Protocol of the Session on January 29, 2015

Alles andere wäre mehr als unseriös. Als einzige Partei hat die SPD sich nicht pauschal für oder gegen etwas ausgesprochen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wir bringen uns auf allen Ebenen aktiv in den politischen Prozess ein. Mit unserem Konventsbeschluss haben wir eine klare Richtschnur, an der wir unser Abstimmungsverhalten auch ausrichten werden. Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen der EU und den USA grundsätzlich nicht erforderlich und sollten mit TTIP nicht eingeführt werden. In jedem Fall sind InvestorStaat-Schiedsverfahren und unklare Definitionen von Rechtsbegriffen, wie faire und gerechte Behandlung und indirekte Enteignung, abzulehnen. Wir haben von Beginn an Schiedsgerichte als undemokratisch abgelehnt. Bei diesen Geheimgerichten ist die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze und die Berücksichtigung demokratisch verfasster Gesetze nicht gesichert.

Deshalb müssen Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Investor und einem Mitgliedsstaat öffentlich vor den Ordentlichen Gerichtsbarkeiten verhandelt werden. Auch steht für uns die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht zur Verhandlung, zudem darf das Abkommen nicht dazu führen, dass Rekommunalisierungen verhindert werden. Für die SPD müssen auch in Zukunft Aufgaben der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand bleiben beziehungsweise rekommunalisiert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich lade Sie ein, nehmen Sie teil an diesem wichtigen Diskussionsprozess!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Was machen wir mit dem Antrag, Frau Drese?)

Wir haben als SPD im Landtag die Initiative ergriffen und hochrangige Gesprächspartner zu uns in den Europaausschuss eingeladen. Dr. Jan Schmitz als hoher Beamter der EU-Kommission und TTIP-Koordinator hat uns

wichtige Informationen zu den Verhandlungen für unsere tägliche Arbeit zur Verfügung gestellt und wir haben ihm unsere Gedanken mitgegeben. Ebenfalls wird Bernd Lange Ende nächsten Monats zu uns in den Europaausschuss kommen. Bernd Lange ist Europaabgeordneter und TTIP-Berichterstatter des Europa-Parlaments. Er hat vor Kurzem ein Arbeitsdokument des Handelsausschusses vorgelegt, zu welchem wir mit ihm ausführlich diskutieren können. Ich lade Sie dazu ein, diese Chance zu nutzen, denn Handel ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck, so Bernd Lange.

(Udo Pastörs, NPD: Ein Machtinstrument.)

EU-Handelsabkommen können eine Chance für kleine und mittlere Unternehmen sein und müssen den Anspruch haben, Globalisierung auch zu gestalten.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Das ist sozialdemokratischer Anspruch für EU-Handels- politik.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Für die SPD-Fraktion gilt, nur wenn wir progressiv sind, können wir Veränderungen und Fortschritte erreichen, für die wir aber selbst arbeiten und uns einsetzen müssen. Ihr Antrag hingegen ist recht einfallslos und bringt uns bei dieser wichtigen politischen Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt kein Stück weiter. Wir lehnen ihn daher ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolfgang Waldmüller, CDU – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Drese, das, finde ich, ist schon ein sehr starkes Stück, dass Sie sagen, wir müssen das Paket erst mal zuschnüren und zuschweißen und dann können wir immer noch darüber reden.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da haben Sie recht, Frau Gerkan. – Zuruf von Stefanie Drese, SPD)

Also ich denke, an der Stelle ist es weiß Gott zu spät.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und Sie saßen auch im Europa- und Rechtsausschuss, ich war ja selbst dabei, als uns gesagt wurde, dass der Druck noch erhöht wird und dass möglichst noch dieses Jahr, sprich 2015, die Verhandlungen abgeschlossen werden sollen. Und insofern ist es höchste Eisenbahn, darauf Einfluss zu nehmen.

Ich darf mal kurz aus der „Welt“ zitieren, und zwar spricht da noch mal unsere Frau Bärbel Höhn:

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Das ist aber nicht unsere.)

„Der Kommission scheint der Ernst der Lage nicht bewusst zu sein“, sagt Frau Höhn, Vorsitzende des Bundesausschusses von den Bündnisgrünen. Es wird auch nicht funktionieren, den Mitgliedsstaaten den Mund zu verbieten. Handelsabkommen ohne Klageprivilegien für Konzerne sind durchaus möglich und nötig.

