Protocol of the Session on October 24, 2012

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Hier ist ja was los. Sie sind doch sonst immer so auskunftsfreudig.)

Jetzt muss ich erst mal mit den Halbwahrheiten hier ein bisschen aufräumen von meinem Vorredner, der sich wieder mal so hinstellt und sagt, die europäische Sozialcharta 1964 und so weiter und so fort. Ich denke mal, ich war seriös, indem ich Sie ganz konkret gefragt habe, wenn Sie sich auf diese Charta beziehen aus dem Jahre 1964, dass Sie uns dann auch sagen, wie hoch dieser 60-prozentige Nettolohn zurzeit ist. Dann können Sie nämlich einen Bezug herstellen zu Ihrer Forderung von 10 Euro. Ich habe leider nur so schnell den Wert aus 2010 gefunden. Darüber haben wir diskutiert, dass wir über diese 12,40 Euro brutto sprechen

(Der Abgeordnete Helmut Holter bittet um das Wort für eine Anfrage.)

und dann kommen dort 8,12 Euro und nicht mehr. Insofern will ich Ihnen sagen, wenn wir 8,12 Euro als Bezugsgröße nehmen – und ich gehe davon aus, dass Sie jetzt nicht über 8,50 Euro höchstwahrscheinlich liegt –, dann haben wir nämlich, SPD und CDU in diesem Lande, genau das Richtige getan mit unserem Vergabegesetz,

(Zurufe vonseiten der Fraktion DIE LINKE: Ah!)

8,50 Euro festzuschreiben und nicht in Polemik zu verfallen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Herr Holter, Sie haben gehört, es werden keine Fragen beantwortet.

Bitte, Herr Renz.

Ich habe Sie dann auch – und irgendwie stellt sich für mich ein bisschen die Frage der Ernsthaftigkeit, mit der Sie das Ganze hier betreiben – schon beim letzten Mal darauf hingewiesen, wenn Sie die Drucksache nehmen und dann auch noch den Text Ihrer Volksinitiative, dass da ein wichtiges Wort fehlt. Nun habe ich ja bis zum heutigen Tag abgewartet, ob Sie es endlich mal schaffen, dort entsprechend das Wort „gesetzlichen Mindestlohn“ ein- zufügen. Aber im Laufe der Debatte der Anhörung waren Sie wahrscheinlich so beschäftigt, dass Sie zu diesem wesentlichen Teil nämlich eine wesentliche Aussage hier weggelassen haben, oder wer auch immer den Fehler gemacht hat. Fakt ist, wenn Sie sich den Text anschauen, den Sie den Bürgern vorge- legt haben, dann steht das Wort „gesetzlich“ drin, und das findet hier bis zum heutigen Tag keinen Niederschlag.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Und ich will auch ganz konkret, auch wenn der eine oder andere es schon mal gehört hat, heute noch mal auf das eingehen, was Sie den Bürgern suggerieren mit dem Vorlegen eines A4-Blattes. Sie schreiben nämlich, das Land solle seiner Vorbildrolle gerecht werden und einen vergabespezifischen Mindestlohn festlegen, wie er bereits in Bremen, Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz existiert. Und dann wollen wir präzise sein: Brandenburg, Regierung SPD und GRÜNE, 8,50 Euro; Rheinland-Pfalz, SPD und GRÜNE,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wer regiert in Brandenburg?)

8,50 Euro; Bremen, SPD und GRÜNE, 8,50 Euro. Berlin führen Sie auf, da waren Sie in Verantwortung unter Rot-Rot im Jahre 2010, 7,50 Euro. Dann musste erst eine Große Koalition kommen, bestehend aus SPD und CDU,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh ja!)

die auch dort 8,50 Euro eingeführt hat.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, bitte.)

Und ich sage Ihnen, wenn vor zwei Tagen in Hamburg, Alleinregierung SPD, dort einen Gesetzentwurf vorlegt, ebenfalls mit 8,50 Euro, dann kann doch nicht die ganze Republik auf Deutsch gesagt besoffen sein, nur Sie haben hier recht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Mäßigen Sie sich mal!)

Und interessant ist auch, wenn Sie Ihre Entwicklung und Ihre Forderungen sich vornehmen: Jetzt habe ich zufällig auch noch von meiner geschätzten Kollegin Lück eine Pressemitteilung aus dem Jahre 2009. Ja, Frau Lück, wenn Sie sich nicht erinnern, dazu bin ich da.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie haben hier gefordert, Mindestlohn von mindestens 8 Euro, das fordern Sie im April 2009.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das war ja auch gut so. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist drei Jahre her.)

Ich sage Ihnen, das, was Sie hier machen, ist inflationär. Jetzt im Jahre 2012 sind Sie bei 10 Euro.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

Das Geheimnis, wie Sie auf 8 Euro gekommen sind, wie Sie auf 10 Euro gekommen sind, das geben Sie endlich mal preis!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie sind Sie denn auf 8,50 Euro gekommen? Wie sind Sie denn auf 8,50 Euro gekommen? Erzählt hier dummes Zeug, dummes Zeug die ganze Zeit!)

Mir hat es sich bisher noch nicht erschlossen. Eins ist mir klar, wenn ich diese logische Kette sehe, dass Sie 2016 spätestens da sind mit 12, 13 oder 14 Euro Forderung. Wenn es in den Landtagswahlkampf geht, dann werden Sie pünktlich sein mit dieser Forderung.

