Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Mecklenburg-Vorpommern (Strafvollzugsgesetz Mecklenburg- Vorpommern – StVollzG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/1337 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses (3. Ausschuss) – Drucksache 6/1777 –
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Der Abgeordnete Heinz Müller tritt an das Präsidium heran. – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das ist alles außerhalb des Protokolls.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier liegt offensichtlich ein Versehen vor beim Ausfertigen der Liste für die Reihenfolge der Redner. Es gibt nämlich gar keine Berichterstattung, das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe mich schon gewundert. Hier steht nämlich nur ein Redner für die SPD und das ist Frau Drese.
Bei Berichterstattung des Ausschussvorsitzenden ist es vorgesehen, so habe ich es auch vorgetragen, aber jetzt hat jemand eine falsche Liste geschrieben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Warum bedarf es eines eigenständigen Strafvollzugsgesetzes des Landes? Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 zum Sicherungsverwahrungsrecht, welche auch eine Überarbeitung des Strafvollzugsrechts erforderlich macht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil für diejenigen Verurteilten, für die Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, Vorgaben dahin gehend gemacht, dass schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um die Gefährlichkeit der Verurteilten zu reduzieren. Insbesondere müsse gewährleistet sein, dass etwa erforderliche psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen, die oftmals auch bei günstigem Verlauf mehrere Jahre in Anspruch nehmen und zeitig beginnen, mit der gebotenen hohen Intensität durchgeführt und möglichst vor dem Strafende abgeschlossen werden.
Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug liegt seit September 2006 bei den Ländern. Im Erwachsenenstrafvollzug gilt es, bis zum Erlass einer landesrechtlichen Regelung weiterhin auf das Vollzugsgesetz des Bundes zu achten. Dieses trägt jedoch den Vorgaben im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung vom Mai 2011, für den in einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorangehenden Strafvollzug der Strafhaft nicht Rechnung.
Mit diesem Gesetzentwurf soll nun das bestehende Strafvollzugsgesetz des Bundes durch ein Landesgesetz ersetzt und vor allem, das ist mir wichtig, weiterentwickelt werden, wobei die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dabei berücksichtigt wird. Es beruht im Wesentlichen auf einem Musterentwurf zum Strafvollzug, welchen die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz,
Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen, also insgesamt zehn Bundesländer, gemeinsam erarbeitet haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch vor diesem Hintergrund wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf im Rahmen der Ausschussberatungen nur sehr behutsam verändert. Neben redaktionellen und sprachlichen Anpassungen wurde seitens der Koalitionsfraktionen der im Rahmen der Expertenanhörung geäußerte Vorschlag aufgegriffen, die nicht monetäre Komponente der Vergütung zu erweitern. Das heißt, dass nunmehr für jeweils drei Monate zusammenhängende Ausübung einer Tätigkeit in Strafhaft eine Freistellung von zwei Werktagen erfolgen kann. Der Anspruch ist damit um ein Drittel höher als bisher.
Gefangene können künftig nicht mehr nur sechs Tage, sondern acht Tage zusätzlicher Freistellung für ein Jahr kontinuierliche Arbeit erwerben. Nicht verschweigen möchte ich, dass dabei Auswirkungen auf die Kurzstrafhaft denkbar sind, wenn Gefangene nicht auf den Zeitraum von drei Monaten kommen. Allerdings ist zu beachten, dass sich vor allem diejenigen in Strafhaft in Arbeit befinden, die eine längere Haftstrafe zu verbüßen haben. Die Erweiterung dieser nicht monetären Komponente der Vergütung ist auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002 zur Frage der Vergütung von Strafgefangenen zu betrachten.
Hinsichtlich der entgeltlichen Vergütung setzt der Gesetzentwurf als Eckpunkte 9 Prozent der Bezugsgröße des Vierten Buches Sozialgesetzbuch fest. Im Hinblick auf die von den demokratischen Oppositionsfraktionen geforderte Anhebung von 9 auf 15 Prozent ist anzumerken, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung die Regelung eines Arbeitsentgelts in Höhe von 9 Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße in Kombination mit gerade der Möglichkeit, durch die Arbeit die Haftzeit zu verkürzen oder sonstige Hafterleichterung zu erreichen, für verfassungsgemäß hält.
