Protocol of the Session on October 25, 2012

Zwischen den Zeilen, meine Damen und Herren, kann man aber lesen, dass eine Reform des EEG vor der Bundestagswahl wohl nicht mehr kommen wird. Und ich glaube, das ist auch gut so, denn wenn die von Existenzangst getriebene FDP sich aufgrund ihrer populistischen Preissenkungstheorien mit Marktmechanismen durchsetzen würde, meine Damen und Herren, dann wären das EEG und die Energiewende auf dem Abstellgleis. Aber bei dem wirklich konstruktiven Diskussionsprozess gibt es schon jetzt und wird es in den kommenden Monaten auch immer wieder Punkte geben, bei denen wir uns mit dem Bund und mit anderen Bundesländern nicht einigen werden. So, wie andere Bundesländer ihre Landesinteressen konsequent verfolgen, tun wir das selbstverständlicherweise genauso. Deshalb werde ich mich gegen die Vorstellungen des Bundesumweltministers wehren, insbesondere bei Windenergie und Biomasse zu Beschränkungen zu kommen.

Meine Damen und Herren, der Zubau der erneuerbaren Energien vollzieht sich schneller als erwartet. Altmaier will deshalb den Ausbau der erneuerbaren Energien verlangsamen.

Meine Damen und Herren, es ist eigentlich ein Treppenwitz der Geschichte. Über Monate, über Monate war zu lesen, dass sich bei der Energiewende nichts tue, es

ginge alles viel zu langsam. Jetzt, nur wenige Wochen später, geht alles viel zu schnell und die Bundesregierung will das Tempo drosseln und steht massiv auf der Bremse. Das, meine Damen und Herren – mal ganz diplomatisch formuliert –, ist nach meiner Auffassung der absolut falsche Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Detlef Müller, SPD: Sehr richtig.)

Ich begrüße grundsätzlich, dass der Kollege Altmaier die Zielmarke für Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020 …

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich lobe Ihren Umweltminister, Kollegen der CDUFraktion, aber das wird sich gleich wieder relativieren.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Heinz Müller, SPD: Es ist ja noch früh am Morgen. Es ist noch früh am Morgen. – Manfred Dachner, SPD: Was sein muss, muss sein. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Also ich begrüße wirklich grundsätzlich, dass der Kollege Altmaier die Zielmarke für Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020 von 35 auf 40 Prozent heraufgesetzt hat. In Verbindung mit 80 Prozent in 2050 muss ich aber dann wieder konstatieren: Das ist doch viel zu wenig! Es ist viel zu wenig! Die gesetzte 40-Prozent-Marke bedeutet im Kern nur – um das wieder mal in eine realistische Relation zu bringen –, dass er etwas weniger stark bremsen will. Das ist eigentlich die Konsequenz daraus.

Meine Damen und Herren, neben dem stockenden Netzausbau werden die steigenden Kosten immer wieder herangezogen, um zu begründen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien verlangsamt werden müsse. Doch auch das ist in meinen Augen ein Trugschluss. Strom aus erneuerbaren Energien drückt den Börsenpreis für Strom. Herr Jaeger hat ja hierzu auch schon etwas gesagt. Damit wiederum steigt die Differenz zur Einspeisevergütung und diese Differenzkosten, meine Damen und Herren, werden über die EEG-Umlage finanziert.

Mit dem Zubau erneuerbarer Energien wird dieser Effekt natürlich beschleunigt, aber nur der schnelle Zu- und Ausbau führt zu einer schnellen Marktreife. Nur der schnelle Zu- und Ausbau lässt die positiven volkswirtschaftlichen Effekte der erneuerbaren Energien auch wirklich voll zum Tragen kommen. Wertschöpfung, Arbeitsplätze, sinkende Strompreise an der Börse und Klimaschutz müssen immer berücksichtigt werden, wenn man über die Kosten redet. Und was man immer gerne vergessen will, gerade auch in der medialen Darstellung: Der Preis der fossilen Energieträger steigt. Die Entsorgung von Atommüll ist völlig ungeklärt. Die exorbitanten Kosten dafür spiegeln sich nicht im Strompreis wider, dennoch sind sie da, meine Damen und Herren.

Für mich sind in der anstehenden Diskussion folgende Punkte von besonderer Bedeutung:

Erstens. Wir müssen das EEG nach Regelungen durchforsten, die ursprünglich ihre Berechtigung hatten – das steht nicht infrage –, heute aber im Wesentlichen Mitnahmeeffekte sind.

Herr Jaeger hat im Vorgriff auf meinen Beitrag das schöne Beispiel des Repowering-Bonusses hier gebracht. Der hat sich überlebt, der muss weg. Da ist sogar die Branche klar und deutlich der Auffassung, das bringt es natürlich nicht mehr.

Zweitens. Wir müssen über mehr Degression im EEG reden.

