halte jedoch die Schlussfolgerung für falsch. Wenn jemand die Wahl zwischen einem kostenlosen und einem kostenpflichtigen Angebot hat, dann wird er das kostenlose Angebot wählen. Ich unterstelle, die Ausbildungsinhalte sind gleich. Die Wahl des kostenlosen Angebots ist eine Frage des Geldes. Um das kostenlose Angebot wählen zu können, muss es flächendeckend vorhanden sein. Es dürfen keine Zusatzkosten entstehen.
Beide Prämissen wurden vom Sozialministerium und der Ministerin nicht berücksichtigt. Beide Prämissen erklären aber, warum in Mecklenburg-Vorpommern einige Ausbildungsplätze an den staatlichen Altenpflegeschulen frei sind. Die staatliche Ausbildung können nur diejenigen ohne Zusatzkosten nutzen, die in Rostock, Neubrandenburg oder Waren wohnen. Für alle anderen entstehen Zusatzkosten. Die Ausbildung ist zwar kostenfrei, es müssen aber Fahrtkosten oder ein Zimmer oder eine Wohnung am Schulort finanziert werden. Da ist es nachvollziehbar, dass die künftigen Altenpflegeschüler auch das Schulgeld privater Altenpflegeschulen in ihre Überlegungen einbeziehen, wenn ein privates Ausbildungsangebot in der Nähe des Wohnortes besteht. Ist das Schulgeld niedriger als die Zusatzkosten bei den staatlichen Schulen, werden sich die potenziellen Altenpflegeschüler für die private Ausbildungseinrichtung entscheiden. Das ist, wie gesagt, eine Frage ihrer knappen Ressourcen.
Mit unserem Antrag geht es nicht um die Schulform. Es geht uns um Chancengerechtigkeit, um gleiche kostenlose Ausbildung für alle, die den Beruf der Altenpflegefachkraft erlernen wollen. Es ist ein Unding, dass bei einer einheitlichen Ausbildung die einen Schulgeld zahlen und die anderen diese Ausbildung kostenfrei erhalten.
Um auf den Mangel bei examiniertem Personal in der Altenpflege zu reagieren, schlagen wir vor, dass das Ministerium analysiert, wie die Erstausbildung für alle Altenpflegeschülerinnen und -schüler im Land kostenfrei gestellt werden kann. Dabei kann es die Erfahrungen von Brandenburg – Herr Renz, Rot-Rot, ich wollte es nur noch mal sagen –
oder Niedersachsen einbeziehen. Die Handlungsempfehlungen der Analyse sollten dem Landtag bis zum Jahr 2015 vorgelegt werden.
Noch eine Bemerkung zu den Eignungstests. Wir stellen sie nicht grundsätzlich infrage, sondern regen an, die bis jetzt verwendeten, allgemeinen Tests – sozusagen einer für alle – durch spezifische Teile zu ergänzen oder zu ersetzen. Altenpflegerinnen und Altenpfleger helfen Menschen mit Defiziten. Sie müssen diese richtig erkennen und therapieren. Sie müssen hierzu in der Lage sein. Und sie müssen sich in ihre Patienten einfühlen können und zielgerichtet, kulturvoll und sensibel mit ihnen interagieren. Die hierfür notwendigen Kompetenzen sollten in den Eignungstests der Agentur für Arbeit stärker berücksichtigt werden. Das regen wir an. Wir sehen, dass die Landesregierung wenig Möglichkeiten hat, die Situation in der Altenpflege zu beeinflussen.
