Protocol of the Session on September 5, 2013

Natürlich hat die Justizministerin recht, wenn sie sagt, dass die Gerichtsbarkeit nicht der Entwicklung des ländlichen Raumes dient. Das steht nirgendwo, weder im Grundgesetz noch im Gerichtsverfassungsgesetz. Sie dient natürlich der Rechtspflege, allerdings dient auch ein Krankenhaus nicht der Entwicklung des ländlichen Raumes, sondern es dient der Gesundheitspflege. Aber es sind doch wesentliche Versorgungsinstitute und Institutionen, die unverzichtbar sind für ein Mittelzentrum. Es sind wesentliche Dienstleistungen, derer man bedarf. Dass Anklam keine Berufsschule mehr hat und Ueckermünde lange Zeit keinen Kinderarzt hatte, könnte man schon als Anzeichen der Erosion dieser Mittelzentren betrachten.

Mecklenburg-Vorpommern hat 18 Mittelzentren, darunter all die Städte, die ihre Gerichte jetzt verlieren sollen, und man müsste doch aus raumplanerischen Gesichtspunkten überlegen, wenn ich einer Stadt das Gericht wegnehme, dann muss ich mir doch anschauen, wie steht es eigentlich um die anderen Elemente der Versorgung, die so ein Mittelzentrum haben muss, wenn da vielleicht schon keine Berufsschule mehr ist und wenn da auch die Fachärzte schon abziehen, kein Augenarzt mehr ist oder die Ärzte krass überaltert sind, sodass ich damit rechnen muss, dass es bald auch nicht mehr vorgehalten wird, und das Kino dichtgemacht hat und was weiß ich noch alles. Und wenn ich dann noch das Gericht dichtmache, könnte es nicht sein, dass ich dann diese Stadt soweit runtergefahren habe, dass sie kein Mittelzentrum mehr ist? Sollte man nicht vielleicht ein paar Raumplaner befragen, was sie von der ganzen Sache halten und wie weit das überhaupt in die Raumordnung passt?

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Bisher ist keiner auf den Gedanken gekommen, bevor dieser Bürgermeister diesen Gesichtspunkt erwähnt hat. Und es wäre vielleicht anzuraten, dass man nicht nur Richter, Anwälte und Bürgermeister hört, sondern auch Raumplaner, denn wenn die Gerichtsstrukturreform dazu führt, dass die ganze Raumplanung obsolet ist und Mittelzentren keine mehr sind, sondern nur dem Namen nach, ist der Preis vielleicht ein wenig zu hoch.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bor- chardt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will einige Argumente beziehungsweise Anschuldigungen, die hier in der Debatte uns gegenüber beziehungsweise auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgemacht worden sind, nicht so im Raum stehen lassen.

Frau Ministerin, wir sind uns ja darüber einig, dass wir im Land Mecklenburg-Vorpommern zukunftsfähige Strukturen auch in der Justiz brauchen. Das ist unbestritten. Die Frage ist nur, ob der Ansatz, den Sie haben mit der Begründung, die Sie auch darstellen, der richtige ist. Woran macht man – und das ist der Punkt – denn die Zukunftsfähigkeit der Struktur den Anforderungen entsprechend geltend?

Wir haben Ihnen auch nicht gesagt, dass es eine Expertenkommission geben soll, die eine Reform schon diskutieren soll, sondern der Anspruch war, mit Experten herauszuarbeiten, ob es denn überhaupt einen Reformbedarf gibt, und zwar anhand von Analysen, tatsächlichen Kriterien, und diesen Reformbedarf dann herausarbeitet und dementsprechend mit einer Gesetzesinitiative einbringt. Aber solange dieser Reformbedarf nicht dargestellt wird und nicht nachvollziehbar ist für alle Sachverständigen, die da waren, oder fast alle, frage ich mich, wie Sie denn und Ihre Widersprüchlichkeiten bei diesem Reformbedarf bestehen.

Und auch das habe ich vorhin gesagt: Wir sind zwar aufgeschlossen gegenüber einer Reform, aber nicht gegenüber dieser. Und auch das ist in der Anhörung ganz, ganz deutlich geworden. Wie gesagt, falscher Ansatz, man kann die demografische Entwicklung nicht als Begründung dafür nehmen, dass wir weniger Amtsgerichte brauchen. Man kann nicht Bürgernähe in den Mittelpunkt stellen und sagen, mit dieser Reform, die Sie auf den Weg bringen wollen, haben wir mehr Bürgernähe, weil dann eine bessere Qualität in der Justiz gewährleistet wird. Damit sagen Sie im Umkehrschluss, dass in den kleineren Gerichten eine schlechtere Urteilssprechung erfolgt. Das ist einfach nicht so.

