Ich möchte Ihnen noch von einer Begebenheit aus dem Finanzausschuss vom 05.12.2013 berichten. Es war ein Tag, direkt vor Nikolaus, Sturmtief Xaver zog auf und der Finanzausschuss tagte ungewöhnlicherweise einmal öffentlich auf Geheiß der Landesregierung. Sie er- innern sich vielleicht noch. Damals kochten die Emotionen sehr hoch, denn die Hochschulleitungen hatten sich zusammengeschlossen und die Universitäten Rostock und Greifswald haben eine öffentliche Erklärung abgegeben, dass sie offensichtlich überhaupt völlig missverstanden wurden vom Bildungsminister und das so nicht stehen lassen konnten. Daraufhin musste sich der Minister erklären und hat das im Finanzausschuss versucht.
Ich war dahin gehend schockiert, weil ich ihn gebeten habe, die Zahlen, die er immer wiederholt, die aber durch die Wiederholung nicht richtig werden, einfach mal zu belegen. Er bezog sich insbesondere auf eine Tabelle der Universität Rostock, aus der eindeutig hervorgehe, dass noch nie ein so hoher Ausfinanzierungsgrad an der Universität Rostock erreicht worden sei, nämlich 95 Prozent. Da habe ich gesagt: Wissen Sie, aus den Stellungnahmen der Universität Rostock vor dem Finanzausschuss geht das nicht hervor. Da kommt etwa eine Ausschöpfungsquote von 89 Prozent heraus. Wie erklärt sich denn diese Differenz? Und dann hat er gesagt: Ja, hier ist eine Tabelle. Da habe ich gesagt: Können Sie uns die mal vorlegen? Darauf er: Nein, meine Akten behalte ich jetzt mal für mich, so, wie Sie Ihre Akten auf dem Tisch auch für sich behalten. Ich liefere das nach.
Das war der 05.12., am 30.12. wurde diese Akte endlich nachgeliefert. Wir haben sie gesehen, haben sie uns angeschaut, und so deutlich missverstehen kann man eine eindeutige Tabelle wirklich nicht. Da steht zwar in der ersten Spalte, 95 Prozent Ausschöpfungsgrad, das ist aber einfach eine Gegenüberstellung von Planstellen und tatsächlich besetzten Stellen. Die Universität Rostock hat sich sehr viel Mühe gemacht und hat das hinten ausformuliert, was denn die tatsächlichen Kosten, die tatsächlichen Wertigkeiten der Stellen bezogen auf den Ausschöpfungsgrad sind. Und auf welchen Ausschöpfungsgrad kommen sie? Auf 89 Prozent. Und wissen Sie, wie ich das nenne? Das nenne ich belügen des Finanzausschusses, und zwar mitten in der Haushaltsdebatte.
Ich finde das dramatisch, dass sozusagen ein Minister seinem Amtseid nicht entspricht und wahrheitsgemäß dem zuständigen Ausschuss in der Haushaltsberatung die tatsächlichen Haushaltsanmeldungen der untergeordneten Behörden offenlegt, sondern hier offensichtlich Augenwischerei betreibt. Ich bin, gelinde gesagt, erschüttert über das Niveau der Landesregierung, wie sie hier mit dem Hohen Haus umgeht.
Deswegen habe ich dann auch das Gesprächsangebot von Herrn Brodkorb ausgeschlagen. Denn wissen Sie, wenn man permanent verarscht wird – im Übrigen fühlt sich auch das Bundesamt für Statistik inzwischen irgendwie veralbert von unserem Bildungsminister –, wenn man permanent verarscht wird – ich muss es leider so unverblümt sagen –,
Herr Saalfeld, einen Moment. Ich muss da dem Fraktionsvorsitzenden der CDU zustimmen, Sie sind hier Redner im Parlament und ich bitte doch, von unparlamentarischen Äußerungen abzusehen.
Ich will noch einmal versuchen, die Situation zu klären. Die Landesfinanzierung der Hochschulen sieht einen jährlichen Anstieg der Mittel von 1,5 Prozent vor. Allein die Tarifsteigerung des Personals liegt über diesem Wert, allein diese. Die Betriebskosten der Hochschulen sind noch viel stärker angestiegen. Das ist von Hochschule zu Hochschule natürlich unterschiedlich, aber durch die Differenz zwischen Mittelanstieg und tatsächlichem Kostenaufwuchs entsteht jedes Jahr eine immer größere Lücke. Das Land verlangt von den Universitäten und Fachhochschulen darüber hinaus massiven Personal- abbau und hat sich trotzdem gleichzeitig gegenüber dem Bund zu einem Anstieg der Studierendenzahlen verpflichtet. Ich halte das in gewisser Weise für widersprüchlich,
Die notwendigen Eigenmittel für die Hochschulpakt- mittel des Bundes setzt das Land aber nicht dafür ein, dass die Hochschulen den Anstieg der Studierendenzahlen angemessen in Forschung und Lehre beherrschen können, sondern zum Beispiel für die Finanzierung der neuen Professorenbesoldung. Entschuldigen Sie, da hat ein Bundesverfassungsgericht das Land ver- pflichtet, die Professorenbesoldung angemessen anzupassen, und das Land greift den Hochschulen in die Kofinanzierung des Hochschulpaktes. Es tut mir leid, aber dafür sind die Mittel nicht da und das finde ich einfach nur frech.
