachlicher und, ich sage es mal so, an unserer Entschließung vom 14.11.2013 orientierten Form stellt der Bericht dar, was sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene aufgrund der bisherigen Erkenntnisse aus der NSU-Mordserie bis dato realisiert wurde. Ich habe den Bericht auch nicht so verstanden, dass es ein abschließender Bericht war, sondern hier findet eine Entwicklung statt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke schon, dass sich das, was in dem Bericht zu finden ist, durchaus sehen lassen kann und sich mit anderen Bundesländern vergleichen lassen kann. Ich möchte nur einige wenige Punkte exemplarisch nennen – der Minister war da ausführlicher bei seiner Aufzählung – und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, können das im Zweifelsfall gerne nachlesen. Wir werden es ja mit Sicherheit auch im Ausschuss noch mal nachlesen.
Die Bandbreite der Neuerungen reicht bei der Polizei, bei der Justiz und beim Verfassungsschutz von der ein- gehenden Prüfung und Dokumentation möglicher rechtsextremer Hintergründe bei allen Gewaltdelikten – dazu sage ich nachher noch ein Wort – über die umfassende polizeiliche Datenabfrage, den Ausbau des Polizeilichen Informations- und Analyseverbundes (PIAV) bis zur regelmäßigen Überprüfung abgeschlossener Fälle. Aber auch das Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus oder das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum sollten an dieser Stelle durchaus ihre Erwähnung finden. Gleichwohl finden Sie im Bericht die Rechtsextremismusdatei RED, ein Mehr an Opferschutz und den Ausbau der interkulturellen Kompetenz aller Mitarbeiter unserer Sicherheitsbehörden. An dieser Stelle erlaube ich mir auch den Hinweis: Es steht das Wort „Ausbau“ nicht „Aufbau“! Auch hier hatten wir in der Vergangenheit keine Defizite, denn ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund, die in der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern arbeiten. Einige bezeichne ich sogar als meine Freunde. Insofern ist es nicht weiter überraschend, wenn das Wort „Ausbau“ hier zu finden ist.
Ich denke, der Bericht verdeutlicht einmal mehr, welchen Beitrag Polizei, Justiz und Verfassungsschutzbehörden bisher geleistet haben, damit so etwas wie die Morde des NSU weder in Deutschland noch in Mecklenburg-Vor- pommern je wieder geschehen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an zentraler Stelle des NSU-Untersuchungsausschussberichtes des Deutschen Bundestages steht die Feststellung, dass rassistische Tatmotive bei Gewalttaten nie mehr von vornherein ausgeschlossen werden dürfen, nachzulesen in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag vom 30.12.2014. Diese zentrale Feststellung finden wir deshalb ganz oben in dem Bericht der Landesregierung.
Auch in die Erlasse für die Arbeit der Landespolizei hat diese Feststellung bereits rechtsverbindlich Einzug gehalten und sie verpflichtet jeden Polizeibeamten in Fällen von Gewaltkriminalität, bei der aufgrund der Personen – des Opfers oder des Tatverdächtigen – ein fremdenfeindliches Motiv als möglich erscheint, dieses Motiv in die Ermittlung mit einzubeziehen.
Es ist in dem Bericht beileibe kein Widerspruch, dass auf den Spagat hingewiesen wird zwischen der Anzahl der Gewaltdelikte, die wir jedes Jahr in Mecklenburg-Vor- pommern registrieren, und den Möglichkeiten der Polizei. Das eine schließt das andere nicht aus, aber es ist kein Widerspruch. Man muss die Möglichkeiten der Polizei realistisch beim Namen nennen. Man kann nicht immer den Hahn zudrehen, immer weiter, immer weiter und immer weiter und letztendlich immer mehr Aufgaben übertragen.
Ich denke, so, wie es dort formuliert ist, ist es ein hervorragender Kompromiss und ich denke, ein hervorragendes Regularium für unsere Landespolizei. Der Wortlaut des Erlasses spiegelt dort sogar den exakten Wortlaut der Ziffer 1 der Empfehlung des Bundestagsuntersuchungsausschusses wider. Mecklenburg-Vorpommern war in diesem Punkt schneller als der Bund – übrigens entgegen dem, was der eine oder andere Vertreter der Opposition immer wieder gerne behauptet. Der Bundestag berät erst jetzt ein Gesetz, welches diese Leitlinie verbindlich und ausdrücklich in der Strafzumessung berücksichtigt.
Wenn ich die Prioritätensetzung des Untersuchungsausschusses allerdings mit den Diskussionsbeiträgen einiger Vertreter der hiesigen Opposition – gemeint ist nicht unbedingt die heutige Debatte – vergleiche, dann fällt mir auf den ersten Blick eine Diskrepanz auf. In Mecklenburg-Vorpommern scheint es eher darum zu gehen – der Minister hat es vorhin anklingen lassen –, das eigene tiefe Misstrauen gegenüber dem Verfassungsschutz durch die Wiederholung fadenscheiniger Argumente öffentlich zu rechtfertigen, wahrscheinlich auch mangels substanzieller Kritikpunkte.
