Ableitend von dieser Fragestellung, würde ich sagen, hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN drei, nein, ableitend davon zwei Fragen definiert, eine noch zusätzlich, auf die ich zuerst eingehen möchte – also nein, Anträge formuliert, Entschuldigung. Einer der Anträge lautet: Um Interessenkollisionen von Amt und Mandat zu vermeiden, sollte es Bürgermeistern nicht möglich sein, zeitgleich im Kreistag mitzuarbeiten. Solange ich mich mit Wahlgesetzen hier im Land befasse, solange kommen diese Diskussionen immer wieder auf. Ich würde Ihnen empfehlen, das mit der kommunalen Ebene zu diskutieren
Teilweise wäre da ein ziemlicher Kahlschlag festzustellen. Man kann natürlich diese Meinung vertreten. Ich denke, es gibt in jeder Fraktion Befürworter und Gegner
dazu, und es haben sich die Gegner so einer Regelung immer ganz klar durchgesetzt, sodass wir auch in diesem Zusammenhang diesen Wunsch oder diesen Antrag ablehnen.
Zu dem einen Antrag habe ich etwas gesagt. Das war der, den wir bereits im Sozialausschuss hatten und dann von der Gesetzesebene in die Ordnungsebene hineingegeben haben. Aber der letzte, der dritte Antrag in diesem Zusammenhang ist auch viel schwerwiegender. Hier steht: In der nächsten Novellierung soll innerhalb des Gesetzes die Gewährleistung erbracht werden für Menschen mit Behinderungen, ihre politischen Rechte auszuüben. Und da möchte ich Ihnen mit Erlaubnis der Präsidentin vom Institut für Menschenrechte eine Kommentierung genau dieser Regelungen vorlesen, und zwar sagt das Institut für Menschenrechte bezüglich der EUKonvention dazu Folgendes:
„In Deutschland steht nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl auch behinderten Menschen das aktive und passive Wahlrecht bei … -wahlen zu“. Und das ist auch ganz genau so bei uns im Wahlgesetz enthalten.
„Vom Wahlrecht ausgeschlossen und damit auch nicht wählbar ist allerdings derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist oder der sich aufgrund einer gerichtlich verfügten Maßnahme der Besserung und Sicherung aufgrund einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen rechtswidrigen Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet … An diesen gesetzlich festgeschriebenen und dem Sinne nach auch in Rechtsordnungen anderer Staaten vorgesehenen Ausnahmefällen wurde auch nach Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention festgehalten, weil das
Wahlrecht als höchstpersönliches Recht nur Personen zustehen sollte, die rechtlich in vollem Umfang selbstständig handlungsfähig und“ – das vor allen Dingen entscheidende Wort für mich hierbei – „entscheidungsfähig sind.
Dies wird allgemein auch als im Einklang mit den Vorgaben des Artikels 29 Buchstabe a der Behindertenrechtskonvention stehend angesehen, weil diese Konventionsbestimmung nur die in Artikel 25 des UN-Zivilpakts schon festgeschriebenen staatlichen Verpflichtungen wiedergibt, aber keine weitergehenden politischen Rechte für Menschen mit Behinderungen begründet. Für das in Artikel 25 Buchstabe b des UN-Zivilpaktes verankerte Recht, bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen zu wählen und gewählt zu werden, ist aber allgemein anerkannt, dass ein Ausschluss vom Wahlrecht auf gesetzlich niedergelegten Gründen beruhen darf, die objektiv und angemessen sind. Das wird etwa für den Fall der Unzurechnungsfähigkeit oder einer strafgerichtlichen Verurteilung in Ansehung von Straftat und Strafmaß angenommen.“ So viel dazu.
Ich habe das noch mal vorgelesen, weil auch in meiner Fraktion einige Stimmen laut wurden, dass man dieses Recht auch Menschen, die selbst für sich keine Entscheidungen mehr treffen, durchaus einräumen könnte. Aber die große Mehrheit hat sich genau hinter diese Aussagen gestellt.
