Protocol of the Session on April 26, 2013

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1758. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1758 mit den Stimmen der SPD, der CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen, bei Ablehnung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Leiharbeitsverhältnisse wirksam begrenzen, Drucksache 6/1745.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Leiharbeitsverhältnisse wirksam begrenzen – Drucksache 6/1745 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Foerster von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Wir erwarten auch künftig von der LINKEN im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, dass sie jegliche Form prekärer Beschäftigung konsequent thematisiert und damit deutlich macht, dass ein bereits partiell erkennbarer und sich infolge der demografischen Entwicklung zukünftig weiter ausdehnender Fachkräftemangel zuallererst auch etwas mit den sozialen Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt unseres Landes zu tun hat!“, so lautete einer der zahlreichen Arbeitsaufträge, den mehr als 70 Betriebs- und Personalräte am 4. April hier in Schwerin im Rahmen der Konferenz unter dem Motto „Fachkräftemangel und was nun?“ meiner Fraktion ins Stammbuch geschrieben haben.

Aus Arbeitgeberkreisen hört man häufiger die Forderung, auf die Einordnung der Leiharbeit in den Kontext der prekären Beschäftigungsformen zu verzichten. Leiharbeit sei einer der Jobmotoren im vergangenen Jahrzehnt und die Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz folglich eine richtige Entscheidung gewesen. Und wenn man das oberflächlich betrachtet, könnte man zu dem Schluss kommen, dass diese Einschätzung stimmt, denn die Zunahme derartiger Beschäftigungsverhältnisse verlief rasant. Waren 1996 bundesweit noch 170.000 Menschen in der Branche beschäftigt, so stieg die Zahl auf mehr als 900.000 im Jahr 2012.

Und auch vor Mecklenburg-Vorpommern machte dieser Trend nicht halt. Allein zwischen 2007 und 2012 stieg der Zahl der Leiharbeitnehmer um mehr als 20 Prozent oder in Zahlen ausgedrückt von 8.777 im Jahresdurchschnitt auf 10.676 im Juni des Vorjahres.

(Torsten Renz, CDU: Warum nehmen Sie da andere Bezugsjahre? Warum nehmen Sie da andere Bezugsjahre?)

Aktuell sind es, das konnte man heute auch nachlesen, 9.200.

Nun kann man natürlich sagen, wie das auch heute in der SVZ zu lesen war von den Arbeitgebern und den Agenturen, das sind ja nur 1,8 Prozent der Arbeitnehmer insgesamt im Land, aber ich denke, man muss auch

diese Beschäftigungsform immer im Zusammenhang mit den anderen prekären Beschäftigungsformen im Land sehen. Und da darf ich die Zahlen noch mal nennen. Wir haben immerhin noch über 90.000 Minijobber, wir haben auch mehr als 132.000 befristet Beschäftigte

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

und mehr als 86.000 Teilzeitbeschäftigte, ein großer Teil davon ungewollt.

Und ich finde, entscheidend für eine Bewertung der Gesamtentwicklung ist auch, sich die qualitative Entwicklung anzuschauen. Betrachtet man also Fragen der Entlohnung, der Arbeitsbedingungen, der Chancen auf den gern beschriebenen Klebeeffekt im Entleihbetrieb, der Sicherheit des Arbeitsplatzes oder der gesundheitlichen Konstitution von Leiharbeitnehmern im Vergleich zu ihren im Normalarbeitsverhältnis beschäftigten Kollegen, dann ergibt sich ein vollkommen anderes Bild. Leiharbeit ist eben sehr wohl oft eine prekäre Beschäftigungsform, und dies hat vor allem mit der unbefriedigenden Regulierung zu tun.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die Möglichkeit der dauerhaften Abweichung von der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz formulierten Norm der Lohngleichheit durch tarifliche Vereinbarungen hat dazu geführt, dass bei Leiharbeitsunternehmen Beschäftigte ihren Alltag allzu oft als den eines modernen Tagelöhners empfinden. Und Leiharbeit ist nicht erst seit Untersuchung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Vorjahr heute vor allem eines, sie ist Arbeit im Niedriglohnsektor. Die Einstiegslöhne liegen in Teilen bei weniger als 50 Prozent des Medianlohnes.