Wenn man sich das dann noch ganz genau anguckt, und auch das haben Sie vorhin noch mal gesagt, ist es natürlich so, dass wir Schwierigkeiten bekommen, wenn die Amtsgerichte zu klein sind.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Das ist deutlich geworden. Aber auch die kleinen Amtsgerichte mit vier Richtern, mit vier Amtsrichtern, haben dargestellt, dass sie zurzeit ihre Arbeit sehr, sehr gut machen können. Und wenn man sich die Verfahrensdauer anguckt, dann ist ja genau bei den kleinen Amtsgerichten die Verfahrensdauer geringer als bei den großen Amtsgerichten.

Und, Herr Müller, Sie haben bei der Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt, die IHK wäre sehr dafür. Ich habe bei der IHK nachgefragt während der Anhörung. Die IHK hat ganz …

(Heinz Müller, SPD: Wir haben eine schriftliche Stellungnahme.)

Die schriftliche Stellungnahme ist ja jetzt auch noch mal gekommen.

Bei der Anhörung hat die IHK ganz deutlich gesagt, sie haben eigentlich mit den kleinen Amtsgerichten überhaupt keine Probleme.

(Heinz Müller, SPD: Natürlich.)

Probleme haben sie mit den großen Amtsgerichten.

(Heinz Müller, SPD: Nein.)

Da ist die Verfahrensdauer sehr schwierig, nämlich mit den Landgerichten.

(Heinz Müller, SPD: Nein.)

Lesen Sie doch bitte die Anhörungsprotokolle, denn das ist in der Anhörung oder in Ihrer Rede jetzt hier auch noch mal ganz deutlich geworden.

Herr Müller, das, was Sie hier gemacht haben, ist einfach schwarze Rhetorik. Sie stellen hier etwas in den Raum, greifen uns an, man kann auch sagen, es ist demagogisch, was Sie hier machen. Sie werfen uns vor, dass wir einen Gesetzentwurf ordnungsgemäß überweisen.

(Heinz Müller, SPD: Nö.)

Das ist der Anspruch, den diese Fraktion, unsere Fraktion immer an ein …

(Heinz Müller, SPD: Das habe ich Ihnen doch nicht vorgeworfen. Dann hätten Sie mir mal zuhören sollen.)

Nun bleiben Sie mal ganz locker

(Heinz Müller, SPD: Ich bin ganz locker. Ich bin ganz locker.)

und folgen Sie mal meiner Argumentation, ich bin ja Ihrer auch gefolgt.

Sie werfen uns vor, dass wir das parlamentarische Verfahren mit unserem Antrag nun mit einem Mal unterbrechen wollen.

(Heinz Müller, SPD: Genau.)

Das sehen Sie als undemokratisch.

(Heinz Müller, SPD: Ach!)

(Heinz Müller, SPD: Das ist nicht in Ordnung.)

Das haben Sie gesagt, undemokratisch.

(Torsten Renz, CDU: Halten Sie sich doch damit nicht weiter auf!)

Nun sage ich Ihnen, wir haben bereits im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass die Kriterien nicht vernünftig sind. Wir haben im vergangen Jahr den Antrag gestellt, eine Expertenkommission einzusetzen – alles

von Ihnen abgebügelt. Wir haben in der Antragseinbringung darauf hingewiesen, welche Probleme es gibt mit diesem Gesetzentwurf, und wir haben gesagt, ja, Überweisung in den Europa- und Rechtsausschuss. Und nachdem zwei Tage die Sachverständigen deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass diese Reform falsch ist, haben wir gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesagt, dann lasst uns dieses Verfahren an diesem Punkt stoppen, um von vorn zu beginnen. Und nun frage ich mich: Was ist da undemokratisch?

(Heinz Müller, SPD: Dass Sie das Verfahren nicht zu Ende bringen wollen.)

Und wenn Sie uns vorwerfen, dass wir das Verfahren sozusagen infrage stellen und undemokratisch handeln, dann sage ich Ihnen: Das, was dort gemacht wurde im Innenausschuss, erst mal ist es einfach nicht richtig, dass meine Kollegin Rösler im Innenausschuss beantragt hat, das Verfahren abzuschließen.

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das hat sie nicht gesagt.

(Heinz Müller, SPD: Das habe ich auch nicht gesagt. – Peter Ritter, DIE LINKE: Genau das haben Sie gesagt.)

Das haben Sie gesagt, der Antrag ist von der Fraktion DIE LINKE gekommen.

(Heinz Müller, SPD: Der Vorschlag, habe ich gesagt, der Vorschlag!)

Das haben Sie gesagt.

(allgemeine Unruhe – Heinz Müller, SPD: Nicht mal einen Vorschlag hat es gegeben.)

Der Vorschlag, es abzuschließen …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist gelogen.)