Protocol of the Session on March 20, 2013

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Zum Rechtsanspruch: Ab 01.08. kommt der Rechtsanspruch. Ich habe Ihnen gesagt, dass der eigentlich schon in unserem Land Realität ist, aber wir nehmen wahr, dass immer mehr Plätze gebraucht werden. Laut Umfrage des Deutschen Institutes für Jugend, hat kein Land als Planungsgrundlage 2.500 zusätzliche Plätze. Diese Zahl ist alt, die beinhaltet nicht mal die neueste statistische Entwicklung in unserem Bundesland und die Kommunen haben diese Zahl nicht bestätigt als Planungsgrundlage. Ich habe die Kommunen aber noch mal aktuell vor einigen Wochen angeschrieben, sie sollten bis zum 15.03. melden, die Meldungen flattern jetzt sozusagen in den nächsten Tagen bestimmt ins Haus. Dann werde ich Ihnen noch mal im Sozialausschuss gerne die tatsächliche Zahl sagen, aber ich finde, weder eine Frau Schröder noch irgendein wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Institutes noch Frau Schwesig können vom Grünen Tisch in Berlin oder Schwerin entscheiden, wie viele Plätze in Demmin gebraucht werden. Das ist kommunale Selbstverwaltung. Ich vertraue unseren Landräten und Oberbürgermeistern,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und Jugendhilfeausschuss.)

dass sie diese Kita-Bedarfsplanung gut machen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jugendhilfeausschuss.)

Und diese Bedarfsplanung und diese Zahlen werden die Kommunen melden. Bisher haben sie diese Mondzahlen von 2.500 Plätzen nicht bestätigt. Ich finde, wir sollten an dieser Stelle gemeinsam mit unseren Landräten und Oberbürgermeistern zusammenarbeiten. Das Thema Kita erfährt eine gemeinsame Anstrengung von Kommunen und Land. Der Bund kann sich noch mehr anstrengen.

Und ich werbe dafür, dass wir dieses Gesetz jetzt in den nächsten Wochen hier im Landtag intensiv diskutieren, dass es aber am Ende darum gehen muss, dass wir dieses Gesetz hier im Juni auf den Weg bringen, denn es ist wichtig, dass man nicht immer nur Verbesserungen fordert, sondern auch auf den Weg bringt. Das möchte ich gerne mit Ihnen gemeinsam tun.

Ich bedanke mich bei den Regierungsfraktionen SPD und CDU, die diese Vorschläge der SPD im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben und die vor allem mit dem Haushalt dafür sorgen,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

dass wir diese Vorschläge auch finanziell unterlegen können. Vielen Dank!

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, Jochen Schulte, SPD, Vincent Kokert, CDU)

Dieses Gesetz ist wichtig für die Kinder in unserem Land, dieses Gesetz ist wichtig für die Eltern in unserem Land und dieses Gesetz ist vor allem wichtig für die Fachkräfte in unserem Land. Lassen Sie uns in den nächsten Wochen gemeinsam diskutieren, aber dann dieses Gesetz auf den Weg bringen, damit wirklich bei den Kindern vor Ort mehr ankommt. Sie haben es verdient. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Und ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bernhardt für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Uns liegt heute die Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes der Landesregierung vor. Mit dieser Novelle gehen wir richtige Schritte in die richtige Richtung, zum Beispiel bei der längst überfälligen Senkung des Betreuungsschlüssels im Kindergartenbereich von 1 : 17 auf 1 : 15. Ebenfalls ein richtiger Schritt ist die Erhöhung des Grundbetrages um 25,16 Euro pro Jahr und die jährliche Dynamisierung von zwei Prozent. Ein richtiger und wichtiger Schritt ist auch der Wille, das Finanzierungssystem vereinfachen zu wollen. Ob dies mit den angedachten Änderungen gelingen wird, bleibt im Gesetzgebungsverfahren beziehungsweise in der Praxis zu erproben. Positiv ist ebenfalls zu bewerten, dass die Entlohnung der Erzieherinnen und Erzieher und der sonstigen in der Kindertagesförderung Beschäftigten verbessert werden soll. So wird für diesen Bereich eine Untergrenze von 8,50 Euro festgelegt. Das sind alles wichtige Schritte, die die drängendsten Probleme der Praxis aufgreifen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt aber auch ein Aber. Aber was wir als Linksfraktion an diesem Gesetz

