Protocol of the Session on December 14, 2011

(Marc Reinhardt, CDU: Aber da waren Sie noch nicht Abgeordnete, ne?!)

Das heutige Problem der Altfehlbetragsumlage liegt jedoch nicht mehr bei unseren Argumenten gegen diese Regelung.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde der Stadt Parchim gegen Paragraf 25 Landkreisneuordnungsgesetz treten die Argumente und Begründungen für diese Regelung ins Rampenlicht beziehungsweise vor das Gericht. Und diese Argumente sind erschreckend schwindsüchtig.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Beratungen im Landtag selbst noch einmal vor Augen halten, dann

finden wir keine Argumente für die Altfehlbetragsumlage. Entsprechende Änderungsanträge meiner Fraktion sowohl im Innenausschuss als auch im Rahmen der Zweiten Lesung wurden ohne Kommentar abgelehnt.

(Torsten Renz, CDU: Wie wollen Sie denn das Problem lösen?)

Somit bleibt allein die Begründung im Gesetzentwurf der Landesregierung. Und genau an dieser Stelle wird sich dann auch das Landesverfassungsgericht verwundert die Augen reiben. In der Gesetzesbegründung, Landtagsdrucksache 5/2683, Seite 168, ist zu erfahren, dass „nur die Gemeinden“ von einer Altfehlbetrags- umlage „betroffen“ seien, „die in den bisherigen Kreisstrukturen in einem defizitären Altkreis durch die Fest- setzung einer nicht auskömmlichen Kreisumlage

finanzielle Vorteile hatten. Insofern gilt die Altfehlbetragsumlage als Nachholung der früher nicht erhobenen Kreisumlage.“

Meine Damen und Herren, mit dieser Begründung konstruieren Sie einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Kreisumlage und der Höhe der Altschulden beziehungsweise Fehlbeträge. Aber, Herr Innenminister, Sie haben diese Konstruktion nicht untersucht, nicht analysiert und auch nicht belegt. Und das Verfassungsgericht wird Ihnen diesen Konstruktionsfehler nachweisen.

Die Höhe der Kreisumlage steht eben nicht in direktem Zusammenhang zu der Höhe der Fehlbeträge. Nach den Altkreisen Uecker-Randow und Ostvorpommern weist der Altkreis Güstrow den mit Abstand höchsten Fehlbetrag auf. Gleichzeitig aber war doch wohl der Altkreis Güstrow für seine sehr hohe Kreisumlage bekannt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber doch nicht zu der Zeit. – Torsten Renz, CDU: Den Istzustand kennen wir doch. Wie lautet denn Ihre Lösung?)

Der Fehlbetrag ist also keineswegs das Ergebnis zu niedriger Kreisumlagesätze, wie in der Gesetzesbegründung behauptet wird.

Meine Damen und Herren, die 500er-Regelung im FAG ist in Greifswald bereits gescheitert.

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber wieder ein anderes Thema.)

Der Stadt-Umland-Umlage droht sehr wahrscheinlich das gleiche Schicksal.

(Heinz Müller, SPD: Na, schau’n wir mal! – Marc Reinhardt, CDU: Sind Sie das Orakel von Delphi? – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Stimmen Sie daher einer Beratung unseres Gesetzentwurfes zu und ermöglichen Sie somit, dass das Landkreisneuordnungsgesetz im Ergebnis ein wenig kommunalfreundlicher und rechtssicherer wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich danke Ihnen.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Das Wort hat jetzt Herr Müller von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Eine Aussage aus der Begründung des uns vorliegenden Antrags ist richtig: Die Altfehlbetragsumlage war, als wir das Landkreisneuordnungsgesetz im Innenausschuss diskutiert haben, durchaus umstritten. Allerdings, die mündliche Darstellung, die wir jetzt hier bekommen haben, trifft die Wirklichkeit nicht ganz. In dieser Darstellung fehlt zum Beispiel, dass es während der Diskussion des Innenausschusses durchaus Stimmen gab, ich möchte hier beispielhaft auf die Aussage des damaligen Landrates von Nordvorpommern und heutigen Landrats von NordvorpommernRügen verweisen, der gesagt hat, es war falsch, eine Fehlbetragsumlage lediglich als Sollbestimmung vorzusehen, sondern der verlangt hat, dass daraus eine Mussbestimmung wird.

Also, liebe Frau Rösler, und meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in der kommunalen Familie ist diese Regelung durchaus umstritten, aber bitte in beide Richtungen und nicht nur in der einen, in der Sie es dargestellt haben.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein schwieriges Thema und ein kontroverses Thema, ein Thema, bei dem wir letztlich im Innenausschuss und auch hier im Landtag eine Lösung gefunden haben, eine Lösung, die jetzt von der Stadt Parchim beklagt wird.

Dazu will ich gerne feststellen, dass es selbstverständlich legitim ist, dass eine kommunale Körperschaft gegen eine solche gesetzliche Regelung eine Klage erhebt. Ich denke auch, dass es der Respekt vor dem Verfassungsgericht gebietet, dass wir zunächst einmal abwarten, was das Verfassungsgericht denn entscheidet. Blicke in die Glaskugel, was denn in diesen oder in anderen Fällen wahrscheinlich oder ganz sicher, sobald einem das politisch so in den Kram passt, vom Verfassungsgericht entschieden werden wird, sollten wir uns vielleicht verkneifen, sondern sollten sagen: Wir warten einfach mal das Urteil des Verfassungsgerichtes ab.

