Protocol of the Session on June 20, 2013

(Vincent Kokert, CDU: Haben Sie das Beispiel aus Spanien oder woher haben Sie das?)

über eine europäische Dimension und insofern können Sie sich hier nicht hinstellen und sagen, das ist alter Wein in neuen Schläuchen.

Es ist ja auch nicht so, dass Ihr CDU-geführtes Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht auch Probleme im Zusammenhang mit dem Thema Scheinpraktika gesehen hat. Allerdings sind die Lösungsansätze, die das Haus von Ursula von der Leyen anzubieten hat, eben mehr als dürftig. Anstelle gesetzlicher Regelungen verweist man zum einen auf den von mir schon in der Einbringungsrede erwähnten Klageweg, muss ich nicht wiederholen, und zum anderen auf einen großen Informationsbedarf und ein großes Informationsdefizit im Bereich der rechtlichen und inhaltlichen Ausgestaltung von Praktika.

Und deshalb hat man – so ist es auch einer Stellungnahme des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages aus dem vergangenen Jahr zu diesem Thema zu entnehmen – in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung, den Arbeitgeberverbänden, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und anderen einen Praxisleitfaden herausgegeben, der den schönen Titel trägt: „Faire Spielregeln für Praktikanten“.

Also wie läuft das? Es ist wie so oft, es bleibt bei der Hoffnung auf eine Art freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft, und wie die wirkt, das haben wir ja schon mehrfach erfahren müssen – oft leider nicht mit den erhofften Wirkungen. Der große Wurf für die Betroffenen ist es beileibe nicht, denn solche Leitfäden, Herr Renz, die gab es vorher auch schon in Form von Handbüchern bei Industrie- und Handelskammern. Dem Scheinpraktikanten nützt ein solches Druckerzeugnis in der konkreten Situation gar nichts.

Wenn sie oder er das Glück haben, noch in einen Betrieb mit funktionierenden Betriebsratsstrukturen zu kommen, dann haben sie zumindest die Chance, einen Ansprechpartner zu finden, und die Chance, dass die kostenlose Ausbeutung der Arbeitskraft unterbleibt. Allerdings gibt es ja auch zu diesem Punkt immer wieder Streit darüber, ob die Einstellung von Praktikantinnen und Praktikanten grundsätzlich überhaupt als Eingliederung in den Betrieb zu sehen ist und ob damit die vollen Mitbestimmungsrechte greifen.

Ich sehe die Informationspflicht genauso als gegeben an wie die Mitbestimmungsrechte, zumal wenn man unterstellt, dass es sich bei den Scheinpraktika ja tatsächlich gar nicht um Praktika, sondern eigentlich um Arbeitsverhältnisse handelt.

Und warum ist das wichtig? Weil wenn der Betriebsrat beispielsweise nach der Information zum geplanten Praktikanteneinsatz nach Paragraf 80 Betriebsverfassungsgesetz bei der Einstellung nicht von seinem Zustimmungsverweigerungsrecht Gebrauch macht, dann kann der einzelne Praktikant zumindest davon ausgehen, dass sein Einsatz nicht dazu dienen soll, Stammarbeitsplätze zu ersetzen.

Der Betriebsrat kann – immer vorausgesetzt, man erkennt an, dass es da eine Zuständigkeit gibt – auch im weiteren Verlauf des Praktikumseinsatzes Einfluss auf die Praktikumsstationen im Betrieb nehmen und im Idealfall schließt man mit dem Arbeitgeber sogar eine Betriebsvereinbarung ab, die Arbeitsbedingungen und Vergütungen auch für Praktikanten regelt.

Wenn Sie jetzt allerdings denken, damit sei alles gut, dann verkennen Sie die Lage. Denn zum einen konzentrieren sich, das haben Sie selbst auch gesagt, Scheinpraktika auf bestimmte Gruppen und Branchen. So haben es insbesondere natürlich Sozial- und Geisteswissenschaftler schwer. Es gibt allerdings auch Architekten, Juristen und Journalisten, denen es zuweilen sehr schwerfällt, einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz zu finden, und wo sie anfangen, gibt es tendenziell eher selten Betriebsräte.

Mit Blick auf unser Land spielen die Unternehmensgrößen natürlich auch eine entsprechende Rolle, denn in Klein- und Kleinstbetrieben finden Sie eher selten Betriebsratsstrukturen.

Und daher bleibt es auch in der Summe der Abwägungen der hier während der Debatte ausgetauschten Pro- und Kontraargumente aus meiner Sicht dabei, dass ein wirklicher Schutz beim Berufseinstieg nur geht mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen.

Und nun lassen Sie mich das zum Schluss auch noch mal anhand einiger Zahlen zur persönlichen Situation von Praktikanten belegen. Sie sind einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahre 2011 entnommen, also etwas jüngeren Datums als die Quellen, die Sie hier angeführt haben. Die Wissenschaftler kamen zu der Erkenntnis, dass der Anteil vollkommen unbezahlter Praktika zum Berufseinstieg tendenziell zurückgeht. Allerdings ist voreilige Freude nicht angebracht,

(Torsten Renz, CDU: Das ist wohl die falsche Studie.)

denn er lag 2011 immer noch bei satten 40 Prozent. Und auch eine weitere Zahl stimmt höchst bedenklich: Bei den Praktika, wo überhaupt irgendetwas gezahlt wurde, sank der durchschnittliche Stundenlohn

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

binnen vier Jahren seit der letzten Studie sogar auf gerade mal noch 3,77 Euro.

