Die jüngste, zunächst theoretische Verbesserung für die Sauen trat in dieser Hinsicht mit der Neufassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Jahr 2006 ein. Die darin enthaltene Regelung, die Sauen ab vier Wochen nach dem Decken bis eine Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin in der Gruppe zu halten, musste auf Grundlage der EU-Richtlinien aus dem Jahr 2001 bis 2012 zwingend von allen Betrieben umgesetzt werden. Die Tiere dürfen nun also, bevor sie in den engen Abferkelkorb müssen, etwas mehr Platz in Anspruch nehmen. Im Gegensatz zu den sonstigen 0,75 Quadratmetern pro Tier müssen nun in Abhängigkeit zur Gruppengröße den Sauen um die 2 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Das ist aus Tierschutzsicht noch lange nicht ausreichend, jedoch ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Obwohl die Schweinehalter zwölf Jahre Zeit hatten, um sich auf diese neue Regelung einzustellen, haben viele Betriebe, so auch hier in Mecklenburg-Vorpommern, nicht rechtzeitig die baulichen Voraussetzungen für die Gruppenhaltung der Schweine, der Sauen geschaffen. Nur 66 von 96 Betrieben haben vorschriftsmäßig umgestellt. In der Presse geben die Säumigen den Behörden die Schuld. Das alles klingt allerdings wenig glaubhaft, wenn wir die zwölf Jahre betrachten, die die hiesigen Schweinehaltungsbetriebe für die Umstellung Zeit hatten. Und darunter waren fette Jahre, in denen sich die Betriebe etwas auf die hohe Kante hätten legen können.
Schweinehaltungsbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern gehören zu den größten und damit produktivsten Betrieben in Deutschland, müssten demnach entsprechende Investitionsreserven besitzen. Ende 2012 hielten sie in Mecklenburg-Vorpommern 864.000 Schweine. Das war ein Zuwachs von 5,4 Prozent gegenüber 2011. 152 von 201 Schweine haltenden Betrieben halten 1.000 und mehr Tiere.
Mit unserem Antrag appellieren wir an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, den dringend notwendigen Kurs
wechsel in der Nutztierhaltung zu unterstützen. Mit der Bundesratsinitiative aus dem Bundesland NordrheinWestfalen sollen Schweine in der Nutztierhaltung – und nicht nur trächtige Sauen, sondern alle Nutzschweine – 30 Prozent mehr Platz bekommen.
Das bedeutet für ein Schwein mit 50 bis 110 Kilogramm Gewicht statt bisher 0,75 Quadratmeter künftig 0,9 Quadratmeter. Das ist nicht viel mehr, aber doch eben mehr Platz für die Tiere. Wir verstehen solche Schritte als wichtige Etappen hin zu einer Tierhaltung, die sich später wahrlich tiergerecht nennen darf, denn dort sind wir noch lange nicht. Und insofern ist dieser Vorschlag schon ein Kompromiss im Vergleich zu den Forderungen, die eigentlich zu stellen wären, wenn es um ein Dasein der Tiere ohne Leiden und Schmerzen gehen würde. Es ist ein Kompromiss, der bereits berücksichtigt, dass die Landwirtschaftsbetriebe solche Anpassungen Schritt für Schritt machen müssen.
Neben der bereits erwähnten Verbesserung des Raumangebots geht es Ministerpräsidentin Kraft und Agrar- minister Remmel in Nordrhein-Westfalen mit dem Verordnungsentwurf um die Verbesserung der Tiergesundheit. Schweine benötigen rohfaserreiches Futter zur Gesunderhaltung des Magen-Darm-Traktes. Jedes Lebewesen ist, was es frisst. Diese alte Weisheit gilt auch für unsere Nutztiere. Deshalb sollen die Tiere bereits vom achten Lebenstag Futter mit mindestens fünf Prozent Rohfaseranteil, zum Beispiel Heu, Stroh oder Grassilage bekommen. Dies bietet diverse Vorteile gegenüber der herkömmlichen Fütterungsweise. Teure Kraftfuttermittel können eingespart werden, was insbesondere bei hohen Futterkosten von Bedeutung ist.
Überdies kann man bei Masttieren in der Endmast eine Verfettung der Tiere vermeiden, indem man gezielt das Kraftfutter reduziert und gleichzeitig Raufutter raufsetzt.
