Protocol of the Session on May 31, 2013

Wenn Sie unbedingt einsparen wollen, könnten Sie ja mal darüber nachdenken, die B-Besoldung auszusetzen.

(Udo Pastörs, NPD: Absolut Ihrer Meinung, richtig.)

Das sind dann beispielsweise Staatssekretäre und andere Kolleginnen und Kollegen, die verdienen 5.000 bis 9.000 Euro. Dann könnten Sie sozusagen das, was Sie da einsparen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

zugunsten der unteren Einkommensgruppen wiederum einsetzen.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Es zeigt sich also, Ihr Wahlslogan, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, „Das Wir entscheidet“,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ist eine hohle Phrase.

(Tilo Gundlack, SPD: Zweiteilung von Menschen.)

Und, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wenn wir das hier kritisch aufwerfen, dann geht es nicht darum, das Land schlechtzureden, wie Sie es immer gern gebetsmühlenartig betonen, da muss man sagen, an dieser Stelle wird das Land offensichtlich schlecht regiert. Deswegen kann ich die Beamtinnen und Beamten des Landes nur ermutigen, diese Vorgehensweise der Landesregierung nicht zu akzeptieren und es ihren Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein gleichzutun. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Foerster.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1905 zur Beratung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt, mit Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU, der Fraktion der NPD und bei keinen Enthaltungen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1905. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1905 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU, der Mehrheit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der NPD und zwei Enthaltungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anonymisiertes Bewerbungsverfahren, Drucksache 6/1893. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1940 vor.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anonymisiertes Bewerbungsverfahren – Drucksache 6/1893 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/1940 –

Das Wort zur Begründung des Antrages hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Vizepräsidentin und Abgeordnete Frau Gajek.

Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Bündnisgrünen-Fraktion bringt diesen Antrag ein, damit Ungerechtigkeiten am Arbeitsmarkt zukünftig besser begegnet werden kann. Wir wollen ein Instrument

erproben, mit dem Chancengerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und Arbeitsmarktbeteiligung gefördert werden können. Wir finden, Bildungserfolg und Erfolg am Arbeitsmarkt dürfen nicht von sozialer oder ethnischer Herkunft, vom Geschlecht oder vom Alter abhängen. Dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren dabei helfen kann, Ungerechtigkeiten beim Arbeitsmarktzugang zu reduzieren, bestätigt unter anderem die Beratungserfahrung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aus dem Infoflyer der ADS zitieren, Zitat: „Ein kurzer Blick auf den Namen, auf das Geschlecht oder das Alter genügt in vielen Fällen, um eine Bewerbung auszusortieren: Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Arbeitsuchende und Frauen mit Kindern werden in Bewerbungsverfahren oft benachteiligt. Sie haben deutlich schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.“ Zitatende.

Eine Untersuchung der OECD belegt zum Beispiel, dass Jugendliche aus Migrantenfamilien bei gleicher Qualifikation drei- bis viermal so viele Bewerbungen schreiben müssen, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. An die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden sich außerdem häufig alleinerziehende Frauen und Menschen über 50 Jahre, die wegen ihres Alters benachteiligt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die genannten Beispiele zeigen, es gibt dringenden Verbesserungsbedarf bei der Organisation und Durchführung von Auswahl- und Bewerbungsverfahren.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wenn qualifizierten Menschen, ob am Anfang oder im Verlauf ihres Berufslebens aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens, ihres Lebensalters oder ihres Geschlechts die Chance auf eine berufliche Bewährung verweigert wird, dann ist das sowohl ungerecht als auch wirtschaftlich schädlich. Anonymisierte Bewerbungsverfahren

stellen eine konkrete Handlungsoption dar, um bewusste und unbewusste Benachteiligung weitgehend auszuschließen. Viele europäische Länder haben bereits ermutigende Erfahrungen mit dem Verfahren gesammelt.

In Schweden beispielsweise zeigte sich, dass das Weglassen persönlicher Angaben in der ersten Bewerbungsphase zu deutlich verbesserten Chancen für Frauen und für Menschen mit Migrationshintergrund führt. Auch in Frankreich konnten solche Effekte nachgewiesen werden. In Belgien werden seit 2005 alle Stellen im öffentlichen Sektor mithilfe des anonymisierten Bewerbungsverfahrens besetzt.

Ausgehend von solchen Best-practice-Beispielen hat die ADS im November 2010 ein Modellprojekt gestartet, in dem verschiedene Unternehmen, Behörden und Kommunen anonymisierte Bewerbungsverfahren testeten. Zwölf Monate lang haben vier weltweit agierende Konzerne, darunter die Deutsche Post und die Deutsche Telekom, ein mittelständisches Unternehmen, das Bundesfamilienministerium, die Regionaldirektion NordrheinWestfalen der Bundesagentur für Arbeit und die Stadtverwaltung Celle neue Wege der Mitarbeiter(innen)rekru- tierung ausprobiert.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

In dem Pilotprojekt wurden mehr als 8.500 Bewerbungen anonymisiert eingesehen. Knapp 250 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze wurden erfolgreich besetzt. Der im März 2012 veröffentlichte Abschlussbericht zeigt klar die positiven Effekte anonymisierter Bewerbungsverfahren. Nicht zuletzt unter diesem Eindruck haben nun mittlerweile einzelne Bundesländer, etwa Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, Beschlüsse zu Testläufen mit dieser Form der Bewerbung gefasst.

