Protocol of the Session on September 5, 2013

Wenn man diesen Verordnungsvorschlag liest, muss man sich die Frage stellen, ob alles, was Politiker aus den verschiedenen Motiven heraus vielleicht gut meinen, auch gleichzeitig gut gemacht ist. Wenn wir dieser Frage nachgingen, kämen wir auch unweigerlich zu den negativen Wirkungen der Veränderungen in der Legehennenhaltung seinerzeit von Frau Ministerin Künast.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich einmal mit einem Artikel in der „BauernZeitung“ in der 35. Ausgabe dieses Jahres befasst, der von meinem Kollegen Hoy von der Universität Gießen geschrieben worden ist. Ich kann nur sagen, ein empfehlenswerter Beitrag, wenn man an Sachlichkeit interessiert ist.

(Minister Dr. Till Backhaus: Richtig.)

Es wird unter Wissenschaftlern nämlich diskutiert, ob hohe Leistung gleichbedeutend mit Tierquälerei sei. Sind große Würfe und steigende Verluste in dem Zusammenhang eng miteinander verbunden? Diese Frage wurde von der Wissenschaft wie folgt beantwortet: In vielen Ländern, meine Damen und Herren, steigen die Wurfgrößen der gesamt- und der lebendgeborenen – jeder Landwirt wird wissen, dass das zwei wichtige Kriterien sind –, der gesamt- und der lebendgeborenen Ferkel deutlich an. Gleichzeitig nahmen die Ferkelverluste aber nicht zu, sondern teilweise auch ab. Das Fazit vom Kollegen Hoy ist, Tierschutz und Ausschöpfung des biologischen Leistungspotenzials schließen sich nicht zwangsläufig aus. Hohe Leistungen sind aber an ein gutes Management im Betrieb gebunden.

Und neu, wenn Sie „Das Blatt“ der Agrarberatung LMS einmal zur Hand nehmen, das ja auch die Bezeichnung „Das Blatt“ hat, hier sind neue Ergebnisse aus der Leistungsentwicklung in der Schweinezucht zu entnehmen. Diese Einfügung wollte ich hier heute unbedingt bringen.

Meine Damen und Herren, ich sehe generell zwei Wege der Einflussnahme der Gesellschaft auf mehr Tierwohl. Die eine, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN und liebe Kollegin Gerkan, ist der administrative Weg, der Zwang über Verordnungen und so weiter, den Sie hier gehen wollen. Ich sage gleich mehr dazu, warum wir dem in Ihrem Antrag aufgezeigten Weg wegen seiner negativen Wirkungen nicht zustimmen können.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Jede gewünschte und geforderte Veränderung für mehr Platz, für mehr Licht, für mehr Auslauf und für bessere Luft in der Nutztierhaltung wird unweigerlich auch mehr Geld kosten. Das haben Sie auch nicht infrage gestellt. Nach meiner Kenntnis aus langwieriger Tätigkeit werden die Mehrkosten pro Schwein, die in der Umsetzung der Bundesratsinitiative mit 10 Euro angegeben werden, eher kleingerechnet.

Ich hatte kürzlich mit Vertretern meiner Fraktion Gelegenheit, einen Familienbetrieb bei Neubukow zu besuchen, der mit insgesamt 2.000 Schweinen eine eigene

konventionelle Aufzucht und Mast betreibt. Die Tiere hatten helle, saubere Ställe, zum Teil Altbauten, zum Teil auch Auslauf, und brauchten keine Medikamente oder Antibiotika.

Auch in diesem Betrieb hat sich meine in einem langen Berufsleben erworbene Erfahrung bestätigt, dass ein gut ausgebildeter und engagierter Bauer seine Tiere am besten kennt und weiß, was ihnen guttut. Wissen und entsprechendes Handeln sind die entscheidenden Bausteine für den Erhalt des Betriebes und der gewünschten Arbeitsplätze.

