Protocol of the Session on November 14, 2013

Natürlich kann man einige Punkte heraussuchen, wir haben es gestern diskutiert: Verbeamtung mit 40 oder 45? Aber die Ungerechtigkeiten werden Sie im Lehrerzimmer immer haben, ob die Grenze nun bei 40 eingezogen wird oder bei 45. Und bei Gesprächen – ich habe wirklich oft Kontakt mit Bildungspolitikern anderer Länder, auch mit verschiedenen Parteien – werden wirklich von den anderen Bundesländern, besonders von den östlichen, die Anstrengungen von Mecklenburg-Vorpommern im Bildungsbereich anerkannt, und die, denke ich, sind sehr hoch.

(Torsten Renz, CDU: Aha!)

So, und dann zu dem zweiten Antragspunkt, der hier ausführlich dargestellt wurde. Da möchte ich natürlich auch die Position der SPD darstellen.

Im zweiten Antragspunkt wird von der Fraktion DIE LINKE gefordert, dass die Schulpflicht in Mecklenburg-Vorpom- mern verändert werden soll. Ich gehe davon aus, dass haben Sie dann in der Begründung und auch heute noch dargelegt, dass sie verlängert werden soll. MecklenburgVorpommern hat sich mit der Regelung der Schulpflicht im Paragrafen 41 des Schulgesetzes in die größere Gruppe der Bundesländer mit neun Jahren Vollschulzeitpflicht eingereiht, in denen vergleichbare Regelungen bestehen. Ich will die Länder hier noch einmal aufzählen. Dazu zählen: Baden-Württemberg, Bayern, auch Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,

Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Bei dem im Schulrecht herrschenden Föderalismus ist dies ein wichtiges Argument im Rahmen der gewünschten Einwohnerzuwanderung aus anderen Bundesländern und der Attraktivität Mecklenburg-Vorpommerns für Eltern mit schulpflichtigen Kindern. Deshalb ist Ihre Antragsbegründung zur Vollschulzeit irreführend, in der Sie von vielen anderen Bundesländern mit zehn Schulbesuchsjahren sprechen – es ist rund ein Drittel.

Von der Vollschulzeitpflicht kann in unserem Bundesland in begründeten Ausnahmenfällen von den Regelungen unter Satz 1 Nummer 1 abgewichen werden. Die Entscheidung trifft die zuständige Schulbehörde, das wissen Sie auch. Ein sehr vernünftiges Verfahren, und aus meinen Erfahrungen weiß ich, dass die Schulräte damit wirklich sehr verantwortungsvoll umgehen, davon Gebrauch machen und bei ihren Entscheidungen immer auch die Entwicklung des jeweiligen Kindes dort im Blickpunkt haben.

Ich will das auch noch mal zitieren aus der Verordnung über die Versetzung, Kurseinstufung und den Wechsel des Bildungsganges sowie über die Berufsreife an den allgemeinbildenden Schulen, und zwar vom 1. Juli 2012. Ähnliche Regelungen gab es davor auch. Ich zitiere, weil ich davon ausgehe, dass die meisten Abgeordneten das nicht kennen:

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

„Eine Schülerin oder ein Schüler kann gemäß § 64 Absatz 3 des Schulgesetzes mit Zustimmung der Klassenkonferenz eine Jahrgangsstufe freiwillig zurücktreten. Der schriftliche Antrag der Erziehungsberechtigten soll bis zum 30. April des … Schuljahres vorliegen. Bei freiwilligem Rücktritt erfolgt am Ende des wiederholten Schuljahres keine neue Versetzungsentscheidung.“ Zitatende.

Diese Regelung der Versetzungsverordnung, die neueste, wie gesagt, vor gut einem Jahr in Kraft getreten, wird verantwortungsvoll angewendet und auch umgesetzt. Ich finde es auch gut, denn die Eltern werden da wirklich von den Lehrerinnen und Lehrern beraten und die Vor- und Nachteile einer freiwilligen Wiederholung genau abgewogen. Ich kenne persönlich keine Schule, wo diese freiwillige Wiederholung negativ gesehen wird. Das werden Sie sicherlich auch wissen.

Die Aufteilung der Schulpflicht in die Pflicht zum Besuch von Schulen im Primar- und Sekundarbereich einerseits und anschließend die Pflicht zum Besuch des Sekundarbereichs II andererseits ist bei uns sachgerecht und bedarf keiner Änderung, da sie eine präzise Zuordnung der Schulordnung gestattet. So kann die Pflicht zum Besuch der Sekundarstufe II entweder durch den Besuch der gymnasialen Oberstufe oder durch den Besuch einer beruflichen Schule erfüllt werden, wobei im Falle einer dualen Ausbildung dann auch keine Vollschulzeitpflicht besteht. Auch diese oder eine ähnliche Regelung haben die meisten anderen Bundesländer.