Und da darf ich mal auf die Zahlen hier im Land ein- gehen. In unserem Land betrug der Abstand zwischen dem Lohn einer Stammarbeitskraft mit Berufsabschluss und einem Leiharbeitnehmer mit der gleichen Qualifikation in den Jahren 2011 und 2012 satte 35 Prozent oder in Euro und Cent ausgedrückt waren das 1.275 Euro brutto im Landesschnitt für den Leiharbeitnehmer gegenüber 1.942 Euro brutto für den Kollegen der Stammbelegschaft, und das bei Vollzeitbeschäftigung.

Die Befürworter der Flexibilisierung im Bereich der Leiharbeit erklären dieses Phänomen dann gern damit, dass es sich bei den betroffenen Beschäftigten ja überwiegend um ungelernte Kräfte handeln würde – auch das ist ja heute wieder in der Zeitung arbeitgeberseitig nachzulesen –, die sonst gar keine Chance auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt hätten.

(Torsten Renz, CDU: Und, stimmt das nicht?)

Und dieses Argument wird nicht zuletzt durch Untersuchungen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung klar widerlegt. Hier mal die Zahlen dazu: Demnach verdienen Leiharbeitnehmer bundesweit in allen Qualifikationsstufen und Tätigkeitsbereichen deutlich weniger, bei Fach- und Hochschulabschluss 33 Prozent, bei abgeschlossener Berufsausbildung 44 Prozent und ohne Berufsausbildung sogar 46 Prozent.

Und die Folgen des niedrigen Lohnniveaus im Bereich der Leiharbeit sind greifbar. Jede und jeder achte Beschäftigte in der Leiharbeit muss trotz Vollzeitarbeit er

gänzende staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen. Das ist übrigens ein fünfmal höheres Risiko als in anderen Branchen.

Das niedrige Lohnniveau ist aber nicht das einzige Problem. Leiharbeitnehmer haben vielfach mit der besonders hohen Unsicherheit ihres Arbeitsplatzes zu kämpfen. Nur 50 Prozent der 2010 beendeten Arbeitsverhältnisse dauerten laut IAB länger als drei Monate. Und auch die Hoffnung auf den schon angesprochenen Klebeeffekt ist trügerisch. Die Zahlen des IAB zeigen, dass es ganze 7 Prozent der vormals Arbeitslosen schaffen, in einem Zeitraum von zwei Jahren nach einem Leiharbeitsverhältnis im Normalarbeitsverhältnis beschäftigt zu werden und damit das Thema Leiharbeit hinter sich zu lassen.

Die Wirkung der oft jahrelangen Karriere im Bereich von Leiharbeit, häufig gepaart auch mit der unfreiwilligen Erfahrung in anderen prekären Beschäftigungsformen, ist entsprechend. So zeigten erst im Februar des Jahres vorgestellte Erhebungen der Techniker-Krankenkasse, dass die Unsicherheit des Arbeitsplatzes in Kombination mit den hohen Flexibilitätsanforderungen nachhaltig auf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Beschäftigten durchschlägt. Demnach betrug die durchschnittliche Fehlzeit von Leiharbeitnehmern nach Angaben der Techniker-Kasse im Februar 2013 mehr als 17 Tage, während sie für die restlichen Arbeitnehmer bei 13 Tagen lag.

Die öffentliche Berichterstattung hat die Sensibilität der Politik für diese Problemstellungen durchaus erhöht. So wurde ja zwischenzeitlich ein Branchenmindestlohn mit 7,01 Euro im Osten und 7,89 Euro im Westen eingeführt.

(Torsten Renz, CDU: Wer hat den eingeführt?)

Ich sage, das ist ein erster richtiger Schritt, der aber durch die hier im vergangenen Frühjahr

(Torsten Renz, CDU: Einfach mal aussprechen: Wer hat den eingeführt?)

schon diskutierte Praxis des Einsatzes von Werkverträgen schon wieder zu unterlaufen versucht wird.

(Torsten Renz, CDU: Hallo, Herr Foerster, wer hat den eingeführt? – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Und zudem ist natürlich der unterschiedliche Lohn für West und Ost nach wie vor zu kritisieren.

(Torsten Renz, CDU: Nur fürs Protokoll.)