Bei Klagen wie von der Stadt Parchim, diese Bemerkung kann ich mir allerdings dann doch nicht verkneifen, haben wir in der Vergangenheit allerdings schon erlebt – ich denke an die Klage zum Thema Kindertagesfördergesetz –, dass die Klagen der Stadt Parchim nicht immer so argumentativ untersetzt sind, dass das Verfassungsgericht ihnen folgen kann. Da haben wir schon Urteile gehabt, die da sehr, sehr anders aussahen.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Gesetz ist beschlossen worden. Das Gesetz wird beklagt. Warten wir ab. Das wäre eigentlich ein vernünftiges Verfahren. Es gibt aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund, jetzt einen Vorschlag zu machen, dieses Gesetz zu ändern. Denn was machen Sie, liebe Frau Rösler, wenn das Gericht sagt, diese Regelung ist in Ordnung?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Dann kann man es immer noch ändern.)

Dann haben wir politisch etwas entschieden, was wir hier mehrheitlich für richtig hielten. Dieses hat vor dem Verfassungsgericht Bestand und damit haben wir eine völlig korrekte Lösung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Auch das ist Glaskugel.)

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, einen Grund für eine Gesetzesänderung gibt es nicht

(Helmut Holter, DIE LINKE: Doch. – Peter Ritter, DIE LINKE: Unser Gesetzentwurf ist der Grund.)

und deswegen werden wir hier – und da spreche ich für die Koalition – Ihren Gesetzentwurf auch ablehnen, wir werden ihn auch nicht in die Ausschüsse überweisen, sondern wir werden ihm die Antwort geben, die er verdient: Wir haben dieses Thema in den Ausschüssen längst diskutiert und wir werden deshalb den Entwurf ablehnen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Machen wir einen Antrag, ist es falsch. Machen wir einen Gesetzentwurf, ist es falsch. Jetzt sagen Sie doch mal, was wir machen sollen.)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was mich dann doch ein wenig betroffen macht, ist die Sache selbst, denn wir alle kennen die Situation. Wir vereinen durch Gesetz zwei oder mehrere kommunale Körperschaften, von denen die einen einen Fehlbetrag mitbringen und die anderen keinen Fehlbetrag mitbringen. Und wir treffen hier eine Regelung, die sagt, die, die aus dem Kreis kommen, der einen Fehlbetrag mitbringt, die sollen zu einer Sonderumlage herangezogen werden. Und da sagen uns die Freunde von den LINKEN: Na das streichen wir mal einfach.

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, taucht doch sofort die Frage auf: Und was machen wir mit dem Fehlbetrag? Wer trägt denn dann die Schulden?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Herr Müller!)

Dann sagt uns Frau Rösler: Ja, da wollen wir keine Animositäten zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften aufkommen lassen. Das heißt doch, wir behandeln alle gleich. Das heißt, die Gemeinden, die aus dem Kreis kommen, der keine Altfehlbeträge mitbringt, die sollen das mitbezahlen. Ja, glauben Sie denn ernsthaft, dass nicht gerade das zu Animositäten führt,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist aber nicht unsere Argumentation, Herr Müller, das wissen Sie genau.)

wenn Gemeinden für Schulden aufkommen sollen, die sie überhaupt nicht gemacht haben? Ich glaube, diese Lösung ist keine, die den Frieden auf der kommunalen Ebene stärkt. Das ist keine Lösung, die gangbar ist, das einfach dem gesamten Kreis aufzubürden.

Als ich das gesehen habe, habe ich mir dann gedacht, na, da werden die LINKEN ja wieder mal mit dem Üblichen kommen: Das Land soll doch einfach die Schulden übernehmen. Aber, Wunder über Wunder, man schaue sich den Entwurf genau an, da steht im Vorblatt, dem

Land entstehen keine Kosten. Das heißt, das Land wird auch nicht die Körperschaft sein, die diese Fehlbeträge, diese Schulden übernimmt.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Dann frage ich Sie allerdings, liebe Frau Rösler und liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN: Wo gehen wir denn dann mit den Schulden hin? Wir können doch nicht dadurch, dass wir sagen, die möchten wir nicht bezahlen, diese aus der Welt schaffen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber vielleicht klappts ja.)

Sie sind ja da und irgendwer muss sie tragen. Aber das ist vielleicht grundsätzlich das Problem der Fraktion der LINKEN bei ihrem Umgang mit Geld. Man macht erst mal Schulden und sagt: Och, wie das mit der Rückzahlung ist, das schauen wir dann mal, das wird sich schon irgendwie regeln.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist doch Ihrer unwürdig. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Herr Müller redet und schwarze Wolken ziehen auf. Das ist das Bild hier.)

denn wir brauchen eine sehr klare Regelung, wie denn diese Altfehlbeträge tatsächlich abgebaut und letztlich bezahlt werden sollen. Diese Regelung bleiben Sie uns schuldig. Und ganz nebenbei: In jeder ordnungsgemäß agierenden Gemeindevertretung wäre ein solcher Antrag damit gar nicht zulässig, denn auf der kommunalen Ebene haben wir eine Regelung, dass, wenn Mehrkosten entstehen, auch gesagt werden muss, wer die denn deckt.