Für mich ist klar, dass wir ein System brauchen, das auf Verlässlichkeit für Investoren ausgelegt ist. Daher ist die Einspeisevergütung grundsätzlich gut und richtig, aber keine Volkswirtschaft wird eine Vergütung auf 20 Jahre dauerhaft finanzieren können, wenn der Marktanteil der erneuerbaren Energien auf ein Drittel und deutlich mehr wächst. Deshalb benötigen wir entweder innerhalb des gewährten Vergütungszeitraumes ein festgelegtes Abschmelzen der Vergütung oder der Zeitraum selbst muss gekürzt werden. Da sind wir für jede Diskussion offen.

Mit zunehmendem Marktanteil der erneuerbaren Energien sollten diese auch zunehmend am Risiko des Marktes beteiligt werden. Daher können Anlagenbetreiber dauerhaft nicht mehr entschädigt werden, wenn Strom aufgrund von Überkapazitäten nicht abgenommen werden kann.

Drittens. Das EEG muss so umgestaltet werden, dass die erneuerbaren Energien schneller marktfähig werden.

Denkbar ist, dass die erneuerbaren Energien spätestens 2022, wenn das letzte AKW abgeschaltet wird, marktfähig sein müssen.

Viertens. Wir müssen dringend über die Verteilung der Kosten reden.

Einflussfaktoren auf die Kostenentwicklung beim EEG, welche sind das denn eigentlich? Da wird immer viel spekuliert, auch in der Diskussion vor Ort. Ich will sie aufzählen: Es ist der Börsenpass, auch das ist hier schon thematisiert worden. Es ist die Ausbaudynamik der erneuerbaren Energien, die Struktur des Ausbaus der erneuerbaren Energien, die Höhe der Vergütung, die Marktprämie und die Verteilung der Kosten.

Meine Damen und Herren, internationaler Wettbewerb und der Schutz von Arbeitsplätzen sind zwei hehre, wichtige und entscheidende Ziele. Aber für meinen Geschmack geht das gesamte Paket der Entlastung massiv zu weit. Deshalb bleibe ich bei meiner seit geraumer Zeit erhobenen Forderung, dass die Befreiung von der EEGUmlage drastisch zurückgefahren werden muss. Ich will jetzt nicht wiederholen, was Herr Jaeger dazu gesagt hat, und aufzählen, wie viele Unternehmen zukünftig in den Genuss dieser Befreiung kommen werden. Ich stelle fest, da sind wir einer Meinung.

Ich stelle mir tatsächlich die Frage – nicht nur Braunkohle, Kollege Jaeger –: Warum müssen zum Beispiel die Deutsche Bahn oder auch Straßenbahnunternehmen von der EEG-Umlage befreit werden? Internationale Wettbewerbsfähigkeit – ich kann mir kaum ein Bahnunternehmen vorstellen, das seine Waggons unter den Arm klemmt und ins Ausland abwandert. Das kann es also nicht sein, diese Begründung halte ich doch für etwas, ja, an den Haaren herbeigezogen.

Meine Damen und Herren, der Grundgedanke des EEG ist, die Kosten auf alle umzulegen. Davon wurden dann Ausnahmen zugelassen, nur nach meinem Geschmack scheinen die Ausnahmen mittlerweile zur Regel zu werden.

(Rainer Albrecht, SPD: Genau.)

Die Firmen, die rund 28 Prozent des gesamten Stroms in Deutschland verbrauchen – 28 Prozent! – belasten zusätzlich die privaten Haushalte, da sie von der EEGUmlage fast gänzlich befreit sind. Die Befreiung von der EEG-Umlage ist in diesem Zusammenhang ja auch nur die halbe Wahrheit, denn in der Realität ist es so, dass die gleichen Unternehmen, die gleichen Unternehmen dann noch von der Stromsteuer befreit werden und ganz oder teilweise von den Netzentgelten.

Ich kann Sie informieren, ganz aktuell hat gestern das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Klage von Netzbetreibern gehabt, da ging es um die Befreiung von, ich sage mal, diesen stromintensiven Unternehmen. Dort ist gestern gesagt worden, die endgültige Entscheidung wird am 14. November getroffen werden, aber die Einschätzung des OLG ist die, dass man doch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Befreiung von Netzentgelten per Verordnung durch die Bundesregierung hat. Ich halte das für ein wichtiges Signal, was ich mir von diesem Urteil erwarte, weil es auch Auswirkungen haben muss, politische Auswirkungen haben muss auf die ganze Frage „Befreiung von der EEG-Umlage“.

Das „Handelsblatt“ schrieb kürzlich: „Strommarkt paradox: Während die meisten Firmen unter dem Boom der Erneuerbaren leiden“, so das „Handelsblatt“, „profitieren“ gerade „die Energieintensiven.“ Dieses System, meine Damen und Herren, muss dringend überarbeitet und geändert werden.

Meine Damen und Herren, diese und andere Wechselwirkungen gilt es dringend zu beleuchten. Dazu braucht die eingangs erwähnte Plattform Erneuerbare Energien noch Zeit. Degressionsvorschriften, eine Umsteuerung bei der Befreiung von der EEG-Umlage und die Förderung eines ausgewogenen Technologiemixes erwarte ich bei der Weiterentwicklung des EEG, und für jedes Gespräch, für jeden Diskurs bin ich dankbar. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens seit der Katastrophe von Fukushima, der sofortigen Stilllegung von acht Kernkraftwerken in Deutschland und dem erneuten Atomausstiegsbeschluss in Deutschland ist der Begriff „Energiewende“ weltweit präsent.

