Protocol of the Session on January 30, 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 34. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 34. und 35. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 34. und 35. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ So beginnt das deutsche Grundgesetz in Artikel 1 Absatz 1.

Und wir beginnen heute unseren ersten Plenarsitzungstag im neuen Jahr. Wir sind hier, um – wie in jeder Sitzungswoche des Landtages – unsere Aufgabe in der parlamentarischen Demokratie zu erfüllen, um unsere Arbeit zu tun. Doch heute ist kein gewöhnliches Datum. Der 30. Januar ist ein Tag, der historisch mit dem 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, in Verbindung steht. Beide Tage im Januar markieren wesentliche Eckdaten von dem, was der Historiker Friedrich Meinecke die „deutsche Katastrophe“ genannt hat. Und das sollten wir gerade hier im Parlament, gerade heute deutlich machen. Wir müssen daran erinnern und wir dürfen nicht vergessen, denn vor 80 Jahren – am 30. Januar 1933 – wurde das vorläufige Ende der parlamentarischen Demokratie in Deutschland besiegelt. Vor 80 Jahren haben die Nationalsozialisten ihre Gewaltherrschaft begonnen und haben Deutschland in die Katastrophe geführt, unendlich viel Leid verursacht und Millionen von Menschen ermordet. Deshalb dürfen wir uns kein Vergessen leisten.

Es hat ab der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler kaum ein halbes Jahr gedauert, da waren die Staatsgewalt und das ganze Land gleichgeschaltet, der erste Boykott jüdischer Geschäfte fand statt, in den ersten Konzentrationslagern wurden Regimegegner eingesperrt. Erst zwölf Jahre später – am 27. Januar 1945 – wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit, Millionen Tote und unfassbares Grauen liegen dazwischen. Allein in Auschwitz waren es 1.200.000 Menschen aus ganz Europa – Kinder, alte Menschen, Männer und Frauen –, die ermordet wurden. Und hinter jedem dieser Millionen toten Menschen, hinter jeder vermissten und entwurzelten Person steht ein Schicksal, das es wert ist, beschrieben und erinnert zu werden. Haus und Hof, Heimat, Achtung, Selbstbestimmung, Würde und schließlich das Leben, all das ist Millionen Menschen in einer Art und Weise entrissen worden, die ohnegleichen ist in der Geschichte. Allein das ist bereits unfassbar.

Niemand war davor sicher, als Mitglied einer missliebigen Gruppe oder Religionsgemeinschaft, einer gesellschaftlichen Minderheit oder Randgruppe von den Nazis in die Kategorie „minderwertiges Leben“ aussortiert zu werden. Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, Atheisten, protestantische und katholische Christen – niemand konnte sich sicher sein. Das war ein wesentlicher Baustein des Terrorregimes der NSBarbarei, die gezielt mit den Überfremdungsängsten und Rassenwahn ihr schmutziges Geschäft betrieb.

Und es war für die Nationalsozialisten ein profitables Geschäft – industriell perfektioniert wurde die Vernichtung der Menschen durch menschliche Bestien betrieben. Nicht nur Freiheit, Würde und Menschlichkeit hatten die Nazis von der moralischen Agenda gestrichen. Die Perversion ging so weit, dass der Giftgaseinsatz im Konzentrationslager Auschwitz vom damaligen Kommandanten Rudolf Höß als eine – und ich zitiere das mit Abscheu – „vernünftige und hygienische Verbesserung des Vernichtungsapparates“, Ende des Zitats, beschrieben wurde.

Und auch das Tor zu Auschwitz als Symbol des nationalsozialistischen Vernichtungssystems und der Barbarei wurde am 30. Januar 1933 durch Sorglosigkeit, Gleichgültigkeit und Arroganz – nicht nur der politischen Entscheidungsträger – aufgestoßen. Die Demokraten hatten kapituliert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns daran erinnern, gerade hier im Parlament, wie Nationalsozialisten an die Macht gelangt sind. Der Begriff „Machtergreifung“ passt nicht. Da hat sich niemand einfach die Macht genommen. Der Nationalsozialismus ist zunächst nicht durch eine Art revolutionären Umsturz an die Macht gelangt. Die parlamentarische Demokratie selbst hat sich vor 80 Jahren letztlich an die Nationalsozialisten ausgeliefert. Der Reichspräsident hatte einen Reichskanzler ernannt, der als größter Kriegstreiber Deutschlands Deutschland in den Untergang führte, in eine Katastrophe, die unvergleichbar war und ist. Und die, die es hätten besser wissen können oder besser wissen müssen, haben entweder geholfen, weggesehen, geschwiegen oder sich nicht durchsetzen können. So haben die Nationalsozialisten innerhalb kurzer Zeit mit dem Ermächtigungsgesetz das Verhältnis von Parlament und Regierung umgekehrt, die Gewerkschaften zerschlagen, die Länder zu bloßen Verwaltungsein- heiten gemacht und die Gerichte und alle öffentlichen Institutionen zu Instrumenten des Machterhalts umgestaltet.