Es fehlte in diesem Betrieb nur eins zum Glück, nämlich der lebensnotwendige Ertrag aus der liebevollen Hingabe der Familie zu ihren Schweinen. Mit einem Ertrag von minus, ich wiederhole, von minus 2 Euro pro Schwein lassen sich weder die Folgen verschärfter Bestimmungen noch die Existenz der Familie in absehbarer Zeit finanzieren. Schon damals stand für die gut wirtschaftende und fachkompetente Bauernfamilie die Frage, wie lange sie dieses finanzielle Tal noch durchschreiten kann.

Und genau das ist meine Befürchtung, dass diese vielleicht gut gemeinten Versuche, mehr für die Tiere zu tun, für die Familienbetriebe – egal welcher Größe – schädlich sein können, sodass diese die Schweinehaltung aufgeben müssen, es sei denn, der Betrieb erhält auch den Mehraufwand durch mehr Gegenwert in Form eines höheren Entgeltes oder eine entsprechende finanzielle Stützung. Leistet das der Verordnungsvorschlag? Ich wüsste nicht, an welcher Stelle im Vorschlag ein Förderansatz oder ein anderer Anreiz gegeben ist.

Die lakonische Feststellung, dass mit Preissteigerungen für Endverbraucher zu rechnen sei beziehungsweise durch die Verringerung der angenommenen 15-prozentigen Ferkelverluste der Landwirt mehr Ertrag hätte, verkennt oder ignoriert die Realitäten völlig. Ein deutscher Alleingang, meine Damen und Herren, auf dem europäischen Schweinemarkt für mehr Tierschutz wird auf diesem Markt leider nur dazu führen, dass preisgünstiges Schweinefleisch, das woanders unter minimalen und unter weniger guten Bedingungen erzeugt wurde, den Weg auf unsere Fleischtheken findet.

Meine Damen und Herren, bisher haben alle solche Maßnahmen nur dazu geführt, dass die Konzentration und die Intensivierung der Produktion beschleunigt wurde, weil kleine Betriebe dazu aus eigener Kraft nicht in der Lage sind und aufgeben müssen. Und ich sage es ganz klar: Das wollen wir nicht! Dieses Produktionsvolumen, was dann frei wird, übernehmen dann die Großen. Auch das wollen wir nicht!

Übrigens zeigen immer wieder Beispiele, wie die neuen Meldungen der Bioputenhaltung, dass unser Problem nicht so sehr die ständige Erfindung neuer Auflagen ist, sondern vor allem eine wirksame Kontrolle der bestehenden Verordnungen.

Meine Damen und Herren, ich bin für einen anderen Weg, um die Bedingungen in der Nutztierhaltung und für das Tierwohl deutlich zu verbessern. Dieser zweite Weg ist zum Beispiel die freiwillige Teilnahme von Landwirtschaftsbetrieben an der Initiative Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“, die nach den Richtlinien des Deutschen Tierschutzbundes zertifiziert ist. Hier ist der große Vorteil, dass die Verbesserungen in der Tierhaltung auch

vom Verbraucher gleich honoriert werden können, denn das produzierte Fleisch trägt das Label „Einstiegsstufe“ oder „Prämienstufe“ und hat natürlich einen anderen, einen höheren Preis an der Fleischtheke. Experten rechnen – hier übrigens realistisch, für mich realistisch – mit einem Mehraufwand pro Schwein von etwa 47 Euro. In einem 18-seitigen Konzept der „Initiative Tierwohl“ sind die Bedingungen zur Erreichung des hohen Tierschutzstandards allein in der Schweinehaltung und die einzelnen Schritte zur Zertifizierung aufgezeigt.

Übrigens, die Auswirkungen wurden auf dem Schweinetag 2012 vom Schweinekontroll- und Beratungsring Mecklenburg-Vorpommern sehr eindrucksvoll dargelegt. Auch das wäre zu empfehlen, sich damit vertraut zu machen.

