Protocol of the Session on January 29, 2014

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil das, was Sie hier ausgeführt haben, weswegen die SPD-Fraktion diesen Antrag, der von den Kolleginnen und Kollegen der CDU erarbeitet worden ist, mitträgt, ist dann tatsächlich fehlgeleitet.

Ich will damit anfangen, um das vielleicht deutlich zu machen, mit einer Aussage, die noch gar nicht so alt ist, die von meiner Parteifreundin Christiane Krajewski gemacht worden ist, die im Rahmen des Bundestagswahlkampfes Mitglied im SPD-Kompetenzteam war und ausgeführt hat zu dem Thema „Rückführung der Fälligkeitstermine bei Sozialversicherungsbeiträgen“, ich zitiere: „Wir wissen um den bürokratischen Aufwand, der sich gerade für kleinere Unternehmen aus der Vorfälligkeit der SV-Beiträge ergibt. Vor- und Nachteile einer Rückkehr zum alten System müssen daher sorgfältig geprüft werden.“

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist letztendlich der Grund, warum meine Fraktion heute an dieser Stelle diesen Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU mitträgt. Es sind zwei Punkte – und, Herr Kollege Holter, Sie haben sie letztendlich selbst mit angesprochen –: Es geht einmal um die Entlastung gerade von kleineren und mittleren Unternehmen, nicht nur vom bürokratischen Aufwand, sondern natürlich auch von einer erheblichen finanziellen Belastung, die damit verbunden ist. Und – das muss man auch deutlich sagen – es geht darum, dass – Sie, Herr Kollege Holter, haben es selbst angesprochen – die Vor- und Nachteile einer entsprechenden Rückkehr zum früheren System der Fälligkeitstermine bei Sozialversicherungsbeiträgen natürlich sorgfältig geprüft werden müssen. Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, halte ich den Antrag der Koalitionsfraktionen gerade in der vorliegenden Form für gut, nämlich dass man nicht einen Schuss ins Blaue macht und sagt, wir starten jetzt mit einer Bundesratsinitiative, sondern wir schauen tatsächlich, wie entwickelt sich auf Bundesebene die Diskussion vor dem Hintergrund des gesamten Themenkomplexes Rentenversicherung und wie entwickelt sich die Diskussion in den verschiedenen Bundesländern, um dann gemeinsam vielleicht zu einem entsprechenden Ergebnis im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer zu kommen.

Herr Kollege Holter, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann stehen Sie der Zielsetzung als solcher durchaus aufgeschlossen gegenüber.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, selbstverständlich.)

Deswegen erlauben Sie mir, an dieser Stelle noch mal eins deutlich zu machen: Sie haben von 26 Milli- arden Euro möglicher Belastung durch einen entspre

chenden Vorzug oder Wiedervorzug der Fälligkeits- termine im Bereich der Sozialversicherungsabgaben gesprochen, aber von diesen 26 Milliarden Euro Belastung – und das ist nur eine rechnerische Belastung – bei den Sozialversicherungen wird ja kein Geld genommen. Sie erhalten es nur – relativ gesehen – 14 Tage später. Das ist die Belastung.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Sie erhalten es 14 Tage später, weil wenn Sie die Vorfälligkeit wieder zurückholen, dann schieben Sie das nur in den Vormonat zurück, in dem es früher war. Es wird nicht weniger Geld dadurch. Aber Sie müssen auf der anderen Seite sehen, diese 26 Milliarden Euro mathematische Belastung – vielleicht können wir uns auf den Begriff verständigen – sind eine reale Belastung für die Unternehmen, die es dann zahlen, weil die haben natürlich in dem Moment die entsprechende Liquidität nicht. Völlig losgelöst von der Frage der Liquidität – und lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen, was gerade für kleine Unternehmen wichtig ist – ist es tatsächlich mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden.

Wie ist denn die Situation heute so? Sie haben da so ein bisschen den Schlag reingebracht – ich weiß, dass Sie das nicht gemeint haben, aber es klang so ein bisschen an – wie ungeregelte Arbeitsverhältnisse, die davon betroffen sind.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das hat damit nichts zu tun.)

Ich habe auch extra gesagt, das klang nur ein bisschen so. Aber deswegen möchte ich deutlich machen, worum es eigentlich geht.

Wir sprechen hier erst mal über die Vielzahl von Unternehmen, bei denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kein festes Monatsgehalt bekommen, sondern stundenweise abgerechnet werden.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist gemeint.)

Und da ist völlig klar, dass erst am 30. oder 31., oder am 28., wenn der Februar zu Ende ist, genau gesagt werden kann, wie viel an Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt werden muss. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass nicht nur derzeit die rechtliche Lage so ist, dass drei Banktage, also drei Arbeitstage vor Ablauf des Monats die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge überwiesen werden müssen. Sie müssen die Beitragsnachweise zwei Tage vorher fertig und übermittelt haben. Das heißt, die KMU, um mal bei dem Beispiel zu bleiben, also die kleineren Unternehmen bei uns im Land müssen fünf Arbeitstage vor Ende des Monats ihre Abrechnung fertig haben und entsprechend dann auch die Sozialversicherungsbeiträge überweisen.