Die Tiere sind beschäftigt und satt und es kommt deshalb nicht zu aggressivem Verhalten gegenüber den Artgenossen. Raufutter dient gleichzeitig als Beschäftigungsmaterial für die intelligenten Tiere. Eine Normierung des Raufutteranteils ist deshalb so notwendig, weil bei Futtermitteluntersuchungen immer wieder Unterschreitungen des Mindestgehalts von fünf Prozent Rohfasern festgestellt wurde.
Weitere Verbesserungen für die Tiere ergeben sich mit dem Verordnungsentwurf aus Nordrhein-Westfalen durch eine längere Säugezeit bei den Ferkeln zur Verbesserung des Sozialverhaltens und auch zur Verbesserung des Immunsystems. Das ist ganz wichtig. Und stimmt die Tiergesundheit, sehr geehrte Damen und Herren, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen, brauchen wir insgesamt weniger Antibiotika.
Alles in allem schlägt der Verordnungsentwurf also ein sinnvolles Paket von Verbesserungen für die Tiere vor, das – und auch das wird mit dem Verordnungsentwurf ehrlich gesagt – zu einer Kostensteigerung in der Schweinehaltung um 10 Euro pro Mastschwein führen kann, allerdings nicht muss.
Da bräuchten wir, zumindest in der Übergangsphase, eine entsprechende finanzielle Förderung. Das kann beispielsweise aus dem Agrarinvestitionsförderungs-
programm erfolgen. Sollte sich der Entwurf für eine neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung von SPD und GRÜNEN aus Nordrhein-Westfalen mit 30 Prozent mehr Platz für alle Nutztierschweine auch mit Ihrer Hilfe durchsetzen, müssten die Förderbedingungen des AFPs entsprechend angepasst werden.
Wir dürfen, meine Damen und Herren, den Tierschutz nicht nach Kassenlage betreiben. Fakt ist doch, dass wir aus dem ruinösen Wettbewerb im Bereich der Schweinehaltung „Höher, schneller, weiter“ rausmüssen, denn die Tiere, die Umwelt, die Landwirte und letztendlich auch wir werden es dem danken. Was wir auch tun, das Wohl der Tiere muss ein ethisches Grundprinzip haben. Auch Tiere besitzen eine Würde, die wir nicht mit Füßen treten dürfen.
Lassen Sie mich am Ende meiner Einbringung einen der bedeutendsten … Das kann ich jetzt leider nicht mehr sagen. – Dann bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jawohl, „seit ich die Menschen kenne“, ich darf Schopenhauer zitieren, „liebe ich die Tiere“. Wenn alle Menschen so handeln würden, dann würden wir heute über das Thema nicht reden.
Und ich glaube, sehr geehrte Frau Gerkan, Sie werden mir das abnehmen. Im Übrigen weise ich ausdrücklich darauf hin, auch hier vor der Öffentlichkeit, ich hatte Sie eingeladen in einen Schweine haltenden Betrieb, in einen Familienbetrieb.
Natürlich, das war ja auch meine Einladung. Sie haben sie dankenswerterweise sogar angenommen. Und als wir dann im Wohnzimmer saßen, da haben Sie sich ja sehr lobend auch über diesen größeren Betrieb ausgesprochen. Im Übrigen, wenn ich da hinten den einen oder anderen Landwirt sehe und vor allen Dingen junge Menschen, die vielleicht darüber nachdenken, in der Zukunft in der Landwirtschaft tätig zu werden, zeichnen Sie heute hier wieder ein Bild, so nach dem Motto, wir hätten katastrophale Zustände. Die haben wir nicht.
Und dann will ich eines auch vorausschicken – ich werde auch in sachlicher Art auf das Thema eingehen –: Ich
glaube, dass der Tierschutz in Deutschland diesen hohen Stellenwert hat, darauf können wir stolz sein. Im Übrigen haben wir dafür gesorgt, als Sozialdemokraten, das sage ich ganz, ganz deutlich und bewusst, dass wir es geschafft haben, dass der Tierschutz im Grundgesetz heute steht und auch in der Landesverfassung.
Ich werde es Ihnen nachher geben, ich werde Ihnen das geben nachher. Und darüber sollten Sie sich informieren.
Sie haben zum Glück wenigstens den Paragrafen 1 des Deutschen Tierschutzgesetzes angesprochen. Ich habe es auch extra als Lektüre mitgebracht. Aber der Paragraf 1 sagt ja noch deutlich mehr.
