Protocol of the Session on June 20, 2013

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Wiederbeginn: 13.24 Uhr

So, ich eröffne die Sitzung.

Ich möchte das Stimmergebnis bekannt geben. An der Abstimmung haben insgesamt 51 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 4 Abgeordnete, mit Nein stimmten 47 Abgeordnete und es enthielt sich niemand. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1957 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Städtebauförderprogramme „Stadtumbau“ nach 2016 fortsetzen. Das ist die Ihnen vorliegende Drucksache 6/1949.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Städtebauförderprogramme „Stadtumbau“ nach 2016 fortsetzen – Drucksache 6/1949 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2002 trägt der Stadt- umbau Ost dazu bei, die Folgen des demografischen Wandels und des wirtschaftsstrukturellen Wandels zu mindern und die Wohnungssituation weiter zu verbessern.

Durch den Programmteil „Aufwertung“ mauserten sich Wohnquartiere in Plattensiedlungen und Innenstädten und wurden so auch zu lebenswerten Orten mit zufriedenen Bewohnern. Durch den Programmteil „Rückbau“

konnte der Wohnungsleerstand wesentlich gesenkt werden. Durch den 2006 dazugekommenen Programmteil „Rückführung der städtischen Infrastruktur“ konnten brachliegende Einrichtungen, Anlagen und Leitungen auch zurückgebaut werden. Die Bilanz nach über zehn Jahren Stadtumbau Ost kann sich also sehen lassen.

Der Wohnungsleerstand in Mecklenburg-Vorpommern beträgt nur noch 6,3 Prozent, wie der Zensus 2011 ergab. Er ist damit nur noch halb so hoch wie vor Programmbeginn, und das ist eine positive Bilanz. Mecklenburg-Vorpommern punktet mit kreativen Lösungen beim Teilrückbau. So erprobte Neubrandenburg erfolgreich, obere Etagen abzutragen, während die unteren bewohnt wurden. In Schwerin wurden einzelne Blockaufgänge rückgebaut, die verbleibenden Aufgänge sind heute Stadthäuser mit Mietergärten. Es gibt landesweit viele weitere gute Beispiele. Mittlerweile interessieren sich auch andere Länder außerhalb von Deutschland für das praktizierte Stadtumbauprogramm in Mecklenburg-Vor- pommern.

Mecklenburg-Vorpommern flankiert Teilrückbau zudem mit der Wohnraumförderung. So werden der Wiederaufbau von Dächern und das Wiederherstellen der Außenanlagen gefördert. Auch wird berücksichtigt, dass Teilrückbau teurer als ein kompletter Abriss ist. Um diese Vorgehensweise beneiden uns natürlich viele andere. Das Programm „Stadtumbau Ost“ wurde hierzulande nie als Abrissprogramm wahrgenommen, da sich der Mittel- einsatz von Bund und Land für Aufwertungs- und Rückbaumaßnahmen mindestens die Waage hielt. Da bei Maßnahmen zur Aufwertung noch ein kommunaler Anteil hinzufloss, kamen also mehr Mittel in Aufwertungs- als in Rückbaumaßnahmen.

Seit 2008 gehen die für den Rückbau aufgewandten Mittel stetig zurück. Im Städtebauförderprogramm des Vorjahres sind Mittel für die Rückführung städtischer Infrastruktur eingestellt. Im Städtebauförderprogramm des laufenden Jahres sind ausschließlich Mittel für den Programmteil „Aufwertung“ vorgesehen, um 18 Städte zum Teil mit mehreren Maßnahmen auch zu unterstützen. Die Förderung des Rückbaus erfolgt auch in Dörfern und kleineren Städten. Durchaus streiten ließe sich, ob im Einzelfall zu viel abgerissen wurde, beispielsweise in Greifswald, und dadurch bezahlbare Wohnungen natürlich dann auch knapper werden. Insgesamt ist jedoch festzustellen: Kommunale Wohnungsunternehmen wurden stabilisiert, Wohn- gebiete großzügiger und aufgelockert und ursprüngliche dörfliche Strukturen wiederhergestellt.

Von der Förderung aus dem Aufwertungsteil profitieren bislang größere und mittlere Städte. Zunächst wurden Plattenbaugebiete revitalisiert, zunehmend verlagern sich die Maßnahmen auf die Stärkung innerstädtischer Wohnungsgebiete und Ortszentren. Beispielhaft möchte ich dafür Güstrow nennen, Güstrows Innenstadt, wo der Wohnungsleerstand besonders hoch war und wo nun auch wieder Leben einzieht. Und das ist ja gewollt mit diesem Programm.

