Protocol of the Session on January 30, 2014

Schauen Sie mal in andere Bundesländer! Wir haben bei uns im KiföG eine Regelung getroffen, in der wir sagen, für sozialräumliche Brennpunkte stellen wir zusätzliches Geld zur Verfügung. Das heißt, da, wo wir davon ausgehen, dass sich die Zahl der armen Kinder konzentriert, machen wir deutlich mehr. Ich bin hier aus Schwerin, mein Wahlkreis ist der Große Dreesch. Da haben wir solche Einrichtungen, die deutlich mehr Geld als andere kriegen, um den Kindern, die mit dem Klotz am Bein ins Leben starten, eine bessere Förderung zuteil werden zu lassen. Das ist eine Form von aktiver Armutsbekämpfung.

Jetzt will ich auf ein anderes Thema eingehen, das eigentlich nicht zu meinen Schwerpunkten gehört. Das ist das Thema der Schule. Wenn Sie sich beispielsweise den letzten IQB-Ländervergleich ansehen, der sich mit den Themen Naturwissenschaften und Mathematik beschäftigt hat, da hat Mecklenburg-Vorpommern im Bildungsranking deutlich zugelegt. Wenn ich das richtig weiß, liegen wir da auf Platz fünf. Im Rahmen dieser Untersuchung ist auch die Frage aufgeworfen worden: Wie groß ist denn die Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft auf der einen Seite und Bildung auf der anderen Seite?

Das Ergebnis ist klar: Mecklenburg-Vorpommern liegt gemeinsam mit einem Bundesland auf Platz zwei. Wir haben da nicht diese Spreizung. Und trotzdem werden wir in dem Bereich in erheblichem Umfang aktiv und konzentrieren uns auch auf Schulen, die in besonderem Umfang mit Kindern umzugehen haben, die es schwerer haben als andere.

Beispielsweise werden im Schuljahr 2014/2015 bis zu 60 Erzieher/-innen zusätzlich eingesetzt in Grund- und Regionalschulen, um hier zu einer Verbesserung zu kommen. Ab dem Schuljahr 2015/2016 werden wir 16 Millionen Euro für etwa 10 Prozent der lernschwächsten Schüler in Grund-, Regional- und Gesamtschulen zur Verfügung stellen und ab dem Schuljahr 2014/2015 wird es 20 zusätzliche Stellen für die Förderschulen im Land geben, um Schülern das Erlangen der Berufsreife zu ermöglichen.

Das ist, meine Damen und Herren, für mich ganz klar aktive Armutsbekämpfung. Denn man muss sich natürlich darüber im Klaren werden: Reicht es aus, die Politik zu betreiben, die die LINKEN hier uns immer vorschla

gen, das heißt, gebt den Leuten mehr Geld und alles wird gut?

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist so ein Quatsch!)

Oder ist die richtige Politik der Armutsbekämpfung die, dass man sagt, wir befähigen Menschen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, sich selbst zu positionieren, Arbeit zu finden, sich in der Gesellschaft zu etablieren, sich wohl und zufrieden zu fühlen und letztendlich auf diese Art und Weise ein ordentliches Leben zu führen? Wenn man sich die Arbeitslosenstatistiken bei uns ansieht, dann muss man sagen, das ist eine klare Sache.

Noch mal: Sie reduzieren sich mit Ihrem politischen Ansatz darauf, zu sagen, gebt Geld aus, dann wird alles gut. Wir als SPD haben einen sehr differenzierten Ansatz an der Stelle. Wir sagen, wir müssen ganz früh anfangen, um die Partizipationsmöglichkeiten von Menschen zu verbessern, aber – und das ist hier auch vorgetragen worden – wir müssen gucken, dass das Thema Einkommensarmut natürlich nicht unberücksichtigt bleibt. Hier sind doch die Dinge genannt worden: 8,50 Euro Mindestlohn.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das sind doch Ausnahmen. Sie machen doch jetzt schon wieder Zugeständnisse.)

Wir schaffen jetzt einen Einstieg in einen bundesweiten, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, das ist doch ein großer Fortschritt. Und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, der wird perspektivisch nicht bei 8,50 Euro bleiben, das können Sie uns glauben.

(Zurufe von Torsten Koplin, DIE LINKE, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Wir sind auch nicht dort angetreten, um uns das von der CDU auf Bundesebene sturmreif schießen zu lassen, wie Sie uns das hier quasi ankündigen und unterstellen. Das wird kommen.

