Protocol of the Session on October 16, 2014

(Zurufe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU: Oooh!)

Ich möchte mich nun doch noch einmal mit Ihren Argumenten, so es die denn gab, auseinandersetzen. Das Land gibt viel Geld in die Kita-Betreuung. Das konnten wir immer wieder hören. Ja, das stimmt. Wir haben zum einen viele Kinder in der Kindertagesbetreuung, was gut ist. Die Betreuungsquoten kennen Sie. Und zum anderen kostet natürlich Qualität auch. Bildung in den Kindertagesstätten ist kostenintensiv, aber wenn wir da sparen, sparen wir am falschen Ende.

Wie sich die Landesmittel in den letzten Jahren entwickelt haben, konnten wir hören. Sich aber allein auf diese Zahlen zurückzuziehen, ist jedoch eine einseitige Betrachtung. Es gehört aus unserer Sicht auch dazu zu sagen, dass im Vergleich zu damals mehr Kinder in der Kindertagesbetreuung sind. Im Vergleich von 2006 zu 2012 haben wir allein 12.907 Kinder mehr in der Kindertagesbetreuung. Dass schon allein vor diesem Hintergrund die Landesmittel steigen müssen, ist logisch, wenn wir eine Kinder-Platz-bezogene Grundförderung haben.

Und weil Sie immer sagen, dass wir mit den Ausgaben spitze sind in Deutschland – oder wie Herr Mucha noch im Mai 2014 meinte, M-V steht im bundesdeutschen Vergleich mit der Verdopplung der Ausgaben seit 2006 ganz vorne –,

(Ralf Mucha, SPD: Das sind Fakten. – Heinz Müller, SPD: Ja, ist ja so.)

wagen wir doch mal den bundesdeutschen Vergleich. Auch da entpuppt sich Ihre Behauptung als falsch und Schönfärberei. Aus der Jugendhilfestatistik des Statis-

tischen Bundesamtes kann man die öffentlichen Mittel, die in einem Bundesland pro Kind gezahlt werden, entnehmen. Dazu gehören neben den Landesanteilen auch die Anteile der Landkreise, der kreisfreien Städte und der Wohnsitzgemeinden. Danach hatten wir 2006 noch 3.683 Euro an öffentlichen Ausgaben pro Kind für die Kindertagesbetreuung und lagen damit über dem bundesdeutschen Durchschnitt. 2012 haben wir nur noch 3.459 Euro an öffentlichen Ausgaben pro Kind. Das ist ein Minus von 224 Euro in sechs Jahren.

Diese Zahlen sind nicht mit Ihren Behauptungen in Übereinstimmung zu bringen, dass Sie das Geld ums Doppelte erhöht haben, jedenfalls nicht pro Kopf, pro Kind. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass einer der anderen Mitfinanzierer sich extrem aus der Kindertagesförderung herausgezogen hat.

Und eine zweite Erkenntnis folgt aus diesen Zahlen: Wir haben uns auch in diesem Bereich, dem Bereich der Kindertagesförderung, der zu Ihren Haupthandlungsfeldern in dieser Legislatur gehören sollte, zum Schlusslicht in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt.

(Tilo Gundlack, SPD: Sie denken, Sie machen einen schlanken Fuß damit.)

So lassen Sie Ihren Worten Taten folgen! Festzustellen ist, dass auch hier der Widerspruch zwischen Ihren Behauptungen und den Zahlen des Statistischen Bundesamtes weiter fortbesteht, dem aus unserer Sicht einfach nur nachgegangen werden muss.

Was jedoch feststeht, ist, dass die Landeszuschüsse in anderen Bundesländern weitaus höher sind. Gut, Sie haben bessere Betreuungsschlüssel, das kostet natürlich auch. Aber wir sind nicht bundesweit spitze. M-V zahlte als Landeszuschuss in die Grundförderung, so steht es im KiföG, 1.283 Euro pro Ganztagsplatz. Daneben gibt es noch weitere Zuschüsse für Qualitätsmaßnahmen. In anderen Bundesländern gibt es nur den Landeszuschuss ohne weitere Finanzströme, was deren Finanzierungssystem wesentlich überschaubarer, aber auch effizienter macht. Auch das war ja Ziel der Novellierung, was leider nicht erreicht wurde, das Finanzierungssystem im Bereich Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern zu vereinfachen und so die Bürokratie weiter abzubauen und Kosten einzusparen. Weiterhin besteht diese Kritik fort bei den Beteiligten vor Ort, so zum Beispiel letzte Woche geäußert im Jugendhilfeausschuss VorpommernGreifswald: Der KiföG-Finanzierungsbedarf ist unüberschaubar, deshalb auch die Prüfung.