entwurf kritisieren, ist die verpasste Chance, a) weitere aktuelle Probleme aufzugreifen und Lösungen anzu- bieten und b) die Kindertagesförderung langfristig aus- zurichten.

Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst auf die aktuell drängenden Probleme eingehen. Ja, Sie geben viel Geld für die Kitas aus, aber dennoch bleibt das größte Problem in der Kindertagesförderung die unzureichende Ausfinanzierung durch die Landesmittel. Das Land setzt mit dem alten und auch mit dem neuen KiföG wichtige Standards fest, zum Beispiel den Betreuungsschlüssel oder die Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit. Aber diese Standards sind nicht ausfinanziert. Das bringt die Landkreise und kreisfreien Städte vor Ort in Gefahr, dass sie die Standards des KiföG nicht erfüllen können.

Ein Beispiel dazu: Ich bin Mitglied im Jugendhilfeausschuss im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Als wir die Satzung zur Umsetzung des Kindertagesförderungsgesetzes besprochen haben und es um Personalschlüssel zur Umsetzung des Betreuungsschlüssels ging, konnten wir diesen nicht realisieren, einfach weil uns dafür das Geld fehlte. Im Krippenbereich beispielsweise konnten wir einen Personalschlüssel von 1,1 : 6 annehmen. Wir wussten genau, dass dieser nicht ausreicht, um Ausfallzeiten wie Krankheit, Urlaub oder Fort- und Weiterbildung auszugleichen, aber uns fehlte einfach das Geld. Das ist kein Einzelbeispiel. In anderen Landkreisen und kreisfreien Städten sieht es nicht anders aus.

Wir haben das übrigens dem Sozialministerium gegenüber angezeigt. Antwort bis jetzt – null. Diese Probleme werden einfach ignoriert und auch in dieser KiföGNovelle wird dazu nichts gesagt. Die Beträge für die mittelbare pädagogische Arbeit erhöhen sich marginal um 160.000 Euro in diesem Jahr und 382.000 Euro im nächsten. Das heißt, die bereits jetzt bestehende Unterfinanzierung bleibt weiterhin bestehen. Die Landesregierung hat die richtigen Erkenntnisse – das stimmt –, zahlen aber müssen es die Kommunen vor Ort und die Eltern. Und das geht so nicht.

(Torsten Renz, CDU: Sie haben so gut angefangen. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Ob die Standards umgesetzt wurden, wird vom Sozialministerium auch nicht kontrolliert. Und wenn uns dann im Sozialausschuss des Landtages gesagt wird, die Landkreise und kreisfreien Städte könnten die Pauschalen flexibel einsetzen, sodass es nicht zu einer Unterfinanzierung kommt, dann frage ich: Woher wollen Sie das denn wissen? Hinweise aus den Landkreisen und kreisfreien Städten sprechen eine andere Sprache. Die Landesregierung aber geht diesen Hinweisen nicht nach. Ich zitiere: „Eine zielgerichtete Steuerung des Mitteleinsatzes sowie eine Kontrolle, ob die Voraussetzungen bei einzelnen Zuweisungsarten erfüllt sind bzw. die Mittel entsprechend der Vorgaben des KiföG M-V verwendet werden, findet durch das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales nicht statt.“ So heißt es im Bericht des Landesrechnungshofes vom Dezember 2012.