Das Stadtumbauprogramm war zunächst für die Zeit von 2002 bis 2009 aufgelegt worden. Die Evaluierung unterstrich weiteren Handlungsbedarf. Der Bundestag beschloss dann im Juni 2009 die Verlängerung bis zum Jahr 2016. Aber auch danach, meinen wir, muss es weitergehen. Eine vom Bundesbauministerium in Auftrag gegebene Studie ergab, dass die neuen Bundesländer in

der Europäischen Union die vom demografischen Wandel am stärksten betroffene Region sind. Die Region Ostdeutschland ist also Modell des demografischen Wandels nicht nur in Deutschland, sondern für ganz Europa, also für die Europäische Union.

Die Wohnraumnachfrage unterscheidet sich auch in Zukunft regional und selbst innerörtlich sehr stark. Das muss man dabei immer wieder im Auge behalten. Während Wohnungen in Rostock und Greifswald stark nachgefragt werden, steigen anderswo die Leerstände. Das ist auch keine neue Mitteilung. Das wissen wir alle. Wir müssen es aber in der Politik immer besser verinnerlichen.

Bis 2030 wird es 90.000 Haushalte weniger in unserem Land geben. Damit rollt eine zweite Leerstandswelle auf uns zu. Und finanzielle Hilfen beim Abriss oder beim Teilrückbau auch nach 2016 sind unverzichtbar. Gleichzeitig sind die verbleibenden Wohnungsbestände weiter lebenswert zu entwickeln. Und da meine ich auch die Grundzentren, die für ihr Umland als Wohnstandorte ja auch immer wichtiger werden.

Kolleginnen und Kollegen, auch westdeutsche Regionen sind vom demografischen und auch vom strukturellen Wandel betroffen. Seit 2004 gibt es ja, wie auch alle wissen, dieses Stadtumbauprogramm West. In der Evaluierung des Programms vom April 2012 wird auch eine Fortsetzung bis mindestens 2019 empfohlen. Wegen noch bestehender struktureller Unterschiede und auch unterschiedlicher Problemlagen wird in der Evaluierung derzeit von einer Zusammenführung der Programme Stadtumbau Ost und Stadtumbau West abgeraten. Wir meinen, doch, man sollte es prüfen. Mit der Evaluierung soll in den Jahren 2015/2016 die Zusammenführung beider Programme ja auch geprüft werden und damit sollen dann natürlich auch zukünftige Aufgaben definiert werden.

Fakt ist, die Experten gehen also davon aus, dass der Stadtumbau weitergehen muss, zumindest bis 2019, aber auch danach. Nun gilt es, die richtigen politischen Entscheidungen zu treffen. Ein Rückgang der Haushalte geht mit sinkender Wohnungsnachfrage in Mietshäusern und fehlendem Kaufanreiz für Wohneigentum einher. Rein rechnerisch müssten pro Jahr über 5.000 Wohnungen vom Markt genommen werden. Seit 2002 sind knapp 30.000 Wohnungen rückgebaut worden. Das ist schon eine ganze Menge. 80 Prozent davon gehörten zum Bestand kommunaler und auch genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen. Weitere 15 Prozent befanden sich in kommunalem Eigentum.

Die große Herausforderung ist, private Eigentümerinnen und Eigentümer stärker in den Stadtumbau mit einzubeziehen. Damit kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sich weiter am Stadtumbau be- teiligen können, sind sie von den Altschulden zu entlasten. Am besten natürlich wäre es, die Unternehmen von den Altschulden zu befreien. Eine Nachfolgeregelung muss also dringend gefunden werden. Die ostdeutschen Länder müssen den Druck gegenüber dem Bund erhöhen, ist unser Standpunkt. Ich hoffe, dass Sie da unsere Auffassungen auch teilen.

Kolleginnen und Kollegen, die Verwaltungsvereinbarung für die Städtebauförderung 2013 sieht für den Stadtumbau 84 Millionen Euro vor. Damit ist die Summe seit Programmstart nahezu halbiert worden. Seit 2010 wird die Städtebauförderung beschnitten. Seit 2011 stellt der

Bund jährlich nur noch 455 Millionen zur Verfügung. Diese Summe ist auch wieder für das kommende Jahr avisiert worden. Ich fordere Minister Glawe auf, dafür einzutreten, dass die Bauministerkonferenz sich ihres am 3. September 2010 verabschiedeten Positionspapiers zur Zukunft der Städtebauförderung erinnert und es der neuen Bundesregierung übergibt. Dieses Papier hat an Aktualität nichts verloren. Es stellt unter anderem fest: „Eine Kürzung der Städtebauförderung gefährdet die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik.“

Kolleginnen und Kollegen, die Programme der Städtebauförderung sind vielfach überzeichnet. Das ist auch eine Tatsache. Und das müssen wir auch in der Politik immer wieder zur Kenntnis nehmen. Der Bedarf übersteigt bei Weitem das Fördervolumen. So konnten allein im diesjährigen Städtebauförderprogramm des Landes Anträge auf Bundes- und Landesförderung in Höhe von 18,25 Millionen Euro nicht berücksichtigt werden. Aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage auf Drucksache 6/1922 geht hervor, welche Städte und welche Maßnahmen es betrifft.