Ich glaube, dass diese Initiative erfolgreich sein kann, da sich nach meiner Kenntnis alle wichtigen Verarbeiter und Vermarkter und natürlich auch der Deutsche Bauernverband daran beteiligen. Bisherige Labelversuche dümpeln bei Marktanteilen unter einem Prozent dahin und erreichen damit kaum Wirkung und Aufmerksamkeit beim Verbraucher. Für diese Initiative werden bis zu zehn Prozent Marktanteil erwartet. Ich halte diese Einschätzung für realistisch. Sie ist in der Vorbereitungsphase, diese Initiative, und wird 2014 an den Start gehen und sollte unsere Unterstützung erhalten.

Meine Damen und Herren, über 80 Prozent der Verbraucher sprechen sich bei Umfragen für mehr Tierschutz aus. Das ist gut. Eine große Mehrheit wünscht sich tiergerecht erzeugte Produkte. Auch das ist gut. Dieses, was ich eben gesagt habe, sind Ergebnisse einer Eurobarometer-Umfrage. Aber wir wissen auf der anderen Seite, dass die Abstimmungsergebnisse an der Fleischtheke meistens zugunsten der billigsten Angebote erfolgen und der Verbraucher nur für klare Vorteile oder Mehrwerte zu bezahlen bereit ist. Hieraus ergibt sich aus meiner Sicht eine gute Chance für ein besseres Schweineleben, die Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe und die Befriedigung der Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher für mehr Tierschutz von der Geburt des Ferkels bis zum unweigerlichen Gang ins Schlachthaus.

DIE LINKE spricht sich sehr für mehr Tierschutz und mehr Tierwohl aus, das habe ich eingangs betont und ich tue es jetzt zur Erinnerung noch einmal: Ich erinnere an die Erfahrung, dass „gut gemeint“ noch lange nicht „gut getan“ ist und Misstrauen in politische Kampagnen vor den Wahlen zur Profilierung auf Kosten der Bauern angebracht ist.

Ich wiederhole: Administrative Maßnahmen für mehr Tierschutz sind ein reguläres Instrument, das sich jedoch in diesem hier geforderten Umfang vor allem gegen die Existenz bäuerlicher Familienbetriebe in der Schweinehaltung richten kann. Dem können wir nicht zustimmen. Stattdessen sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir diesen Betrieben die Teilnahme an den Tierwohl und Bauernwohl fördernden Initiativen, wie sie von mir beschrieben worden sind, ermöglichen. Dieses kostet auch Geld, hat aber die Aussicht auf die Stärkung des Tierwohls und die Stärkung der Betriebe gleichermaßen und sollte unterstützt werden.

In diesem Kontext kann ich mir eine Selbstbefassung des Agrarausschusses sowohl zur Positionierung der Landesregierung in dem Bundesratsverfahren als auch zur Unterstützung von Tierwohlinitiativen und der Kontrolltä

tigkeit zur Einhaltung der Haltungsbedingungen für Nutztiere vorstellen. Ein entsprechender Vorschlag meiner Fraktion liegt seit dem heutigen Tag dazu vor. Den vorgelegten Antrag lehnen wir ab. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Krüger von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ein Antrag, der sich in Richtung Bundesebene richtet: Wir sollen eine Bundesratsinitiative unterstützen, eine Bundesratsinitiative, die seit vielen Monaten vorliegt und natürlich ganz zufällig in der Sitzung vor der Bundestagswahl hier auf den Tisch kommt. Sei es drum, meine Damen und Herren, wir werden uns trotzdem mit dem Thema beschäftigen. Wir machen das in aller Ernsthaftigkeit, so, wie wir das immer machen, wenn wir hier Anträge haben.

Denn auch ich sage, meine Damen und Herren, natürlich ist nicht alles in Ordnung, beispielsweise auch in der Schweinehaltung. Das ist doch überhaupt keine Frage. Ich bin eher davon ausgegangen, sehr geehrte Frau Gerkan, dass Sie hier über das Kupieren der Schweineschwänze reden.

