Protocol of the Session on September 6, 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Wir wollen beginnen.

Also soweit mir bekannt ist, ist durchgesagt worden, dass wir 9.15 Uhr die Sitzung beginnen. Das ist einfach nicht hinnehmbar, dass die Kolleginnen und Kollegen dann selbst bei dieser Verspätung nicht pünktlich die Plätze einnehmen. Ich bitte noch mal, darauf hinzuwirken, dass das zukünftig besser klappt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 49. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – Familiennachzug von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen ermöglichen, auf Drucksache 6/2136. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksache 6/2177 vor.

Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Familiennachzug von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen ermöglichen – Drucksache 6/2136 –

Änderungsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – Drucksache 6/2177 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte, Frau Vizepräsidentin.

Danke, Frau Präsidentin, und guten Morgen! Und guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilder aus Syrien, die uns derzeit erreichen, sind schwer zu ertragen. Zahlreiche Männer, Frauen und Kinder wurden in der Nacht vom 20. auf den 21. August Opfer eines militärischen Angriffs auf die Region bei Damaskus. Sie starben ohne äußerliche Verletzungen. Nach Angaben des UN-Sonder- beauftragten und der Arabischen Liga in Syrien Lakhdar Brahimi spricht einiges für einen gezielten Giftgaseinsatz. Die Indizien dafür, dass dieser von Regierungseinheiten begangen wurde, sind erdrückend, aber noch nicht abschließend geklärt. Untersuchungen durch die UN entsandte Inspektoren sind noch nicht abgeschlossen.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat in der letzten Ausgabe Augenzeugenberichte aus Samalka, einer von dem Angriff betroffenen Kleinstadt im Nordosten von Damaskus, abgedruckt. Ein 25 Jahre alter Programmierer berichtet, ich zitiere: „In Gruppen zu dritt oder viert sind wir durch die Straßen und haben alle Türen aufgebrochen. Ich habe viele Tote gesehen in dieser Nacht. Aber in einem Haus war es besonders schlimm. Ich habe die Tür eingetreten, ich bin rein, es war alles dunkel. Es gibt bei uns schon lange keinen Strom mehr. Ich leuchtete mit einer Taschenlampe. Es war da drinnen ganz still. Im Schlafzimmer in der ersten Etage lagen eine Frau und ein

Mann im Bett, tot. Neben dem Bett stand ein Gitterbett mit einem Kleinkind, tot.“ Zitatende.

Ein 55 Jahre alter Schneider erzählt, ich zitiere nochmals: „Wir sind von hier weg. Alle sind weg. Samalka ist jetzt leer. … Heute war ich noch einmal in unserer alten Wohnung. Vor dem Haus steht ein großer Baum. Unter ihm liegen viele Vögel. Ich habe 51 tote Vögel gezählt.“ Zitatende.

Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges vor gut zwei Jahren hat dieser mehr als 100.000 Menschen das Leben gekostet. Mehr als 4 Millionen Menschen sind nach Angaben des UNHCR innerhalb Syriens auf der Flucht. Nahezu jede zweite Person ist von den Kriegsfolgen direkt oder indirekt betroffen. Etwa 2 Millionen Syrerinnen und Syrer haben das Land bereits verlassen und suchen Zuflucht in Jordanien, im Libanon, in der Türkei, dem Irak oder in Armenien. Ein Großteil der Flüchtlinge lebt unter extrem schwierigen Bedingungen in provisorischen Zeltlagern oder in Massenquartieren und ist dringend auf Unterstützung angewiesen.

Sehr geehrte Damen und Herren, angesichts der Eskalation der Gewalt in Syrien und der ständig steigenden Zahl der Flüchtlinge in Nachbarstaaten muss Deutschland nicht nur weitere finanzielle Hilfen für die Anrainerstaaten bereitstellen, Deutschland muss auch syrische Flüchtlinge aufnehmen. Dass sich Bund und Länder dazu bereit erklärt haben, 5.000 besonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge aus dem Libanon aufzunehmen, ist ein wichtiges und richtiges Signal. Angesichts des Ausmaßes der humanitären Katastrophe in Syrien kann und sollte dies meiner Ansicht nach nur ein Anfang gewesen sein.

(Michael Andrejewski, NPD: 500.000.)

5.000 Syrerinnen und Syrer verlassen nach Angaben des UNHCR derzeit täglich ihre Heimat und suchen in den Nachbarländern Schutz.

(Stefan Köster, NPD: Wie viele nehmen Sie denn bei sich zu Hause auf?)

Derzeit leben in der Bundesrepublik Deutschland etwa 40.000 Syrerinnen und Syrer beziehungsweise syrischstämmige Deutsche, die ihre Angehörigen aus Jordanien …

Einen Moment mal, Frau Gajek.

Herr Köster,

(Stefan Köster, NPD: Ich habe nur eine Frage gestellt.)

ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich zu diesem sehr ernsten Thema nicht zulassen werde, dass Sie hier wieder mit Ihren populistischen und menschenverachtenden Parolen hantieren.

(Stefan Köster, NPD: Das sind meine Abgeordnetenrechte.)

Also reißen Sie sich zusammen!

(Stefan Köster, NPD: Die lasse ich mir nicht nehmen.)

