Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde die Aufgeregtheit von der Kollegin ein bisschen beruhigen und werde versuchen, Ihnen darzustellen, wie und an welchen Themen wir arbeiten.
Jawohl, unbestritten ist, dass die hohen Dispozinsen, die zurzeit von den Banken, insbesondere von den Privatbanken, erhoben werden, ein echtes Ärgernis dar- stellen, gar keine Frage. Und das gilt insbesondere in einer Phase, wo wir uns in einem Niedrigzinsbereich befinden. Die Banken können sich gegenwärtig, das ist hier eben schon angedeutet worden, von der EZB das Geld für einen Zinssatz – zum Glück ist der nicht genannt worden – von 0,75 Prozent leihen.
Auf der anderen Seite haben sie zum Teil um bis zum 15-Fachen oder bis zum 25-Fachen erhöht und die Dispozinsen laufen tatsächlich in manchen Bereichen bis auf 18,75 Prozent hinaus. Obendrein können dann noch Zinseszinsen berechnet werden.
Die Fraktion DIE LINKE fordert in ihrem Antrag eine gesetzliche Deckelung der Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das ist seit Langem auch meine Position. Daraus habe ich überhaupt keinen Hehl gemacht. Nicht umsonst sind wir ausdrücklich, Frau Rösler, auf der letzten Verbraucherschutzministerkonferenz der Protokollerklärung, die dort stattgefunden hat, beigetreten als Land Mecklenburg-Vorpommern und da- mit hat sich die Mehrheit der Länder ganz klar für gesetzliche Regelungen ausgesprochen. Das ist Beschlusslage der Verbraucherschutzministerkonferenz. Sie zitieren hier irgendetwas, was so den Tatsachen nicht entspricht.
Es ist auch kein Geheimnis, dass die CDU das etwas anders sieht. Sie ist, also die CDU ist davon überzeugt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende selbst das Thema in der Hand haben,
und heben damit auf die Selbstverpflichtung der Banken ab. Ich sehe das differenziert anders und ich habe auch ausdrücklich immer wieder Frau Aigner als Bundesverbraucherschutzministerin aufgefordert, endlich mit den Banken für Lösungen zu sorgen.
Sie hat dann am 2. Oktober 2012 bei einem Spitzentreffen mit den Vertretern der Deutschen Kreditwirtschaft, aber auch der Bundesverbraucherzentrale, mit denen wir sehr eng in Kontakt stehen, und der Stiftung Warentest dazu eingeladen. Aber es ist nichts dabei herausgekommen außer einer halbherzigen Absichtserklärung, die dabei verabschiedet worden ist. Ich bedauere das und ich hätte erwartet, dass gerade auf Bundesebene dieses Thema insgesamt mit der Kreditwirtschaft endlich zum Erfolg führt. Man will zukünftig besser über Konditionen für Dispo- und Überziehungskredite informieren und natürlich auch überschuldete Kunden umschulden in zinsgünstige Ratenkredite, dieses anbieten und besser mit den Schuldnerberatungsstellen zusammenarbeiten.
Aber ich behaupte, die einfache Gleichung, mehr Transparenz führt damit auch zu mehr Wettbewerb, wird so nicht funktionieren. Gerade – Sie haben das richtigerweise auch angedeutet – für ältere Menschen im ländlichen Raum, aber auch für viele verschuldete Bankkunden ist ein Wechsel zu einer zinsgünstigeren Bank nicht so leicht zu machen. Und ich sage hier auch ganz bewusst noch mal, ich bin froh, dass es uns gelungen ist, das 3-Säulen-Modell zu erhalten. Wenn es nach dem einen oder anderen gegangen wäre, insbesondere der CDU, dann hätte es gegebenenfalls keine Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern mehr gegeben. Ich glaube, auch das,
Ich sage das hier in aller Klarheit, ich bin froh darüber, dass wir dieses 3-Säulen-Modell, das heißt die öffentlichrechtlichen, die genossenschaftlichen und die Privatbanken nach wie vor in Deutschland haben und wir damit zumindest auch die Möglichkeit des Wechsels haben.
Im Übrigen, der eine oder andere von Ihnen wird wahrscheinlich auch im Verwaltungsrat von Sparkassen oder von Genossenschaftsbanken sitzen. Das heißt, Sie haben selber auch ein Stückchen Mitverantwortung.
Aber ich will auch herausarbeiten, das Hauptproblem – das darf man hier sagen – ist natürlich auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer wieder zu sehen. Die häufigsten Auslöser für eine Überschuldung bei Privatpersonen war im Jahr 2011 im Übrigen leider – ich betone das immer wieder – die Arbeitslosigkeit. 8 Prozent der beratenen Personen war zu Beginn der Verschuldungsberatung noch nicht mal 25 Jahre alt. Auch das gehört dazu. Gerade junge Generationen aufzuklären und mit dazu zu tun, dass man eben nicht in dieses Desaster hineinkommt, halte ich für ausdrücklich notwendig. Eine unwirtschaftliche Haushaltsfüh- rung war im Übrigen in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich häufig und der Auslöser auch für diese Notsituation.
