Protocol of the Session on October 15, 2014

Erstens. Die Subsidiaritätskontrolle muss wirkungsvoller gestaltet werden. Die 8-Wochen-Frist, die wir haben, um zu europäischen Rechtssetzungsvorhaben Stellung zu nehmen, sollte verlängert werden. Für uns ist es derzeit sehr schwierig, innerhalb dieser Zeit eine Entscheidung des Plenums zu erhalten. Die Fristverlängerung setzt allerdings eine Änderung der europäischen Verträge voraus. Wir sollten als Landtag darauf nicht alleine setzen, das ist meine persönliche Meinung.

Zweitens. Die Landtage sollen direktere Beziehungen zu den EU-Institutionen ausbauen. Da sind wir bei uns schon recht weit. Einige Ausschüsse fahren regelmäßig nach Brüssel und beraten dort mit Vertretern der EUKommission. Umgekehrt laden wir Kommissionsmitarbeiter auch nach Schwerin ein. So wird uns demnächst ein Mitarbeiter des Verhandlungsstabes zum Freihandelsabkommen TTIP hier in Schwerin informieren. Im vergangenen Jahr hat Martin Schulz, der alte und neue Präsident des EU-Parlaments, hier in Schwerin aktiv zum Gelingen des Parlamentsforums Südliche Ostsee beigetragen. Hierher gehört nach Auffassung der Landtagspräsidentin auch das Netzwerk zur Subsidiaritätsprüfung im EU-Ausschuss der Regionen. Und konsequent empfehlen wir in Ziffer 3 der Beschlussempfehlung, dass wir hieran als Landtag zukünftig mitwirken. Das wird den Erfahrungsaustausch mit anderen Parlamenten verbessern und unsere Arbeit erleichtern.

Drittens. In einem weiteren Punkt werden der Bundesrat und der Bundestag sowie die Organe der EU aufgefordert, die Landesparlamente in die Beratungen für eine verstärkte wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung einzubeziehen. Und in der Tat laufen wir Gefahr, dass unsere parlamentarische Budgetverantwortung durch die vielfältigen Maßnahmen zur Eindämmung der Staatsschuldenkrise rechtlich und tatsächlich eingeschränkt wird, denn im Bedarfsfall haftet der Gesamtstaat, wo also der Bund und die Länder für die eingesetzten Garantien haften. Und da sollten wir aufmerksam bleiben, denn wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Am Ende meines Wortbeitrages komme ich darauf noch zurück.

Viertens. Vor dem Hintergrund all dieser Punkte ist es nur konsequent, wenn sich die Landtagspräsidentenkonferenz für eine Stärkung der innerstaatlichen Beteiligungsrechte der Landtage einsetzt. Wir brauchen Informationen, um effektiv arbeiten zu können.

Sie sehen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diesen vier Punkten sollten wir, wie mit unserer Beschlussempfehlung vorgesehen, zustimmen, denn sie betreffen unser Selbstverständnis und unser Selbstbewusstsein als Parlament, sie stärken uns. Und da ist es nur konsequent, wenn wir in Ziffer 2 der Beschlussempfehlung auch die Landesregierung mit ins Boot holen und sie

dazu auffordern, sich unter anderem im Bundesrat für die entsprechenden Punkte einzusetzen.

Ich freue mich besonders, dass unser Parlament bei unserem Ministerpräsidenten so einen hohen Stellenwert hat und wir ihn an unserer Seite wissen. Gerade in europäischen und Bundesangelegenheiten ist die Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei besonders eng und gut. Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Sellering, dafür.

Zu Ziffer 3 der Beschlussempfehlung hatte ich bereits gesprochen. Da geht es um das Subsidiaritätsnetzwerk des EU-Ausschusses der Regionen – eine sinnvolle Sache.

In Ziffer 4 fordern wir die EU-Kommission auf, eine Arbeitsgruppe – auch unter Beteiligung der regionalen Parlamente – einzusetzen, die auf die Stärkung der Rolle der Landtage in der EU hinwirkt. Das ist eine logische politische Konsequenz aus dem, was ich vorher gesagt habe. Und wir sollten unsere Präsidentin auch dabei unterstützen, dass sich die Landtagspräsidentenkonferenz insgesamt in diese Richtung positioniert. Da unsere Präsidentin noch knapp ein Jahr lang die Vorsitzende der Präsidentenkonferenz ist, sind wir da in guten Händen.