Sehr geehrte Damen und Herren, nun ist es nicht so, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren eine Garantie gegen Diskriminierung bietet, aber es kann dabei helfen, Diskriminierungen abzubauen und neue Bewerber(innen)gruppen zu erschließen. Lassen Sie mich Ihnen an dieser Stelle kurz darstellen, wie anonymisierte Bewerbungsverfahren ganz praktisch funktionieren.

Sichergestellt werden soll, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausschließlich aufgrund der Qualifikation erfolgt.

(Udo Pastörs, NPD: Im dunklen Raum. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Der Auswahlprozess soll also objektiviert werden. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass zunächst auf ein Foto, den Namen, die Adresse, das Geburtsdatum, auf Angaben zum Familienstand und zur Herkunft der sich bewerbenden Person verzichtet wird. Alle anderen Informationen werden wie üblich abgefragt, also etwa Berufserfahrung, Ausbildung, Motivation. An dieser Stelle gibt es keinen signifikanten Unterschied zu herkömmlichen Lebensläufen, außer dem Verzicht auf Jahreszahlen.

In der zweiten Phase, wenn die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen ist, erhalten die Personaler/-innen dann die vollständigen Unterlagen mit persönlichen Angaben und können sich auf das Gespräch vorbereiten. Sie sitzen also nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, vor einer ihnen völlig unbekannten Person. Im Vorstellungsgespräch können sich die Bewerberinnen und Bewerber dann unmittelbar persönlich präsentieren. Hier bleibt für bewusste oder unbewusste Vorurteile weniger Platz. Der individuelle Eindruck entscheidet. Befürchtungen, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren zu teuer oder zu aufwendig sei, erwiesen sich übrigens als unbegründet.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung hat nach eigenem Bekunden das Pilotprojekt zum anonymisierten Bewerbungsverfahren mit Interesse verfolgt. Handlungsbedarf leitet sie daraus leider nicht ab. So steht es klipp und klar in der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Kollegen Foerster zum anonymisierten Bewerbungsverfahren. Stattdessen gehe die Landesregierung davon aus, dass, ich zitiere, „unter Beachtung der bisherigen Auswahlkriterien ,Leistung, Eignung, Befähigung‘ … grundsätzlich alle … Stellen der Landesverwaltung unter dem Aspekt jeglichen Ausschlusses von Diskriminierung aufgrund von Alter, Geschlecht oder Herkunft besetzt“ werden. Und diese Sichtweise, meine Damen und Herren, genau diese Sichtweise und diese Herangehensweise ist es, die unbewusste Diskriminierung ermöglicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ausblenden bestehender Benachteiligung, deren Existenz durch die eingangs zitierten Studien einwandfrei nachgewiesen wurde, ist ein ganz wesentlicher Teil des Problems.

Aber damit leider nicht genug. Neben mangelndem Problembewusstsein hat die Landesregierung auch noch ein gravierendes Informationsdefizit bezüglich des anonymisierten Bewerbungsverfahrens. Anders ist folgende Antwort auf die Frage, welche Unternehmen und Behörden in unserem Bundesland ein entsprechendes Verfahren zur Stellenbesetzung durchführen, nicht zu erklären. Ich zitiere: „Im Bereich der Landesverwaltung werden bisher keine anonymisierten Bewerbungsverfahren durchgeführt.“ Zitatende.

Das anonymisierte Bewerbungsverfahren für eine Projektkoordinatorin oder einen Projektkoordinator, das der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Juni 2012 durchgeführt hat, ist also offensichtlich von der Landesregierung völlig unbemerkt abgelaufen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Dabei wurde die Ausschreibung im Amtsblatt Nummer 25 vom 04.06.2012 veröffentlicht und enthält nicht nur einen ausführlichen Ausschreibungstext, sondern auch mehrseitige standardisierte Bewerbungsformulare.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sehen die Landesregierung in der Pflicht, Diskriminierung im Bereich des öffentlichen Dienstes abzubauen,

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und fordern Sie deshalb auf, freiwerdende Stellen im Rahmen eines Modellprojekts gemäß anonymisierten Bewerbungsverfahrens zu besetzen. Für dessen konkrete Umsetzung gibt es wie gesagt innerhalb der Landesverwaltung bereits ausgewiesene Expertisen. Folgen Sie dem guten Beispiel des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit! Meine persönliche Hoffnung ist es, dass die Verwaltung mit einem solchen Modellprojekt nicht zuletzt auch ein Beispiel für die Wirtschaft sein kann. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.