Ziel der Konzeption soll es sein, eine uneingeschränkte Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen und zur Zielerreichung jegliche Form von Benachteiligung abzubauen. Fakt ist jedoch, dass eine solche bloße Gleichstellungsberechtigung nicht zu einer tatsächlichen Gleichstellung führt. Vielmehr müssen strukturelle Hindernisse beseitigt und alle Wirkungsmechanismen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Lebenswelten von Frauen und Männern betrachtet werden. Eben dies fehlt mir bislang noch in der Politik der Landesregierung.
Zu den einzelnen Handlungsfeldern sind Ziele formuliert, aus denen dann die Handlungsschwerpunkte abgeleitet
werden. Die Ziele und auch die Handlungsschwerpunkte sind zum großen Teil nicht neu, meine Damen und Herren. Wir kennen die Berufsorientierungstage „Girls’Day“ und „JungsTag“. Wir wissen um die Notwendigkeit der Förderung von Frauen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik sowie die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsebenen und so weiter. Dies alles ist seit Jahren bekannt.
Für mich haben sich die Fragen gestellt, was die Landesregierung in den vergangenen Jahren getan hat, um den formulierten Handlungsnotwendigkeiten nachzukommen.
Welche Teilerfolge konnten erreicht werden? Die Probleme sind ja nicht neu, da müsste sich zwischenzeitlich also etwas getan haben.
Sie argumentieren in der Gleichstellungskonzeption vom Jahr 2014 mit Zahlen aus dem Jahr 2010, zum Beispiel im Hochschulbereich. Wenn das keine angestaubte Statistik ist, meine Damen und Herren, zumal sich aktuellere Zahlen über die Hochschulen und Universitäten ermitteln lassen! Ich vermute, dass Sie sich der Zahlen aus der Veröffentlichung „Frauen und Männer in MecklenburgVorpommern im Spiegel der Zahlen“ bedient haben. Diese erschien zuletzt im Jahr 2012 und davor im Jahr 2005.
Die Fortschreibung dieses statistischen Sonderheftes war Ergebnis eines gemeinsamen Antrages der demokratischen Fraktionen aus dem Jahr 2010. Der gemeinsame Antrag wurde als Ergebnis der Ausschussberatungen zum überwiesenen Landtagsantrag der Fraktion DIE LINKE „Gender-Report für Mecklenburg-Vorpommern“ aus dem Jahr 2008 gestellt. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.
Auf die Situation des Zugangs zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung für Frauen und Männer ist mein Kollege Henning Foerster gestern schon ausführlich eingegangen. Mein großer Kritikpunkt an dieser Stelle: Die Absicht der Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen wird in der Konzeption hauptsächlich mit wirtschaftlichen Argumenten, Fachkräftemangel sowie Wirtschaft und Wachstum, begründet. Um die Menschen und ihr Recht auf eine selbstbestimmte Lebensweise und auf gute Perspektiven der Lebensgestaltung geht es Ihnen dabei nicht so sehr, scheint mir zumindest. Es soll jedoch darum gehen, allen Einwohnerinnen und Einwohnern unseres Landes bestmögliche Teilhabechancen und Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Gleichstellung in den Bereichen Kunst und Kultur fehlt, sie ist aber in der Ersten Gleichstellungskonzeption ausführlich thematisiert. Warum jetzt nicht hier?
Frauen mit Migrationshintergrund sind zu wenig berücksichtigt. Sie werden hin und wieder erwähnt, aber es gibt
Auch für Frauen mit Behinderung gibt es außer dem Hinweis zur Umsetzung bestehender Regelungen, wie dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz und der UN-Behindertenrechtskonvention und den dazugehörigen Maßnahmeplan der Landesregierung, keine tiefer gehenden Informationen.
Der Diversity-Ansatz wird überhaupt nicht dargestellt. Der wäre zum Beispiel im Bereich Erwerbsleben interessant gewesen, denn ein Mittel, um Vielfalt in der Arbeitswelt zu leben, ist das analysierte Bewerbungsverfahren.