Die durchschnittliche Verschuldung der Menschen, die von einer Schuldnerberatungsstelle betreut werden in Mecklenburg-Vorpommern, lag 2011 bei fast 35.000 Eu- ro. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Bei den unter 25-Jährigen lag die Verschuldung
zu dem Zeitpunkt schon im Durchschnitt bei 7.700 Euro. Das heißt, die Verantwortung eines jeden Einzelnen ist da natürlich auch mit zu betrachten.
Eine seriöse Schätzung hat es bisher kaum gegeben und ist auch nicht vorgenommen worden. Jedoch wissen wir aus entsprechenden Untersuchungen und Studien, dass rund die Hälfte der Haushalte in Deutschland zum gelegentlichen Dispokredit greift und dieses auch regelmäßig nutzt, jeder Dritte davon sogar mehr als sechsmal im Jahr. Oft sind es nur kleine Limitüberschreitungen, die dann natürlich auch zu diesem Ärgernis führen. Aber in vielen Fällen geht es um Hunderte oder Tausende Euro Dispokredit, sodass in Durchschnittssätzen von zehn Prozent und mehr die Schuldenfalle schnell, ja sehr schnell zuschnappt. Wir sprechen hier sehr wahrscheinlich auch von Geldbeträgen im dreistelligen Millionenbereich, sogar vielleicht um einen einstelligen Milliardenbereich. Und was das für ein Desaster für viele Bürgerinnen und Bürger darstellt, das ist hier angeklungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von den LINKEN, in der Sache bin ich bei Ihnen. Bezüglich der Forderung nach einer gesetzlichen Deckelung des Zins- niveaus gilt es genauestens abzuwägen. Sie haben auch angedeutet, dass Sie da verhandlungsbereit sind beziehungsweise gewisse Ideen haben. Im Bericht des IfS beziehungsweise auch vom ZEW heißt es klipp und klar: Zinsobergrenzen können generell nur extreme Preise vermeiden. Sie sind kein Garant für ein Sinken des durchschnittlichen Zinsniveaus. An anderer Stelle formuliert der Bericht im Übrigen auch, es dürfte zu erwarten sein, dass viele Banken ihre Kostenstruktur dann anpassen werden und die Mindereinnahmen durch höhere Kontoführungsgebühren oder zusätzliche Kosten an anderen Stellen kompensieren werden. Und damit wäre – ich glaube, Sie sehen das auch nicht anders – überhaupt keinem geholfen. Da wird die Allgemeinheit das auch noch wieder zu bezahlen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau hier sind wir eigentlich beim springenden Punkt angelangt. Es sollte uns allen im Großen wie im Kleinen darum gehen, das Entstehen beziehungsweise das Anwachsen von Schulden möglichst zu vermeiden. Dass heute Banken, das hören wir auch, mit dem sogenannten Industriegeschäft arbeiten und letzten Endes mit Geld Geld verdient werden soll, das ist wohl das Hauptproblem. Das Hauptproblem bei den Dispozinsen und -krediten ist nämlich nicht nur der mitunter wucherisch anmutende Zins, sondern ist der Gesamtumgang.
Herr Minister, gehen Sie mit mir überein, dass das, was Sie als ausweglose Situation darstellten, dass dann über die Gebühren abgegriffen wird, auch nur deswegen logisch ist, weil der Staat eben die Banken nicht bankrottgehen lässt, sondern notfalls auch noch Milliarden nachschießt, dass sie diese Praxis weiter praktizieren können?
den Banken Kredite oder eben auch, wenn man es so will, Geldmittel herausgegeben werden, und das letzten Endes durch die Allgemeinheit dann wieder aufzubringen ist. Darin sehe ich das Hauptproblem.
Herr Minister, damit sagen Sie ja, dass das Risiko, was die Banken eingehen – habe ich Sie da richtig verstanden? –, ganz einfach dadurch delegiert wird, indem man dann eben die Gebühren beziehungsweise die Zinsen erhöht für die Ausfälle, die entstehen, und damit wiederum das sich bestätigt, was ich hier zu bedenken gab?
Also ich sage noch mal, ich glaube, wir müssen uns auch die unterschiedlichen Modelle sehr genau anschauen. Wenn Sie sich das bei den Privatbanken anschauen, habe ich ein differenziertes Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen und den Genossenschaftsbanken. Ich glaube, dass da eigentlich die Möglichkeit besteht, auch durch die Gremienvorbehalte, mit den Verwaltungsräten in einem breit gestreuten Mix des Eigentums oder der Einkommensstruktur, und sehr wohl Handlungsspielräume möglich sind.