Es reicht jetzt. Schluss! Aus!

(Stefan Köster, NPD: Ich rede das, was ich meine, für richtig zu halten.)

Sie erhalten einen Ordnungsruf von mir jetzt dafür.

(Udo Pastörs, NPD: Machen Sie das!)

Sie erhalten jetzt einen Ordnungsruf von mir dafür.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Machen Sie das! Das hat er verdient, Frau Präsidentin! – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Bitte schön, Frau Gajek.

Danke.

(Udo Pastörs, NPD: Wie eine wild gewordene Furie heute Morgen.)

Derzeit leben in der Bundesrepublik Deutschland etwa 40.000 Syrerinnen und Syrer beziehungsweise syrischstämmige Deutsche, die ihre Angehörigen aus Jordanien, aus dem Libanon oder der Türkei nach Deutschland holen könnten. Bislang ist dies aber nur in extremen Ausnahmefällen vom Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt gestattet worden.

Nach Paragraf 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes kann die oberste Landesbehörde „aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen … anordnen, dass“ Ausländerinnen und „Ausländern aus bestimmten Staaten … eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird.“ Sie muss es aber nicht. „Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf diese Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern.“

Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung mit Beschluss vom 25. Juni 2013 einstimmig dazu aufgefordert, den Bundesländern, die dies wünschen, das nach Paragraf 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Einverständnis zu erteilen. Notwendig ist das, damit diese Länder gegebenenfalls eigene Aufnahmeanordnungen für Familienangehörige von Syrerinnen und Syrern erlassen können. Zeitgleich hat das Bundesinnenministerium sich bereit erklärt, das Einvernehmen im Sinne des Paragrafen 23 Absatz 1 zu erteilen. Das war ein großer Fortschritt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Noch im August haben Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und unlängst Schleswig-Hol- stein eigene Aufnahmeanordnungen erlassen und sich vom BMI genehmigen lassen. Diesen Aufnahmeanordnungen zufolge wird syrischen Staatsangehörigen, die infolge des Bürgerkrieges aus ihrem Wohnort fliehen mussten und sich in einem Anrainerstaat Syriens oder noch in Syrien aufhalten und die eine Einreise zu ihren in Deutschland lebenden Verwandten beantragen, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Dass sich diese Woche nun auch die Landesregierung dazu durchgerungen hat, eine gleichlautende Aufnahmeanordnung zu erlassen, ist zunächst einmal zu begrüßen, denn die Hilfeersuchen verzweifelter in Deutschland le

bender syrischer Staatsangehöriger, die keine Möglichkeit haben, Verwandte zu sich zu holen, reißen ja nicht ab.

Grund hierfür sind die strengen Vorgaben beim Familiennachzug, die eine Nachreise nur für die sogenannte Kernfamilie vorsehen, also Ehegatten und minderjährige Kinder anerkannter Flüchtlinge und Asylberechtigter. Der Nachzug weiterer Verwandter wie erwachsener Kinder, Geschwister oder Eltern zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigen ist unabhängig von deren Status nahezu ausgeschlossen. Auch deutschen Staatsangehörigen syrischer Abstammung gelang es bisher kaum, Verwandte nach Deutschland zu holen, selbst wenn die Finanzierung des Aufenthalts gesichert war.

In Deutschland lebende syrische Staatsangehörige und deutsche Staatsangehörige syrischer Abstammung dürfen nun also ihre Angehörigen zu sich holen, vorausgesetzt, sie können es sich leisten.

(Stefan Köster, NPD: Das ist doch in Ordnung.)

Nach den Aufnahmeanordnungen der Länder setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass eine Verpflichtungserklärung nach Paragraf 68 des Aufenthaltsgesetzes abgegeben wurde. Das heißt, die hier lebenden syrischen Staatsangehörigen und deutschen Staatsangehörigen syrischer Abstammung müssen sich dazu verpflichten, die Kosten für den Lebensunterhalt ihrer Familienangehörigen zu tragen.

(Michael Andrejewski, NPD: Wie schrecklich!)

Nach der Einschätzung des Flüchtlingsrates von Mecklenburg-Vorpommern werden nur wenige der hier lebenden syrischen Staatsangehörigen und deutschen Staatsangehörigen syrischer Abstammung solche Verpflichtungen eingehen können. Ob wir syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen Schutz gewähren, darf nicht vom Geldbeutel ihrer hier lebenden Angehörigen abhängig gemacht werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rainer Albrecht, SPD – Udo Pastörs, NPD: Dann bezahlen Sie mal! Rücken Sie mal was raus! Machen Sie mal was locker!)

Daher fordern die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung dazu auf, syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, unabhängig davon, ob für sie eine Verpflichtungserklärung nach Paragraf 68 des Aufenthaltsgesetzes abgegeben wurde oder nicht.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Schweden hat es unlängst vorgemacht und allen syrischen Flüchtlingen eine permanente Aufenthaltserlaubnis angeboten. Lassen Sie uns diesem guten Beispiel folgen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Stefan Köster, NPD: Sie müssen es ja auch nicht bezahlen.)

Übrigens haben die schwedischen Kommunen den Beschluss ihrer Landesregierung begrüßt. Die Sicherheit, dass die nach Schweden geflohenen Syrerinnen und