Protocol of the Session on November 13, 2014

Die nächste Frage:

13. Wie sichern sich nach Erkenntnissen der Lan

desregierung illegal eingereiste Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt im Land?

Herr Abgeordneter Pastörs! Der Landesregierung beziehungsweise mir liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie illegal eingereiste Flüchtlinge sich ihren Lebensunterhalt sichern.

Zusatzfrage dazu: Gibt es bei Ihnen auch Erkenntnisse darüber, dass bei Ladendiebstählen in den letzten sechs Monaten sehr auffällig häufig Ausländer die vermuteten Täter sind oder waren?

Ladendiebstähle – das können Sie der Kriminalstatistik entnehmen – werden sowohl von deutschen als auch von ausländischen Straftätern durchgeführt. Da gibt es keine Differenzierungen.

(Michael Andrejewski, NPD: Aus gutem Grund.)

Das können wir im nächsten Jahr anhand der Gesamt- statistik wieder feststellen. Und insofern ist dementsprechend der Anteil der ausländischen Straftäter bei möglichen Ladendiebstählen immer noch erheblich niedriger als der der innerdeutschen Straftäter.

Das liegt natürlich auch an der Kopfzahl.

Aber Zusatzfrage dazu: Beabsichtigen Sie, um hier auch mehr Transparenz in Zukunft zu haben als Innenministerium, eine Differenzierung – die ja geboten scheint, aus unserer Sicht jedenfalls – einzuführen?

Herr Kollege Abgeordneter, Sie wissen, dass in Deutschland alles das, was die Statistiken betrifft, eine gemeinsame Entscheidung der Innenminister aller Länder ist, um hier eine Vergleichbarkeit der Statistiken zwischen den Ländern zu erzielen. Und derzeit – ich betone jetzt „derzeit“ – ist nicht angestrebt,

hier eine Differenzierung in Gänze einzuführen. Das schließt dies aber nicht für die Zukunft aus.

Ich bedanke mich.

Die Fraktion der NPD hat beantragt, die Fragen des Abgeordneten Petereit Nummer 14 und 15 schriftlich beantworten zu lassen. Dazu brauche ich das Einverständnis des Ministers.

Das ist in Ordnung.

Das ist so in Ordnung.

Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT – 25 Jahre Mauerfall – 25 Jahre Freiheit und Demokratie für unser Land, beantragt wurde diese Aussprache seitens der Fraktionen der CDU und SPD, in Verbindung mit der Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT – Erinnerung an die friedliche Revolution vor 25 Jahren – Verpflichtung und Verantwortung für die Bewahrung und Weiterentwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens. Diese Aussprache wurde seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt.

Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT 25 Jahre Mauerfall – 25 Jahre Freiheit und Demokratie für unser Land

Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT Erinnerung an die friedliche Revolution vor 25 Jahren – Verpflichtung und Verantwortung für die Bewahrung und Weiterentwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 180 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann hat vor wenigen Tagen anlässlich einer Feierstunde zum Mauerfall im Deutschen Bundestag einige Worte an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier gerichtet.

(Michael Andrejewski, NPD: Unter Missachtung der Geschäftsordnung.)

Ich möchte mir nicht alle Worte zu eigen machen, aber ich möchte ihn zitieren. Er hat dort ein Lied gesungen. Das Lied heißt „Ermutigung“. Es ist ein trotziges Lied, das vielen Menschen, die in der DDR inhaftiert waren, Trost spendete. Sie alle haben vielleicht von dem BiermannAuftritt gelesen oder ihn sich vielleicht auch angeschaut.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, und Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir waren dabei.)