Außerdem ist in der Antragsbegründung nicht aufgeführt, wie eine gemeinsame Schulpflicht für allgemeinbildende und berufliche Schulen gerade für Schülerinnen und Schüler mit Vermittlungshemmnissen Verbesserungen bringen soll.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Es ist ein Prüfauftrag, Herr Butzki! Ein Prüfauftrag!)

Schon heute werden Schülerinnen und Schüler, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen nicht ohne Weiteres einen Ausbildungsplatz erlangen,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ich kann doch nicht ständig die Arbeit der Regierung machen!)

gefördert, zum Beispiel im Produktiven Lernen – das haben wir heute schon gehört – und auch im Berufsvorbereitungsjahr. Auch hier sind weitere Maßnahmen geplant: eine Verbesserung der Ausgestaltung des freiwilligen zehnten Schuljahres und – das haben wir heute auch schon öfter gehört – die zusätzliche Förderung für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Diesen Antrag benötigen wir nicht.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach!)

Dass wir eine noch zu hohe Quote von Schulabbrechern in unserem Bundesland haben, ist bekannt. Die Statistiken belegen dies trotz der Verbesserung im letzten Jahr. Es zeigt sich auch deutlich, dass sich Verbesserungen im Bildungswesen erst langsam auswirken. Mit den Maßnahmen, die die Regierungsparteien von SPD und CDU eingeleitet haben, sind wir auf dem richtigen Weg. Ich habe sie, denke ich, am Anfang meiner Rede ausführlich dargestellt. Am Ende der Legislaturperiode haben wir die Möglichkeit, und dazu lade ich Sie recht herzlich ein, darüber noch einmal ausführlich zu diskutieren, ob wir mit unseren Maßnahmen dann doch gegriffen haben.

Eine Verlängerung der Vollschulzeitpflicht ist aus unserer Sicht nicht notwendig. Die SPD wird diesen Antrag ablehnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Petereit von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während es in dem Antrag noch heißt, es möge geprüft werden, ob eine Verlängerung der Schulpflicht die Chancen auf den Erwerb des Schulabschlusses erhöhen könne, hörte sich das im Redebeitrag schon als gesetzt an.

Frau Oldenburg, Sie denken hier jedoch zu schematisch, denn dann müssten,...

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Aber ich denke wenigstens. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meinen Sie?

… denn dann müssten in den Bundesländern mit einer Vollschulzeitpflicht von zehn Jahren die Quoten der Schulabgänger ohne Berufsreife generell um ein Vielfaches niedriger sein als beispielsweise bei uns. Ganz so einfach ist es aber nicht. Laut Chancenspiegel der Bertels- mann Stiftung hatten 2011 Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und das Saarland – allesamt Länder mit einer neunjährigen Vollschulzeitpflicht – Abbrecherquoten von um die fünf Prozent. In Berlin – zehnjährige Schulpflicht – lag die Quote ebenso wie in Sachsen – neun Jahre Schulpflicht – bei zehn Prozent.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Berlin hat zehn Jahre.)

Ja, habe ich doch gesagt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Da haben Sie sich wohl verguckt.)

Zehnjährige Schulpflicht, habe ich gesagt. Das können Sie dann im Protokoll nachlesen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nach neunjähriger haben Sie gesagt.)

Thüringen neun Jahre, und …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Thüringen hat auch zehn Jahre. Auch da haben Sie falsch geguckt.)

Thüringen hat neun Jahre Schulpflicht, um die sieben Prozent.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Thüringen hat zehn Jahre unter Rot-Schwarz. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen mit zehn Jahren Schulpflicht bilden in sämtlichen Studien schon wegen des sehr großen und von Ihnen so hochgeschätzten Ausländeranteils stets und ständig die Schlusslichter. So.