Eine Sache, die wir auch nicht weiterverfolgt haben, die ich mir sehr gewünscht hätte, will ich aber auch nicht unerwähnt lassen, und zwar: Im Rahmen der Beratungen hatten wir als SPD-Fraktion beantragt, dass die Bescheinigung der Wählbarkeit der in den Wahlvorschlägen benannten Personen von der für das Wahlgebiet zuständigen Wahlbehörde eingeholt werden soll. Das Innenministerium, das mit am Tisch saß, sagte uns zwar, dass es das inhaltlich gut nachvollziehen könnte, dass dies aber das Prinzip der Staatsferne bei Wahlen durchbrechen würde. Damit würde die Abhängigkeit der Wahlvorschlagsträger von Dritten geschaffen. Im Falle des Eintritts von Fehlern dürfte es nicht nach dem Motto laufen, muss irgendwo verloren gegangen sein. Sollte es zu Fehlern kommen, gelte es auch, den Anschein zu vermeiden, man habe nicht genehme Kandidaten aussortieren wollen. Daher müsste bei einer eventuellen Realisierung des Vorschlags eine detaillierte Fehler-Folgen-Regelung gefunden werden, welche ein enges Korsett beanspruche.
Problematisch sei insofern auch, dass das bestehende System der Fristen komplett umgestrickt werden müsste. Gerade im Hinblick auf Kreistagswahlen müsste das gesamte Fristengefüge zeitlich vorverlegt werden. Das kann ich ehrlich gesagt aufgrund unserer modernen technischen Ausstattung schwer nachvollziehen. Auf der anderen Seite habe ich selbst mit der Problematik zu kämpfen gehabt, dass Wählbarkeitsbescheinigungen, die die Gemeindebehörde ausstellt, in der nächsten Instanz – in Anführungszeichen natürlich –, nur zurückgewiesen werden, weil es entweder das falsche Formular war oder auch mal der falsche Stempel drauf war. Deswegen sehe ich erst mal, dass wir jetzt keine, auch nicht im Rahmen einer Entschließung, Veränderung hinbekommen haben. Aber ich nutze die Gelegenheit, wir befinden uns ja Richtung Weihnachten, hier einen kleinen Wunsch zu äußern,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt müssen wir eine Auszeit nehmen. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Och!)
dass darüber vielleicht im Ministerium ernsthaft nachgedacht wird, ob man so eine Regelung bei der Veränderung oder der anstehenden Überarbeitung der Landes- und Kommunalwahlordnung vielleicht doch noch mal berücksichtigt und dann nicht einen Bürokratismus aufbaut, der eigentlich überhaupt nicht nötig wäre.
Im Ganzen als Fazit: Natürlich wird die Fraktion der SPD den Gesetzentwurf mit den Änderungen, wie sie vom Innenausschuss vorgeschlagen oder vorgelegt wurden, unterstützen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf weiterhin gute Beratungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte schon fast das Gefühl, ich komme heute gar nicht mehr dran, aber ich habe es geschafft. Das liegt an den Redezeiten. So ist es halt im Parlament.
Zunächst einmal: Wir haben jetzt die Zweite Lesung. In der Ersten Lesung habe ich schon vorgetragen, was sich meine Fraktion für ein Wahlgesetz gewünscht hätte. Stattdessen wurde hier nur sozusagen der kleine Wurf präsentiert. Wir als GRÜNE sind der Auffassung, dass Mecklenburg-Vorpommern ein modernes Wahlgesetz, ein modernes Wahlrecht verdient hätte. Dazu wären aber Änderungen am Wahlrecht nötig, die weit über das, was hier vorliegt, hinausgehen würden.
Was verstehen wir darunter? Ich hatte es schon in der Ersten Lesung angeführt und eingeführt. Wir wollen, dass auch über das Wahlrecht versucht wird, mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen. Ich begrüße ausdrücklich die Entwicklung auf Bundesebene, dass man sich jetzt zumindest im Grundsatz geeinigt hat, dass man bei Unternehmen in den Aufsichtsratsorganen hier mehr Frauen in Zukunft haben möchte, und das auch regelt.