Die Aussicht, vorzeitig die Freiheit zu erlangen, hat für Gefangene einen derart hohen Stellenwert, dass sie als Mittel der Entlohnung durchaus geeignet ist, das Resozialisierungsgebot umzusetzen. Zudem ist der Wert des für die Arbeit gezahlten Arbeitsentgelts durch die vom Staat zu zahlenden Arbeitgeberbeiträge der Arbeitslosenversicherung gesteigert. Die Ansicht, dass ohne eine Änderung des Gesetzentwurfs an dieser Stelle die Verfassungskonformität höchstwahrscheinlich nicht mehr gegeben sei, wird von uns ausdrücklich nicht geteilt und der dahin gehende Änderungsantrag abgelehnt.
Die Auffassung, das Bundesverfassungsgericht habe eine Erhöhung für die Zukunft gefordert, ist der Entscheidung schlichtweg nicht zu entnehmen. Insbesondere wird durch den Verweis auf die sozialversicherungsrechtliche Bezugsgröße keine absolute Zahl, sondern ein relativer Bezug gewählt. Diese Bezugsgröße wird in der Regel zudem jährlich angepasst. Nebenbei bemerkt beträgt die Eckvergütung in allen Bundesländern 9 Prozent der Bezugsgröße. Schließlich wurde durch eine Entscheidung des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs im Jahr 2010 klargestellt, dass die aktuellen bayrischen Regelungen der Entlohnung der Gefangenen, also mit 9 Prozent, ver- fassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Im Übrigen muss man wissen, dass eine Erhöhung von 9 auf 15 Pro-
zent Mehrausgaben in Höhe von circa 1 Million Euro für das Land nach sich ziehen würde, und zwar pro Jahr.
Sehr geehrte Damen und Herren, eine Reihe der von der demokratischen Opposition aus der Anhörung aufgegriffenen Änderungsvorschläge wäre aus unserer Sicht sachlich an der einen oder anderen Stelle wünschenswert, finanziell jedoch, gelinde gesagt, nicht ohne Weiteres darstellbar. Darüber hinaus hätten entsprechende finanzrelevante Änderungen eine weitere Befassung des mitberatenden Finanzausschusses erforderlich gemacht, was wiederum die Einhaltung der engen vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Frist ernsthaft gefährdet hätte.
Ungeachtet zahlreicher inhaltlicher Differenzen möchte ich meinen Dank an die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richten, dass der Gesetzentwurf, wie übrigens auch der des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes, den wir im nächsten Tagesordnungspunkt beraten, zügig behandelt werden konnte, erlaubt dies doch die fristgemäße Umsetzung der Vorhaben aus dem eingangs erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich bitte daher auch heute hier um die Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang des Jahres hat der Spiegel einen Artikel zum Strafvollzug in MecklenburgVorpommern überschrieben mit „Der Besserungsbetrieb“. Das sind Lob und Ansporn zugleich für den vorliegenden Gesetzentwurf. Mit dem neuen Strafvollzugsgesetz werden wir die erfolgreiche Arbeit im Vollzug fortsetzen.
„Modern und innovativ“ – diese Worte beschreiben am besten, wie künftig der Strafvollzug bei uns in Mecklenburg-Vorpommern sein wird. Das ist auch das Ergebnis, zu dem der Ausschuss grundsätzlich gekommen ist, insbesondere nach der Sachverständigenanhörung.
Dabei wurde positiv hervorgehoben, dass der Gesetzentwurf auf einem gemeinsamen mit neun weiteren Bundesländern erarbeiteten Musterentwurf basiert. So wird auch unter Föderalismusbedingungen sichergestellt, dass der Strafvollzug in Deutschland unter weitestgehend gleichen Bedingungen stattfindet.