Über die mediale Aufregung darüber, was Biermann wie gesagt hat, ist leider der letzte Satz seiner kurzen Ansprache ein wenig untergegangen. Dieser Satz lautete: „Ich finde es wunderbar, dass dieses Lied aus den Gefängnissen der DDR heute im Parlament der deutschen Demokratie gesungen werden kann.“

Dieser Satz ist sehr vielschichtig, aber er erinnert an diejenigen, die in der DDR inhaftiert waren, weil sie zum Beispiel allzu laut sagten, was sie dachten. Er erinnert auch daran, dass all jene, die in der DDR nicht schweigen wollten, am Ende doch recht behalten haben, als sie sich der DDR nicht beugten. Und er erinnert daran, dass der Bundestag heute das Zentrum einer selbstbewussten Demokratie im vereinten Deutschland ist. Eine Demokratie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dann eine Demokratie, wenn der Widerspruch zum Prinzip erhoben wird. Und deswegen wirkt der Satz, den ich eben zitiert habe, auch deswegen so mächtig, wenn ihn jemand wie Wolf Biermann ausspricht.

Vielleicht haben Sie sich mit der Lebensgeschichte von Wolf Biermann etwas auseinandergesetzt. Die Stasi hat im Übrigen einen 10-Punkte-Plan entwickelt, wie man seine Person zersetzen kann, nachdem er den Antrag gestellt hatte, bei der SED Mitglied zu werden. Das ist dann mit Pauken und Trompeten natürlich abgelehnt worden.

Ich möchte in meiner heutigen Rede auf mehrere Punkte eingehen, mich nicht nur mit der Person Biermann beschäftigen, auch nicht das zitieren, was er vielleicht über den einen oder anderen Kollegen im Deutschen Bundestag gesagt hat, weil ich Ihnen ehrlich sagen muss, der 9. November ist für mich ein wichtigerer Tag, als vielleicht alte Rechnungen zu begleichen oder die ewig gestrigen Diskussionen darum zu führen.

Ich möchte daran erinnern, dass das Ende der DDR – jedenfalls auch für mich persönlich – mit den beiden wunderbaren Jahren 1989 und 1990 zu den schönsten Zeiten in der deutschen Geschichte gezählt hat. Und vielleicht möchte ich auch ein wenig daran erinnern, wie diese Monate im heutigen Mecklenburg-Vorpommern verliefen. Ich möchte Fragen stellen, Fragen danach, wie es unserer Heimat in den letzten 25 Jahren ergangen ist, danach, warum wir gerade heute so gern – und vielleicht ist das nicht nur mein Gefühl, vielleicht teilen Sie das auch – und so oft zurückschauen. Und ich möchte auf den Wert der Freiheit eingehen. Ich möchte darauf eingehen, unter welchen Bedingungen auch unfreie Menschen Glück und Freude empfinden konnten. Ich möchte auf die Nischen in der DDR eingehen, auf die Rolle der Parteien und damit auch auf meine Partei – die Ost-CDU.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schaut man sich die Geschichte an, dann war der erste richtige Sargnagel für die Diktaturen in Osteuropa die Gründung der Solidarność-Gewerkschaft in Polen. Und ich kann Ihnen auch heute mit ruhigem Gewissen sagen: Ich bin den mutigen Menschen in Polen dafür sehr, sehr dankbar,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

dass man so viel Mut aufgebracht hat gegen die Machthaber von einst. Der Grund dafür ist ziemlich eindeutig: Die osteuropäischen Diktaturen – und mit diesen Vergleichen soll man sonst vorsichtig sein – waren im Prinzip

gleichgeschaltet und Solidarność war die erste, die dieses Prinzip durchbrochen hat.

Mir ist bewusst, dass dieser Begriff „Gleichschaltung“ historisch natürlich schwierig ist, er beschreibt aber dennoch zutreffend, was in Polen und eben auch in der DDR betrieben wurde: Alle Parteien und Massenorganisationen wurden dem Willen einer Partei unterworfen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na ja.)

und zwar ohne Wenn und Aber.