Und wenn man sich das Thema Rente ansieht, auch da sind wir aktiv. Wir sagen, wir wollen die Solidarrente für die Leute, die ihr Leben lang gearbeitet haben und nicht so viel verdient haben. Wir sagen, die haben es verdient, so viel Geld zu kriegen, sodass sie nicht in die Grundsicherung absinken.

Das werden wir tun und ich erinnere in diesem Kontext daran, dass wir auch bei dem Thema Erwerbsminderungsrente am Ball sind. Auch da wird es dazu kommen, dass hier weitere Zurechnungszeiten berücksichtigt und diese Leute perspektivisch bessergestellt sein werden.

Wie das mit der Armutsbekämpfung funktioniert, Herr Koplin, das brauchen wir uns von Ihnen wahrlich nicht erzählen zu lassen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, es kommt noch eine Rednerin der LINKEN nach mir. Ich würde gerne mal hören, wie Ihre Strategie an der Stelle ist und wie Sie sich vor allen Dingen vorstellen, mit begrenzten Mitteln zielgenau die Dinge letztend

lich umzusetzen, die wirken und die im Ergebnis den Menschen zugute kommen und bei ihnen ankommen. Das kann unseres Erachtens nicht darin bestehen, dass man sagt, gebt den Leuten Geld, gebt denen noch mehr Geld, und noch mehr Geld und alles ist gut.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das hat keiner gesagt.)

Erstens ist es nicht gut, denn einer, der arbeitslos ist, der wird nicht zufriedener, wenn er ein paar Euro mehr in der Tasche hat, sondern der ist arbeitslos und leidet darunter. Der zweite Punkt ist, die finanziellen Möglichkeiten,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

die wir haben, sind beschränkt und deswegen müssen wir Prioritäten setzen. Unsere Prioritäten, die habe ich Ihnen geschildert. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier wurde sehr viel auf abstrakter Ebene über Armut philosophiert. Das erinnert so ein bisschen an die hauptberuflichen Armutsforscher, die irgendwo in arme Gegenden einfliegen, sich unter der großen Lupe die Leute ansehen, dann schlaue Dinge schreiben und wieder verschwinden.

Aber es ist vielleicht hilfreich, einmal zu betrachten, wie sich Armut im konkreten Fall auswirken kann. Ein aktueller konkreter Fall aus dem Raum Ostvorpommern: Eine Bezieherin von Arbeitslosengeld II entdeckt Schimmel in ihrer Wohnung, und zwar Schwarzschimmel, ziemlich gefährlich. Sie wendet sich an ihre Vermieterin und bittet darum, diesen Schimmel zu beseitigen. Die Vermieterin sagt: Ich bin auch arm, ich kann mir das nicht leisten, kann es aber auch nicht länger verantworten, solche Wohnung zu vermieten, deren Reinigung von Schimmel ich mir nicht leisten kann, ich stelle das Vermieten ein und kündige Ihnen. Vermieter können auch arm sein. Das muss nicht heißen, dass jemand, der ein Haus hat, automatisch reich ist.

Und dann kündigt sie der Frau jetzt zum Ende Januar und die Bezieherin von Arbeitslosengeld II sucht sich eine andere Wohnung und findet auch eine. Die Miete ist teurer als die von der alten Wohnung, allerdings noch im Rahmen dessen, was die Richtlinie der Kosten der Unterkunft des zuständigen Jobcenters hergibt. Sie beantragt dann beim Jobcenter Vorpommern-Greifswald Nord die Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und erst mal passiert gar nichts. Das Jobcenter mauert wochenlang. Dann kommt die Antwort: Nein, der Umzug ist nicht erforderlich, denn Sie können ja die Miete mindern. Punkt eins.

Super für das Jobcenter, denn wenn die Frau die Miete mindert, muss das Jobcenter weniger Kosten der Unterkunft bezahlen. Zweitens haben sie gesagt: Sie können sich ja gegen die Kündigung wehren, Sie können der Kündigung widersprechen, dann können Sie sich gegen die Räumungsklage wehren und für diese Zeit brauchen sie keinen Umzug. Der Umzug ist nicht erforderlich. Der

Schwarzschimmel in der Wohnung wurde nicht mit einem Wort erwähnt in dem Bescheid, das war egal.

Ich muss zugeben, ich habe auch nur abstrakte Kenntnisse davon gehabt, dass Schwarzschimmel gesundheitsgefährdend ist.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Ich habe es mir aber genauer angesehen. Dadurch können Sie schwere Lungenkrankheiten kriegen, Sie können Neurodermitis kriegen, alles Mögliche. Das ist wirklich extrem gefährlich. Das war dem Jobcenter völlig egal. Nun könnte man das als menschenverachtend bezeichnen, aber das kann ja nicht sein, da das Jobcenter gegen rechts ist, für Toleranz ist und niemals menschenverachtend, aber ich meine, doch. Dann stand die Frau vor der Wahl, was soll sie tun.