Aber dann muss die Politik auch mit gutem Beispiel vorangehen und dann dürfen nicht nur bei den GRÜNEN und bei den LINKEN Frauen zu pari im Parlament sitzen,
In der Koalition kommen leider auf jede Frau vier Männer. Ich halte das für ein Missverhältnis. Wenn wir uns das noch mal auf der Kommunalparlamentsebene anschauen, dann sieht es da nicht besser aus. Die Zahlen habe ich Ihnen ja schon mal vorgetragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es funktioniert, zeigt das Land Frankreich. Das ist jetzt nicht so weit entfernt und liegt im Übrigen auch im Abendland. Das heißt, das Abendland ist auch nicht untergegangen, seit das Parité-Gesetz dort seit 2000 erfolgreich umgesetzt wird. Aber ich glaube, der Weg bis dahin ist in unserem Land noch sehr weit.
Als Zweites wollen wir natürlich das Wahlalter senken, das hatte ich hier auch schon mal angeführt. Wir haben uns zumindest nach der Anhörung des Innenausschusses entschieden, wenigstens den Helfern in den Wahl- lokalen zu ermöglichen, dass sie jünger als 18 Jahre sind. Das ist eine Empfehlung beziehungsweise ein Hinweis des Städte- und Gemeindetages gewesen, wonach gerade die 16- und 17-Jährigen bei den Kommunalwahlen eine große Hilfe waren beim Auszählen der Stimmen, bei der Betreuung der Wahlurnen und, und, und.
Ich finde es eigentlich ein schönes Beispiel, wie man junge Menschen für die Demokratie begeistern kann, aber auch heranführen kann, indem man sie an der Demokratie beim Wahlakt aktiv beteiligt. Und wenn sie sich auch noch als geeignet herausgestellt haben, ja, dann wäre diese Möglichkeit wunderbar dazu geeignet, unsere
Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst zu entlasten, die ja eh schon mit vielen Aufgaben belastet sind und dazu dann auch noch bei den Wahlen ein Wochenende draufgeben müssen.
Insgesamt kann ich da insbesondere die CDU nicht verstehen, die einerseits die hohe Belastung der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst kritisiert, andererseits aber die Möglichkeit verwirft, junge Menschen beim Helfen in den Wahllokalen ranzulassen. Das finde ich in gewisser Weise widersprüchlich. Deswegen haben wir den Antrag heute noch mal hier eingebracht, um zu sagen, auch 16- und 17-Jährige sollen helfen können beim Wahlakt, also beim Auszählen der Stimmen in den Wahllokalen.
Drittens wollen wir GRÜNE, das hat ja Frau Tegtmeier schon länger ausgeführt, beim Landes- und Kommunalwahlgesetz die UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigen. Frau Tegtmeier, wir sehen das nicht so, wie Sie das dargelegt haben, und offensichtlich, das haben Sie ja auch sehr transparent dargestellt, sehen das auch Teile innerhalb Ihrer Fraktion anders. Das ist halt so im politischen Raum, es gibt unterschiedliche Auffassungen, unterschiedliche Bewertungen. Wir als GRÜNE sagen, da ist noch Spielraum drin. Nicht jede Person, für die eine Betreuung in allen Angelegenheiten festgesetzt worden ist, ist ungeeignet, am politischen System teilzuhaben und am Wahlakt teilzuhaben. Hier hätte ich mir natürlich gewünscht, dass wir da mehr ins Gespräch kommen. Das ist eine Aufgabe für die Zukunft.
Der Innenminister hatte hier bei der Einbringung auch dargelegt, man ist noch nicht so weit, man will abwarten, wie sich das in den anderen Bundesländern entwickelt. Das heißt, Frau Tegtmeier, es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich da selbst in Mecklenburg-Vorpom- mern in Zukunft noch was ändern wird. Das hat der Innenminister damit auch beim letzten Mal schon angedeutet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch etwas zu den vorliegenden Anträgen der Koalition über die Beschlussempfehlung im Innenausschuss sagen, und hier ganz besonders zum Paragrafen 21a „Wahlsichtwerbung“.
Die Grundintention, die die Koalition hatte, unterstützen wir. Den Parteien muss in angemessener Art und Weise die Durchführung von Wahlsichtwerbung in öffentlichen Verkehrsräumen ermöglicht werden. Gleichwohl wir als GRÜNE die ersten zwei Absätze dieses neuen Artikels, dieses neuen Paragrafen unterstützen können, haben wir große Bauchschmerzen mit dem dritten Absatz, denn da steht drin, dass diese, ich sage mal, angemessene Art und Weise, Wahlsichtwerbung durchzuführen, nur eingeschränkt werden darf im Sinne der Verkehrssicherheit, das ist in Ordnung, aber eben auch zur Wahrung des Ortsbildes und zur Vermeidung von Beschädigungen und Verschmutzung des Straßenraumes.
Wir haben große Diskussionen auch innerhalb unserer Fraktion gehabt, weil wir einerseits Beispiele gefunden haben, wann diese Regelung sinnvoll sein könnte, aber wir haben auch viele Punkte gefunden, wo wir uns erinnert haben, dass eine solche Regelung auch miss
bräuchlich gegen die demokratischen Parteien angewandt werden können. Gerade in Rostock gibt es durchaus politische Kräfte, die versuchen, die Wahlwerbung sukzessive aus dem Stadtzentrum hinauszudrängen, und die kriegen zum ersten Mal durch eine solche Regelung auch eine gesetzliche Norm an die Hand. Das sehen wir kritisch.
Auch wenn wir uns dem Grundanliegen dieses Artikels, dieses neuen Paragrafen nicht in den Weg stellen wollen, hätten wir erwartet, dass es dann nicht mit so schwammigen Begriffen ausgeführt wird
und dass man sich mehr Gedanken macht, um Missbrauch oder missbräuchliche Interpretationen dieser Norm in Zukunft auszuschließen. Wir werden das eng begleiten in den Kommunen. Wir werden uns das anschauen, wie der dann umgesetzt wird.
Es wurde uns im Innenausschuss zugesichert, dass der Innenminister das jetzt noch mal konkretisieren wird. Ich bin aber der Meinung, ein Gesetz sollte aus sich heraus schon konkret sein und nicht erst durch die Verordnung des Ministers konkretisiert werden. Aber sei es drum, wir werden das eng begleiten. Wir haben damit Bauchschmerzen. Deswegen lehnen wir den Artikel, den Paragrafen, so, wie er uns hier dargeboten wird, heute ab. Gleichwohl verstehen wir das positive Anliegen der Koalition und unterstützen das im Prinzip auch, aber eben nicht in der Form.
Deswegen bitte ich auch noch mal um getrennte Abstimmung der Ziffern I.1 bis 4 in der Beschlussempfehlung, dass wir das als einen Block abstimmen. Das ist im Zusammenhang mit diesem neuen Paragrafen 21a „Wahlsichtwerbung“ zu verstehen, denn da möchten wir zunächst erst einmal die jetzige Formulierung ablehnen, gleichwohl wir die Grundintention verstehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt im Wahlrecht in Mecklenburg-Vorpommern noch viel zu tun, um ein modernes Wahlrecht zu erhalten. Der Weg ist lang. Die vorliegende Gesetzesnovelle macht hier nur einen kleinen Sprung. Es ist kein großer Wurf. Wir werden sie deswegen ablehnen, weil zum Schluss ein Wahlgesetz in Mecklenburg-Vorpommern stehen wird, was wir im Prinzip für nicht mehr zeitgemäß halten, was wir für keinen großen Wurf halten. Deswegen werden wir im Prinzip, also zum Schluss den Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.