Protocol of the Session on February 1, 2012

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Richtig.)

Und wenn wir uns anschauen, wie wir tatsächlich auch in Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern in der Landwirtschaft wirtschaften, dann ist es so, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Bürgerinnen und Bürger des Landes natürlich ein Recht darauf haben, selber zu entscheiden, welche Produkte sie besonders vorziehen oder welche man insgesamt zur Verfügung stellt. Aber eins ist auch klar: Die Kaufentscheidung eines jeden Verbrauchers, einer jeden Verbraucherin wird in Deutschland wohl auf längere Sicht noch ein Stückchen auch mit dem Geldbeutel zusammenhängen. Auch diese Diskussion müssen wir ehrlich und gerecht führen.

Wir haben in Deutschland ja wohl sehr preiswerte Lebensmittel. Und wenn wir uns überlegen, wir geben in Deutschland im Übrigen ganze elf Prozent, elf Prozent des Einkommens für Lebensmittel aus. In anderen Regionen in Europa sind es über 30 Prozent. Oder wenn Sie sich anschauen, ein Landwirt in Deutschland versorgt heute 140 Familien. Das ist also zweimal, wenn man so will, dieser Landtag. Auch das sollte man nie vergessen, wenn man mit Fingern auf Landwirte zeigt, von denen man meint, sie würden hier eine schädliche Produktion vollziehen.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig.)

Überlegen Sie sich das immer sehr genau, was Sie damit hier anrichten!

Und zum anderen ist es natürlich auch so, dass es in meiner Verantwortung liegt, und da will ich auch gar nicht ablenken, dass Fehlentwicklungen, die wir erkennen, entgegengesteuert werden muss, überhaupt gar keine Frage. Große Tierhaltungen stehen immer mehr im Fokus der Öffentlichkeit und der Medien, aber auch der gesellschaftlichen Debatte. Und ich bin froh darüber, dass wir diese Diskussion führen. Diese werden wir nicht in der Aktuellen Stunde führen können, sondern ganz bewusst habe ich mir für diese Legislaturperiode vorgenommen, einen Masterplan Land- und Ernährungswirtschaft zu entwickeln mit dem Ziel, ausdrücklich mehr Tierschutz, mehr Artgerechtigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, aber auch regionale Produktkreisläufe, wenn man so will, zu entwickeln, mit dem Ziel, für das Bundesland MecklenburgVorpommern die Land- und Ernährungswirtschaft im Kontext mit dem Gesundheitsland und dem Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern zu verknüpfen.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Ich glaube, hier gibt es große Chancen, auch perspektivische Entwicklung, wo wir ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland haben, wirklich zu vertiefen. Und es ist gut so, wenn man auch auf der Grünen Woche war und die Demonstrationen vor dem Kanzleramt hat miterleben können. Ich sage ausdrücklich, ich habe hohes Verständnis für diese über 80 engagierten Verbände und Vereine, dass man sich Gedanken und Sorgen macht. Aber eins akzeptiere ich nicht, wenn man über ideologisch verbrämte Diskussionen meint, man könne einen einzigartigen Berufsstand schlechtreden. Das sollten wir gemeinschaftlich nicht zulassen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, auch das ist mir wichtig, wir dürfen in Deutschland bitte nicht ausblenden, jawohl, wir haben eines der ausgefeiltesten Überwachungskontrollsysteme und damit Sicherheitsnetze, wie wir sie überhaupt in der Lebensmittelproduktion und in der Herstellung dieser Lebensmittel haben.

(Regine Lück, DIE LINKE: Dann ist ja alles in Ordnung.)

Und es sollte niemand ausblenden, selbstverständlich auch in größeren Anlagen, wie man diesen Begriff „Massentierhaltung“ definiert. Da bin ich gespannt, ob wir heute hier noch eine Definition bekommen. Ich sage Ihnen, es gibt keine dazu zurzeit. Und diese sogenannte industrielle Massenproduktion, auch dafür gibt es keinen Rechtsbegriff. Für mich gilt eins, auch das will ich hier unterstreichen, in den größeren Tierhaltungsanlagen gilt es, den Tierschutz, den Umweltschutz, die Lebensmittelqualität und die Sicherheit für Tiere und Menschen auf höchstem Niveau zu garantieren. Das gilt in Mecklenburg-Vorpommern so und da werden wir auch keine Abstriche zulassen.

Für mich ist eines klar – und genau das hat die Finanz- und Wirtschaftskrise weltweit doch gezeigt –, nämlich, dass man nicht jede Entwicklung der freien Märkte einfach so laufen lassen darf. Der starke Staat muss hier auch Grenzen aufzeigen.

(Stefan Köster, NPD: Welche Möglichkeiten haben Sie denn?)