Anders, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen sich diese Verlautbarungen nämlich nicht erklären. Auch im Wissen darum, dass der ein oder andere ohnehin nicht auf Sachargumente reagiert, möchte ich Sie dennoch bitten, sich beim Thema NSU auf die Sache selbst zu fokussieren und nicht stets und ständig die Sicherheitsbehörden in unserem Land zu diskreditieren. Diese leisten nämlich eine hervorragende Arbeit.
Der Landesverfassungsschutz hat genau wie die Polizei und die Justiz seine Hausaufgaben vom Bundestagsun
tersuchungsausschuss erhalten und wie der vorliegende Bericht beweist, auch bereits gemacht. Der Bericht verdeutlicht meines Erachtens, dass sich alle staatlichen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern dieser Verantwortung stellen. Für eine politische Instrumentalisierung, für eine Diskussion über das Für und Wider der Notwendigkeit eines Verfassungsschutzes ist meines Erachtens dieses Thema NSU nicht geeignet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns die heutige Debatte nutzen, um auch einmal über den Tellerrand hinwegzusehen und für einen kurzen Moment das Thema NSU zu verlassen. Bayern beispielsweise reagierte auf die Anschläge in Frankreich und Belgien mit einer Aufstockung seines Personals bei der Polizei und beim Verfassungsschutz. Wenn dieses Beispiel zu unionsnah sein sollte, können wir auch einen Blick in das grüne Baden-Württemberg werfen. Auch dort gab es unverzüglich Reaktionen auf die Terroranschläge. Die Polizei erhielt 100 neue Stellen und mehr Technik für den Staatsschutz. In NordrheinWestfalen – auch nicht unionsregiert – werden sogar 400 neue Stellen geschaffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich steht fest, der Verfassungsschutz ist unsere einzige gesetzlich zulässige Form der Frühwarnung. Sie funktioniert womöglich nicht immer zu hundert Prozent und vielleicht werden manche Informationen auch gar nicht erlangt oder nur unzureichend interpretiert, aber es ist unsere einzige Chance, mögliche Attentate wie in Frankreich und Belgien im Vorfeld aufzuklären und zu verhindern.
Vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte kann ich durchaus Ressentiments gegenüber dem Geheimdienst verstehen. Aber ich denke, gleichwohl sensibilisieren uns diese Erfahrungen. Auch unterschied- liche Auffassungen über die Struktur und die Arbeitsweise der Geheimdienste sind legitim, aber darüber sollten wir zunächst im zuständigen Ausschuss disku- tieren. Aber eines erkläre ich hier auch in aller Deutlichkeit, und zwar in aller Deutlichkeit für meine Fraktion und für mich: Die Sicherheit und das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung stehen für uns an oberste Stelle, und daran kann und daran wird es auch keine Abstriche mit uns geben. Diesem Sicherheitsbedürfnis haben wir umfänglich Rechnung zu tragen, und dafür brauchen wir einen starken und arbeitsfähigen Verfassungsschutz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Redebeiträgen meiner Vorredner war unschwer der Wunsch nach weiteren Gesprächen zu entnehmen. Insofern wird es Sie auch nicht verwundern, dass ich mich den Vorschlägen meiner Vorredner anschließe und um Überweisung in den Innenausschuss bitte. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie mögen es hundertmal aufschreiben, dass es angeblich keine Verstrickungen des Staates gab, allerdings sind in den Schilderungen zum NSU so viele V-Leute aufgetaucht und so viele Akten vernichtet worden, dass man die Wahrheit wohl nie erfahren wird. Das Ganze ist so glaubwürdig wie der Verfassungsschützer, der im Internetcafé sitzt, während nebenan jemand erschossen wird, der Schlapphut aber nichts gemerkt haben will,
oder so glaubwürdig wie der angebliche Diabetestod des Top-V-Manns Thomas Richter alias Oikrach, alias Corelli,
genauso glaubwürdig wie der angebliche Doppelselbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Den nimmt Ihnen nämlich auch keiner mehr ab. Selbst die SPDMinisterin Özoğuz ließ öffentlich Zweifel daran verlauten.
(Patrick Dahlemann, SPD: Haben Sie Schwierigkeiten mit der Aussprache? – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)
Aber das ist Ihnen völlig egal, denn unter Vorwegnahme des Urteils im NSU-Prozess, de facto der Missachtung der angeblichen Unabhängigkeit von Gerichten steht für Sie fest, wen Sie als Täter zu benennen haben. Und ich wiederhole hier, was ich schon vor einiger Zeit sagte: Der NSU, so, wie er dargestellt wird, ist das Beste, was Ihnen passieren konnte. Denn Sie vereinnahmen die Getöteten, welche als Opfer des NSU gelten, und profilieren sich über die Opfer.
Und Sie legitimieren den Ausbau der Repression und des Überwachungsstaates gegen Oppositionelle. Das wird in diesem Zwischenbericht einmal mehr deutlich.
Grundsätzlich gibt es ja ein Trennungsgebot von Geheimdiensten und der Polizei. Nun gibt man sich in Mecklenburg-Vorpommern rege Mühe, dies zu umgehen. Von verstärkten gegenseitigen Hospitationen