Die Anhörung kann man so und so wahrscheinlich auswerten, das mag ja sein, ich werte Sie nämlich jetzt mal so aus: Wenn wir uns dann mal Ihren Gutachter Klaus Bartsch nehmen, er hat ein Gutachten erstellt im Auftrag der ver.di-Hauptverwaltung im Jahre 2009. Da hat er aufgeführt eine Untersuchung, dass im Jahre 2010 ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro eingeführt werden soll und im Jahre 2011 9 Euro. Das hat bei seinen damaligen Untersuchungen dazu geführt, dass er festgestellt hat, es wird kurzfristig 225 neue Arbeitsplätze bringen und mittelfristig 600.000 Arbeitsplätze. Dieses Gutachten war dann nicht mehr ganz so aktuell. Man hat es dann präzisiert für diese Anhörung, die wir durchgeführt haben, aktuelle Daten also vom 7. September 2012.

Jetzt sagt man, okay, führen wir einen Mindestlohn ein von 8,50 Euro ab 2012, und 2014 – der ist etwas verspätet dran im Gegensatz zu Ihren Forderungen hier – dann die 10 Euro, und das mit folgenden Ergebnissen: Die Anzahl der zusätzlichen Arbeitsplätze nimmt weiter zu, nämlich jetzt schon 229.000, mittelfristig 700.000 und dann mit längerem, weiteren Ausblick sogar, glaube ich mich zu erinnern, 900.000. Das ist aber nicht der einzige Effekt, der auftritt. Es wird genau definiert als positive fiskalische Gesamteffekte, also Steuermehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben im sozialen Bereich.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Stimmt ja auch.)

Da werden wir natürlich sofort 10 Milliarden Euro Mehreinnahmen haben oder 10 Milliarden, die diesen positiven fiskalischen Gesamteffekt ausmachen, das aber nur kurzfristig, 10 Milliarden. Mittelfristig wird sich das natürlich erhöhen auf 27 Milliarden.

Jetzt habe ich mir bei der Anhörung gesagt, dieser Logik folgend werde ich doch diesen Sachverständigen mal fragen: Wie sieht das denn eigentlich aus bei 11 Euro, wie sieht es bei 12 aus oder wie sieht es bei 15 aus? Inwiefern haben wir da eine logische Kette, dass immer mehr Arbeitsplätze entstehen? Die Steuereinnahmen sprudeln ohne Ende. So ein Effekt muss ja irgendwie da

sein. Oder kann es möglicherweise sogar so sein, dass die Sache umkippt und plötzlich Arbeitsplätze vernichtet werden? Darauf der Sachverständige: Eine optimale Zahl, wie hoch ein Mindestlohn sein müsste, um größtmögliche Effekte auf dem Arbeitsmarkt für die Beschäftigten zu erzielen, könne er nicht generell sagen.

Da kann ich Ihnen sagen, als Anzuhörender war ich da so schlau wie vorher. Das hat uns inhaltlich in der Sache nämlich überhaupt nicht weitergebracht. Das war für mich auch inhaltlich etwas enttäuschend, was dieser Sachverständige dort dargestellt hat, und es war wenig überzeugend, nach welchen Fakten Sie einen Mindestlohn definieren wollen

(Regine Lück, DIE LINKE: Das waren ja auch andere Sachverständige.)

und welche Auswirkungen sich daraus in der Praxis ergeben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was halten Sie denn von der Stellungnahme des DGB, Herr Renz?)

Wenn das Ihre Anfrage war, will ich gern darauf eingehen. Auch hier hat der geschätzte Kollege Foerster zumindest begonnen, richtig zu zitieren. Wenn es nicht mehr so richtig passt, dann hört er auf an der Stelle.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das habe ich vorhin bei Ihnen auch festgestellt.)

Das ist nicht neu, Herr Foerster, das muss ich sagen. Es ist richtig, so, wie Sie es gesagt haben, der DGB hat im Mai 2010 diese 8,50 Euro beschlossen. Es ist richtig …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was hat Herr Schlüter zur Anhörung gesagt?)

Wenn Sie alles wissen, kommen Sie nachher hier vorne her und dann leisten Sie Ihren Beitrag!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich war bei der Anhörung dabei.)

Es ist richtig, dass der DGB gesagt hat, okay, das gucken wir uns im Mai 2011 noch mal an und dann erteilen wir sozusagen dem Vorstand das Vertrauen, dass er handeln könnte, um das gegebenenfalls anzupassen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Nichts anderes habe ich gesagt.)

Ja, jetzt ist aber noch nicht Schluss. Jetzt ist ja schon Mai 2012 gewesen. Es kommt mir jedenfalls so vor. Und es ist nichts passiert beim DGB. Herr Schlüter hat auch nicht gesagt, dass er jetzt im Mai 2012 einen Beschluss gefasst hat. Er hat auch nicht gesagt, dass er ihn morgen fassen wird. Also insofern kann ich Ihnen sagen, was er gesagt hat.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ist ja auch ein Demokratischer.)

Ich kann Ihnen sagen, was er gesagt hat. Im Vorfeld der Bundestagswahl wollte man darüber eingehend diskutieren und die Höhe des Mindestlohnes neu konkretisieren. Man wartet also jetzt auch noch dann Mai 2013 ab. Nein,

dem DGB will ich jetzt nichts unterstellen. Fakt ist, auch hier kann ich nicht erkennen, dass es eine Logik gibt, die einen Mindestlohn herleitet und uns dann sozusagen eine wissenschaftliche Grundlage liefert, warum wir in dieser Art und Weise bei einer Parteiinitiative dann auch noch zustimmen sollen.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)