Kolleginnen und Kollegen, der Landtag sollte sich dafür aussprechen, das Programm „Soziale Stadt“ in seinem ganzheitlichen Ansatz zu erhalten. Es sollte Vorbild für alle Programme der Städtebauförderung sein. Städtebauförderung findet in einem durch Satzung räumlich begrenzten und überschaubaren Bereich statt. Was liegt also näher, als die im Programmgebiet Wohnenden und die Tätigen, die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, aber auch Vereine und Verbände mit in die Entwicklung ihres unmittelbaren Umfelds einzubeziehen? Das Ganze muss natürlich gelenkt, koordiniert und auch geleitet werden, wie es die Quartiersmanager in den Programmgebieten „Soziale Stadt“ auch praktizieren. Die aufgebauten Netzwerke funktionieren gut und man tut gut daran, sie auch zu erhalten. Was liegt näher, als Fördermittel aus verschiedenen Töpfen sowie unterschiedlichen Ressorts und Zwecke dieser räumlich begrenzten Gebiete zu bündeln? Also ich bitte Sie noch einmal, dass alles gemeinsam auf den Tisch gelegt wird, Aufgaben zugeschnitten werden, und ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Lück.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Und das Wort hat jetzt der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht heute wieder einmal um einen eher unnötigen Antrag der LINKEN. Zwei Drittel Ihrer Rede waren ja Lob auf die Regierung,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das stimmt. – Regine Lück, DIE LINKE: Nein, Lob auf das Förderprogramm, nicht auf die Regierung.)

war eigentlich ein Loblied für die Handelnden, für SPD und CDU in diesem Land. Von daher sage ich auch mal: Danke schön, Frau Lück.

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Gerne. Gerne, Herr Minister. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Was wahr ist, muss auch wahr bleiben.)

Der Landtag soll zum Stadtumbau Verschiedenes feststellen und die Landesregierung wird aufgefordert, sich für mehrere Punkte beim Bund einzusetzen. All die Punkte, die Sie vorgetragen haben, das haben wir alles schon beim Bund angemeldet,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Dann können Sie ja zustimmen.)

haben im Bundesrat auch über die Fragen mit den Ministerpräsidenten Ost die Dinge angemeldet. Von daher, glaube ich, brauchen wir Ihre Aufforderung hier heute nicht. Trotzdem sage ich noch mal, Lob für die Regierung von der LINKEN tut ja auch mal gut.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Immer, immer, nicht nur mal, sondern immer. – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man ist es ja kaum gewöhnt.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Wenn es berechtigt ist.)

Ich dachte fast, Sie haben in unsere Koalitionsvereinbarung hineingeschaut und haben das so alles versucht aufzuschreiben.

(Regine Lück, DIE LINKE: Also na! Aus der Koalitionsvereinbarung! Wir waren ja auch mal in der Regierung.)

Auf den ersten Blick konnte man auf die Idee kommen, mit dem zweiten Blick aber sind einige Dinge auch nicht so. In Wirklichkeit sind nahezu alle angesprochenen Punkte in den letzten Jahren hier oder in den Ausschüssen, oftmals sogar einhellig mit den LINKEN, erörtert worden und es wurde durch sie begrüßt. Heute haben Sie es noch mal bestätigt. Meist hat sich damit auch die Bauministerkonferenz wiederholt befasst. Darüber wurden die Abgeordneten – auch die der LINKEN – regelmäßig durch das Ministerium informiert.

Als Erstes soll der Landtag die positive Rolle des Stadtumbauprogrammes feststellen. Das hat der Landtag einmal in den Fachausschüssen beschlossen, andererseits mit dem verabschiedeten Doppelhaushalten immer auf den Weg gebracht.

(Regine Lück, DIE LINKE: Aber mit weniger Geld.)

Die Kollegen kennen die positiven Effekte des Programms. Und auch aus den Kommunen und in den Wahlkreisen ist den Abgeordneten bekannt, dass das Programm seine Wirkung entfaltet hat. Und Sie haben es ja selbst gesagt: Fortschritte sind unverkennbar. Die Menschen sind zufrieden.

Und vor allen Dingen, wie wir an die Sache herangegangen sind: nicht komplette Abrisse, sondern tatsächlich

Gestaltung in den Wohnquartieren in den großen, mittleren und auch in den kleinen Kommunen, da, wo es sich angeboten hat. Also ganz im Ernst, wir brauchen wirklich keine Feststellung der positiven Wirkung eines jeden Förderprogrammes durch den Landtag. Das ist, glaube ich, gelebte Praxis. Da brauchen wir nicht jedes Mal heute die Hand zu heben und zu sagen, wunderbar, wunderschön, macht weiter so.

(Zurufe von Helmut Holter, DIE LINKE, und Regine Lück, DIE LINKE)

Ich glaube, das bringt dieser Antrag eigentlich nicht.

Ja, Frau Lück, ich will nur sagen, die Dinge sind so, wie sie sind.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Genau.)