Für die anfallenden Kosten müssen die Hochschulen also immer wieder herhalten. Aus unserer Sicht, aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der kritische Punkt an den Hochschulen lange überschritten. Die Hochschulen können die Finanzlücken nur durch Einschnitte kompensieren. Seit Jahren geht die Zahl der unbefristeten Arbeitsverträge dramatisch zurück. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigung nimmt immer weiter zu. Für Lehraufträge werden teilweise noch immer Hungerlöhne gezahlt und manche Lehrbeauftragte werden sogar dazu gedrängt, möglichst ganz auf das Honorar zu verzichten.
Was hat sich in dieser Frage eigentlich getan, seitdem wir auf dieses Problem hier im Landtag aufmerksam gemacht haben? Sie erinnern sich vielleicht noch, dass einschließlich Vor- und Nachbearbeitungszeit für die meisten Lehraufträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht einmal, wenn man das mit einberechnet, Mindestlohn gezahlt wird. Wir hatten das hier als Antrag. Ich würde gerne mal wissen: Was ist daraus geworden, aus dieser Initiative? Angeblich wollte sich das Ministerium darum kümmern. Nichts hat sich getan, meine Damen und Herren.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Saalfeld, ich werde mich bemühen, nicht in der Form auf Sie zu reagieren, wie Sie hier in Ihren Antrag eingeführt haben. Ich fürchte nur, dass wir immer wieder auf dasselbe Problem stoßen werden, dass wir am Ende doch große Mühe haben, eine sachliche Diskussion zu führen, weil Sie in Ihren Argumenten stets voraussetzen, dass es keinen Punkt geben könnte, an dem Sie vielleicht nicht ganz richtig argumentieren, und am Ende jeden sachlichen Hinweis darauf, dass das eine oder andere vielleicht nicht richtig sein könnte, immer versuchen zu interpretieren als irgendeine gerissene Pirouette, um ihm nicht recht geben zu müssen. Nehmen Sie es doch einfach zur Kenntnis: Sie haben Ihre Meinung, ich habe eine andere Sicht auf die Dinge – so ist das im Leben und in der Demokratie. Das ist auch nicht schlimm und davon lebt am Ende ein Parlament.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion der GRÜNEN beantragt ein Sonder- oder Notprogramm für die Hochschulen, weil sie davon ausgeht, dass unser Hochschulbetrieb nicht mehr gesichert ist. Der Abgeordnete Saalfeld hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur heute eine Pressemitteilung veröffentlicht hat, aus der die Wirtschaftsplanabschlüsse der Hochschulen aus dem Jahr 2013 hervorgehen.
Ich möchte die Daten gerne zusammenfassen: Die Rücklagen der Hochschulen sind im Jahr 2013 von 38 Millio- nen Euro auf 42 Millionen Euro angewachsen. Die Universität Greifswald weist ein Defizit von 1,94 Millionen Euro aus, die Universität Rostock einen Überschuss von 3,6 Millio- nen Euro, die HMT ein Defizit von 140.000 Euro, die Fachhochschule Neubrandenburg von 730.000 Euro, die Fachhochschule Stralsund einen Überschuss von 1,19 Millio- nen Euro und die Fachhochschule Wismar von 1,92 Millionen Euro – insgesamt also 4 Millionen Euro Überschuss.
Jetzt muss man sich die scheinbaren laufenden Defizite aber auch sehr detailliert ansehen. Ich möchte das am Beispiel der Fachhochschule Neubrandenburg tun.
Sie hat ein Defizit von 730.000 Euro und auf Rückfrage bei der Hochschulleitung, wie sich das erklärt, sagte diese Folgendes: Die Rücklagen seien so hoch gewesen, dass man sich entschlossen habe, im letzten Jahr allen vier Fachbereichen jeweils 150.000 Euro zu geben, um besondere Entwicklungsaufgaben wahrzunehmen. Die dürfen also Investitionen tätigen. Das würde ich nicht als Notzustand interpretieren, sondern da hat eine Hochschule über Jahre sparsam gewirtschaftet und tut das, wozu die Rücklage und der Globalhaushalt da sind, nämlich den Fachbereichen auch mal die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln.