Und das gilt, darauf werde ich gleich kommen, im Übrigen natürlich für große Tierhaltungsanlagen. Unser Haus ist aktuell dabei, diesen Masterplan Land- und Ernährungswirtschaft zu erarbeiten, um damit den Prozess, so, wie wir es festgeschrieben haben in der Koalitionsvereinbarung, dann in eine Bundesratsinitiative münden zu lassen. Und, meine Damen und Herren, wir brauchen dafür Sachlichkeit, wir brauchen wissenschaftliche Fundiertheit und wir brauchen dazu ausdrücklich auch Praxisnähe. Alles andere hilft uns nicht weiter.

Wenn wir Mehrheiten im Bundesrat haben wollen, dann müssen wir uns Zeit nehmen. Mir geht es nicht darum, eine Demonstration hier heute vom Zaun zu brechen, im übertragenen Sinne, oder ich will auch keinen Papiertiger in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln, sondern wir wollen alles daransetzen, dass wir dann Mehrheiten im Bundesrat bekommen, um diese übergroßen, betone ich, Tierhaltungsanlagen in der Zukunft zu verbieten.

Und es ist richtig, dieses BImSch-Gesetz und auch das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz sind unter RotGrün, unter Frau Künast und Herrn Trittin entstanden. So ist es sachlich und fachlich richtig und es waren diese beiden grüngeführten Häuser innerhalb der damaligen Bundesregierung verantwortlich. Hier haben wir im Übrigen auch schon mit Korsettstangen, wenn man so will, Begrenzungen vorgenommen. Auch das sollte man nicht vergessen, wir hatten vorher noch ganz andere Tierhaltungsmöglichkeiten.

(Vincent Kokert, CDU: Hört, hört!)

Und ich frage auch ausdrücklich: Was wollen wir denn verändern? Dieser Prozess braucht Energie und Fingerspitzengefühl und das erwarte ich von denjenigen, die hier mit Sach- und Fachverstand und wissensbasiert sich herstellen und heute Forderungen aufmachen.

Es geht im Masterplan um folgende Punkte:

Erstens. Im Vordergrund steht die Bodengebundenheit der landwirtschaftlichen Produktion in Mecklenburg-Vor- pommern.

Dies habe ich im Übrigen immer vertreten, und das werde ich auch versuchen, mit aller Kraft umzusetzen, nämlich genau nach dem Motto „Boden, Pflanze, Tier im Kreislauf“ zu wirtschaften. Das ist der Grundsatz, der uns im Übrigen von unseren Urahnen mit auf den Weg gegeben worden ist, und der ist nicht neu, sondern es gilt im Nachhaltigkeitsgrundsatz, diesen umzusetzen, also bäuerlich geführte Strukturen. Das heißt, die Erzeugung des benötigten Futters und natürlich auch die Ausbringung der Wirtschaftsdünger gehören in den Kreislauf, in die Region, um damit auch die Umweltverträglichkeit nachzuweisen.

Ich will an dieser Stelle noch mal betonen, MecklenburgVorpommern ist eine der viehärmsten Regionen Europas mit 0,38 Großvieheinheiten. Und eben ist gesagt worden – Frau Dr. Karlowski hat es ja auch schon mal öffentlich oder halböffentlich gesagt –, dass man sich darauf verständigen kann, sich auf zwei Großvieheinheiten in MecklenburgVorpommern perspektivisch auszurichten.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ist also noch Luft und damit auch Wertschöpfung für unser Bundesland möglich.

Zweitens – und damit bin ich bei der Begrenzung der großen Anlagen –: Jawohl, das wird eine heftige Diskussion auf der Bundesebene, insbesondere auch in den viehstarken Regionen Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens auslösen. Aber ich bin der festen Überzeugung, wir brauchen zum einen natürlich wissenschaftlich fundierte Aussagen und zum anderen wäre es unverantwortlich, wirtschaftliche Potenziale, die sich später vielleicht als sinnvoll erweisen, von vornherein auszusperren.

Und ich denke in diesem Zusammenhang an eine Stärkung der gemeindlichen Verantwortung. Genau da wollen wir hin. Die Gemeinden sollen entscheiden, ob sie eine Tierhaltungsanlage aufnehmen wollen, ja oder nein. Und da gilt es auch, diese Rechtslagen, die wir heute auf Bundesebene haben, so anzupassen, dass die Gemeinden in der Zukunft frei entscheiden können, ob sie Tierhaltungsanlagen ansiedeln wollen, ja oder nein.

Drittens. Wir werden das Raumordnungsprogramm – da gibt es ja Absprachen mit dem Energieministerium – des Landes Mecklenburg-Vorpommern anpassen, um damit auch den Gemeinden mehr Handlungsspielräume zu geben.