Zum anderen unterscheiden sich natürlich die anderen Bundesländer nach Zuweisung, nach Krippe, Kindergarten, Hort, was auch verständlich ist, denn auch die Platzkosten für die unterschiedlichen Bereiche sind unterschiedlich. Jedenfalls zahlt Thüringen für einen Krippenplatz für Ein- bis Dreijährige – ja, den teuersten Platz, das muss ich zugeben – 270 Euro monatlich und damit 3.240 Euro jährlich. Sachsen-Anhalt zahlt für Krippenkinder 2.446,56 Euro jährlich, Sachsen 1.875 Euro. Das sind nur einige Bundesländer, damit möchte ich es bewenden lassen. Ich möchte nur noch mal unseren Grundförderungsbetrag in Erinnerung rufen: 1.283,13 Euro.

Was ebenfalls im Vorfeld in der Presse zu lesen war, war die Behauptung, das Land kommt allein für die Verbesserung der Qualitätsstandards auf. Damit haben wir die

zusätzliche Belastung von Landkreisen, Städten, Gemeinden und Eltern vermieden, so konnte man lesen. Auch das ist eine Halbwahrheit.

Schauen wir uns das am Beispiel der Fachkraft-KindRelation an. Sie legen die Fachkraft-Kind-Relation fest, geben aber keinerlei Hinweise, wie die dazugehörigen Betreuungsschlüssel auszusehen haben. Das überlassen Sie den Landkreisen und kreisfreien Städten im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung. Diese haben aufgrund mangelnder Finanzen, wie ich es beispielsweise in meiner Einbringungsrede am Beispiel Mecklenburgische Seenplatte deutlich gemacht habe, zu geringe Betreuungsschlüssel, um diese Fachkraft-Kind-Relation auch tatsächlich umzusetzen. Überlegen wir, in den Kreisen Betreuungsschlüssel weiter zu verbessern und dem Gesetz anzupassen, geht das in die Leistungs- und Entgeltverhandlungen ein und letztendlich muss es von den Gemeinden und von den Eltern getragen werden. Also stimmt Ihre Aussage nicht, Frau Hesse.

Ein weiteres Gegenargument, was ich von Ihnen, meine Damen und Herren, in der vergangenen Diskussion immer wieder gehört habe, ist, dass die Träger von Kitas oftmals ein Plus machen. Sie behaupten, dass dies gegen die Unterfinanzierung spreche. Das kann ich nicht teilen. Was ich zugeben muss, ist die Tatsache, dass die Träger durchaus mit Kitas ein Plus erwirtschaften können, deshalb betreiben Träger unter anderem auch Kitas, weil sie Wirtschaftsunternehmen sind und Plus machen müssen. Das weiß jeder Unternehmer von Ihnen.

Zu fragen ist natürlich, warum sie ein Plus machen. Es liegt sicherlich nicht daran, dass öffentliche Träger der örtlichen Jugendhilfe angesichts ihrer knapp bemessenen Haushalte bei den Leistungs- und Entgeltverhandlungen so großzügig werden. Jeder, der in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt im Bereich KitaFinanzierung tätig ist, weiß, dass bei den Leistungs- und Entgeltverhandlungen sehr genau geschaut wird, wofür die Gelder ausgegeben werden. Um jede Position wird gestritten, viele Nachweise müssen vorgelegt werden. Aber die Leistungs- und Entgeltverhandlungen werden perspektivisch, also im Voraus, für zwei Jahre geführt.

Wenn es nun dazu kommt, und das ist bei dem Durchschnittsalter unserer Erzieherinnen und Erzieher mit im Durchschnitt 45,8 Jahren sehr häufig der Fall, dass es zu einer Krankheit kommt, die länger als sechs Wochen dauert, sind da schon Personaleinsparungen. Diese sind vorher nicht planbar und mit zu berücksichtigen und deshalb ein Grund, weshalb Kitas Plus machen können. Zum anderen findet keine Kontrolle der Jugendämter oder seitens des Landes statt, wie die Gelder eingesetzt werden. Wie auch? Dazu fehlt im Kindertagesförderungsgesetz die gesetzliche Grundlage, das ist einfach nicht vorgesehen. Sie sehen, Ihre Argumente überzeugen nicht.

Nun verlangen Sie noch von uns konkrete Beträge oder Nachweise für die unzureichende Finanzierung. Zum einen haben wir gesagt, es ist die unzureichende Finanzierung zu prüfen. Wir haben es nicht unterstellt. Zum anderen haben wir die Indizien geliefert und ich habe sie in meinen heutigen Reden noch mal zusammengefasst.

Was ich nicht liefern kann, sind konkrete Beträge. Aber ganz ehrlich, das ist auch nicht unsere Aufgabe. Sie

ziehen sich doch gerne auf Zuständigkeiten zurück, meine Damen und Herren. In die Zuständigkeit der Landesregierung fällt nach dem Kindertagesförderungsgesetz ganz klar die Kostenbeobachtungspflicht. Dieser kommen Sie nur in unzureichendem Maße nach, so noch 2012 der Landesrechnungshof. Was ich feststellen kann, ist, dass sich die Landesregierung immer mehr aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zurückzieht und den Pflichten in nicht ausreichendem Maß nachkommt.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Ich frage mich, warum Sie sich so scheuen, diesen Widersprüchen nachzugehen oder mal im Sozialausschuss darüber zu diskutieren. Und es ist nicht so, wie Herr Mucha hier verständlich machen will, dass wir das können aufgrund unserer Anträge. Die werden regelmäßig, wie ja auch im Landtag, abgebügelt.