Die weiteren Kosten, die dort zu Buche schlagen, resultieren aus einer Baumaßnahme am Standort Neubrandenburg. Dort wird das Gebäude renoviert und dementsprechend muss die Bibliothek umziehen. Der Umzug und die Herrichtung der Bibliothek haben diese Kosten verursacht, das heißt, wir haben es nicht mit laufenden Kosten zu tun, die dort ein Defizit verursachen, sondern es hat solche Hintergründe. Insofern sieht es zwar in der Rechnung wie ein Defizit aus, aber es sind bewusste Entnahmen aus der Rücklage.
Angesichts der Tatsache, dass in einer großen Hochschulfinanzkrise die Rücklagen noch einmal um 4 Millionen Euro steigen können, bin ich nicht ganz so sorgenvoll wie Sie, Herr Saalfeld. Das unterscheidet uns in der Tat. Und ich glaube auch, dass vor diesem Hintergrund deutlich wird, dass es nicht richtig ist, dass alle Rücklagen im Sinne von Rückstellungen rechtlich gebunden sind, sondern natürlich haben die Hochschulen bestimmte Entwicklungsvorhaben, aber sie können das eben sehr vernünftig einsetzen.
Jetzt kann man die 4 Millionen Euro in der Tat, Herr Saalfeld, dadurch argumentativ reduzieren, dass man sagt, darin sind Gemeinkosten von Drittmittelprojekten enthalten. Sie wissen, dass dieses Argument im Wesentlichen, wenn überhaupt, auf die beiden Universitäten zutrifft, nicht so sehr auf die Fachhochschulen, weil der Drittmittelanteil an den Universitäten sehr viel höher ist.
Ich weiß nicht, ob Sie mir zustimmen, aber der eigentliche Sinn von Gemeinkosten oder Overheadkosten ist der, dass sie nicht zweckgebunden sind. Sie haben das vorhin erwähnt, die wären zweckgebunden. Das sind sie eigentlich nicht, es ist genau das Gegenteil der Fall. Die Overheadkosten sind nicht unmittelbar zweckgebunden,
sondern wenn Sie sich die Drittelmittelgeber ansehen – ich hoffe, da sind wir jetzt fachlich einer Meinung –, wenn Sie bei der DFG schauen und fragen, warum gibt es Gemeinkosten von 20 Prozent bei Drittmittelprojekten, dann ist die Antwort der DFG, weil ein solches Forschungsprojekt an einer Hochschule Kosten verursacht in der Verwaltung und sonst wo. Das heißt, der Drittmittelgeber verpflichtet sich, die laufenden Kosten im Hochschulbetrieb, die es dadurch gibt, zu ersetzen. Das heißt, an die Stelle der Landesmittel treten an der Stelle die Gemeinkosten. – Herr Professor Tack nickt, er ist ja auch ein erfahrener Wissenschaftler.
Wenn das aber so ist, wenn die Gemeinkosten an die Stelle der Landeszuschüsse treten, dann sind sie am Ende wie Landeszuschüsse zu behandeln, weil sie den
Aufwand des Landes ersetzen, den es dort an diesem Standort geleistet hat. Insofern sind selbstverständlich auch Rücklagen oder Rückstellungen, je nachdem, wie man es betrachtet, aus Gemeinkosten genauso wie die Landeszuschüsse am Ende als Überschüsse zu betrachten.
Natürlich, ich glaube, da ist sich die Koalition auch einig, wünschen wir uns für die Hochschulen so viel Geld, wie es nur irgendwie geben kann.
Herr Liskow wird vermutlich gleich auch noch mal etwas dazu sagen. Ich sehe das auch so. Ich hätte gerne …, da könnte ich mir beliebige Zahlen ausdenken. Ich setze in dem Zusammenhang vor allem darauf, dass es gelingen wird, dass die große Koalition die 6 Milliarden Euro endlich auf den Weg bringt. Sie wissen, dass im Koalitionsvertrag eine solche Regelung vorgesehen ist. Da soll es auch Geld für Hochschulen geben. Und ich darf hier ankündigen, selbstverständlich wird es so sein, dass wir jeden Cent, den wir vom Bund für die Hochschulen bekommen, auch den Hochschulen geben. Da wird nichts eingespart, da gibt es keinen Sparstrumpf, sondern das wird zusätzlich zur Verfügung gestellt.
Ja, na klar. Nee, da wird nichts eingespart, das kann gar nicht sein. Frau Polzin lächelt auch schon wieder, sehen Sie. Herzlichen Dank für die Auflockerung, Herr Kokert.