Soweit zu unserer Beschlussempfehlung. Doch Frau Bretschneider hat uns im Ausschuss noch informiert zur beabsichtigten Neuordnung der Bund-Länder-Finanz- beziehungen. Sie hat deutlich gemacht, dass das ein Kernthema ihres Vorsitzes in der Landtagspräsidentenkonferenz ist und dass sie sich gemeinsam mit ihrem sächsischen Kollegen dafür einsetzt, dass die Landtage in dieses wichtige Thema mit einbezogen werden, denn es kann hier nicht ausreichen, allein den Bundesrat zu beteiligen. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanz- beziehungen wird konkrete Auswirkungen auch auf die Landtage haben, da sie ganz konkrete Auswirkungen auf die Landeshaushalte haben werden.

Die Konferenz der Regierungschefs wird sich Ende des Jahres mit den Vorschlägen der Länderfinanzminister beschäftigen. Mit dem Ergebnis dieser Beratungen wird sich dann eine Sonderpräsidentenkonferenz am 15. De- zember befassen. Ich gehe davon aus und bin davon überzeugt, dass uns unsere Präsidentin auch unabhängig von dem Antrag, den wir zu Tagesordnungspunkt 30 am Freitag beraten, nach den dazu anstehenden Sonderpräsidentenkonferenzen darüber erneut im Ausschuss informieren wird. Für die Einzelheiten verweise ich auf meinen schriftlichen Bericht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschlussempfehlung wurde im Ausschuss von den Fraktionen SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getragen. Ich darf Sie nun im Namen dieser Ausschussmehrheit um Ihre Zustimmung bitten und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Dann ist im Ausschuss ja Einigkeit.)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat Dr. Brie von der Fraktion DIE LINKE.

Danke, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann fast allem zustimmen, was Frau Drese hier vorgetragen hat. Ich persönlich habe im Ausschuss der Präsidentin bereits gedankt für diese Unterrichtung. Ich hätte es gerne heute wiederholt.

Wir schließen uns der europapolitischen Erklärung der Landtagspräsidentenkonferenz gern an. Meine Fraktion hat auch im Ausschuss dem Bericht, den wir vorgelegt haben, zugestimmt und wird das auch heute im Plenum tun. Die vier Forderungen der Hamburger Erklärung unterstützt meine Fraktion nicht erst heute energisch:

1. nach einer wirkungsvolleren Gestaltung der Subsidia

ritätskontrolle

2. nach direkteren Beziehungen der Landesparlamente

zu den EU-Institutionen

3. nach der Wahrung der parlamentarischen Budgetver

antwortung

4. nach Stärkung der innerstaatlichen Beteiligungsrechte

Es war daher auch im Ausschuss maßgeblich meine Fraktion, die erfolgreich darauf gedrängt hat, die Landtagspräsidentin dabei zu unterstützen, einen Aktionsplan der Europäische Union für die Stärkung der nationalen und regionalen Parlamente zu erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher, dass wir auch heute einen demokratischen Konsens zu dieser Erklärung bekommen werden. Das Problem jedoch, Frau Drese, das ich vor allen Dingen ansprechen möchte, ist ein anderes. Die Forderung, die Fristen für Subsidiaritätskontrollen zu verlängern, ist natürlich eine sehr gute Idee, aber Sie haben schon darauf hingewiesen, dass das rechtlich gar nicht so einfach ist. Ich denke daher, dass wir auch als Landtag gefordert sind, unsere eigenen Möglichkeiten tatsächlich zu nutzen und auszudehnen.

Das betrifft zum einen die Bindungswirkung von Parlamentsentscheidungen gegenüber der Landesregierung. Anderenorts ist das längst eingeführt worden. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir sie in dieser Frage noch immer nicht. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente hatten sie mit Zustimmung unserer Präsidentin bereits in der Dresdner Erklärung vom 9. Ju- li 2012 gefordert. Zum anderen wäre es nach meiner Überzeugung für die Wahrnehmung der Subsidiaritätskontrollen sehr wichtig, die plenarersetzenden Entscheidungen des Europa- und Rechtsausschusses einzuführen, die in vielen anderen Bundesländern bereits Realität sind.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Darüber wird seit einem Jahrzehnt bei uns hier im Plenum diskutiert.