Wir sind der Ansicht, wir brauchen Ihren Antrag nicht, und deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun noch einmal die Abgeordnete Frau Oldenburg von der Fraktion DIE LINKE.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Fang mal ganz von vorn an und erklär das hier noch mal! – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Minister, ich möchte erst einmal auf die Argumente eingehen, die Sie genannt haben. Es ging hier nicht – und das habe ich auch in meiner Rede deutlich gesagt – um die Schülerinnen und Schüler, die länger als neun Jahre zur Schule gehen, weil sie die Mittlere Reife schaffen oder das Abitur ablegen. Es geht ganz alleine um die Schülerinnen und Schüler, die die Berufsreife absolvieren. Das sind ungefähr 1.000 jährlich, und von diesen 1.000 Schülerinnen und Schülern schaffen es nur 150. Es geht nur um die Gruppe der Schüler mit der Berufsreife. Die anderen, die ja sowieso länger gehen, möchten wir jetzt hier gar nicht mit einbeziehen. Und nur 150 jährlich, Herr Brodkorb, schaffen diese Berufsreife nach neun Jahren, 850 nicht.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Auch heute gibt es schon eine Ausnahme in dem Schulgesetz, nämlich, dass die Schülerinnen und Schüler, die es früher schaffen, einen Schulabschluss zu absolvieren, rausgehen können. Das heißt nicht, wir verlängern hier für alle auf zehn Jahre, wenn es jetzt um dieses Modell geht, sondern für die, die große Schwierigkeiten haben, die sowieso länger im System sind, aber dafür Anträge stellen müssen und dann Klassen wiederholen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: So ist es.)

Wir geben 10 Millionen Euro jährlich für Wiederholer aus. 10 Millionen Euro! Wenn wir das aber für die Schülerinnen und Schüler, die den Berufsreifekurs sozusagen belegen, entzerren und das nicht in dieser gedrängten Schulzeit geben, haben wir dann letztendlich den Gewinn, dass sie nicht wiederholen, weil sie nämlich nicht ständig überfordert sind. Und für die wenigen Kinder, Herr Minister, die es früher als in zehn Jahren schaffen, müsste nicht einmal das Schulgesetz geändert werden, denn das besagt jetzt schon, dass diese Kinder dann natürlich die Vollzeitschulpflicht früher erledigt haben und in die Berufsausbildung wechseln können. Das ist kein Argument, zu sagen, weil 150 Kinder es nach neun Jahren schaffen, 850 aber nicht, prüft man es nicht.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Frau Berger, es geht hier nur ums Prüfen. Sie haben von mir in meiner Rede beide Möglichkeiten gehört. Ich gebe Ihnen recht, denn die Jugendberufsagentur in Hamburg – ich hoffe, Sie wissen, was das beinhaltet – steht für die Aufhebung der Trennung zwischen Vollzeitschulpflicht und Berufsschulpflicht, und es ist ganz einfach so, dass Hamburg mit diesem System wahnsinnig erfolgreich ist. Sie haben die Trennung aufgehoben. Und dann dazu zu sagen, dass ja jetzt schon alles feststeht! Sie haben recht, indem Sie sagen, es gibt bestimmt noch mehr Möglichkeiten. Sehr gerne! Aber fest steht hier gar nichts. Das konnten Sie auch eindeutig aus der Rede hören.

Es geht also um die Kinder, die Schwierigkeiten haben, die wiederholen müssen, bei denen die Eltern ständig Anträge stellen müssen, damit sie wiederholen dürfen, und sie dürfen nur wiederholen, wenn sie sich in der Zeit auch gar kein bisschen zuschulden kommen lassen. Das ist doch kein Weg für ein gelingendes Lernen! Das ist kein Weg für Schulabschlüsse für so viel wie möglich Kinder bei uns im Land Mecklenburg-Vorpommern!

Herr Brodkorb, wenn die zehn Jahre nicht sinnvoll sind für Kinder mit Lernschwierigkeiten – die sich nicht nur an Förderschulen befinden und die dann im Zuge der Inklusion an allen Schulen sind und jetzt auch schon an allen Schulen sind –, aber für die Förderschülerinnen und Förderschüler das zehnte Schuljahr eine Möglichkeit ist, den Abschluss der Berufsreife zu erlangen, warum ist es dann nicht auch eine Möglichkeit für die Schüler mit Lernschwierigkeiten, die sich an Gesamtschulen oder Regionalen Schulen befinden? Diese Logik erschließt sich mir nicht.

Momentan stopfen wir Löcher, anstatt Entwicklungen zu befördern. Das funktioniert nicht, denn wir reparieren, wir bessern aus, wir ersetzen aber nicht die pädagogisch nachhaltigen Veränderungen einer reparaturbedürftigen Schulpflichtregelung. Die Kinder werden auf Dauer die Kosten übersteigen, die das Land überhaupt bereit ist, zu finanzieren, wenn wir jetzt so weitermachen wie bisher. Ich möchte nur mal einige Regelungen aufgreifen. Herr Butzki hat ja einige aus dem Schulgesetz genannt, obwohl ein freiwilliges Zurücktreten nicht identisch ist mit einem Sitzenbleiben. Und die gesamten Regelungen des Schulgesetzes, die sich mit dem Sitzenbleiben beschäftigen, haben Sie hier nicht genannt. Ich mache das nur mal am Beispiel der Grundschulzeit.