Ich bin stolz, dass die guten und bundesweit anerkannten Standards des Justizvollzuges in Mecklenburg-Vorpom- mern nun im Gesetz festgeschrieben werden. Das war mir besonders wichtig. An zwei Stellen hat der Ausschuss allerdings Diskussions- und Änderungsbedarf gesehen. Zum einen war die Frage der Entlohnung der Gefangenenarbeit ein wichtiger Punkt. Frau Drese hat es eben noch mal angesprochen und das haben wir ja auch in den Zeitungen lesen können.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung ist im Zuge der Beratungen geändert worden. Arbeitende Gefangene können nun zusätzlich Freistellungstage in Anspruch nehmen. Über die Entlohnung hinaus wird die Gefangenenarbeit damit zusätzlich anerkannt. Ich bin davon überzeugt, dass damit den Vorgaben des Bundes
verfassungsgerichts zur Gefangenenentlohnung hinreichend Rechnung getragen wird. Kritik an einem angeblich zu niedrigen Stundenlohn von 1,42 Euro weise ich ganz klar zurück.
Sehr geehrte Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Stundenlohn wird bundeseinheitlich berechnet, neun Prozent der Bezugsgröße nach Paragraf 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Diese Bezugsgröße wird jährlich angepasst. Der Tagessatz beträgt also 11,34 Euro. Dagegen sollten Sie die Kosten des Landes sehen. Jeder Häftling kostet das Land 118 Euro am Tag. Das sind rund 3.600 Euro im Monat. Ich denke, 1,42 Euro Stundenlohn sind da durchaus angemessen.
Und noch eine Anregung aus der Sachverständigenanhörung hat der Ausschuss aufgegriffen und umgesetzt. Die Voraussetzungen für die Verlegung in den offenen Vollzug werden nun konsequenter festgeschrieben. Der bereits für Lockerungen geltende positive Prüfungsmaßstab einer verantwortbaren Erprobung soll jetzt auch für die Verlegung in den offenen Vollzug gelten. Darüber hinaus gab es lediglich kleinere, redaktionelle und sprachliche Änderungen am Gesetzentwurf der Landesregierung.
Ein Punkt betrifft Vertrauenspersonen und ihre Pflicht, sich bei gewichtigen Dingen der Anstaltsleitung gegenüber zu offenbaren. Im neuen Strafvollzugsgesetz haben wir nichts anderes getan als die bereits bestehende bundesgesetzliche Regelung zu übernehmen. Geistliche und Anwälte bleiben ausgenommen. Das will ich ausdrücklich unterstreichen. Wir haben im neuen Entwurf lediglich die Berufsgruppen aufgeführt, die es betrifft, zum Beispiel Ärzte, Zahnärzte, Heilberufe, Psychologen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen.
Diese Berufsgruppen haben sich der Anstaltsleitung aber nur dann zu offenbaren, wenn erhebliche Gefahr für Leib und Leben von Gefangenen oder Dritten abzuwenden ist, bei Plänen zur Flucht oder Missbrauch von Lockerungsmaßnahmen oder bei Hinweisen auf Drogen oder verbotene Gegenstände. Das sind nur einige Punkte, die unstrittig wichtig sind für die erfolgreiche Arbeit im Vollzug.
Noch ein Vorurteil möchte ich ausräumen: Wir haben Wohngruppen im Vollzug. Die Sozialtherapie in der JVA Waldeck arbeitet zum großen Teil mit Wohngruppen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor Ihnen liegt jetzt ein Gesetzentwurf, mit dem Mecklenburg-Vorpom- mern nach dem Jugendstrafvollzugsgesetz nun auch ein modernes und innovatives Erwachsenenstrafvollzugsgesetz schafft. Damit tragen wir den Anforderungen an einen rechtsstaatlichen Strafvollzug umfassend Rechnung. Wir gießen unsere Praxis quasi in Gesetzesform. Nirgends in Deutschland ist Vollzug und Bewährungshilfe als wichtiger Bestandteil der Resozialisierung so verzahnt miteinander wie hier in Mecklenburg-Vorpommern. Und wir setzen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aus der Entscheidung zur Sicherungsverwahrung aus dem Jahr 2011 um.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen Sie jetzt den Weg frei für ein modernes und innovatives Erwachsenenstrafvollzugsgesetz und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu! – Herzlichen Dank.