(Torsten Renz, CDU: Haben Sie auch absolute Zahlen?)

„Kein Wunder also“, schrieb „Spiegel online“ in einem Artikel zu diesem Thema, „dass sich die wirtschaftli- che Situation von Jungakademikern … nach wie vor als überwiegend prekär darstellt …“, Zitatende. Mehr als drei Viertel der Betroffenen aus dieser Studie sind auf zusätzliche finanzielle Unterstützung angewiesen. 56 Prozent erhalten diese auch nach Studienabschluss aus dem Elternhaus, 23 Prozent vom Partner und die Hälfte der Betroffenen greift zudem auf Sparguthaben zurück und arbeitet trotz Vollzeitpraktikumsplatz noch in einem oder gar in mehreren Nebenjobs. Mehr als ein Fünftel bezieht während des Praktikums Sozialleistungen.

Und noch ein interessanter Vergleich: Unter denjenigen, die nach ihrem Abschluss ohne Praktika eine reguläre Anstellung erlangen konnten, gaben drei Viertel an, dass ihr Einkommen dreieinhalb Jahre nach erfolgreichem Abschluss ausreicht, um den Lebensunterhalb zu bestreiten, während das bei den Expraktikanten weniger als 60 Prozent gewesen sind.

Und, das hat Frau Kollegin Gajek, glaube ich, schon gesagt, auch nicht viel besser sind die Ergebnisse bei der Qualität der Praktika nach Studien- und Ausbildungsabschluss. 81 Prozent der Befragten gaben gegenüber den Wissenschaftlern der Hans-Böckler-Stiftung an, dass sie vollwertige Arbeit geleistet haben, 75 Prozent waren fest in den Betriebsablauf eingeplant.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und Sie sehen also, die These, je länger der Verbleib in Praktika, desto größer ist die Gefahr der Verzögerung des Berufseinstiegs, des Einsatzes als billige Arbeits- kraft und der Verdrängung regulärer Beschäftigungs- verhältnisse, das lässt sich eben doch auch in Zahlen belegen.

Und Scheinpraktika haben zuallererst zwar Folgen für die persönlich Betroffenen, sie wirken jedoch auch nachhaltig negativ für die Gesellschaft. Es ist schon angesprochen worden: keine Anwartschaften in der sozialen Rentenversicherung, die arbeitgeberseitig eingesparten Vergütungen bedeuten Einnahmeausfälle für die Sozialversicherungssysteme, Zukunfts- und Familienplanung sind aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit erschwert und fehlendes Einkommen schwächt letztlich Konsumkraft und die Möglichkeit, zum Beispiel BAföG-Leistungen in einer Summe – und damit für den Betroffenen günstiger – zurückzahlen zu können.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund möchte ich bei Ihnen noch einmal dafür werben, diesen Antrag ernst zu nehmen.

(Dietmar Eifler, CDU: Wir nehmen das sehr ernst.)

Den Überweisungsvorschlag klemme ich mir an der Stelle. Sie haben ja hinreichend deutlich gemacht, dass Sie nicht vorhaben, darüber noch weiter zu diskutieren. Dennoch fordere ich Sie auf, nutzen Sie Ihren Einfluss, zum Beispiel im Bündnis für Arbeit, werben Sie bei Arbeitgebern dafür, auf den Einsatz von Scheinpraktikanten zu verzichten, und stattdessen bessere, weil reguläre Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Und unterstützen Sie Zwischenschritte, informieren Sie beispielsweise über das Prädikat von fairwork e. V., das an Unternehmen vergeben wird, die ihre Praktikanten vorbildlich behandeln. Unter anderem dort finden Sie auch jede Menge guter Musterverträge und Beispiele für Berufseinsteigerprogramme. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Foerster.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2024 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der NPD zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2024 abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- che 6/1951 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1951 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der NPD sowie Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf den Zusatztagesordnungspunkt: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Antrag auf Genehmigung der Strafverfolgung durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, auf Drucksache 6/2022.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten (Europa- und Rechtsausschuss, 3. Ausschuss) gemäß § 70 GO LT (Immunitätsangelegenheiten) Antrag auf Genehmigung der Strafverfolgung durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls – Drucksache 6/2022 –

Gemäß Paragraf 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/2022 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/2022 angenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung und am Schluss unserer letzten Sitzung vor der Sommerpause. Ich bedanke mich bei Ihnen für die konstruktive Mitarbeit in den vergangenen Monaten, für die vielen guten Entscheidungen, die wir hier, zum Teil ja auch fraktionsübergreifend, treffen konnten, für die meist gute Disziplin,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Oh Gott!)

für die aktive Arbeit in den Fraktionen. Richten Sie diesen Dank, in den ich ausdrücklich alle Mitarbeiter einschließe, auch den Mitarbeitern der Fraktionen aus. Ich bedanke mich bei der Landtagsverwaltung, bei der Landesregierung für die Zusammenarbeit mit uns.

Ich wünsche Ihnen jetzt für die anstehenden Sommermonate Zeit für Entspannung, für Erholung, für die Familien und für Ihre Personen, die Ihnen wichtig und lieb und teuer sind. Nutzen Sie diese Zeit, damit Sie dann gut ausgeruht und erholt im August wieder hier einsteigen können. Ich weiß, einige haben auch noch ein bisschen zu arbeiten. Schöne Ferien, gute Erholung!

Die Sitzung ist geschlossen. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Mittwoch, den 4. September 2013, 10.00 Uhr ein.