Deswegen will ich auch gleich noch mal ansetzen, um auf die Frage vielleicht ein bisschen zu antworten, die hier im Raum steht insgesamt. Gerade weil die Banken ihren Kunden Beträge bis zum Dreifachen des Nettoeinkommens einräumen, werden vor allen Dingen natürlich auch unbedarfte oder leichtsinnige Verbraucherinnen und Verbraucher dazu verleitet, dieses Angebot anzunehmen und letzten Endes damit in die Falle zu tappen. Auch das gehört dazu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was wir brauchen, ist nicht allein eine gesetzliche Regelung, aber die auch, die insbesondere natürlich dem Dispozins eine Obergrenze setzt oder an geeigneten anderen Variablen anknüpft. Was wir auch brauchen, ist vor allen Dingen eine andere Kultur des Umganges der Banken mit ihren Kundinnen und Kunden und damit den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das setzt natürlich mehr Transparenz voraus und natürlich auch, was die Konditionen insgesamt betrifft. Das bedeutet vor allen Dingen, dass die Banken ihren Kunden seriöse, das heißt real rückzahlbare Kreditrahmen setzen müssen.
Natürlich wird hier mit dem Geld ein Geschäft gemacht und das Geld ist heute eine Ware wie alles andere auch. Und das ist für mich in weiten Teilen nicht seriös, was Banken hier abhalten. Die Banken dürften Überziehungskredite nur auf Anfrage einräumen. Auch das haben wir in unseren Diskussionen in der Verbraucherschutzministerkonferenz ausdrücklich angesprochen,
ähnlich wie das, was wir im Übrigen beim Internetgeschäft durchgesetzt haben, dass Verträge nur zustande kommen, wenn man darüber aufgeklärt worden ist. Ich glaube auch, wir müssen ausdrücklich dahin kommen, dass überschuldeten Kundinnen und Kunden eigene Angebote zur Umschuldung gemacht werden oder ein
Dies alles wären Maßnahmen, die man heutzutage von sozial verantwortungsbewussten Unternehmen erwarten kann, ja erwarten muss, die aber offensichtlich viel zu wenig angeboten werden. Auch das nehmen wir gemeinsam zur Kenntnis. Die Banken stehen hier in einer Bringepflicht, auch das ist mir wichtig, und angesichts der Rahmenbedingungen der aktuellen Finanzkrise auch in einer besonderen moralischen Verantwortung, ihre Kunden aufzuklären, immer wieder aufzuklären. Schließlich hat der Steuerzahler in den vergangenen Jahren eine erhebliche Finanzlast zur Absicherung des Bankensektors aufgebürdet bekommen. Auch das habe ich am Anfang gesagt.
Wichtig ist auch, das Bewusstsein bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu schärfen, um unnötige Schulden zu vermeiden. Ein solches Bewusstsein zu bilden, muss schon bei den Heranwachsenden anfangen, in den Familien und in der Schule weitergeführt werden. Auch das ist mir wichtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht darum, dass man Menschen, die unverschuldet in finanzielle Not geraten sind, nicht helfen soll, natürlich muss da geholfen werden. Dafür gibt es aber verschiedenste Instrumente und nicht selten sogar zum Glück heute Alternativen. Ich glaube, man darf sagen, das, was wir in den letzten Jahren mit der Verbraucherzentrale an intensiver und hervorragender Zusammenarbeit entwickelt haben, zahlt sich da auch aus und trägt Früchte. Selbst die oft geschmähte Verbraucherinsolvenz, für manchen Bürger auch der Weg zu einer zweiten Chance, die es früher nicht gab, ist von uns auf den Weg gebracht worden und damit ist ein Neuanfang möglich. Nur mit einer gesetzlichen Regelung wird es uns nicht gelingen, die Betroffenen aus dieser Schuldenfalle zu befreien. Hier hat jeder mitzuwirken.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir wollen doch, dass die gar nicht erst in die Schuldenfalle reinkommen.)
Wir müssen uns konsequent für die Bildung in finanziellen Fragen einsetzen. Nur ein mündiger Verbraucher und die Verbraucherin, die wissen, wie man mit eigenen finanziellen Mitteln umgeht, werden dann auch tatsächlich am Markt bestehen können. Und dort immer wieder anzusetzen, ist meine und unsere Grundüberzeugung. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hier nun ein Antrag der Linksfraktion zum Thema „Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite gesetzlich begrenzen“. Als ich Ihren Antrag zum ersten Mal las, war ich doch sehr enttäuscht über dessen Inhalt. Und wenn ich nun das Gesagte von Ihnen, Frau Rösler, für mich selbst noch mal reflektiere, hat sich meine Meinung verfestigt.