Die Berücksichtigung verschiedener Familienmodelle und gleichgeschlechtlicher Lebensweisen fehlt völlig – alles Themen einer zeitgemäßen Gleichstellungspolitik.
Der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit Kindern soll fortgeschrieben werden. Ziel der Veröffentlichung ist das Jahr 2015. Der letzte Landesaktionsplan erschien im Jahr 2005. Ein Jahrzehnt liegt dazwischen. Gut, dass Sie das Vorhaben in den aktualisierten Gesetzgebungsplan vom Oktober 2013 aufgenommen haben. Hierfür kam der Wink mit dem Zaunpfahl eben von uns.
Für Alleinerziehende wird nur die Maßnahme AQuA (Alleinerziehende in Qualifizierung und Arbeit) genannt. Diese ist regional begrenzt. Zudem standen dieses Projekt zur Unterstützung alleinerziehender junger Mütter und auch weitere Modellprojekte, die nicht einmal in der Konzeption erwähnt werden, vor einer ungewissen Zukunft oder tun dies immer noch. Die Finanzierung soll, wie ausgewiesen, über Mittel des Europäischen Sozialfonds erfolgen. Damit ist also bis jetzt noch nichts gesichert.
Kurzum, die Gleichstellungskonzeption hat deutliche Defizite und greift leider zu kurz. Ich würde dies gern in den Ausschüssen vertiefen. Deshalb plädiere ich dafür, die Konzeption, wie vorhin von Peter Ritter vorgeschlagen, in die Ausschüsse zu überweisen. Eben diesen Appell, das muss ich ganz ehrlich sagen, möchte ich noch mal mit Nachdruck versehen. Vorhin hat die Ministerin selbst gesagt, dass sie sich freut, dieses Thema, diese Unterrichtung in den Ausschüssen zu diskutieren.
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Martina Tegtmeier, SPD: Nein! „Im Ausschuss“ hat sie gesagt.)
Ich gucke gerade Herrn Ringguth und seine nonverbale Kommunikation mit der Ministerin an. Also Sie werden doch Ihre Ministerin hier nicht im Regen stehenlassen!
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ich habe sie angelächelt! Ich habe sie angelächelt! Ich habe sie angelächelt! Ist das nicht eine schöne Konversation?)
Ohne Zweifel! Ohne Zweifel, Herr Ringguth! Das ist eine wunderbare Geste! Vielleicht bedeutet dieses Lächeln ja auch: Wir werden in die Ausschüsse überweisen.
(Torsten Renz, CDU: Sie wissen doch, dass wir einen Schirm aufspannen. Wenn es regnet, spannen wir den Schirm auf. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
(Vincent Kokert, CDU: Endlich mal eine Frau, die dazu redet, die das wirklich etwas angeht. – Zuruf aus dem Präsidium: Es geht auch Männer an.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die NPD hier nichts beizutragen hat, ist ja klar.
(Heinz Müller, SPD: Wozu hat sie denn etwas beizutragen? – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ein sehr einfaches Konzept.)
Bevor ich inhaltlich einsteige, möchte auf einige meiner Vorredner ganz kurz eingehen. Herr Ritter, Sie sprachen hier die Kontinuität an und Frau Friemann-Jennert sprach an, dass, nein, das war Frau Gajek, dass wir bei den Maßnahmen ergänzende Aufzählungen laufender Maßnahmen zu verzeichnen hätten.
Ja, sehr geehrte Damen und Herren, was ist das denn? Es ist eine Fortschreibung einer Konzeption. Das kann ja gar nicht anders funktionieren.
Frau Friemann-Jennert, Sie sprachen das Thema Gendergesundheit explizit an. Da möchte ich Ihnen empfehlen, die Veranstaltung am 31.03., ist das, glaube ich, nicht zu versäumen. Ich denke mal, da wird dieses Thema entsprechend vertieft werden und die Veranstaltung wird sicherlich zu neuen Erkenntnissen führen.
