Auch wenn jedem die prognostizierte Bevölkerungs- entwicklung bekannt sein dürfte, möchte ich nochmals darauf verweisen: Bis zum Jahr 2030 – und das ist völlig unabhängig, egal auf welche Prognose wir dort zurückgreifen – wird ein Rückgang von bis zu 22,5 Prozent erwartet. Wenn wir einzelne Landkreise betrachten, können wir sogar mit bis zu 38 Prozent rechnen. Einzig und allein die zwei Universitätsstädte Rostock und Greifs- wald werden einen geringen Bevölkerungszuwachs erwarten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, spätestens bei der Betrachtung dieser Zahlen dürfte jedem klar sein, dass die Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern rechtzeitig auf den demografischen Wandel vorbereitet werden müssen.
Oh, da wart ihr ja nicht ganz unmaßgeblich beteiligt, liebe Kollegin Borchardt. Das war nett, dass Sie mich drauf ansprechen. Ich wollte das so gar nicht sagen, weil laut Ihren eigenen Forderungen sollte die Debatte unter der Fahne der Sachlichkeit laufen. Aber Sie können mich gerne zu dem Thema Polizeistrukturen konsultieren und zu Ihrer Rolle beim Abbau von 20 Prozent Polizistinnen und Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern.
Und wenn ich mich recht entsinne, lieber Kollege Ritter, waren Sie das, der mit der Fahne der Demografie vorneweggelaufen ist.
Ich versuche, Ihr Bedürfnis nach einer sachlichen Debatte zu befriedigen. Niemand bezweifelt im Übrigen die Notwendigkeit zukunftsfähiger Strukturen und ich glaube, nicht mal Sie, Kollege Ritter.
Für und gegen die Gerichtsstrukturreform wurden von Sachverständigen zahlreiche Argumente vorgetragen und es hat bereits Veränderungen zum ursprünglichen Reformentwurf gegeben, Herr Holter.
Also wenn Sie sagen, die Kritik der Fachverbände wurde nicht ernst genommen, dann kann ich mich sehr wohl daran erinnern, dass es Kritik an der Standortveränderung der Verwaltungsgerichtsbarkeiten zum Vorentwurf gab, dass es zum Thema Sozialgerichtsbarkeit Kritik gab, zur Arbeitsgerichtsbarkeit und es wurde sehr wohl schon aufgenommen.
Sie bezogen sich auf die Koalitionsvereinbarung. Ich weiß nicht, wo Sie Ihr Wissen her beziehen, ich auch nur aus den Medien im Übrigen. Dort standen immer acht plus zwei und jetzt reden wir über zehn plus sechs. Also auch dort hat es Veränderungen gegeben – nicht so, wie Sie es sich wünschen, aber immerhin, es gab Veränderungen.
Bisher waren in der öffentlichen Diskussion drei unterschiedliche Positionen erkennbar. Ich möchte die ganz kurz mal skizzieren:
Die erste Position lehnt jegliche Veränderung der Gerichtsstruktur ab. Das könnten wahrscheinlich Sie sein.
Sachargumente wie demografische Entwicklung, Zukunftsfähigkeit und Ausrichtung an den Grenzen der kommunalen Gebietskörperschaften werden dabei gänzlich ausgeblendet.
Die zweite Position befürwortet den vorliegenden Reformentwurf als sachgerecht und aufgrund der Herausforderungen des demografischen Wandels als notwendig, damit auch langfristig die Qualität der Rechtsprechung im Land gesichert wird. So äußerte sich beispielsweise die Vereinigung der Unternehmensverbände und mein Kollege Heinz Müller hat auch auf die IHK Rostock abgestellt.
In der Diskussion kristallisierte sich dann schließlich noch eine dritte Position heraus – und das mag überhaupt nicht verwundern –, die nicht das Ob der Reform, sondern das Wie der Reform, also die Frage der Umsetzung kritisch hinterfragte. Der Reformbedarf wird also hier auch grundsätzlich gesehen.