Dabei hätten Sie bereits jetzt die Möglichkeit nach Pa- ragraf 23 KiföG, sich von den Landkreisen und kreisfreien Städten Auskünfte zur Qualitätssicherung einzu- holen. Aber das unterlassen Sie. Und das unterlassen

Sie deshalb, weil Sie es dann schwarz auf weiß hätten, dass das gesamte Finanzierungssystem eben nicht ausreicht

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

und es letztendlich die Erzieherinnen und Erzieher und auch die Kinder in den Kindertageseinrichtungen ausbaden müssen. Wer bestellt, muss aber auch bezahlen. Es nützen die besten Standards nichts, wenn das Geld nicht reicht.

(Torsten Renz, CDU: Fürs Protokoll: zaghafter Applaus. – Peter Ritter, DIE LINKE: Dümmliche Bemerkung.)

Jetzt werden Sie mir entgegenhalten, dass Sie schon viel Geld in die Kita-Tagesförderung stecken und wir nicht mehr Geld haben. Mir fielen da sofort 5 Millionen Euro ein, die man für die Ausfinanzierung nutzen könnte. Das sind die 5 Millionen Euro jährlich, die wir für das DESK-Verfahren verwenden. Das DESK-Verfahren ist ein Diagnoseverfahren neben den bestehenden Beobachtungsverfahren, das die Förderbedarfe der Drei- bis Sechsjährigen feststellt.

Nun kann man zu diesem Verfahren inhaltlich stehen, wie man will, ob es gut ist, nur auf die Schwächen der Kinder zu schauen. Was aber zu kritisieren ist, ist die Ungleichbehandlung, zu der diese zusätzliche Landesförderung für dieses Verfahren in Höhe von 5 Millio- nen Euro führt. In allen Kitas gibt es bereits durch das KiföG festgeschrieben die alltagsintegrierte Beobachtung, die durch verschiedene Verfahren durchgeführt wird. Durch diese Verfahren werden die Stärken und Schwächen aller Kinder beobachtet und dokumentiert. In zehn Prozent der Einrichtungen in Mecklenburg-Vor- pommern gibt es daneben das DESK-Verfahren.

In der Anhörung im Sozialausschuss am 06.03.2013 sprachen sich alle Anzuhörenden für eine Gleichbehandlung der Beobachtungs- und Diagnosesysteme in den Kindertageseinrichtungen aus, also gegen die zusätzliche Finanzierung von 5 Millionen Euro für das DESKVerfahren. Und diese zusätzliche Förderung hat ganz praktische Auswirkungen.

Ich möchte das einmal an einem Beispiel verdeutlichen: Stellen wir uns zwei Kinder vor mit dem gleichem Förderbedarf. Das eine Kind besucht eine Kita, in der das DESK-Verfahren angewandt wird, und das andere Kind besucht eine Kita, wo das nicht angewandt wird. Bei gleichem Förderbedarf würde das Kind, das eine Kita besucht, die das DESK-Verfahren anwendet, besonders individuell gefördert werden, da die Kita entsprechend finanziell ausgestattet wird durch die Landesförderung. Zum Beispiel wäre es möglich, eine zusätzliche Erzieherin einzustellen, die sich genau mit den Förderbedarfen der Kinder beschäftigt. Das Kind nun in der Kita, die dieses Verfahren nicht anwendet, würde keine zusätzlichen Mittel erhalten und keine zusätzliche Förderung – und das bei gleichem Förderbedarf.

Das, meine Damen und Herren, ist eine Ungleichbehandlung von Kindern, die wir nicht akzeptieren können. Man könnte diese Ungleichbehandlung aufheben, indem wir zum Beispiel das DESK landesweit anwenden. Aber das ist einfach nicht möglich, weil uns hierfür das Geld fehlt. Das hat selbst der Bildungsminister im Bildungsaus

schuss erzählt. Das ist für mich eine Ungleichbehandlung, die jeglicher Grundlage entbehrt und die beseitigt werden muss.

(Torsten Renz, CDU: Und wie wollen Sie mit dem Punkt jetzt umgehen?)

Wenn es um die individuelle Förderung unserer Kinder geht, dann müssen alle gleich gefördert werden, egal in welche Kindertageseinrichtung sie gehen und egal welches Beobachtungs- und Diagnoseverfahren in den Kitas angewendet wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.)