Das am häufigsten genutzte Forum für ISDS-Schieds- verfahren ist das bei der Weltbank angesiedelte International Centre for Settlement of Investment Disputes. Die Zahl der ISDS-Verfahren, so hat es auch Herr Brie schon gesagt, das zeigt auch die Campact-Studie „TTIP vor Ort“, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Ich wiederhole ruhig noch mal die Zahl, sie kletterte bis zum Ende des Jahres 2013 auf eine Zahl von 568.

ISDS-Verfahren unterscheiden sich erheblich von den gesetzlich geregelten Verfahren vor staatlichen Gerichten. Üblicherweise wird für jeden Fall ein Tribunal aus drei Schiedsrichtern bestellt, jede Streitpartei benennt einen eigenen Schiedsrichter und beide Seiten einigen sich auf einen Vorsitzenden. Meistens arbeiten die Schiedsrichter für große Wirtschaftskanzleien. Die Tribunale tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und halten die meisten Dokumente unter Verschluss. Ihre Urteile sind bindend. Eine Berufsinstanz gibt es nicht mehr. Nach Angaben von Campact könnte die Zahl der Investor-Staat-Klagen allein durch den Abschluss der Transatlantischen Handelsabkommen stark anwachsen, von den durch das Kanadisch-Europäische Freihandelsabkommen CETA ermöglichten Klagen mal ganz zu schweigen.

Länder und Kommunen würden nach Einschätzung von Campact durch eine Aufnahme von Investor-StaatStreitbeilegungsverfahren in Freihandelsabkommen wie TTIP internationalen Entschädigungsrisiken ausgesetzt. Zwar könnten Länder und Kommunen auch aufgrund des deutschen Staatshaftungsrecht mit Schadensersatz oder Entschädigungsforderungen konfrontiert werden, bei den ISDS-Verfahren entstünden jedoch besondere Risiken, die von der konkreten Ausgestaltung der entsprechenden Klauseln in dem Abkommen und ihrer Interpretation durch die Schiedsgerichte abhingen. Herr Brie hat schon auf den Vattenfall-Klagefall hingewiesen, darauf werde ich jetzt nicht näher eingehen.

Wie Sie wissen, hat meine Fraktion im Europa- und Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung zum Thema TTIP beantragt. Dort trugen mehrere Sachverständige ernstzunehmende Bedenken gegen die ISDS-Klauseln des Abkommens vor. Befürworter habe ich da nicht groß- artig wahrgenommen.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Man hört immer das, was man hören will.)

Über die dadurch eingeräumten Klagemöglichkeiten könnten Unternehmen Druck auf staatliche Entscheidungen ausüben. Angesichts der in Rede stehenden Entschädigungssummen und des Zustandes der öffentlichen Kassen dürfte oft schon die Androhung einer Klage mit ungewissem Ausgang die entsprechende Wirkung entfalten, so sagte es zumindest Ernst-Christoph Stolper vom BUND. Als durch ISDS-Staatsverfahren gefährdete Bereiche hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Fracking, Energiewende und den Mieterschutz identifiziert. Helga Springeneer vom Verbraucherzentrale Bundesverband teilte diese Einschätzung. Zudem gäbe es im transatlantischen Verhältnis

sachlich keinen Bedarf für Investitionsregeln und für einen Streitschlichtungsmechanismus. Auch die Verhandlungsführer behaupten nicht, dass es dem beiderseitigen Rechts- und Justizsystem an grundsätzlicher Rechtsstaatlichkeit und Neutralität mangelt, sagt sie.

Vergangene Woche – war interessant zu lesen – meldete der Verfassungsrechtler Siegfried Broß nun auch rechtliche Bedenken gegen die ISDS-Klauseln in den Freihandelsabkommen CETA und TTIP an. Er sagte, Deutschland und die EU dürften diese Abkommen mit den jetzt bekannt gewordenen Klauseln für Investorenschutz und private Schiedsgerichte nicht abschließen, so in der „Süddeutschen Zeitung“. Diese Klauseln verstoßen gegen deutsches Verfassungsrecht, Recht der EU und bedeuten einen Systembruch des Völkerrechts.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts moniert, dass der Staat mit solchen Klauseln ohne Not einen Teil seiner Souveränität an private Schiedsgerichte abtrete. Wenn ausländische Firmen gegen eine Regierung dort klagen dürften, bedeute dies, dass der jeweils betroffene Vertragsstaat insoweit seine Souveränität und Gestaltungsmacht im Völkerrechtsverkehr aufgebe. Dafür gebe es keine Legitimation nach deutschem Verfassungsrecht.