Wie bedeutsam dieses Problem ist, dürfte allen von uns noch in Erinnerung sein. Am 23. Oktober 2013 legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Standard der Mehr- wertsteuererklärung vor. Viele in unserem Haus sahen darin einen Subsidiaritätsverstoß.

Aber wie lief das bei uns ab? Der Europa- und Rechtsausschuss befasste sich damit am 27. November, verfasste am 4. Dezember eine Beschlussempfehlung. Diese wurde hier im Plenum am 12. Dezember – das war der nächstmögliche Termin – angenommen. Das Traurige ist nur, dass die Bundesländer im Bundesrat bereits am 29. November die Verletzung der Subsidiarität gerügt haben. Einige Landesparlamente, in denen die Europaausschüsse die Möglichkeit haben, sich für das gesamte Parlament zur Subsidiarität zu äußern, hatten die Chance, ihrer Verantwortung rechtzeitig nachzukommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass die vorliegende Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten und die diesjährige besondere Rolle unserer Präsidentin als Vorsitzende uns veranlassen sollte, die Möglichkeit, rechtzeitig zu handeln, endlich auf die Höhe der Zeit zu heben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun die Ab- geordnete Frau Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vieles ist bereits gesagt worden und auch gute Worte von beiden Fraktionen. Zudem haben wir die Unterrichtung bereits im Europa- und Rechtsausschuss besprochen und dort der Beschlussempfehlung des Ausschusses zugestimmt. Dennoch lassen Sie mich ein paar Worte sagen, die mich hier an dieser Stelle bewegen und die mir wichtig sind.

Europa ist ein Querschnittsthema in unserer Gesellschaft und so auch in unserem Parlament hier. Europa begegnet uns in allen Ausschüssen. Viele Projekte wären ohne die Unterstützung aus Brüssel gar nicht denkbar. Europa führt zur Harmonisierung unseres Wirtschaftsraumes und ermöglicht seit Jahrzehnten Frieden in unserer Region. Europa kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier ist es von zentraler Bedeutung und geradezu eine Selbstverständlichkeit, die Kontakte nach Brüssel zu pflegen und auch gut auszubauen. Das geschieht durch Ausschussfahrten und die Schaffung von persönlichen Kontakten, wie Frau Drese schon erwähnt hat. Das ist die beste Garantie dafür, dass Gesetze, Verordnungen und Verhandlungen nicht an uns vorbei geführt werden.

Dennoch haben wir erheblichen Verbesserungsbedarf. Das wurde auch schon deutlich. Ich erwähne hier das Beispiel TTIP, das Transatlantische Handelsabkommen. Da wird deutlich, wie wichtig es ist, aufmerksam zu sein und sich immer wieder einzumischen. Es ist doch ein Skandal, dass wichtige Dokumente selbst für uns Abgeordnete weiter unter Verschluss bleiben. Wir brauchen dringend mehr Beteiligungs- und Informationsrechte, ansonsten können wir unsere Interessen nicht formulieren – auch für Mecklenburg-Vorpommern nicht formulieren – und sie werden am Ende nicht berücksichtigt.

Wir Bündnisgrüne stimmen der Europäischen Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente sowie der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses zu. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer den Ziffern 1 bis 4 der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/3361 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen, bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Antrag auf Genehmigung der Strafverfolgung durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, Drucksache 6/3352.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten (Europa- und Rechtsausschuss, 3. Ausschuss) gemäß § 70 GO LT (Immunitätsangelegenheiten) Antrag auf Genehmigung der Strafverfolgung durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls – Drucksache 6/3352 –

Gemäß Paragraf 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/3352 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/3352 mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen, bei Ablehnung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Antrag auf Genehmigung der Erhebung der öffentlichen Klage, Drucksache 6/3353.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten (Europa- und Rechtsausschuss, 3. Ausschuss) gemäß § 70 GO LT (Immunitätsangelegenheiten) Antrag auf Genehmigung der Erhebung der öffentlichen Klage – Drucksache 6/3353 –

Gemäß Paragraf 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.