In der Verfassung der DDR, Frau Gajek, ich glaube, mit Ihrer Lebensgeschichte will ich Ihnen da gar nicht ins Wort fallen, aber in der Verfassung der DDR, und darauf beziehe ich mich, steht im Artikel 1, ich zitiere: „Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.“ Punkt. Diese Aussage hat keinerlei Ermessen und deswegen – ich werde später darauf noch einmal zurückkommen – ist für mich entscheidend, dass dieser Satz systematisch, in starken Abwandlungen zwar, in allen Staaten des ehemaligen Ostblocks so seinen Niederschlag fand. Und die erste Organisation – ich habe darauf hingewiesen –, die sich aus dieser Umklammerung in einer für mich heute noch sehr mutigen Art und Weise gelöst hat, war Solidarność.

Ein weiterer Meilenstein ist die Übernahme der Regierungsgeschäfte, auch das wollen wir nicht vergessen, durch Michail Gorbatschow 1985.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.)

Niemand, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird ernsthaft behaupten – auch ich werde das nicht tun –, dass Michail Gorbatschow von vornherein die deutsche Einheit im Sinn gehabt hat. Das hat er mitnichten. Aber trotzdem gibt es – und das ist auch nur meine private Meinung, die vielleicht historisch nicht ganz korrekt ist – für mich keinen Politiker auf der Welt, dem Deutschland zu tieferem Dank verpflichtet ist als Michail Gorbatschow. Er war die zentrale Person, auf die die Ostdeutschen gesetzt haben, die 1989 auf die Straße gegangen sind.

Ich kann mich noch sehr gut an die Bilder erinnern, wie eine greise Politikerriege auf dem Podium stand und die FDJ vorbeizog, und die haben nicht „Honecker, Honecker“ gerufen, sondern sie haben gerufen „Gorbi, Gorbi“. Und es wurden damals – Frau Kollegin Gajek, Sie können sich da sicherlich noch dran erinnern – unter der Hand so in den Straßenecken Sticker verteilt und da war Gorbatschow drauf.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Und wenn Sie das einem erzählt hätten, der sich in der Bürgerbewegung engagiert hat, dass er sich irgendwann noch mal ein russisches ZK-Mitglied an das Revers heften wird,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Generalsekretär.)

das war quasi etwas, das hätte man sich gar nicht vorstellen können. Insofern ist für mich eine der zentralen,

der zentralen Figuren bei der deutschen Einheit Michail Gorbatschow, und zwar deswegen, weil er uns keine Panzer geschickt hat, sondern diesen Prozess mit unterstützt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Und dass die Furcht vor den Panzern nicht unberechtigt war, ich glaube, das ist historisch belegt und dürfte auch in diesem Hohen Hause ziemlich unkritisch gesehen werden. Das hat sich tief in die DNA des damaligen Ostblocks eingebrannt. Die DDR hatte 1953, Ungarn 1956 und die Tschechoslowakei 1968 sehr schmerzhaft erfahren, was passiert, stellt man sich den Machthabern der UdSSR und der Kommunistischen Partei entgegen.

Und auch deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, erscheint es im Nachhinein wie ein historisches Wunder, dass das Ende der Diktatur 1989/90 gänzlich unblutig verlief. Es scheint im europäischen Kontext wie ein Wunder. Und gerade aus deutscher Sicht erscheint es wie ein Wunder, denn, das werden Sie alle wissen, wir hatten in Deutschland mit unseren Revolutionen sonst nicht so viel Glück. Sie sind entweder stets gescheitert oder sie mündeten anschließend in riesig großem Unglück. Weder haben es die Deutschen in ihrer Geschichte vermocht, sich gegen ihre ehemaligen Fürsten aufzulehnen, noch haben sie es geschafft, den Fürsten über einen längeren Zeitraum tatsächlich bürgerliche Rechte abzutrotzen. Umso erstaunlicher ist es, dass es den Deutschen, und zwar den Deutschen in der ehemaligen DDR, geglückt ist, etwas in die Geschichtsbücher von Deutschland zu schreiben, wofür ich – und ich hoffe, auch im Namen des einen oder anderen meiner Generation sprechen zu können – bis heute zutiefst dankbar bin.