Viertens. Die Verbesserung der Tierartgerechtigkeit ist für mich von allergrößter Bedeutung. Und hier gilt es insbesondere in der Hähnchenmast in Deutschland, diese Situation in den Fokus zu nehmen und dafür zu sorgen, dass wir zu einem massiven Verringern des Medikamenteneinsatzes kommen, und auf der anderen Seite natürlich auch darüber nachzudenken, ob und inwieweit wissenschaftlich fundierte Grundlagen vorliegen, aber auch freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft, um letzten Endes damit zu einer massiven Reduktion des Medikamenteneinsatzes, insbesondere im Antibiotikabereich, zu kommen.

Und fünftens – auch das wird im Rahmen dieses Masterplanes Land- und Ernährungswirtschaft drinstehen –: Jawohl, unter dem Motto „Qualitätsoffensive für tierische Lebensmittel“ soll von unseren wissenschaftlichen Einrichtungen untersucht werden, inwieweit sich die Größenordnung einer Tierhaltungsanlage auf die Qualität des Endproduktes auswirkt oder ob andere Faktoren, wie zum Beispiel die Beweglichkeitsmöglichkeiten oder die Veränderungen im Futtersystem oder insbesondere auch in der Genetik zurück zu alten Haustierrassen, die wesentlich widerstandsfähiger sind, unter anderem einzusetzen sind.

Ich glaube, dass der ökologische Landbau in Meck- lenburg-Vorpommern in größeren Tierhaltungsanlagen zeigt, dass es auch ohne Medikamenteneinsatz oder fast ohne Medikamenteneinsatz geht. Und in diesem Sinne wünsche ich uns eine spannende Diskussion. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Backhaus.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schütt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, die bäuerliche Tierhaltung ist nirgends definiert. Inwieweit die Zukunft der bäuerlichen Tierhaltung derzeit ein aktuelles Thema ist, kann ich nicht erkennen.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Aus diesem Grunde frage ich mich, was Sie mit diesem vorliegenden Antrag bezwecken wollen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das kommt immer ein bisschen quasi drauf an. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Im Baurecht gibt es lediglich eine Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung. Hier ist unter anderem im Paragrafen 201 normiert, dass „insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei“ im Sinne des Baugesetzbuches Landwirtschaft sind. Mit dieser Vorgabe wird eine klare Abgrenzung zur gewerblichen Tierhaltung vollzogen.

Aktuell gibt es zahlreiche Bestrebungen von Landwirtschaftsunternehmen, die durch den Ausbau der Veredlungswirtschaft die Wertschöpfung ihrer Betriebe verbessern und Arbeitsplätze schaffen wollen. Leider müssen wir landesweit verzeichnen, dass sowohl Umweltverbände als auch Bürgerinitiativen, zum Teil aber auch Sie, meine Damen und Herren der LINKEN, sich vehement gegen die Ansiedlung beziehungsweise Errichtung von Tierhaltungsanlagen aussprechen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Und das aus gutem Grund.)

Sie gehen davon aus, dass keine Anlagen artgerechter und ökologischer zu betreiben sind. Eine Bestandsgröße für bäuerliche Tierhaltung bleiben Sie jedoch schuldig. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Schweinebestand in unserem Bundesland seit 1991 von 1,276 Millionen auf 765.000 Tiere und der Rinderbestand in demselben Zeitraum von 865.000 auf 544.000 Tiere gesunken ist, ist die Stärkung der Veredlungswirtschaft unseres Erachtens auch durch politische Vorgaben notwendig.

Aktuell wird auf Bundesebene die Novelle des Baugesetzbuches, insbesondere die Privilegierung der Landwirtschaft im Paragrafen 35, diskutiert. Viele sind der Auffassung, dass die Privilegierung von Landwirtschaftsunternehmen gänzlich abgeschafft werden sollte. Dieser Auffassung sind wir, meine Damen und Herren der Linksfraktion, nicht. Die Bestandsdichte von Schweinen, Rindern und Geflügel in unserem Land entspricht bei Weitem nicht der Bestandsdichte anderer vergleichbarer Flächenländer wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen.

Einen weiteren Schwerpunkt sehen Sie in der Aufnahme von Tierhaltungsanlagen in die Raumordnung. Sie wollen sogenannte Eignungsräume für Tierhaltungsanlagen ausweisen und damit alle anderen Räume von Tierhaltungsanlagen freihalten. Mit einer solchen Regelung

würden Sie große Teile des Landes von der Veredlungswirtschaft ausschließen. Gleichzeitig würden Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen verzögert.

Wir hingegen sind der Auffassung, dass nur zügige Genehmigungsverfahren und eine verlässliche Förderungspolitik zu mehr Wertschöpfung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum führen. Aus diesem Grunde halten wir das aktuelle Aussetzen der Förderung von Schweine- und Geflügelhaltungsanlagen im konventionellen Bereich für

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig.)

nicht gerechtfertigt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach so! Ach so!)

Hier gilt es, wieder zügig Planungs- und Investitionssicherheit für Landwirte zu schaffen.