Sie sollte von den wenigen Möglichkeiten aber auch alle nutzen. Und die Regulierung der Ausbildung ist eine davon. Wir können es uns nicht leisten, hier zu warten, bis irgendwann, wenn überhaupt, eine generalistische Altenpflegeausbildung auf Bundesebene zustande kommt. Die Landesregierung kann bereits heute eine bedarfsgerechte Erstausbildung zur examinierten Altenpflegefachkraft für alle Altenpflegeschülerinnen und -schüler in MecklenburgVorpommern kostenfrei stellen. Das würde die Ausbildung zu diesem Beruf attraktiver machen. Es wäre ein Schritt zur Lösung des Pflegeproblems. Ich bitte Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag. – Danke.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2246. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- che 6/2246 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und NPD, bei keinen Enthaltungen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 29: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Biologische, landwirtschaftliche und landeskulturelle Vielfalt sichern – Entwurf der EU-Saatgutrichtlinie überarbeiten, die Drucksache 6/2237.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Biologische, landwirtschaftliche und landeskulturelle Vielfalt sichern – Entwurf der EU-Saatgutrichtlinie überarbeiten – Drucksache 6/2237 –
Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt wohl kaum ein treffenderes Symbol für das Leben als den Samen, den wir in die Erde legen und der anschließend wächst und gedeiht. Er reift zur Pflanze, die uns Nahrung gibt und wiederum Samen trägt. Diese Samen vertrauen wir erneut der Erde an, und so geht es fort und fort – ein bereits seit Jahrtausenden währender Zyklus.
Im Laufe der Zeit haben die Menschen gelernt, durch Auslese die Eigenschaften der Pflanzen zu beeinflussen. Eine unglaublich faszinierende Kulturgeschichte begann. Bereits vor 12.000 Jahren begann in Mesopotamien, im heutigen Irak, der gezielte Anbau von Gräsern. Bis heute entstand weltweit eine gewaltige Vielfalt an Kultursorten Tausender Pflanzenarten. Der Boden, das Klima, die Ernährungsweise und der Nutzungszweck bestimmen dabei maßgeblich das Züchtungsziel.
An einer der bekanntesten Nutzpflanzen, dem Mais, lässt sich das gut zeigen. Unfassbare 50.000 Sorten wurden
inzwischen von der aus Südamerika stammenden Pflanze weltweit entwickelt. Eine solche Vielfalt ist ein unermesslicher Schatz. Er ermöglicht uns, auf unvorhersehbare, aber auch erwartbare Entwicklungen, wie zum Beispiel den Klimawandel, zu reagieren. Er eröffnet uns auch Handlungsoptionen für die Zukunft. So können wir auf die 50.000 Maissorten zurückgreifen und schauen, ob sich unter ihnen bestimmte Sorten befinden, die mit Schädlingen besser fertig werden, die trockenheitsresistent oder auch nässetolerant sind. Diesen Schatz gilt es für die Zukunft zu bewahren.
Auch hier im nordostdeutschen Raum sind über Jahrhunderte viele Sorten entstanden, die auf das hier vorherrschende Klima optimiert wurden. Ihr Erhalt ist deshalb auch von großem landeskulturellen Wert und wichtig für den Erhalt der Agrobiodiversität. Dass wir im Hinblick auf die Bewahrung der Sortenvielfalt besonders aufmerksam sein sollten, zeigt uns die Tatsache, dass laut Angaben der Welternährungsorganisation FAO bis heute drei Viertel der Getreide- und Gemüsesorten, die unsere Großeltern noch kannten, bereits der industriellen Landwirtschaft zum Opfer gefallen sind. Sie werden nicht mehr angebaut. Wenn sich nun das durchsetzen würde, was derzeit im Entwurf der EU-Saatgutrichtlinie enthalten ist, wird sich diese Entwicklung verfestigen und nur noch wenige Sorten werden unsere Ernährung bestimmen.
Worum geht es im Detail? Die EU-Kommission, die üblicherweise danach strebt, den Markt zu liberalisieren, die Zu- gangshürden für Marktteilnehmer, Bürokratie und Kontrolle abzubauen, geht ausgerechnet bei der EU-Saatgutver- ordnung einen anderen Weg. Hier sollen Bürokratie, Reglementierung, Registrierung und damit die Kostenbelastung noch zunehmen, insbesondere bei jenen Unternehmen, die durch Zucht und Erhalt von alten Landsorten am stärksten zum Erhalt der Biodiversität auf dem Acker beitragen.
So müssen sich nach Artikel 5 des Verordnungsentwurfs alle Züchter, die professionell Saatgut herstellen, registrieren lassen und bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese Anforderungen umfassen unter anderem umfangreiche Dokumentationspflichten über den Prozess der Erzeugung des Saatguts und über die Handelsaktivitäten der Unternehmen.