Die parlamentarische Demokratie des Jahres 1933 hat sich selbst aufgegeben, als der Reichstag seinerzeit im März mit Zweidrittelmehrheit im Ermächtigungsgesetz der Regierung die Gesetzgebungsbefugnis überlassen hat. Es war „Legalität“ als scheinbare Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften ohne „moralische Legitimität“. In kurzer Zeit wurde der legale Rahmen pervertiert und mit Füßen getreten. Und das eröffnete den Nazis den Weg in gesetzlich autorisiertes Erheben von Menschen über Menschen, von organisiertem Völkermord.

Das, meine Damen und Herren, darf nicht wieder geschehen. Und dafür stehen wir heute als Demokraten im Landtag Mecklenburg-Vorpommern zusammen, denn – ich zitiere aus Artikel 5 unserer Landesverfassung –: „Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist um des Menschen willen da; es hat die Würde aller in diesem Land lebenden oder sich hier aufhaltenden Menschen zu achten und zu schützen.“

Und eins haben wir als Demokraten aus diesen bitteren Erfahrungen gelernt. Das sage ich jetzt ausdrücklich in Richtung derjenigen, die an dieser Gedenkveranstaltung heute wieder einmal nicht teilnehmen: Demokratie ist die entscheidende Voraussetzung für Freiheit und Menschenwürde.

Wir werden den Staat nicht ausliefern, wir werden die Menschlichkeit nicht ausliefern und wir werden der Missachtung der Menschenwürde, der Fremdenfeindlichkeit und der Gewalt keinen Raum lassen. Wir werden entschlossen die Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen, um unsere Demokratie zu schützen und zu verteidigen. Dafür stehen wir Demokraten gemeinsam hier im Parlament. Und das sollten wir uns heute zu Beginn der ersten Plenarsitzungswoche des Jahres 2013 vor Augen halten.

In diesem Sinne gedenkt der Landtag Mecklenburg-Vorpommern heute aller Opfer des Nationalsozialismus. Und ich bitte Sie jetzt, sich zu einer Gedenkminute von den Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen.

(Die Abgeordneten der Fraktion der NPD betreten den Plenarsaal.)

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 34. und 35. Sitzung die Abgeordneten Andreas Texter und Dietmar Eifler zu Schriftführern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 6/1533 zum Thema „Akute Bedrohung von Jugend- und Schulsozialarbeitsstellen durch Förderstopp des Landes“ sowie einen weiteren Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 6/1534 „Drohende Entlassungen von Untersuchungshäftlingen verhindern“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 3 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieser Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der NPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Sozialmissbrauch beenden – Scheinasylanten, Asylbetrüger und Wirtschaftsflüchtlinge endlich konsequent abschieben“ beantragt.

Aktuelle Stunde Sozialmissbrauch beenden – Scheinasylanten, Asylbetrüger und Wirtschaftsflüchtlinge endlich konsequent abschieben

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der Brandstifter von Lichtenhagen. – Der Abgeordnete Michael Andrejewski spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Udo Pastörs, NPD: Mikro ist nicht an.)

… umfiel. Zuerst war der Herr Caffier gegen einen Abschiebestopp ausreisepflichtiger Asylbewerber aus dem Balkan während des Winters, dann kam etwas Druck von links und schon konnte

die SPD-Sprecherin Tegtmeier auf der Internetseite mvpo.com verkünden, Zitat: „Ich freue mich, dass Innenminister Caffier mit dem Erlass zum Abschiebestopp endlich der SPD-Forderung nachkommt!“ Befehl ausgeführt, Posten gerettet, sich beim Dienstherrn eingeschmeichelt – so sieht ein CDU-Erfolg in der Großen Koalition aus.

Das wird allerdings dem Bundesinnenminister Friedrich von der CSU kaum gefallen, denn der hat in vielen öffentlichen Äußerungen klargestellt, dass er angesichts des massiven Anstiegs von Asylanträgen aus Serbien und Makedonien von Wirtschaftsflüchtlingen und Asylmissbrauch ausgeht. Wörtlich in der WAZ vom 12.10.2012, Zitat: „Visumsfreiheit darf nicht zu Asylmissbrauch führen.“ Und im „Handelsblatt“ vom 12.10.2012, Zitat: „Der zunehmende Asylmissbrauch ist nicht akzeptabel“, sowie: „Der massive Zustrom serbischer und mazedonischer Staatsbürger muss unverzüglich gestoppt werden“, Zitatende. Dafür sind mittlerweile auch Maßnahmen ergriffen worden, weil in Serbien, Mazedonien und auch im Kosovo objektiv keine Verfolgung stattfindet und die Anerkennungsquote für Antragsteller aus diesen Ländern bei null liegt.