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war ja auch mit Thema.)

Das war auch mit Thema. Sie sind aber vor allem auf die Kastration eingegangen. Das mache ich nachher mal so, ich will anfangen mit dem Ersten, mit dem Kupieren der Schweineschwänze.

Ich weiß, dass das Ministerium, der Landwirtschaftsminister in persona, dabei ist, an dieser Problematik zu arbeiten. Da gibt es enge Zusammenarbeit mit den Schweinehaltern, eben um die Gefahr des Kannibalismus zu reduzieren.

Ziel ist, meine Damen und Herren, dass man irgendwann auf das Kürzen der Schwänze ganz verzichtet, da sind wir uns einig. Das hört sich aber so einfach an. Ganz so einfach ist das nämlich nicht. Kupiert man nämlich nicht die Schwänze, kann es zu Kannibalismus kommen. Die Tiere merken das erst nicht, weil das unterste Drittel des Schweineschwanzes gefühllos ist, da gibt es keine Nervenenden, und wenn so ein Schweineschwanz erst einmal angefressen ist und es kommt zu Entzündungen, zieht sich diese Entzündung bis ins Rückenmark hinein und das Tier leidet fürchterliche Schmerzen.

Auch das, meine Damen und Herren, ist immer mit ins Auge zu nehmen, wenn man über Tierschutz redet. Denn dass die Tiere Schmerzen haben, das ist nichts, was wir wollen sollten. Wir sind aufgerufen, das zu vermeiden.

Jetzt komme ich mal zu dem – ich habe mir mitgeschrieben, was Sie alles gesagt haben – Tageslicht. Sehr geehrte Frau Gerkan, natürlich ist es vorgeschrieben, dass die Tiere Tageslicht haben, es ist vorgeschrieben inzwischen. Zeigen Sie mir die Ställe, wo das nicht der Fall ist! Das ist das Erste.

Das Zweite: Sie haben gesagt, es gibt Tiere, die zeitlebens in Kastenständen sind.

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sauen.)

Zeigen Sie mir das! Zeigen Sie mir das! Das, was ich weiß, ist,

(Minister Dr. Till Backhaus: Wo ist das? – Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

dass gerade trächtige Sauen in der Tat in den Kastenstand kommen. Das hat etwas damit zu tun, das hat der Kollege Lenz hier sehr schön ausgeführt, dass beispielsweise die Ferkel auch nicht erdrückt werden. Gucken Sie sich die Mortalitätsraten an – auch das hat der Kollege Lenz sehr schön gesagt –, die es zum Beispiel in der Haltung mit Stroh gibt, wo die Sauen frei sind! Das hat etwas mit dem Erdrücken zu tun, das hat etwas zu tun mit der Pilzbelastung, die da ist.

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich habe mir einen ökologischen Stall angeschaut. Da geht es auch ohne Kastenstand.)

Also die Dinge einseitig vom Tierschutz zu betrachten, hilft am Ende niemandem weiter. Natürlich können wir eine Idylle hier aufmalen. Die Frage ist, ob die Idylle denn wirklich da ist. Das ist die Frage. Da bin ich mir nicht so sicher.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Das will ich Ihnen ganz klar sagen. So, ich will mal weitermachen. Das machen wir später.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Kastration. Ja, meine Damen und Herren,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen die schmerzfreie Kastration. Sie haben mehrere Möglichkeiten, dahin zu kommen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schmerzfrei wird das nie sein.)

Sie können natürlich auf die Kastration ganz verzichten, machen eine Eberaufzucht, eine Ebermast. Das ist schwierig. Das ist schlicht und einfach schwierig. Sie wissen, dass es da verschiedene Problematiken gibt, zum Beispiel, dass das Fleisch am Ende stinkt. Es gibt Schweine, die einfach nach der Schlachtung, stellt man fest, stinken, das sind Stinker. Und Sie wissen vielleicht, dass die Eber untereinander zum Teil aggressiv sind, sich beißen und so weiter.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)