Sie wollen Vergleichbarkeit der Kinder, meine Damen und Herren, der Regierungsfraktionen? Dann sorgen Sie erst mal für gleiche Bedingungen in den Kindertageseinrichtungen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: Genau.)

Wir sagen deshalb: Die 5 Millionen Euro wären zur Behebung der Unterfinanzierung im Sinne aller Kinder besser angelegt. Das käme allen Kindern zugute und nicht nur einigen wenigen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist ein konkreter Vorschlag.)

Was ebenfalls versäumt wurde, an aktuellen Problemen zu lösen, ist die Elternarbeit, wo sie Ihnen doch so wichtig ist. Gerade aktuell stellte der 14. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung fest, dass „die Elternarbeit zu einem wesentlichen Qualitätsmerkmal in Institutionen geworden“ ist. „Will man alle Kinder so gut wie möglich fördern und befähigen, müssen alle Eltern wertschätzend einbezogen werden.“ So heißt es da. Das kann ich leider nicht erkennen.

Wir haben in Paragraf 8 KiföG die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern festgeschrieben. In der Praxis fehlt es sowohl auf Kreis- als auch auf Landesebene an Mitwirkungsmöglichkeiten. Die Eltern können zwar Kreis- und Landeselternbeiräte schaffen, aber sie können die Interessen nicht in den Kreis- und Landjugendhilfeausschüssen vertreten. Sie sind als Mitglied nicht vorgesehen. So fehlen den Elternräten oftmals Informationen seitens des Landes oder der Kreise oder kreisfreien Städte, was aktuell in der Kita-Landschaft politisch besprochen wird. Dementsprechend können Eltern auch gar nicht oder erst recht spät an der Erarbeitung von Richtlinien oder gar Gesetzen mitwirken. So viel zum Thema, die Novelle sei für die Eltern.

Sehr geehrte Damen und Herren, kommen wir zu der grundsätzlich mangelhaften langfristigen Ausrichtung der KiföG-Novelle an sich. Ich möchte zitieren: „… zur Attraktivität unseres Landes gehört, dass wir das Kinderland M-V sind, dass wir ein hervorragendes Angebot für Familien haben. Schon heute gehört das Kinderbetreuungssystem in Mecklenburg-Vorpommern zu den besten in Deutschland. … Chancengleichheit bedeutet vor allem mehr Bildung, denn Bildung sichert Aufstiegschancen. Wir brauchen deshalb gute vorschulische Bildung schon in den Kitas.“ Diese schönen Sätze sagte Herr Sellering 2008 in seiner Regierungserklärung.

Herr Sellering, keine Frage, wir haben in MecklenburgVorpommern sehr viele Kinder, die die Kitas besuchen, 97 Prozent bei den Drei- bis Sechsjährigen beispielsweise. Was wir aber bestimmt nicht haben, ist eines der besten Kindertagesförderungssysteme in Deutschland. Da sprechen die Fakten einfach eine andere Sprache. Die ostdeutschen Länder beispielsweise, mit denen wir uns aufgrund unserer Geschichte am ehesten vergleichen können, haben alle bessere Betreuungsschlüssel. Wir liegen an der hintersten Stelle beim Betreuungsschlüssel in ganz Deutschland. Wenn wir aber gute vorschulische Bildung wollen, brauchen die Erzieherinnen und Erzieher vor allem Zeit. Dafür brauchen wir bessere Betreuungsschlüssel.

(Vincent Kokert, CDU: Aber darüber verhandeln wir doch gerade.)

Im Kindergartenbereich.

(Vincent Kokert, CDU: Na ja, was?!)

Aber hier wird wieder nur ein kleiner Schritt gegangen – die Senkung auf 1 : 15 im Kindergartenbereich –, ein längst überfälliger.

(Torsten Renz, CDU: Das muss ja auch alles bezahlbar bleiben.)