Das alles sind offene Fragen und Widersprüche, die nach wie vor die Forderungen nach einer Prüfung aufrechterhalten.

Und noch eins möchte ich vielleicht sagen zu dem Thema, wo Herr Mucha mir ja vorgeworfen hat, ich würde zu viele Kleine Anfragen stellen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was?!)

Herr Mucha, kommen Sie mal in Opposition, so, wie es zum Beispiel Ihre Landtagsfraktion in Hessen getan hat. Sie hat erst kürzlich eine Kleine Anfrage auf Drucksache 19/541 gestellt mit dem Betreff „Teilnahme am Wettmelken prüfen“, wo es unter anderem um die „Holzkuh ,Hessica‘“ geht oder um den „Golden Melkschemel“.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und wer hat gewonnen? Die SPD?)

Kehren Sie erst mal vor Ihrer eigenen Tür, bevor Sie uns derartige Dinge unterstellen! – Insofern danke ich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Danke, Frau Bernhardt.

Ums Wort gebeten hat noch einmal die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die zweite Rede von Frau Bernhardt verleitet mich dazu, ihr noch mal zu danken,

(Bernd Schubert, CDU: Aber sie geht ja noch mal nach vorne.)

dass ich Gelegenheit habe, doch das eine oder andere noch mal klarzustellen und ein bisschen die Fakten auseinanderzunehmen.

Mich beschleicht nach und nach der Eindruck, dass man Folgendes vorhat, nämlich ein gutes Gesetz mit guten Standards und erheblichen finanziellen Mehraufwendungen durch das Land kaputtzureden.

(Zuruf aus dem Plenum: Nee.)

Und wenn man sich tatsächlich auch mal vor Ort ein bisschen objektiv informiert, mit Eltern spricht, mit Erzieherinnen spricht und mit Kita-Leitungen spricht, dann weiß man auch, dass durch dieses Gesetz gute Standards tatsächlich vor Ort gelebt werden. Wer das negiert, der leidet an der Realität,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

an Realitätsverlust.

Und ich möchte noch mal ein paar Punkte gerne klarstellen, wenn Sie für sachliche Argumente noch zugänglich sind.

Wir haben tatsächlich die Stichtagsregelung überprüft auf Bitten der Landkreise.

(Stefan Köster, NPD: Die Wirklichkeit tut weh.)

Wir haben Daten erhoben, die Daten, die wir von den Landkreisen und kreisfreien Städten bekommen haben. Unterm Strich ist dabei herausgekommen, dass es keine Unterfinanzierung ist, sondern eine Überfinanzierung in Höhe von 500.000 Euro. Das heißt also, wer uns hier, dem Land, vorwirft, wir würden unserer Kostenbeobachtungspflicht nicht nachkommen, der ist schlichtweg falsch gewickelt.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Zur Elternbeitragsentlastung, auch da sprechen Sie mal mit Eltern. Ich selbst könnte Ihnen bestätigen, dass die Entlastung bei meiner Tochter – also sprich, bei uns – angekommen ist. Wie können Sie das negieren? Sei es im Krippenbereich und sei es im Vorschuljahr, wir haben immer deutlich gemacht, dass es ein Maximalbetrag bis zu 100 Euro ist und dass, wenn entsprechende Kostensteigerungen sind, dann entsprechend auch dieser Betrag sich etwas verringert. Das ist doch überhaupt nichts Unnatürliches. Und wer das alles negiert und versucht, diese Standards kaputtzureden, das, ich finde, hat nicht viel mit seriöser Politik zu tun.

Und ein weiterer Punkt, auf den ich gerne auch noch mal eingehen möchte, ist die sogenannte Vollverpflegung, weil in der Tat dieses Thema in der Presse war und ich das auch sehr ernst genommen habe, mir daraufhin in den letzten Wochen und Monaten viele Kitas angeschaut habe, die die Vollverpflegung eingeführt haben. Da muss man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen, dass drei Viertel unserer Kitas die Vollverpflegung ganz selbstverständlich und geräuschlos haben. Und die Kitas, die ich mir angeschaut habe, erheben pro Tag dort Kosten von 3,20 bis 4,00 Euro. Und das sind Beträge, die durchaus realistisch sind und durchaus dem entsprechen, was sie zahlen würden mit dem Mittagessen zu dem, was sie ihren Kindern mitgeben.

(Minister Dr. Till Backhaus: Frühstück auch noch.)

Und dass vielleicht einige Kitas den Knall nicht gehört haben und sich nicht rechtzeitig vorbereitet haben auf die Vollverpflegung, ich finde, das gehört zur Ehrlichkeit auch einmal dazu, das ganz deutlich zu sagen.

Wir sind jetzt in Gesprächen, gerade morgen, mit den Jugendämtern, um dieser Frage noch mal nachzugehen,