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Das wiederum bedeutet bei all den Arbeitsverhältnissen, die eben nicht mit einem Monatsgehalt ausgestattet sind, dass sie zwangsläufig in die Situation kommen, dass sie im Folgemonat – und da muss sich ja nur eine einzige Arbeitsstunde geändert haben – eine entsprechende Korrekturberechnung, einen korrigierten Beitragsnach

weis abgeben und dann die Differenz entweder überweisen oder erstattet verlangen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist klar.)

Gerade für die kleineren Unternehmen ist das eine erhebliche Arbeitsbelastung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist auch so.)

Und der zweite Punkt, den ich in dem Zusammenhang ansprechen möchte, es ist – und das ist ein bisschen bei Ihren Worten zum Schluss noch deutlich geworden – die Frage angesprochen worden, wie sich das denn entwickeln wird. Wie sehen die Rentenversicherungsbeiträge in zwei Jahren aus? Wie sehen die Rentenkassen in zwei Jahren aus?

Herr Kollege Holter! Meine Damen und Herren! Ich bin ganz ehrlich, ich kann das nicht beantworten. Ich glaube, wenn Ihnen heutzutage irgend jemand in diesem Land- tag oder auf Bundesebene sagen kann, im Jahre 2016, 2017 oder 2020 wissen wir ganz genau, wie die Situation der Rentenkassen aussieht, dann würde ich doch vorsichtig werden.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kann das letztendlich ein Argument dafür sein, dass man sagt, ich weiß, dass etwas richtig ist, auch im Interesse der Unternehmer und Unternehmen in diesem Land, von denen wir letztendlich wollen, dass sie zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, kann das denn tatsächlich richtig sein, wenn wir nur aus dem Grund heraus sagen, wir wissen heute noch nicht, was vielleicht im Jahre 2020 im Rentenversicherungssystem an gesetzlichen Vorgaben ist, und deswegen tun wir heute schon gar nichts?

Das hat mich ein bisschen erinnert an das Frühstücksfernsehen heute früh – das muss man sich manchmal auch antun –,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Echt? – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

da habe ich im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse den Präsidenten des Haus- und Grundstückseigentümer- vereins gehört. Das war ein sehr interessantes Interview. Er wurde gefragt, weswegen sein Verband gegen die Mietpreisbremse wäre. Das einzige Argument, das er vorbringen konnte, war: Wir wissen nicht, wie sich die Zukunft entwickelt.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist bei dieser Frage ein ziemlich dürftiges Argument.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Haben Sie die Frau Nahles mal gefragt?)

Ich muss nicht immer Frau Nahles fragen, Herr Kollege Holter.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Ich glaube auch nicht, dass Sie Herrn Gysi oder Frau Wagenknecht fragen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

wobei ich dann unterstelle, dass Sie zwei unterschiedliche Antworten kriegen.

(Beifall Torsten Renz, CDU – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Gut, das kann ich verstehen an der Stelle, würde ich wahrscheinlich auch tun.

(Torsten Renz, CDU: Was ist mit Herrn Lafontaine?)

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das zeigt doch nur die Dürftigkeit der Argumentation. Wenn ich an der einen Stelle bei einem entsprechenden Vorhaben, das hier tatsächlich angegangen wird, als Gegenargument nur noch sagen kann, ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, dann sollte ich mir so eine Argumentationsweise auch bei anderen Dingen entsprechend schenken.

Wir werden deswegen nicht nur zustimmen, weil wir davon ausgehen, dass die CDU den Versuch gemacht hat, ihrem Wirtschaftsminister vielleicht noch mal den Rücken zu stärken, sondern weil wir tatsächlich dafür sind, so wie in der Sache offensichtlich auch Sie, Herr Kollege Holter,

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Wolfgang Waldmüller, CDU)

auch wenn Sie da nicht den Schritt gehen wollen, dem Antrag zuzustimmen. Wir werden deswegen als SPDFraktion hier dem Antrag zustimmen und ihn entsprechend heute mit abstimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gerkan.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist vieles schon gesagt worden, von daher habe ich meine Rede etwas zusammengestrichen.

Es ist offensichtlich, dass die Einführung der Vorfällig- keit der Sozialversicherungsbeiträge 2006 durchaus sinnvoll war

(Burkhard Lenz, CDU: Ja.)

und die Rentenkassen, die Krankenkassen, die Arbeitslosenkassen dadurch entsprechend entlastet worden sind. Denn, meine Damen und Herren, eine Alternative hätte es in dem Sinne nicht gegeben, es sei denn, man hätte die Rentenversicherung um mindestens 0,5 Prozentpunkte angehoben.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)