Wir Bündnisgrünen lehnen die ISDS-Klauseln in CETA und TTIP nach wie vor ab. Dem Antrag der LINKEN stimmen wir daher zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Lenz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Dr. Brie, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Sie haben auch eine sehr ruhige, sachgerechte Einbringung gemacht. Was ich nicht ganz verstanden habe, waren die sehr emotional und auch mit einigen Fehlern belegten Ausführungen der Frau Gerkan. So möchte ich meine Ausführungen beginnen mit einem Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. Juli 2014: „Das Chlorhuhn ist tot, es lebe der Investorenschutz!“ Und ich möchte ein paar Ausführungen von Frau Gerkan auch berichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Freihandelsabkommen bewegt sehr, sehr viele Gemüter über Jahre hinweg schon landauf und landab und mittlerweile wechseln die Horrornachrichten, die uns weismachen wollen, wie schrecklich und schädlich doch so ein Freihandelsabkommen mit den USA für Europa und Deutschland wäre. Bis Mitte des letzten Jahres waren es die Horrorversionen des Chlorhuhns in unseren Regalen, Schwärme von im Biomarkt einkaufenden Familienmanager/-innen trieb allein die Vorstellung von einem nach amerikanischer Art desinfizierten Geflügelfleisch auf dem sonntäglichen Mittagstisch auf die Barrikaden. Abgelöst wurden diese Vorstellungen nun vom ISDS und der grauseligen Vorstellung, dass Weltkonzerne außerhalb der deutschen Rechtsprechung milliardenschwere Klageverfahren gegen

Deutschland anstreben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, dass vor circa 50 Jahren es die Bundesrepublik Deutschland, Deutschland selbst es war, das diese Investorenklauseln erfunden und eingeführt hat.

(Heinz Müller, SPD: Nicht alles, was in Deutschland erfunden wurde, ist auch gut.)

Mittlerweile – wir haben mit 130 Staaten, Frau Gerkan, solche Investitionsschutzabkommen – gibt es solche Investorenschutzabkommen über 1.800-mal in der ganzen Welt. Ich gebe zu, Dr. Brie, ob es notwendig ist, zwischen zwei so in der Marktwirtschaft etablierten, fest verankerten Staaten wie Deutschland und Amerika, dass es da tatsächlich notwendig ist, eine Schiedsgerichtsbarkeit aufzubauen, das ist für mich ebenso fraglich. Ich möchte Sie aber bitten, sachlich mit dem Thema TTIP und ISDS umzugehen. Die für den Handel zuständige Kommissarin Malmström hat doch deutlich in ihrem Statement gesagt und angekündigt, dass die Bedenken der Menschen äußert ernst genommen werden.

Und ich möchte jetzt zitieren aus einer Pressemitteilung vom 15. Januar der Europäischen Kommission, ich zitiere: „Im ersten Quartal 2015 wird die Kommission eine Reihe von Konsultationssitzungen mit den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und verschiedenen Interessenträgern, darunter Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Gewerkschaften

sowie Verbraucher- und Umweltorganisationen abhalten, um den Investitionsschutz und die ISDS im Rahmen der TTIP auf Grundlage dieses Berichts zu erörtern. In einem ersten Schritt werden die Konsultationsergebnisse am 22. Februar dem Ausschuss für internationalen Handel (INTA-Ausschuss) des Europäischen Parlaments vorgelegt. Im Anschluss an diese Konsultationen im ersten Quartal wird die Kommission konkrete Vorschläge für die TTIP-Verhandlungen entwickeln.“

Lassen Sie uns doch dieses Ergebnis erst mal abwarten, bevor wir das „Chlorhuhn“ vor das Schiedsgericht zerren. Dass hier gern überreagiert wird und bewusst die Ängste von Menschen manipuliert werden, zeigt doch die Tatsache übrigens auch, dass exakt derselbe Antrag sogar wortwörtlich bereits im Mai letzten Jahres in SachsenAnhalt von der dortigen Linksfraktion gestellt worden ist.

(Udo Pastörs, NPD: Oh, oh!)

Die Kommission hat die …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ist das so schlimm?)

Eigentlich nicht, aber das Immer-wieder-Aufwärmen der gleichen Geschichte, wo noch gar keine Ergebnisse da sind, Herr Holter, das ist …