Protocol of the Session on October 11, 2013

Worum geht es jetzt im Vorschlag im Einzelnen? Die Kommission hat einen Verordnungsentwurf am 06.05.2013 im Zusammenhang mit einem Gesamtmaßnahmenpaket zur besseren Durchsetzung der Gesundheits- und der Sicherheitsstandards in der gesamten Lebensmittelkette angenommen. Und dazu ist das Thema Saat- und Pflanzgut auf EU-Ebene durch zwölf Richtlinien zurzeit geregelt, die im Übrigen zum Teil älter als 30 Jahre sind. Ich halte es schon für richtig, dass dieses jetzt mal zusammen- gefasst wird und damit auch den neuesten Erkenntnisständen angepasst wird.

Damit ist vorgesehen, dass diese Verordnung insgesamt für das Inverkehrbringen von Pflanzenvermehrungs- material zugrunde gelegt wird. Dazu sollen die bereits genannten zwölf Richtlinien zusammengefasst werden, in den Rang einer Verordnung gehoben und damit zu einem Gesetz für ganz Europa entwickelt werden. Das begrüße ich grundsätzlich. Der mit dem Verordnungsentwurf verfolgte Ansatz einer zusammengefassten und aktualisierten Regelung des gesamten Sektors ist prinzipiell zu begrüßen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es hätte schlimmer kommen können.)

Auch die Orientierung auf Nachhaltigkeit und die Beachtung der Besonderheit kleiner und kleinster Wirtschaftsteilnehmer sowie der Ausschluss bestimmter Bereiche von der Regelung ist aus meiner Sicht richtig. Eine Vereinheitlichung der für den europäischen Wirtschaftsraum geltenden Anforderungen an Vermehrungsmaterial sowie eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften mit dem Ziel der Abschaffung ungleicher nationaler Handelsvoraussetzungen und einer Sicherung ganz klar der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb von Europa kann ebenfalls nur befürwortet werden. Ich sage das ausdrücklich, weil hier zum Teil Schwarzhandel betrieben wird, der nicht zu verantworten ist.

Andererseits sieht es im Moment auch so aus, dass diese EU-einheitliche Verordnung nicht zum Abbau von Verwaltungsaufwand führen wird, sondern eher die Kosten ansteigen lässt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird damit auch zu höheren Kontroll- und Berichtspflichten zu kommen sein.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Das betrifft im Übrigen entgegen anderslautender Meinung nicht die Hobby- und Kleingärtner oder die Ökobauern. Das betrifft sie nicht.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft sie nicht. Hier setzt die Kommission in ihrem Vorschlag auf bürokratische Erleichterung und Kostensenkung. Auch das begrüße ich.

Das Saatgutrecht regelt das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut zu gewerblichen Zwecken. Der Private beziehungsweise die Gewinnung von Saatgut für den Eigenbedarf ist außen vor. Das heißt, genau das, was Sie kritisieren, kann in der Zukunft weiter gemacht werden. Und wir werden uns in Kürze dazu auch hier noch mal verständigen. Das heißt unter anderem, dass jeder Hobby- oder Kleingärtner,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

solange Saat- und Pflanzgut von seinen Lieblingssorten abgegeben wird, das tun darf. Und es geht darum, dass daraus kein Geschäft gemacht wird,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil dann Qualitätskriterien eingehalten werden müssen.

Mit dem Verordnungsvorschlag ist beabsichtigt, noch vorhandene bürokratische Hürden für die Vermarktung von Saatgut alter Sorten, sogenannter Erhaltungssorten, nicht weiter aufzubauen. Durch die Einschränkung von Testerfordernissen und die Vereinfachung von Registrierungsverfahren sollen gerade für die Liebhaber-, Nischen- und Hobbymärkte interessante Sorten leichter und kostengünstiger verfügbar gemacht werden. Zu diesen Sorten zählen unter anderem auch die für den ökologischen Bereich wichtigen alten, seltenen oder auch für den konventionellen Anbau weniger wichtigen Sorten.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Klein- und Kleinstunternehmen sollen durch die Gebührenbefreiung oder -herabsetzung begünstigt werden. Andererseits kann aus Wettbewerbs- und Transparenzgründen nicht vollständig auf Mindestanforderungen – das können Sie auch nicht verlangen – hinsichtlich Registrierung oder Kennzeichnung auf der Verpackung verzichtet werden. Ich halte das auch der Transparenz wegen für richtig, dass man das nachvollziehen kann.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Transparenz ist auch ganz wichtig, Herr Dr. Backhaus.)

Sie wollen das alles öffnen und dann haben wir nachher hier ein Problem, was auch die phytosanitären Fragen anbetrifft. Ich glaube, das können Sie gar nicht verantworten. Eine vollkommene Freigabe eines Teilmarktes für Ökosorten würde das ganze System komplett ad absurdum führen.