Eine weitere Hürde stellen die weiterhin geltenden engen Zulassungsverordnungen für Sorten dar. Sorten müssen den sogenannten DUS-Kriterien entsprechen. Das steht für „distinct“, „uniform“ und „stable“. Die Sorte muss also, wenn man es ins Deutsche überträgt, mindestens in einem Merkmal von anderen Sorten unterscheidbar sein, die Pflanzen müssen sehr uniform, also sehr gleich wachsend sein, und sie müssen sehr stabil sein, das heißt, nach mehreren Generationen noch die gleichen Eigenschaften besitzen.
Diese Zulassungsvoraussetzungen – Sie ahnen es – treffen allerdings hauptsächlich für Hybridsaatgut zu. Dieses Saatgut wird meist als Paket mit synthetischen Düngern und Pestiziden angeboten und führt zu Hochleistungspflanzen mit einheitlichem Aussehen und gleichen Eigenschaften. Die positiven Eigenschaften gelten aber nur für die Erstaussaat. Schon in der nächsten Generation geht der Ertrag wieder zurück. Das zwingt die Landwirte dazu, ihr Saatgut jedes Jahr neu zu kaufen. Das führt zu einer biologischen Quasipatentierung von Hybridsaatgut, weil die Landwirte nur das anbauen können, was sie jedes Jahr von den Agrokonzernen kaufen.
Bei Mais hat dies in den letzten 20 Jahren dazu geführt, dass die großen konventionellen Saatgutanbieter mit ihrem Hybrid- oder gar Genmais eine Monopolstellung haben. Sortenvielfalt gibt es nicht mehr. Auch bei Raps und Roggen liegt der Hybridanteil schon über 50 Prozent.
Besonders drastisch ist das beim Gemüsesaatgut: Einige Sorten wie extrasüßer Zuckermais, Kohlrabi, Blumenkohl, Broccoli, Rettich oder Chinakohl sind im Grunde nur noch als Hybride auf dem Markt. Bei den meisten anderen in Deutschland gängigen Gemüsearten macht der Anteil der Hybridsorten mehr als 70 Prozent aus.
So muss also auch der ökologische Landbau in vielen Bereichen Hybridsorten einsetzen. Hybridsaatgut ist allerdings genetisch arm und entspricht in weiten Teilen nicht den Anforderungen des ökologischen Landbaus. Es ist zwar ertragreich, aber eben wenig anpassungsfähig gegenüber Umweltbelastungen, zum Beispiel gegenüber Wassermangel, Nährstoffmangel, Klimaschwankungen und Schädlingsdruck.
Im Prozess der Sortenanmeldung ist deshalb ein spezielles Zulassungsverfahren notwendig, das eben nicht die vorhin erwähnten DUS-Prüfkriterien in den Vordergrund rückt, sondern für samenfeste Sorten mit breiterer Genetik geeignet ist. Eigenschaften wie Anpassungsfähigkeit, Robustheit und Samenfestigkeit sollten im Vordergrund stehen.
Kommen wir noch zu einem anderen Punkt des Entwurfs der neuen Verordnung. Indem die EU-Kommission im Artikel 56 des vorliegenden Entwurfs Ausnahmeregelungen für herkömmliche beziehungsweise althergebrachte Sorten schafft, sorgt sie scheinbar für eine höhere Flexibilität in der Zulassungspraxis. Diese althergebrachten Sorten sollen demnach auch ohne aufwendigen Zulassungsprozess in ein nationales Sortenregister aufgenommen werden können, wenn sie über eine sogenannte amtlich anerkannte Beschreibung verfügen. Diese Sortenbeschreibung kann von den Unternehmen selbst vorgenommen werden. Sie wird dann von den Behörden anerkannt. Wir haben auch im Ausschuss am 29. August darüber diskutiert. Für diese Beschreibung ist die Prüfung von Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit nicht verpflichtend.
Das hört sich einmal ganz gut an, doch das Verfahren wird durch bestimmte Bedingungen eingeschränkt. Eine Bedingung lautet: Die Sorte muss schon vor der EUSaatgutverordnung am Markt präsent gewesen sein. Die zweite Bedingung lautet: Außerdem darf sie nur in der Ursprungsregion der Sorte erzeugt worden sein.