Allerdings, Energiewende ist mehr als nur der Atom- ausstieg. Energiewende ist eine der größten Herausforderungen unseres Jahrhunderts, vielleicht überhaupt die Herausforderung, um zukünftig zuverlässig, wirtschaftlich und umweltschonend die Menschheit mit Energie zu versorgen – vielleicht vergleichbar mit der indus- triellen Revolution im 17. beziehungsweise 18. Jahr-

hundert. Die Energiewende ist aber auch eine ethi- sche und kulturelle Grundsatzentscheidung für Klimaschutz, für Demokratisierung der Energieerzeugung, für Bürgerteilhabe und der Beweis, dass Wachstum und Nachhaltigkeit miteinander vereinbart werden können.

Was bedeutet Energiewende konkret? Energiewende konkret bedeutet die komplette, die vollständige Umstellung der Energieerzeugung von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien, hohe Energieeffizienz und Energieeinsparung. Energiewende bedeutet dezentrale Energieerzeugung, die die zentrale Energieerzeugung schrittweise ablöst und damit die Chance zur Demokratisierung der Energiegewinnung, zur Teilhabe von Bürgern und zu regionaler Wertschöpfung erhöht. Energiewende bedeutet natürlich auch, dass sie der entscheidende Beitrag ist zum Klimaschutz, denn nur erneuerbare Energien sind klimaneutral und können demzufolge der drohenden Klimakatastrophe auch entsprechend entgegenwirken.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiewende steht für Innovation, steht für Fortschritt und steht für neue gute Arbeitsplätze, für viel Wertschöpfung. Und auch für Mecklenburg-Vorpommern ist natürlich die Energiewende eine große historische Chance,

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

denn wo, in welchen anderen Zukunftsfeldern wollen wir als Land zukünftig hier entscheidende Zuwachsraten im wirtschaftlichen Bereich erzielen?

Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss man sich die Frage stellen: Wie kann Energiewende erfolgreich sein beziehungsweise wie konnte bisher das erreicht werden mit der Energiewende, was wir hier in Deutschland durchaus auch als Vorreiterrolle weltweit bezeichnen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ein entscheidendes Erfolgsrezept und dieses Erfolgsrezept hat eine Abkürzung: EEG – Erneuerbare-EnergienGesetz. Das EEG ist die Grundlage, der Motor und die zwingende Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende. Das EEG aus dem Jahre 2000 hatte übrigens einen sehr erfolgreichen Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz von 1991 – das wird leider oftmals vergessen, vielfach vergessen –, weil damit die entscheidenden Weichen gestellt wurden für eine neue Energiepolitik. Das EEG aus dem Jahre 2000 ist eine absolute Erfolgsgeschichte, denn dieses deutsche EEG ist inzwischen weltweit, in über 40 Ländern, Vorbild und andere Länder beginnen – das werden immer mehr –, diesem deutschen Erfolgsweg auch zu folgen.

Was macht den Erfolg des EEG aus? Im Prinzip ist es eigentlich die Anreizkombination zweier Elemente und diese zwei Elemente sind das entscheidende Grundgerüst:

1. degressiv ausgestattete Vergütungssätze, die über

eine Umlage von den Stromkunden finanziert werden,

2. die vorrangige Abnahmepflicht der erneuerbaren

Energien, der sogenannte Einspeisevorrang für erneuerbare Energien.

Das heißt, Vergütungssätze und der Einspeisevorrang für erneuerbare Energien, das sind die beiden wichtigen Elemente, die den entsprechenden Anreiz bringen für die Energiewende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die weitere Umsetzung der Energiewende brauchen wir auch weiterhin verlässliche und klare Rahmenbedingungen, die nur mit dem EEG möglich sind, und deshalb darf das EEG nicht abgeschafft werden, wie es die Gegner der Energiewende momentan immer wieder thematisieren, sondern im Gegenteil, meine sehr geehrten Damen und Herren, das EEG muss erhalten werden und es muss systembedingt weiterentwickelt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der Phase eins des EEG, in der befinden wir uns momentan, ist es so, dass wir eine erfolgreiche Markteinführung der erneuerbaren Energien haben, das sind etwa 25 Prozent bei der Stromerzeugung, und das in Ergänzung der konventionellen Energien, die ja immer noch ganz klar dominieren.

Aber, meine Damen und Herren, wir befinden uns jetzt im Übergang zu Phase zwei. Was heißt Phase zwei? Das ist die eigentliche Herausforderung. Nach der Markteinführung geht es darum, dass das Stromsystem bis etwa 2050 in Deutschland komplett, zu 100 Prozent, auf erneuerbare Energien umgestellt wird. Dass das die entsprechenden Gegner auf den Plan ruft, die heute noch ihre Profite, ihre Gewinne mit den konventionellen Energien machen, ist doch vollkommen klar.