Nun ist – und deshalb ist es ja auch ein Entwurf – natürlich nicht alles gelungen, was in dem Vorschlag drinsteht. Es ist aus meiner Sicht nicht erkennbar, welchen Nutzen es hat, dass auch Saatgut von Zierpflanzen vollständig in diesen Regelungsbereich mit einzubeziehen ist, denn gerade der Zierpflanzensektor lebt von dem ständigen Wechsel und von der Vielfalt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zum Beispiel.)

Auch da können wir aufeinander zugehen. Die Kommission beabsichtigt, kleine Unternehmen von bestimmten Auflagen zu befreien. Das ist erst mal nicht schlecht. Aber warum – Sie haben es angedeutet –, warum ein Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten oder 10 Millionen Bilanzsumme oder Umsatz herangezogen werden soll, ist für mich nicht nachvollziehbar und nicht erkennbar.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele Regelungen sind aber richtig, auch die für den ökologischen Landbau. Auch im ökologischen Landbau werden Sorten angebaut, die eine Sorte letzten Endes damit untersetzt, wenn sie homogen, unterscheidbar beziehungsweise dann auch stabil und so weiter ist.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern ist es gerechtfertigt, dass eine Sorte, die für den Ökobereich vermehrt werden soll, keine anderen Anforderungen bekommt als anderes Saatgut. Hier brauchen wir klare Regelungen. Das hat nichts mit der weiteren Saat- und Pflanzguterzeugung zu tun. Die Saatguteigenschaften und die Sorteneigenschaften dürfen eben nicht vermischt werden. Wir müssen hier auch klare, nachvollziehbare Kriterien haben.

Übrigens vermehren auch in diesem Land 27 Betriebe auf knapp 1.700 Hektar – sehr erfolgreich im Übrigen, sehr erfolgreich – Ökosorten. Es geht also, meine Damen und Herren.

Der Verordnungsentwurf läuft auch nicht den Biodiversitätszielen entgegen. Vorauszuschicken ist, dass die Behauptung, alle Sorten, die für den konventionellen Anbau zugelassen sind, wären Hybridsorten, einfach nicht zutrifft.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: „Alle“ habe ich nicht gesagt.)

Und das nehmen Sie bitte zur Kenntnis.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie haben hier Zahlen genannt, aber die treffen so nicht zu.

Außerdem – ich betone das noch mal – sind Sorten geschütztes Eigentum, und zwar geistiges Eigentum. Der Antrag, die Landesregierung möge sich dafür einsetzen, dass jeder unbegrenzt sein Saatgut nachbauen kann, was bei den auch im konventionellen Anbau verbreiteten samenechten Sorten durchaus möglich wäre, kommt dem offenen Aufruf zum Diebstahl gleich.

(Michael Andrejewski, NPD: Oh, hui! Hui!)

Und da warne ich ausdrücklich davor, ausdrücklich davor. Wir haben hier mit dem Saatgutverband in Mecklenburg-Vorpommern eine klare Vereinbarung, gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung auch dieser Sortenreinheit und der Qualitätsparameter, dass wir zertifiziertes Saatgut anwenden wollen.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Verordnung wird jetzt auf allen Ebenen beraten, innerhalb der Mitgliedsstaaten, mit der Wirtschaft und den verschiedenen Gremien. Und dabei ist darauf zu achten, dass sich möglichst viele grundsätzliche Regelungen entweder schon in der Grundverordnung wiederfinden werden oder aber das Mitspracherecht in den Durchführungsverordnungen auch gesichert wird.

Dabei werden wir als Landesregierung natürlich auch die Interessen aller Erzeuger, insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen unseres Landes, vertreten.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nicht sachgerechte Begründung der Ablehnung des Verordnungsentwurfes ist dabei wenig unterstützend.

Insofern, glaube ich, habe ich deutlich gemacht, welchen Weg wir einschlagen werden. Wir wollen in den zusam

mengefassten vier Punkten, dass hochwertiges Saatgut in Mecklenburg-Vorpommern weiter erzeugt wird,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und das wollen wir auch.)

um damit auch die Qualitätsgrundlagen dieses Landes zu genießen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Dr. Backhaus.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im April 2013 gab es in der Öffentlichkeit und auch unter Landwirten vielfältig geäußerte Sorgen, die EU-Kommission würde durch ihren Regulierungsdrang die Agrobiodiversität einengen. Bürgerinnen und Bürger befürchteten, der Saatgutmarkt würde nach dem Geschmack der Agrokonzerne neu gestaltet werden.

Eine verständliche Sorge war, dass neue Zulassungshürden für alte Sorten – ich unterstreiche das noch einmal: alte Sorten – so hoch seien, dass diese vom Markt verdrängt werden. Und eine andere Befürchtung: Biologische Züchter/-innen und kleine Saatgutinitiativen könnten die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht auftreiben. Andererseits schwebte die Hypothese im Raum, der regulierende Arm Brüssels würde bis in die Kleingärten reichen und die nachbarschaftliche Weitergabe von Saatgut und Pflanzen verhindern.