Derartige Bedingungen wirken willkürlich und wenig nachvollziehbar. Sie ergeben keinen Sinn, sie stoppen die Weiterentwicklung von alten Sorten, um auf die Frage aus dem Forum – ich weiß nicht, wer es war – gerade mal einzugehen. Sie nähren den Verdacht, dass hier mit einer weiteren Stellschraube Regionalsorten an einer erfolgreichen Verbreitung gehindert werden sollen. Hybridsaatgut produzierende Konzerne – das stelle ich mal als Frage in den Raum – halten sich vielleicht so ihre Konkurrenz vom Leibe?
Ähnlich willkürlich wird bei der Definition von Saatgut für Nischenmärkte vorgegangen. Es ist kaum schlüssig,
wenn die EU wie mit dem Artikel 36 des Verordnungsentwurfs bestimmte Betriebsgrößen definiert, die von den Ausnahmeregeln bei der Registrierung von Saatgut Gebrauch machen können. Warum, meine Damen und Herren, sollen Betriebe, die sich dem Erhalt von althergebrachten Sorten widmen und damit einer erleichterten Zulassungspraxis bedürfen, nur zehn Mitarbeiter/Mit- arbeiterinnen und einen Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro haben dürfen? Warum werden mit dem Artikel 36 von vornherein Nischenmärkte für Saatgut definiert? Ist es nicht Ergebnis eines freien Marktes, welche Produkte sich weit verbreiten und welche Nische besetzen werden?
Noch weniger schlüssig ist es, wenn die EU die für diese Nischenmärkte bestimmten Arten und Gattungen erst zeitlich verzögert nach Inkraftsetzen der Verordnung in delegierten Rechtsakten festlegen will. Und die delegierten Rechtsakte sind insgesamt sehr kritisch zu beurteilen, da sie eine Hintertür aufmachen, denn dann kann die Kommission in der Zukunft ohne Beteiligung der Parlamente oder des EU-Rats wesentliche Details der Verordnung bestimmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist aus Gründen der Übersichtlichkeit durchaus zu begrüßen, dass künftig zahlreiche Einzelrichtlinien in einer Richtlinie zusammengefasst werden sollen, doch will die EU-Kommission offenbar das EU-Saatgutrecht so überarbeiten, dass damit große Saatgutkonzerne bevorzugt und Zuchtbetriebe des ökologischen Landbaus benachteiligt werden. Das betrifft die Vermarktung und den Austausch von Saat- und Pflanzgut, aber auch die Produktion und Zulassung von Sorten.
Mecklenburg-Vorpommern als wichtiges Saatgut und Pflanzgut produzierendes Bundesland und als wichtige Region des ökologischen Landbaus muss sich für eine Saatgutregelung einsetzen, die allen Herstellern und Verwendern gerecht wird.
Selbst die ehemalige Bundesagrarministerin Aigner, sonst nicht als übermäßige Verfechterin einer ökologischen Landwirtschaft bekannt, wies angesichts des vorliegenden Entwurfs darauf hin, dass die Vorschriften des Saatgutrechts dem Erhalt der biologischen Vielfalt dienen müssen. Ein Zitat: „Aus deutscher Sicht ist es besonders wichtig, den bereits in den EU-Mitgliedsstaaten eingeführten vereinfachten Marktzugang für Saat- und Vermehrungsgut alter landwirtschaftlicher Sorten wie auch von Obst und Gemüse weiter zu entbürokratisieren.“ Zitatende.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Entwicklung der Sorten war ein Jahrtausende dauernder Prozess, an dem rund 300 Generationen beteiligt waren. Die Früchte dieser Kulturleistung der Menschen eignen sich Saatgutfirmen in der neueren Gegenwart immer mehr an. Lassen Sie uns der Tendenz entgegenwirken, der Tendenz,
durch Züchtungsmethoden wie der Hybridzüchtung, aber auch durch genetische Veränderung des Erbmaterials und durch Patentierung die Besitzansprüche an Sorten zu manifestieren! Unterstützern Sie unseren Antrag! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag anschaut, dann will ich vier Grundsätze schon mal an den Anfang stellen.