Und im Übrigen weise ich darauf hin, am Eingang meiner Rede, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnungen aus der Hand von Frau Künast stammen. Es ist leider so, dass innerhalb der CDU…
…-FDP-Koalition tatsächlich in den letzten Jahren in dem Bereich praktisch nichts passiert ist. Ich bedauere das, aber, auch das ist mir wichtig, wir leben hier nicht auf dem Stern der Glückseligen. Wir haben in Deutschland, und darauf bin ich auch, …
(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es wird aber viel geändert, wenn wir grüne Landwirtschaftsminister haben.)
… ich bin sehr stolz darauf, dass wir in Deutschland im Vergleich zu allen anderen Nationen dieser Erde die höchsten Tierschutzstandards haben, die es auf dieser Welt gibt. Die gelten und die werden in der Regel, und das ist hier auch mein Appell, mein ganz klarer Appell, die werden in Deutschland hoffentlich überall eingehalten. Wer sich daran nicht hält, wer sich an diese Standards nicht hält, wer sich an das Tierschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht hält, der hat in Mecklenburg-Vorpommern nichts zu suchen. Ich sage das in aller Klarheit.
Und deswegen ist für mich, auch als jemand, der in der Landwirtschaft groß geworden ist, in der Landwirtschaft praktisch gearbeitet hat und auch wissenschaftlich gearbeitet hat, eines vollkommen klar: Für mich ist der Tierschutz ein ganz entscheidendes Thema. Das zieht sich im Übrigen auch durch meine persönliche Entwicklung wie ein roter Faden hindurch, ich betone: wie ein roter Faden, nicht wie ein grüner. Ich freue mich über jeden Vorschlag, der in einer sachlichen Form sich mit diesem Thema auseinandersetzt und der sich für die Verbesserung des Tierschutzes in der Tierhaltung einsetzt. Und die Tierhaltung ist im Übrigen auch das, was in dem Bereich der Haustiere passiert, auch das gehört dazu.
Ich nehme zur Kenntnis, dass die Tierschutzverbände, insbesondere der Deutsche Tierschutzbund, eine sehr, sehr gute Arbeit leisten, aber ich sage hier an dieser Stelle auch ausdrücklich an alle diejenigen, die sich dem Tierschutz und dem Tierwohl verpflichtet fühlen, dass, wenn es Hinweise gibt auf Missstände, dass diese unverzüglich zu melden sind. Ich werde prüfen im Zusammenhang mit den neuen Anwürfen, die es hier in Mecklenburg-Vorpommern gegeben haben soll, ob wir Strafanzeige stellen müssen, weil uns die Daten einfach nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Wir hatten keine Kenntnis,
wir hatten keine Kenntnis. Das sind ja Ihre Vorfeldorganisationen zum Teil, das wissen wir natürlich auch, Frau Dr. Karlowski.
Und wenn Sie dazu beitragen, dass der Tierschutz hier mit Füßen getreten wird und wir nicht die entsprechende Information bekommen,
Daher ist auch ganz klar nichts gegen den Antrag zu sagen. Es spricht auch nichts dagegen, die Landesregierung zu entsprechenden Bundesratsinitiativen aufzurufen, aber nötig ist das nicht. Wer die Ziffern 136 und 137 der Koalitionsvereinbarung gelesen hat, der wird wissen, dass die Landesregierung bereits selbst aufgegeben hat, noch weitere Maßnahmen zum Erhalt und zum Ausbau der Tierschutzvorgaben zu verbessern und über den Bundesrat auch darauf hinzuwirken, dass eine tierartgerechtere Haltung für alle landwirtschaftlichen Nutztiere umfassend gewährleistet wird.
Im Übrigen weise ich darauf hin, ich habe das hier in einer Debatte schon mal gesagt, leider war es im letzten Jahr nicht möglich, dass die GRÜNEN unseren Antrag mit unterstützt haben, sonst wären wir bei der Baugesetzbuchproblematik schon ein ganzes Ende weiter gewesen und bei den Tierschutz-Nutztierhaltungsverord- nungen. Das ist ja nicht nur eine, sondern es sind verschiedene Tierarten. Sie konzentrieren sich leider jetzt nur auf eine Tierart, nämlich auf das Schwein. Wir müssen uns auf die gesamten Nutztiere in Deutschland konzentrieren, wenn wir denn wirklich etwas erreichen wollen. Deswegen ist das für mich wirklich nicht unbedingt das, was ich mir wünsche.