Insofern, meine lieben Damen und Herren, so, wie ich diese politischen Meinungsäußerungen überblicke – und ich sage, ich habe sie stark reduziert auf drei Positionen –, sind hier im Plenum alle drei Auffassungen vertreten. Insofern freue ich mich auf eine interessante Diskussion im Rechtsausschuss. Die CDU-Fraktion bittet um Überweisung. – Danke.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Das war ja mehr als dürftig.)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Erlaubnis der Präsidentin, wie ich hoffe, zitiere ich aus der „Ostsee-Zeitung“, Lokalausgabe „Rügener Zeitung“, vom 22. Februar 2011, ein halbes Jahr vor der letzten Landtagswahl: Überschrift des Artikels „Amtsgericht Bergen hat neuen Direktor und gute Perspektiven“. Aus dem Text: „Justizministerin begrüßt Michael Lüdtke in Leitungsposition. Kuder macht sich für Ausbau der Behörde auf Rügen für drei Millionen Euro stark. Personalabbau soll milde ausfallen.“ Und: „Die
Ministerin erfreute Rügens neuen Amtsgerichtsdirektor, der Rainer Eggers nachfolgt, dennoch mit guten Nachrichten: Sie werde sich für den Ausbau des Hauses in der Schulstraße einsetzen. Das Gerichtsgebäude soll um das angrenzende alte Gefängnis erweitert werden. Die derzeit leerstehende Immobilie müsse aber für etwa drei Millionen Euro grundsaniert werden, betonte die Ministerin und versprach: ,Ich werde im Landtag nachdrücklich um Mittel für dieses Projekt kämpfen.ʻ“
Ich war zu der Zeit auch im Landtag, diesen Kampf habe ich irgendwie verpasst, aber vielleicht liegt es ja an mir.
Weiter das Zitat: „Nach aktuellem Stand könnten 2013 erste Mittel für den Umbau des alten Gefängnisses zur Verfügung stehen.“ Und: „Die Sanierung dürfte eines der ersten großen Projekte in Lüdtkes Amtszeit werden.“
In einem Kommentar zu diesem Bericht mit der Überschrift „Insel-Zentrum gestärkt“ schrieb der Journalist Alexander Loew, Zitat: „Die gestrige Inthronisierung des neuen Bergener Amtsgerichtsdirektors birgt auch diese Kernaussage: Die Justiz stärkt den Behördenstandort Bergen, bekennt sich zum eigenständigen Amtsgericht auf der Insel. Nachdem dessen Spitze mit Thomas Ehlers gut 15 Monate nur kommissarisch besetzt gewesen war, hatten viele befürchtet, Bergen könne zur Außenstelle von Stralsund degradiert werden. Nun scheint die Zukunft für knapp 60 Mitarbeiter in einem Haus, das sogar erweitert werden soll, sicher. Vor dem Hintergrund, dass Rügen schon mit der Gebietsreform große Teile der Kreisverwaltung verlieren dürfte, eine wirklich gute Nachricht.“ Zitatende.
So kann man sich irren. Man muss nicht jede Jubelmeldung glauben, die in der Zeitung steht, wobei hier die Zeitung allerdings nicht schuld war.
Im Entwurf des Gerichtsstrukturneuordnungsgesetzes, der hier vorliegt, ist nun aber im Gegensatz zu diesen vollmundigen Versprechungen zu lesen, dass das Amtsgericht Bergen nun noch einmal als selbstständiges Amtsgericht aufgehoben werden soll. Lediglich eine Zweigstelle des Amtsgerichtes Stralsund wird in Bergen verbleiben.
Was ist da passiert in dem halben Jahr zwischen Kuders Auftritt im Februar 2011 in Bergen mit all den großartigen Verheißungen und der Landtagswahl am 4. September, nach der sehr schnell von einer notwendigen Gerichtsstrukturreform die Rede war inklusive der Dezimierung der Amtsgerichte? Hat die Justizministerin Urlaub in Damaskus gemacht und ist sie auf der Straße nach Damaskus von einem Blitz getroffen worden und eine Stimme aus dem Himmel hat ihr gesagt, sie müsse jetzt einen ganz anderen Kurs einschlagen?
Was Neues kann ihr diese Stimme kaum mitgeteilt haben. In der Begründung des Gesetzentwurfes wird der demografische Wandel bemüht. Von dem wusste man auch schon im Februar 2011, das ist keine große neue Erkenntnis. Und dass mittels der sogenannten Reform in den nächsten 25 Jahren circa 33 Millionen Euro eingespart werden könnten, wie es in der Begründung heißt, auch das müsste schon ein halbes Jahr vor der Landtagswahl klar gewesen sein, wenn es denn wahr sein sollte.
im Februar 2011, dass sie ein Loch im Zahn hatte, hat aber trotzdem behauptet, sie hätte das beste Gebiss der Welt und sie würde kraftvoll zubeißen für die Justiz auf Rügen,
und nach der Landtagswahl sagt sie, tut mir leid, ich muss doch zum Zahnarzt. Was ist das? Das ist ein klassischer Fall von Wahlbetrug. CDU und SPD haben sich den Wahlsieg arglistig erschlichen, denn all das hätten sie schon vorher wissen müssen. Einen vernünftigen Grund für die Beseitigung so vieler Amtsgerichte können Sie nicht liefern.