Was kann man also abgeleitet aus der Analyse der Situation tun, um die Situation der Beschäftigten im Bereich der Leiharbeit nachhaltig zu verbessern? Zunächst müsste man aus der Sicht meiner Fraktion die gesetzlichen Rahmenbedingungen wieder zugunsten der Beschäftigten verändern. Und da stehen vornean die Prinzipien „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und „Gleich gute Arbeitsbedingungen für Stamm- und Leiharbeitnehmer“, die wirksam durchgesetzt werden müssen. Da ist dann der Gesetzgeber in der Pflicht, die tarifliche Öffnungsklausel in den Paragrafen 3 Absatz 1 Nummer 3 und 9 Num- mer 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu streichen, denn diese haben den Unterbietungswettbewerb

durch abweichende Tarifverträge überhaupt erst möglich gemacht.

Und gleichrangig zu betrachten ist die Rückkehr zur Festlegung einer maximalen Verleihdauer, denn es war die dreimalige Erweiterung und schließlich die Abschaffung der zeitlichen Begrenzung des Einsatzes von Leiharbeit unter der rot-grünen Bundesregierung, die dazu geführt hat, dass ein Instrument in der geschilderten Form regelrecht degeneriert ist, mit welchem den Unternehmen ursprünglich mal Flexibilität zur Bewältigung schwankender Geschäftsverläufe zugestanden wurde.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Und die Festlegung einer maximalen Verleihdauer ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Betroffenen angeraten, denn mittlerweile bescheinigt zwar auch das Deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz im Paragrafen 1 ähnlich wie die EU-Leiharbeitsrichtlinie Leiharbeitsverhältnissen einen vorübergehenden und damit einen zeitlich befristeten Charakter, allerdings gibt es bereits eine Vielzahl von Gerichtsverfahren, deren Ursache in der fehlenden Definition eines Zeitraumes liegt. Betriebsräte machen von ihrem Zustimmungsverweigerungsrecht bei Einstellung nach Paragraf 99 Betriebsverfassungsgesetz Gebrauch und können sich dabei auf die Einschätzung gewerkschaftsnaher Arbeitsrechtler stützen, die einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten für angemessen halten.

Und schließlich geht es darum, die Möglichkeiten für Leiharbeitnehmer zu verbessern, tatsächlich im Entleihbetrieb eine Anstellung zu erhalten, denn derzeit sind die Unternehmen lediglich verpflichtet, über freie Stellen zu informieren. Wäre der Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht nur zeitlich begrenzt, sondern würde nach einer bestimmten Dauer der Beschäftigung auch ein gesetzlicher Anspruch auf Festanstellung im Entleihunternehmen entstehen, dann könnte dies einen wirklichen Klebeeffekt oder, anders ausgedrückt, eine Brücke aus dem Verleihunternehmen in eine Beschäftigung beim Entleihunternehmen, also ein Normalarbeitsverhältnis bedeuten.

Zudem wäre zu prüfen, ob Leiharbeitnehmer aufgrund ihrer bereits mit ihrem Einsatz nachgewiesenen Qualifikation und Leistungsfähigkeit bei Einstellung bevorzugt berücksichtigt werden können. Dabei sind natürlich die Rahmenbedingungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beachten.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Leiharbeit ist zu großen Teilen leider eben doch eine prekäre Beschäftigung, geprägt von Niedriglöhnen und unsicheren Arbeitsbedingungen. Insofern mutet der Leitspruch „Das WIR entscheidet“ als Slogan einer Leiharbeitsfirma tatsächlich ein Stück deplatziert an.

(Torsten Renz, CDU: Oh, jetzt wirds politisch.)

Die von meiner Fraktion vorgeschlagenen Maßnahmen leisten einen Beitrag zur wirksamen Begrenzung dieses Instrumentes, denn sie machen das Instrument weniger anfällig für Lohndumping oder gar den Ersatz von Stammbelegschaften durch Leiharbeitnehmer.

Ich komme zum Schluss.

Werte Kolleginnen und Kollegen, unser Land ist immer noch das Bundesland der niedrigsten Löhne. Wenn wir Menschen für unser Land als Lebens- und Arbeitsort gewinnen wollen, steht es uns nicht nur gut zu Gesicht, sondern ist es unerlässlich, jeder Form von prekärer Beschäftigung den Kampf anzusagen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Foerster.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Abgeordnete Foerster hat sehr ausführlich die Probleme bei der Leih- und Zeitarbeit dargestellt und dem will ich gar nichts hinzufügen, sondern ich will es noch mal auf den Punkt bringen, zusammenfassen, worum es geht – aus meiner Sicht.