Natürlich war der Bescheid in dem üblichen Verwaltungsjuristenchinesisch gehalten, was kein Mensch versteht, wo man hilflos ist, wenn man keine entsprechenden Kenntnisse hat. Das einzige Beratungsangebot, das sie kannte, war das der NPD in Anklam. Und dann steht sie vor der Wahl, entweder wie eine aufrechte Antifaschistin den Schwarzschimmel einzuatmen und krank zu werden

(allgemeine Unruhe)

oder – da muss ich Ihnen leider sagen, was sie gewählt hat: Sie ist zur NPD gegangen. Dann haben wir uns an das Sozialgericht gewandt und das Sozialgericht hat die in der Tat zusammengefaltet und hat sie in einer Stellungnahme, in einem Schreiben aufgefordert, diesen begehrten Bescheid zu erlassen, und ihnen zu verstehen gegeben, ob sie noch ganz dicht sind – nicht wörtlich, aber doch so zwischen den Zeilen. Denn natürlich ist dieser Umzug erforderlich, es besteht akute Gesundheitsgefährdung. Aber da muss erst das Sozialgericht kommen, um ein Jobcenter dazu zu zwingen, einer Frau einen Umzug zu ermöglichen aus einer mit Schimmel verseuchten Wohnung.

Das kann Ihnen heute konkret passieren, wenn Sie arm sind – wirklich, in der Realität. Da hilft es Ihnen nicht, wenn es heißt, der Aufschwung ist da. Ein paar Euro mehr helfen nicht. Man will Arbeit haben. Sie hat konkret keine Arbeit, sie ist konkret in dieser Wohnung und sie ist konkret der Willkür des Jobcenters ausgeliefert.

Hartz IV ist schon übel genug. Wenn es das schon gibt, dann könnte man doch wenigstens Folgendes machen: Man könnte den Leuten den Zugang zur Rechtsberatung erleichtern. Man könnte in den Jobcentern eine Stelle mit Rechtsberatern einrichten, die unabhängig sind von der Leitung des Jobcenters, wo man gleich hingehen, wo man sich Bescheide erklären lassen, wo man sich Widersprüche schreiben lassen, Klagen schreiben lassen und den Kontakt mit dem Sozialgericht herstellen lassen kann.

Das wird aber alles nicht gemacht, weil man die Leute hilflos und wehrlos bleiben lassen will, und so können sie in Situationen geraten, in denen es nicht nur eine abstrakte Frage ist, dass Armut die Gesundheit gefährdet, sondern es kann ganz konkret eine erhebliche Gesundheitsgefährdung bestehen, wenn sie in so einer mit Schwarzschimmel verseuchten Wohnung bleiben müssen.

Solange das geschehen kann und solange die Verhältnisse hier so gestaltet sind, dass solche Fälle eintreten können, solange rede ich weiter von einem miesen asozialen Staat, auch wenn ich es damit in den Verbotsantrag geschafft habe – ist mir egal, ich bleibe dabei. Solange solche Verhältnisse hier möglich sind, ist das hier ein mieser asozialer Staat. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ja, wenn ich in den Koalitionsvertrag schaue

(Marc Reinhardt, CDU: Dann schau mal!)

und mir die Ziffer 261 durchlese,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

dann würde ich das gern noch mal zitieren: „Die Koalitionspartner werden die Familienpolitik unter Berücksichtigung der Kinder- und Jugend-, Bildungs-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gleichstellungspolitik weiter vernetzen, um Mecklenburg-Vorpommern zum kinder- und familienfreundlichsten Bundesland zu machen. Dafür werden die Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien mit dem Ziel einer nachhaltigen Sicherung weiterentwickelt.“ Zitatende.

Ich habe mir das eben noch mal rausgesucht und habe gedacht: Wir sind Kinderland Nummer eins – ich weiß gar nicht, was wir noch alles sind – wir sind Gesundheitsland Nummer eins,

(Torsten Renz, CDU: Machen Sie richtig Werbung für unser Land! Jetzt machen Sie richtig Werbung für unser Land. – Michael Andrejewski, NPD: Wunderland Nummer eins.)

und wenn wir dann die Zahlen sehen und wenn wir uns dann ins Land begeben, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann ist es so, als wenn wir irgendwie in einer Parallelwelt leben. Aber ich möchte hier auf einige Punkte eingehen

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)