Protocol of the Session on December 10, 2014

Antrag der Fraktion DIE LINKE Überfällige Wohngeldreform nicht weiter verzögern – Drucksache 6/3495 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/3564 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete und Vizepräsidentin Lück für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon im April 2012 stellte ich den Antrag, das Wohngeldrecht zu ändern und die Heizkosten und den Heizkostenanstieg abzufedern. Seinerzeit befand der Wirtschaftsminister Glawe, es sei nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Auch glaubte er, es gäbe zurzeit auf Bundesebene keine Mehrheiten dafür. In diesem Jahr nun wendete sich das Blatt, und da sage ich einfach mal, steter Tropfen höhlt den Stein. Die Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks kündigte mehrfach an, zuletzt in der Haushaltsdebatte, die Wohngelderhöhung zu wollen und die Heizkostenkomponente wieder einzuführen. Darüber hinaus liegt ein Regierungsentwurf zum Wohngeld vor, der Anfang November dieses Jahres im Bundeskabinett beschlossen werden sollte. Dazu kam es aber offensichtlich nicht. Stattdessen kürzte der Haushaltsausschuss im Bundesetat für 2015 die Wohngeldmittel um 100 Millio- nen Euro, um die schwarze Null zu erreichen.

(Rainer Albrecht, SPD: Leider, leider!)

Mit dem Beschluss des Bundestages zum Haushalt ist es nun amtlich. Statt 630 Millionen Euro stehen im kommenden Jahr nur 530 Millionen Euro Bundesmittel für Wohngeld bereit. Damit ist die Hoffnung auf mehr Wohngeld erst mal zunichte gemacht.

(Rainer Albrecht, SPD: Na, 530 Millionen sind ja auch schon was.)

Diese Entwicklung ist ganz klar eine Folge auf der einen Seite des Einknickens der SPD bei den Koalitionsverhandlungen 2013

(Rainer Albrecht, SPD: Na, na, na, na! Da war nichts mit Einknicken.)

und liegt natürlich auch ursächlich im Verhalten der Bundes-CDU.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja, so wars.)

In den ersten Fassungen des Koalitionsvertrages war die Rede von der Einführung einer Energie- und Heizkostenkomponente beim Wohngeld. Im endgültigen Vertrag fehlt diese klare Aussage. Deshalb, nur deshalb konnte es zur Streichung dieser Mittel zum Abschluss der Haushaltsberatungen überhaupt kommen. Grund genug für uns, heute diesen Antrag zu stellen. Die Wohngeldreform aufzugeben, kommt für uns nicht infrage.

(Rainer Albrecht, SPD: Für uns auch nicht.)

Wenn sich schon der Bund verabschiedet, muss die Länderebene alles tun, die überfällige Wohngeldreform nicht weiter zu verschleppen. Gespräche zwischen der Bundesbauministerin und den Bundesländern laufen ja schon seit Längerem. Die Länderebene ist eben involviert in den Prozess und Mecklenburg-Vorpommern ist besonders betroffen. Ende 2012 – hören Sie gut zu! – gab es hier 37.300 Wohngeldhaushalte. Das sind 4,4 Prozent aller Haushalte, bundesweit ist es der höchste Anteil. Also Mecklenburg-Vorpommern liegt wirklich beim Wohngeld an der Spitze.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja.)

Erstens muss man sagen, dass der Bundesdurchschnitt bei 1,9 Prozent liegt. Das zeigt also, dass wir hier die

absoluten Vorreiter sind und was tun müssen. Eine Wohngeldreform würde nicht nur für die Wohngeldhaushalte, sondern auch für viele weitere Haushalte eine Entlastung von Wohnkosten bedeuten, so für Haushalte, die aus der Armutsfalle Hartz IV oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung herauskämen und dann Wohngeld beziehen würden, und auch für Haushalte, die derzeit knapp oberhalb der Grenze zum Wohngeldanspruch liegen und künftig anspruchsberechtigt wären.

Nicht zuletzt durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes ab 2015 wird mit steigendem Wohngeldbedarf gerechnet. Vor allem die Niedriglohnverdiener, also die sogenannten Aufstockerinnen und Aufstocker, haben endlich die Chance, mit dem Wohngeld aus Hartz IV herauszukommen. Ein Drittel der rund 43.000 Aufstockerinnen und Aufstocker in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet Vollzeit und sind damit potenzielle Empfänger von Wohngeld.

Meine Damen und Herren, jetzt geht es darum, doch noch das Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen. Nach den Plänen der Bundesbauministerin sollte das Wohngeld zunächst zum April, dann zum Juli kommenden Jahres angehoben werden. Weiter nach hinten verschieben hieße erstens, die Kommunen noch mehr zu belasten, die ohnehin die explodierenden Sozialhilfeausgaben nicht oder kaum noch schultern können, und zweitens mehr Haushalte in die Armutsfalle Hartz IV oder Grundsicherung abzuschieben beziehungsweise ihnen die Chance, daraus herauszukommen, zu verweigern. Und drittens werden diejenigen Haushalte, die gut zwei Drittel ihres verfügbaren Einkommens nur für Wohnkosten aufbringen müssen, gerade so über die Runden kommen, aber sich wirklich nichts leisten können, was sozusagen das Leben auch ausmacht. Das können wir nicht wollen und das wollen wir natürlich auch für die betroffenen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern

nicht. Ich sagte es bereits: In keinem anderen Bundesland ist der Anteil an Wohngeldhaushalten, bezogen auf alle Haushalte, so hoch wie bei uns. Nehmen Sie das also zur Kenntnis und handeln Sie entsprechend!

(Rainer Albrecht, SPD: Machen wir doch, machen wir doch.)

Meine Damen und Herren, so eine Reform kostet natürlich Geld, auch Landesgeld. Das ist uns völlig klar.

(Rainer Albrecht, SPD: Uns auch.)

Das in den Haushalt einzustellende Wohngeld tra- gen Bund und Länder je hälftig. 2012 wurden 50 Millionen Euro Wohngeld ausgezahlt. Das Land war praktisch mit 25 Millionen dabei. Nach meiner Schätzung könnten durch die Reformen bis 40.000 Haushalte im Land davon profitieren, die mit durchschnittlich 40 Euro Heizkosten und 125 Euro Wohngeld unterstützt werden. Dafür würden knapp 40 Millionen Euro Landesmittel in 2016 und 2017 benötigt werden. Das sollte bei den beginnenden Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2016 und auch 2017 berücksichtigt werden. Im kommenden Jahr könnten es mehr Mittel sein als die im Haushalt eingeplanten 30 Millionen Euro, vorausgesetzt, die Wohngelderhöhung kommt im zweiten Halbjahr. In den Vorjahren und auch in diesem Jahr wurde beziehungsweise wird deutlich weniger Wohngeld ausgegeben als eingeplant. Die Mehrausgaben 2015 wären durch die Minderausgaben dieses Jahres mehr als

gedeckt. Im Übrigen wäre die Finanzierung in jedem Fall durch den Haushaltsüberschuss 2014 auffangbar.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

In der Enquetekommission verkündete Staatskanzleichef Herr Frenzel unlängst, das Startkapital für die Ehrenamtsstiftung aus Haushaltsüberschüssen aufzubringen, ist mal eben so am Parlament vorbei.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das möchte ich mal bemerken. Wenn das also möglich ist, sollte es doch auch möglich sein, die Mittel für Wohngeld aufzustocken. Ich erinnere an die letzte Wohngeld- reform. 2009 wurden die Heizkostenpauschale eingeführt und nach zähem Ringen weitere Leistungsverbesserungen durchgesetzt. Wie gewollt profitierten mehr Haushalte von Wohngeld, in Mecklenburg-Vorpommern stieg deren Anteil auf 39.000. Die Wohngeldausgaben erreichten 2010 einen Spitzenwert von 73 Millionen Euro. Seit der Streichung des Heizkostenzuschusses nehmen zurzeit die Zahl der Wohngeldhaushalte und auch die Ausgaben aufgrund der gegebenen Ursachen ab. Heute liegen die Ausgaben für Wohngeld bei rund 1 Milliarde Euro bundesweit und unter 50 Millionen Euro in MecklenburgVorpommern. Das ist jedoch keine gute Nachricht, denn die Kosten haben sich nur verschoben vom Land auf die Landkreise und die kreisfreien Städte.

Meine Damen und Herren, ich sagte bereits, dass ein beschlussreifer Entwurf vorliegt. Ich kenne ihn nicht, die Eckdaten entnahm ich aber der Presse. Demnach soll das Wohngeld im Durchschnitt um 12 Prozent angehoben werden und die Heizkostenpauschale 22 Prozent höher ausfallen als 2009. 150.000 Haushalte sollen aus Hartz IV ins Wohngeld wechseln. Dieser Gesetzentwurf könnte Verhandlungsbasis sein.

Ich will das nur noch einmal verdeutlichen: Laut Städte- und Gemeindetag sind im Durchschnitt bei einem Drittel aller Wohngeldempfänger die tatsächlichen Mieten höher als die Beträge, die bei der Wohngeldberechnung berücksichtigt werden, deshalb müssen die Höchstbeträge der Mietentwicklung angepasst werden. Die Gruppe derjenigen, die ihr Wohngeld kaum noch tragen können, aber auch keinen Wohngeldanspruch haben, wird natürlich größer. Damit mehr Haushalte Anspruch auf Wohngeld haben, sind die Einkommensgrenzen anzuheben.

Die Zeiträume zwischen den Wohngeldnovellen sind einfach zu lang und diesen Vorwurf müssen Sie sich gemeinsam machen lassen, CDU wie SPD und besonders die Herren und Damen von der CDU.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Nehmen Sie also Einfluss auf den Bund! Durch Dynamisierung wird eine regelmäßige Anpassung an die Wohnkosten- und Einkommensentwicklung erreicht.

Ich denke, das waren genug sachkundige und sachbegründete Argumente,

(Manfred Dachner, SPD: Mehr als genug, mehr als genug.)

um unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst in Vertretung des Ministers für Wirtschaft, Bau und Tourismus die Justizministerin Frau Kuder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Wohngeld ist ein Zuschuss zur Senkung der Wohnkostenbelastungen und damit Bestandteil der sozialen Absicherung des Wohnens. Gerade bei Haushalten mit geringem Einkommen beanspruchen die Wohnkosten einen überproportional hohen Anteil an den zur Verfügung stehenden Einnahmen und genau hier setzt das Wohngeld ein. Beträgt die Belastungsquote der Wohngeldempfänger im Land ohne Wohngeld noch durchschnittlich 46 Prozent, sind es nach der Wohngeldgewährung nur noch 33 Prozent.

Das Wohngeld zeichnet sich darüber hinaus noch durch weitere Besonderheiten aus. Anders als beim sogenannten Hartz IV gibt es keine Vollkostenübernahme, sondern es wird ein Zuschuss zu den Wohnkosten gewährt. Das Wohngeld differenziert dabei nach dem individuellen Bedarf der Haushalte und dem regional unterschiedlichen Mietniveau, dadurch ist es sozialpolitisch sehr treffsicher und marktkonform. Außerdem sind die Empfänger von Wohngeld nicht auf das mitunter enge Wohnungssegment mit besonders günstigen Mieten beschränkt, sondern haben auch Zugang zu Wohnungen mit durchschnittlichen Mieten.

(Regine Lück, DIE LINKE: Genau, das ist ja auch gut so. Das zitiere ich nämlich auch noch.)

Des Weiteren profitieren die Wohngeldempfänger davon, dass es keine Aufforderung zur Senkung der Mietkosten oder gar zu Umzügen gibt.

(Regine Lück, DIE LINKE: Und deshalb muss man ja für Wohngeld sein.)

Die Menschen können in ihren Wohnungen und Quartieren bleiben. Stabile Bewohnerstrukturen und sozialer Zusammenhalt in den Quartieren werden damit gefördert und trotzdem gilt, überdurchschnittlich teure Wohnungen werden nicht zusätzlich bezuschusst. Die vom Wohnort abhängigen Miethöchstbeträge sorgen dafür, dass die Höhe des Wohngeldes sozusagen gedeckelt ist. Diese unbestreitbaren Vorteile sind ein Grund dafür, dass das Wohngeld seit einem halben Jahrhundert in Deutschland Bestand hat, allen Reformen der staatlichen Leistungen zum Trotz.

Umso erfreulicher ist es deshalb, meine Damen und Herren, dass sich die Bundesregierung eine Erhöhung des Wohngeldes auf die Fahne geschrieben hat.

(Patrick Dahlemann, SPD: Die gute Bundesregierung!)

Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene wurde die weitere Verbesserung der Leistungen des Wohngeldes verein

bart, indem die Leistungshöhe und Miethöchstbeträge an die Bestandsmieten und Einkommensentwicklung angepasst werden. Dies ist ein gutes Signal, um die Leistungsfähigkeit des Wohngeldes zu stärken und auch in den kommenden Jahren sicherzustellen.

Wie Sie der Presse und den Ankündigungen von Bundesministerin Dr. Hendricks entnehmen konnten, arbeitet das Bundesbauministerium an einem Gesetzentwurf, der den Koalitionsvertrag in diesem Punkt umsetzt. Es wird hier nichts auf die lange Bank geschoben. Es geht vielmehr um eine sorgfältige Vorbereitung und um die Erarbeitung eines Konzeptes, das sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch bei den Ländern die Zustimmung findet. Deshalb plädiere ich dafür, die derzeit laufenden Abstimmungsprozesse nicht durch politisches Querfeuer zu behindern.