Weder in der Halbzeitbilanz Anfang März noch am Mittwoch in der Aktuellen Stunde habe ich das Wort „Kinderarmut“ auch nur gehört. Das zeigt, dass Kinderarmut noch nicht mal als Problem erkannt wurde. Oder wie muss ich diese Worte deuten?
Wäre es nicht angemessen, auch selbstkritisch sein eigenes Handeln bei einer Halbzeitbilanz im Kampf gegen Kinderarmut zu hinterfragen? Wenn Sie das schon nicht tun, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, dann sehe ich es als ureigenste Rolle von Opposition an,
auf dieses Problem weiter aufmerksam zu machen. Das gelingt uns anscheinend nur, wenn wir auch die entsprechende politische Stimmung erzeugen.
Zweitens. Wir brauchen auch endlich eine politische Stimmung, da die Kinderarmutsquoten in MecklenburgVorpommern nach wie vor hoch sind. Und es sind nicht nur statistische Daten, sondern es hat konkrete Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Kinder vor Ort.
Lieber Ralf Mucha, wie in Ihrer Pressemitteilung zu lesen war, beziehen Sie sich ja nur auf die statistische Armut
der Kinder und Jugendlichen. Jedes Kind, das von Armut bedroht ist beziehungsweise in Armut leben muss, ist eins zu viel. Ich wiederhole die Quoten gerne noch einmal, vielleicht gelingt es mir ja, die politische Stimmung zu erzeugen, die ich mir wünsche, wenn wir die- ses Problem angehen wollen: von 32,8 Prozent 2005 zu 33,5 Prozent 2012.
Und, Frau Friemann-Jennert, weil Ihnen eine versachlichte Diskussion im Januar so wichtig war und Sie darauf verwiesen,
dass wir von Armut in einer Wohlstandsgesellschaft redeten und dass wir im internationalen Vergleich gut dastünden, möchte ich meinen Teil zur Versachlichung beitragen. 2012 schnitt Deutschland im Vergleich zwischen 35 Industrienationen mit einem 13. Platz ab, nach Ländern wie Finnland, Island und Norwegen. Wieso lassen Sie uns nicht am Stand dieser Länder orientieren, an- statt auf Länder zu schauen, wo Kinderarmut ein noch größeres Problem darstellt? Fortschritt wurde doch nie erreicht, indem man sich an schlechteren Standards orientierte. Nein, auch im internationalen Vergleich hält solch ein reiches Land mit einer Wohlstandsgesellschaft wie Deutschland nicht stand – und Mecklenburg-Vor- pommern noch weniger.
Ebenfalls in der letzten Landtagsdebatte kam die Frage auf, von welcher Form der Kinderarmut wir eigentlich redeten.
Ja, bei diesen Zahlen gehen wir von der Einkommensarmut aus, so, wie es in der Europäischen Union üblich und ein anerkanntes Verfahren ist. Herr Heydorn unterstellte uns damals, wir, die Fraktion DIE LINKE, würden uns nur auf die Einkommensarmut beziehen. Mitnichten.
Gerade im Jahr 2014 wurde in der besagten Studie der Hans-Böckler-Stiftung sehr deutlich gemacht, dass Einkommensarmut natürlich auch mit Mangellagen einhergeht. Ich möchte, um es Ihnen noch mal zu verdeutlichen, aus der Studie zwei Sätze zitieren: „Die relative Einkommensarmut hat für die davon betroffenen Kinder durchaus materielle Folgen. Armutsgefährdete Haushalte mit Kindern weisen generell eine schlechtere Versorgung mit relevanten Gütern auf.“ Zitatende.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich muss mir nicht erst die Studie anschauen, um zu wissen, dass dort, wo Einkommensarmut herrscht, Mangellagen bei der Versorgung der Kinder bestehen.
das beste Mittel gegen Armut sei. So jedenfalls konnte ich es heute wie auch in der Januarlandtagssitzung hören. In Teilen gebe ich Ihnen da wirklich recht. Ja, Elternarmut ist auch immer Kinderarmut. Aber ich halte nicht jede Art von Arbeit für das beste Mittel gegen Armut. Ich möchte das kurz begründen. Am Mittwoch lobte sich die Landesregierung dafür, dass es in Mecklenburg-Vorpommern derzeit die höchste Anzahl sozialversicherungspflichtiger Arbeit seit 2008 gäbe.