Sollte die BRD Asylbewerber aus dem Kosovo anerkennen, würde sie sich ohnehin komplett lächerlich machen. Die NATO hat mit BRD-Unterstützung Serbien zusammengebombt, um die Unabhängigkeit des Kosovo durchzusetzen. Dort stehen immer noch deutsche Soldaten und unter deren Augen sollen Verfolgungen stattfinden, deren Opfer dann in Deutschland aufgenommen werden. Das kann ja wohl nicht sein.

Es kann auch nicht sein, dass Leute, die falsche Angaben machen und sich als Verfolgte ausgeben, hier noch belohnt werden, während die Ehrlichen zu Hause bleiben. Die Ehrlichen zahlen zu Hause in Serbien und Mazedonien ihre Rechnung für Heizmaterial selbst und stehen den Winter auf eigene Kosten durch, die Lügner hingegen bekommen die warme Stube vom deutschen Steuerzahler finanziert, viel großzügiger im Übrigen als deutsche Hartz-IV-Empfänger.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Fragt sich, wer hier der Lügner ist.)

Die haben Angst vor dem Winter, sie trauen sich nicht, ihre Wohnungen anständig zu heizen, weil die Sozialbehörden Heizkosten, die über die Nebenkostenvorauszahlung hinausgehen, fast durchweg als unangemessen einstufen und nicht erstatten –

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

gegen die Rechtslage, die besagt, dass der Bundesheizkostenspiegel die Angemessenheit der Heizkosten nicht abschließend definiert, sondern stattdessen individuelle Besonderheiten immer noch zu berücksichtigen sind. Da ist der Staat knallhart und sagt, klagt doch, aber gegenüber falschen Verfolgten zeigt er sich butterweich. Die können in ihren Unterkünften heizen, so viel sie wollen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verbreitete sich auf dem ganzen Balkan in Windeseile …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie sind ein Hetzer, Herr Andrejewski, ein Hetzer!)

… die Kunde, …

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und Sie sind die Inquisition.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so? – Dr. Margret Seemann, SPD: Dann wären Sie schon weg.)

… dass es nun in Deutschland mehr Geld gebe für Asylbewerber. Schon fühlten sich eine Menge Leute verfolgt und brachen nach Deutschland auf.

Bundesinnenminister Friedrich zum Karlsruher Urteil, „Die Welt“ vom 13.10.2012, Zitat: „Dies werde zu einem weiteren Anstieg der Asylbewerber-Zahlen führen, ‚denn es wird für Wirtschaftsflüchtlinge noch attraktiver, zu uns zu kommen und mit Bargeld wieder abzureisen‘“. Ist Herr Friedrich auch ein Hetzer? Wollen Sie ihm das sagen? Bitte schön!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, ich sage Ihnen, dass Sie ein Hetzer sind, und zwar ein rassistischer Hetzer.)

Und, kann man hinzufügen, in Mecklenburg-Vorpommern dürfen Wirtschaftsflüchtlinge zusätzlich auch noch den Winter über hierbleiben, bevor sie mit Bargeld abreisen, falls sie denn abreisen. Vermutlich werden PRO ASYL und der Landesflüchtlingsrat gegen Ende des Winters verkünden, jetzt seien die Asylbewerber schon so lange hier, dass sie fest in Deutschland integriert seien und sich nach so langer Zeit unmöglich wieder auf dem Balkan zurechtfinden könnten.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Außerdem regnet es im Frühjahr viel zu heftig in Mazedonien, im Sommer ist es zu heiß, und dann die Herbststürme – und schon werden aus ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern in Windeseile BRD-Staats- bürger.

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Andrejewski.

(Der Abgeordnete Michael Andrejewski spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Ihre Redezeit ist abgelaufen, bitte nehmen Sie Platz!

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Silkeit für die Fraktion der CDU.

Im Übrigen, Herr Andrejewski, weise ich Ihre pauschale Verunglimpfung aller Asylbewerber hier auf das Entschiedenste zurück.

(Stefan Köster, NPD: Nehmen Sie doch welche zu Hause auf! Vielleicht haben Sie ja in Ihrem Wohnzimmer ein bisschen Platz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das von der NPD-Fraktion vorgeschlagene Thema der heutigen Aktu