Und, Herr Koplin, wenn Sie hier sagen, dass die Probleme längst alle bekannt sind, natürlich sind sie längst bekannt! Wozu schreiben wir denn seit 2002 diese Gleichstellungskonzeptionen hier weiter fort?
(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wir sind doch aber vorwärtsgekommen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Für die Mülltonne.)
Ich will als letzte Rednerin – es sind natürlich schon so viele Sachen gesagt worden und Sie wissen, ich wiederhole mich hier nicht gern zu Dingen, die bereits ausführlich dargestellt sind – aber noch mal so einige Punkte nennen.
In der Einleitung, das ist auch gesagt worden, wird darauf hingewiesen, dass die Einführung des Prinzips der Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen der Landesverwaltung dazu geführt hat, dass eine Vielzahl von Kabinettsbeschlüssen auf ihre Geschlechterrelevanz und ihre Wirkungsfolgen überprüft werden müssen. Es ist die Rede davon gewesen, dass die Zielvereinbarungen mit den Ministerien abgeschlossen wurden und teilweise noch abgeschlossen werden.
In der Einführung ist erwähnt worden, und das habe ich hier noch gar nicht gehört, dass es einen Leitfaden zur
geschlechtergerechten Sprache seit 2009 vom Ministerpräsidenten gibt, der viel belächelt worden, aber trotzdem nicht zu vernachlässigen ist.
Die Unterteilung in Teil I und Teil II ist benannt worden. Ich möchte Ihnen trotzdem noch mal die für mich wichtigen Aussagen zunächst aus dem Teil I benennen. Herr Ritter hat ein bisschen darauf rumgehackt, ich finde, ungerechtfertigterweise.
Ich zitiere: „In allen Bildungsstufen von der frühkind- lichen Bildung bis zur Berufsausbildung soll Gender Mainstreaming durchgängiges Prinzip sein. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei bereits auf einer genderbezogenen frühkindlichen Bildung und Erziehung. Denn bereits vor dem Schuleintritt bilden sich geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Verhaltensmuster heraus. Durch die Einführung der ‚Bildungskonzeption für 0- bis 10-jährige Kinder in M-V‘ wurde das Anliegen einer genderbezogenen frühkindlichen Bildung und Erziehung aufgegriffen und umgesetzt. Der geschlechtersensible Ansatz war und ist durchgängiges Leitprinzip bei der Erarbeitung der einzelnen Kapitel im Sinne der individuellen Bildung, Erziehung und Betreuung. So findet sich in allen Kapiteln eine Reihe von allgemeinen, inhaltlichen und methodischen Anregungen und Hinweisen zur Umsetzung dieses Prinzips der individuellen Förderung.“ Und ich sage noch mal „der individuellen Förderung“.
Die Bildungskonzeption stellt das einzelne Kind, das Mädchen und den Jungen, in den Mittelpunkt. Lernen und Bildung werden als ein sozialer Prozess verstanden, in dem neben der kulturellen und sozialen Herkunft des Kindes auch sein Geschlecht, seine jeweilige Entwicklungsstufe und seine besondere Situation innerhalb der Gruppe Berücksichtigung finden. Verschiedenheit wird so zur Bildungschance und Bildungsbereicherung.
Grundvoraussetzung zur Umsetzung einer genderbezogenen Bildung und Erziehung ist, dass die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen über entsprechende Fach- und Methodenkompetenzen verfügen. Das ist nicht einfach umzusetzen. Ein anderes wesentliches Element ist die weitere Verbesserung von Berufsorientierung und Berufswahl. Darauf werde ich nachher eingehen.
Aber zunächst einmal ist festzuhalten, dass im Teil II der Konzeption allein 65 konkrete Maßnahmen für 12 identifizierte Aktionsfelder beschrieben werden. Sie haben alle schon das eine oder andere Feld angesprochen. Ich benenne sie hier der Vollständigkeit halber noch mal alle: