Protocol of the Session on December 13, 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 58. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Theater und Orchester auskömmlich finanzieren und Theatererlass unverzüglich auf den Weg bringen, Drucksache 6/2421.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Theater und Orchester auskömmlich finanzieren und Theatererlass unverzüglich auf den Weg bringen – Drucksache 6/2421 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Das Mittelsächsische Theater Freiberg hat heute Abend um 19.30 Uhr auf dem Spielplan „Die Stützen der Gesellschaft“ von Henrik Ibsen.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Diese Tatsache ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert, Herr Müller. Zum einen handelt es sich um eine bundesweit beachtete Aufführung der Schauspielerinnen und Schauspieler – ein sozialkritisches Stück, das über die Verkommenheit der vorgeblichen Stützen der Macht Auskunft gibt. Und nicht am Rande, im Gegenteil, unbedingt erwähnenswert, die Situation bleibt zwar am Ende offen, aber rettend sind die Frauen und die Arbeiterschaft. Das ist der eine Punkt.

Das Zweite, was bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass viele Interessierte diese Aufführung besuchen und über Hunderte Kilometer anreisen, um das zu erleben, auch aus der Region Neubrandenburg/Neustrelitz.

Und das Dritte, was daran bemerkenswert ist: Es han- delt sich bei den Schauspielerinnen und Schauspielern, die dort auf der Bühne stehen, um einen Großteil des ehemaligen Schauspielensembles aus Neustrelitz – Franka Anne Kahl, Nancy Spiller, Ralph Sählbrandt zum Beispiel als Schauspielerinnen und Schauspieler, der Intendant Ralf-Peter Schulze, der Chefdramaturg Matthias Wolf, die Schauspieldirektorin Annett Wöhlert. Alle haben viele Jahre großartige Arbeit geleistet in Mecklenburg-Vorpommern, in der Region Neubrandenburg/Neustrelitz. Und das zu erwähnen, ist mir wichtig, weil gerade Letzteres darauf hinweist: Warum ist fast ein gesamtes Ensemble weggegangen in ein anderes Bundesland? Weil die von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere von der Regierung, zu verantwortenden Rahmenbedingungen für Kultur sie aus dem Land getrieben haben, sie sich eine andere Wirkungsstätte gesucht haben mit besseren Rahmenbedingungen. Und „Weggang“ …

(Andreas Butzki, SPD: Herr Schulze war zehn Jahre Intendant, das wissen Sie.)

Natürlich, natürlich, Herr Butzki, ist es in der Kulturszene nicht unüblich,

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

dass man nach einer gewissen Zeit geht. Aber die Rahmenbedingungen haben nicht gestimmt und das wissen wir.

(Andreas Butzki, SPD: Ja.)

Denn wir haben ja gelesen, was in den Lokalzeitungen dann zum Ende noch stand. Da war gallige und berechtigte Kritik, wie wir wissen.

(Andreas Butzki, SPD: Ja, ich habe sehr viel mit ihm zusammengearbeitet, ich habe viel mit ihm zusammengearbeitet, genau.)

Und „Weggang“ ist so ein Stichwort noch dazu. In diesem Haus beschäftigen wir uns sehr mit dem demografischen Wandel. Der demografische Wandel ist mehr als stagnierende Geburtenzahlen, ist mehr als älterwerdende Bevölkerung und ist mehr als längere Lebenszeit. Demografischer Wandel hat auch viel mit Kultur zu tun, sehr geehrte Damen und Herren. Und Sie geben vor – ich richte mich insbesondere an die Koalitionäre und an die Regierung –,

(Stefan Köster, NPD: Mit einer untergehenden Kultur.)

Sie geben vor, etwas für die Zukunft des Landes zu tun. Tatsächlich tun Sie das Gegenteil, nämlich Sie vergraulen Künstlerinnen und Künstler aus diesem Land.

(Andreas Butzki, SPD: Der hat die mitgenommen. Das wissen wir doch beide, das wissen wir doch beide.)

Denn zu denen, die ich hier namentlich genannt habe – Herr Butzki, ich bleibe dabei –, kommen jetzt noch Herr Malzew dazu, Frau Pfund dazu.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und man kann immer sagen, sie haben lange hier gearbeitet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mensch, der Mann hat Angebote von woanders, das ist doch normal. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Nein, es ist erwähnenswert, es ist erwähnenswert, auch wenn es Ihnen nicht passt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und was zu kritisieren ist, was zu kritisieren ist, und zwar mit Nachdruck, ist, dass Sie das eine sagen und das Gegenteil tun.

(Andreas Butzki, SPD: Der war schon mal zehn Jahre weg. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie wollen uns doch nicht zu Kulturbanausen abstempeln?!)

Ein weiteres Stichwort ist nämlich, ein weiteres Stichwort, Herr Dr. Nieszery,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, genau.)

ist die „Politik des Dialogs“.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja. Ja, können wir jeden Tag.)

Und mit Genehmigung der Präsidentin möchte ich aus einer Pressemitteilung zitieren, 2. Landeskonferenz der Theater- und Orchesterfördervereine Mecklenburg-Vor- pommern, diese Woche rausgegeben: „Kopflastig: Theaterentscheidungen ohne Theaterpublikum“.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Wörtlich heißt es: „An diesem Mittwoch wird der Land- tag“ – also Dienstag herausgegeben – „für MecklenburgVorpommern wieder einmal über die Theaterfinanzierung debattieren und die Landestheaterfinanzierung aus der Gesetzesbindung über den FAG Vorabzug herauslösen, um in Zukunft 2/3 der Landestheaterförderung vom Kulturminister auf dem Verordnungswege verteilen zu lassen. Die meisten Fördervereine der Theater und Orchester unseres Bundeslandes trafen sich am vergangenen Wochenende in den Räumen des Volkstheaters Rostock, um sich über die vermutlich zu erwartenden Auswirkungen der Entscheidungen des Schweriner Landtages zu informieren und hierüber zu diskutieren. Dies war nicht einfach“, heißt es dort weiter, „denn das federführende Kultusministerium hatte es wieder einmal versäumt, den Adressaten seiner Theaterpolitik – das Publikum – angemessen an den geplanten Strukturentscheidungen zu beteiligen. Man verlässt sich – wie in den letzten 20 Jahren meist – lieber auf teure externe ,Sachverständigeʻ und Gutachter, die Theater vor allem als Kostenfaktor sehen und die eigentliche Aufgabe der Theater, das Leben der Menschen in unserem kleinen Flächenland bereichern zu wollen, mit Zahlen erschlagen.“ Zitatende. Es geht noch ein bisschen weiter, die Pressemitteilung.

Sieht so Politik des Dialogs aus, meine Damen und Herren? Sieht so selbst gelobte Kulturpolitik Ihrerseits aus?

Und weil wir gerade bei dem Stichwort sind „Landestheaterförderung“. Der Finanzausschuss, Herr Dr. Nieszery –

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dessen Vorsitzender Sie sind.)

wir haben da beide unsere Hand gehoben und alle Anwesenden auch, der ist einstimmig gefallen, der Beschluss – hat am 7. November darüber entschieden, dass es für das Theater Neubrandenburg/Neustrelitz eine Soforthilfe gibt. Die war bitter nötig. Zum 30. stand die nächste Lohnzahlung an, Insolvenzgefahr war angesagt, das wussten alle. Wir haben also am 7. November die Freigabe von 487.000 Euro beschlossen und ausdrücklich noch mal nachgefragt: Wie ist dann der Werdegang? Da wurde gesagt, das geht sofort, also umgehend heraus, der Bescheid, und wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird, also Rechtsmittelverzicht erklärt wird, dann wird sofort die Zahlung veranlasst. Jetzt können Sie mal raten, wann das Geld überwiesen wurde. Am 11. Dezember um 11.00 Uhr! 30. November war Zahltag. Ich möchte mal wissen, wie wir damit umgehen würden, wenn nicht zum Ende des Monats das Geld drauf ist, ob wir also klaglos das hinnehmen würden oder ob nicht jemand dann anrufen würde beim Ministerium und sagt: Was ist denn da los? Also da geht es um Existenzen, ja?

Sieht so, frage ich mal, sieht so Politik aus, die als verantwortbar gilt? Ich denke, nicht. Ich halte das also für rücksichtslos, ich halte das für rücksichtslos, was da läuft.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben sie ihr Geld gekriegt, Herr Koplin? Haben sie ihr Geld gekriegt?)

Natürlich, sie haben ihr Geld bekommen, doch mit zwei Wochen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na also.)

mindestens zwei Wochen über dem Zahltag, ja?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja Gott, das passiert vielleicht auch mal. Aber sie kriegen ihr Geld. – Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Wir halten Ihre Theaterförderung in Gänze für unseriös. 35,8 Millionen Euro sind eingestellt in den Haushalt. In den letzten Jahren war es unauskömmlich, Sie ha- ben immer gesagt, ach, was die demokratische Opposition dazu meint, das ist nicht zutreffend. Aber im glei- chen Atemzug haben Sie immer Geld nachgeschossen – 3 Millionen Euro für Schwerin, 300.000 für Anklam, 500.000 für Neubrandenburg/Neustrelitz. Wir wissen jetzt aus der Anhörung, die im Bildungsausschuss stattgefunden hat, dass es aktuelle Mehrbedarfe gibt, die sich auf 3,4 Millionen Euro summieren – 2 Millionen für Schwerin, 500.000 jeweils für Rostock und Greifswald und weitere 400.000 für die Theater- und Orchester GmbH. Der Landrat hat erst Anfang Dezember im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte gesagt, dass er davon ausgeht, dass das Geld auch im nächsten Jahr, also der Zuschlag von über 400.000 Euro, auch im nächsten Jahr fließen wird, sonst kommen sie nicht über die Runden.

Sie wissen das alles, arbeiten mit einem Leertitel. Wir kamen mit Anträgen dazu, die haben Sie vom Tisch gewischt. Sie sagen, na dafür gibt es eine Deckungsquelle im Einzelplan 11, und wissen im Grunde genommen, dass auch der überzeichnet ist. Also das ist alles nicht seriös, möchte ich Ihnen sagen. Und letztlich ist das Ausdruck eines Haushalts des Selbstbetrugs, ja?

Sie schaden bei der Gelegenheit aber nicht nur sich selbst, sondern anderen. Sie legen nicht einmal den Entwurf eines Theatererlasses vor. Ich habe heute früh noch mal angerufen, ob der denn vorliegen würde in der Zwischenzeit. Herr Ringguth hat seinerzeit, also vor vier Wochen etwa, die Dringlichkeit abgelehnt mit der Begründung: Ernstes Thema, aber erst muss der Haushalt beschlossen werden. So kann man das sehen, so muss man das aber auch nicht sehen, denn man hätte durchaus den Entwurf schon vorlegen können, damit zumindest diejenigen, die die Adressaten sind, sich damit auseinandersetzen können.

Und was wir an der Stelle ganz massiv kritisieren, ist der Umstand, dass mit der Finanzierung der Theater und Orchester zukünftig verbunden ist ein zehnprozentiger Vorwegabzug. Ich habe mich dazu gestern schon ge- äußert: denn das ist verantwortungslos, so eine Politik zu betreiben und nach Wohlwollen Geld auszureichen. Das ist fahrlässig, sehr geehrte Damen und Herren, das ist verantwortungslos und letztendlich auch kulturfeindlich, was hier geschieht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh Mann, Mann, sind wir böse! – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Unser Antrag gibt die Möglichkeit, zur Besinnung zu kommen, zu sagen, das ist nicht der richtige Weg, der da eingeschlagen wird, wir besinnen uns eines Besseren. Denn, sehr geehrte Damen und Herren – ich habe da ein interessantes Zitat gefunden – es geht nämlich nicht allein, es geht nicht allein um die Theater und Orchester, das wissen Sie ganz genau.