Zu vertreten wäre ein solcher Abbau der Justiz nur, wenn wir wie in Zypern oder Griechenland kurz vor dem Finanzkollaps stünden. In einer so verzweifelten Situation müsste man in der Tat auf alles verzichten, das nicht unmittelbar überlebenswichtig wäre, auch wenn mancher Bürger dann 100 Kilometer zum nächsten Amtsgericht zu pilgern hätte oder meinetwegen auch zum Südpol.
Wenn die Lage so ernst ist, möge die Landesregierung dies ganz offen zugeben. Aber sie behauptet ja immer, alles wäre super und der Haushalt befände sich in bester Ordnung. Warum dann diese panische Notabschaltung großer Teile der Justiz?
Und der demografische Wandel, der soll doch angeblich eine tolle Chance für das Land sein. Manche würden Mecklenburg-Vorpommern am liebsten umbenennen in Mecklenburg-Florida, denn verheißen wird die Zuwanderung zahlreicher vermögender älterer Bürger, die hier ihren Ruhesitz errichten und viel Geld mitbringen würden und das ganze Land in ein Paradies verwandeln würden. Eine blühende Pflegeindustrie würde entstehen im Gesundheitsland Nummer eins Europas, tolle Sache. Warum dann verzweifelte Sparmaßnahmen? Und wie kommt die Landesregierung darauf, dass bei einer älteren Bevölkerung weniger rechtliche Probleme oder Streitigkeiten auftreten würden? Sie mögen anderer Art sein als bei Jugendlichen, aber nicht zwingend von geringerer Zahl.
Wenn uns nichts Wesentliches verschwiegen wird, ist nichts zu sehen, das die erheblichen Nachteile, die mit einer solchen Ausdünnung des Justizwesens einhergehen, in nachvollziehbarer Weise rechtfertigen könnte. Und was das Versprechen von den Zweigstellen angeht, die angeblich bleiben sollen, so halte ich das etwa für genauso glaubwürdig wie die Verheißung von Frau Kuder auf Rügen im Februar 2011. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte in der Ersten Lesung zur Gerichtsstrukturreform war schon sehr interessant, und das auch deshalb, weil aus unserer Sicht die Begründung für die Durchführung dieser Reform nach wie vor hinkt, und zwar nicht nur auf einem Bein, sondern mit beiden Füßen. Das haben wir hier deutlich gesagt. Ich will auch ganz deutlich sagen, wir haben uns nie gegen eine Reform gewandt,
eine Reform, die auf vernünftigen Zahlen beruht und die vom Prinzip her dann auch entsprechend mit den Fachleuten abgesprochen werden kann, was man dementsprechend auch tun kann. Wenn man sich das jetzt aber anguckt, was Sie hier vorlegen, heißt es vom Prinzip her zehn Amtsgerichte, sechs Zweigstellen. Und Sie sagen deutlich, dass sie das im Gesetz geregelt haben wollen.
Ich will jetzt was zu Herrn Müller sagen: Herr Müller, ich glaube, Sie können sich nicht in Menschen versetzen, für die 30 Kilometer, die sie zu überwinden haben zum nächsten Amtsgericht, schon sehr viel Geld bedeuten, weil das, was Sie hier dargestellt haben, ist, glaube ich, auch eine Nichtachtung unserer Strukturen im ländlichen Raum. Ich finde das schon ein bisschen sehr überheblich.
Sie haben dann gesagt, wir haben zu den anderen Vorhaben der Regierung in dem Gesetz nichts gesagt. Arbeitsgerichtsbarkeit – da ist das Ministerium, denke ich, auf die Vorhaben eingegangen, auch auf die Proteste, die teilweise ergangen sind. Die Fachgerichtsbarkeit ist teilweise ganz und gar herausgenommen, bis auf das, worüber sich die Fachgerichtsbarkeit geeinigt hat, und nach wie vor ist unter Beschuss die sogenannte Verlagerung des Landessozialgerichtes nach Neustrelitz. Dazu werde ich nachher noch etwas sagen.