Wenn Ihr Argument also stimmen würde, Herr Waldmüller, müssten wir jetzt im Umkehrschluss die geringste Quote von von Armut betroffenen Kindern haben.
Wenn Sie sich nochmals an die Quoten von vorhin erinnern, so werden Sie erkennen, dass wir seit Jahren eine stabil hohe Kinderarmutsquote in Mecklenburg-Vorpom- mern vorweisen. Sie widersprechen sich also selber, meine Damen und Herren von der Landesregierung und von den Koalitionsfraktionen!
Nur gute, existenzsichernde Arbeit kann Elternarmut und somit auch Kinderarmut verhindern. Dazu gehört auch, dass alleinerziehende Frauen und Männer Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen können und von ihrer Arbeit leben können. Aber gerade aktuell am Wochen- ende konnten wir den Medien entnehmen, dass besonders Alleinerziehende einem deutlich höheren Armuts- risiko ausgesetzt seien. Danach ist etwa in jeder fünften Familie bundesweit, in Mecklenburg-Vorpommern in jeder vierten Familie, nur ein Erwachsener allein für die Kinder verantwortlich. Rund 40 Prozent von ihnen leben in Hartz IV. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden in Mecklenburg-Vorpommern sei überdurchschnittlich hoch, so die Presse.
Die Ansätze von den Projekten „AQuA“ und „Familiencoach“, die wir heute gehört haben, sind gut, aber sie erreichen derzeit nur eine verschwindend geringe Zahl von Alleinerziehenden. Deshalb lassen Sie uns schauen, was wir weiter verbessern können.
Und weil von Ihnen immer wieder das Argument kommt, ja, wir machen ja, wir geben mehr Geld in die Kitas – alleine mehr Geld in die Kitas zu geben, reicht nicht.
Das ist auch gut so. Aber erstens, was Sie immer verkennen, ist, seit 2007 sind natürlich auch die Kinderzahlen gestiegen. Allein von 2009 zu 2013 haben wir ungefähr 10.000 Kinder mehr in der Kindertagesbetreuung.
Bei der Grundfinanzierung relativieren sich dann die Zahlen. Der Grundbetrag stieg von 986 Euro 2009 zu 2013 auf 1.138 Euro, also um 150 Euro pro Kind pro Jahr seitens der Landesregierung.
(Minister Harry Glawe: Die habt ihr jahrelang gedeckelt, als ihr regiert habt. – Helmut Holter, DIE LINKE: Stimmt nicht. – Minister Harry Glawe: Das habt ihr wieder vergessen.)
Zweitens. Ich möchte Ihnen gerne mal anhand der Stadt Torgelow ein Beispiel geben, wie sich dort die Ausstattung, die Grundfinanzierung seitens des Landes konkret darstellt.
2013 hatten wir für die 0- bis 3-Jährigen für einen Ganztagsplatz Landesmittel pro Platz in Höhe von 205 Euro. 2014 haben wir für denselben Platz seitens des Landes nur noch 180 Euro, also 25 Euro weniger seitens der Landesfinanzierung. Und ich frage mich, wie das zustande kommt. Das ist für mich ein Schluss, dass das KiföGSystem unterfinanziert ist.
Und wer trägt letztendlich die Folgen? Das sind die Eltern. Auch das konnte man dieser Übersicht entnehmen. So ist der Elternbeitrag in der betreffenden Gruppe von 220 Euro auf 238 Euro gestiegen.
Und was Sie drittens verkennen, wenn Sie sich immer alleine auf die Geldmittel zurückziehen, die Sie in die Kindertagesförderung geben, ist, dass wir auch Standards verbessert haben, die natürlich auch mit mehr Geld einhergehen.
Wenn wir die Fachkraft-Kind-Relation senken, natürlich kostet das Geld. Wenn wir die mittelbare pädagogische Arbeit senken, kostet das natürlich Geld.
(Heinz Müller, SPD: Qualitativ haben wir das Angebot verbessert und mehr Geld haben wir auch reingegeben. Jetzt sind Sie dran.)
Wie gesagt, insofern relativieren sich alle Ihre Einbringungen, dass Sie die Kindertagesförderung um das Doppelte verbessert haben, wenn man sich die drei Punkte anschaut. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.