Sehr geehrte Abgeordnete, ein weiterer Schwerpunkt des Änderungsgesetzes ist die stärkere Förderung ambulanter und teilstationärer Pflege. Es geht uns um eine neue Schwerpunktbildung der Landesförderung in Anlehnung an den entsprechenden Wortlaut des Einrich
tungenqualitätsgesetzes. Wir knüpfen damit an das an, was wir schon in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben, dass wir den ambulanten und teilstationären Bereich unterstützen wollen, und ich will in einem Fall konkret sagen, was das bedeutet. Wenn Menschen lange zu Hause bleiben wollen, dann brauchen sie dort den ambulanten Pflegedienst oder alternativ eine Unterstützung in der Tagespflege, weil die Angehörigen oft arbeiten gehen müssen und wollen, um das vereinbaren zu können. Wir wollen aber vor allem auch zukünftig Zuschüsse für selbstbestimmte Wohn- und Betreuungsformen einsetzen. Des Weiteren werden wir die Zuschüsse des Landes an die teilstationären Pflegeeinrichtungen entsprechend der Preisentwicklung maßvoll anheben.
Ein wichtiger Bestandteil des Änderungsgesetzes ist ebenfalls die Umstellung der Förderung der ambulanten und teilstationären Pflege. Konkret heißt es im geänderten Gesetzeswortlaut: Das Land gewährt „zur Verbesserung der pflegerischen Versorgungsstruktur oder zur Entwicklung und Erprobung neuartiger Maßnahmen“ eine Förderung „zur Tages-, Nacht- oder Kurzzeitpflege“.
Pflege der Zukunft heißt Pflege im Quartier. Und ich darf hier nochmals auf das bereits eingeführte Konzept der Pflegestützpunkte verweisen, das ganz bewusst auf die Einbeziehung der planenden und steuernden Kraft der Kommunen setzt und dieses fördert. Und hier wollen wir ansetzen. Wir beabsichtigen, zusätzlich zu der inhaltlichen Neuorientierung des Pflegegesetzes mit der Neufassung des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes über die örtlichen Träger der Sozialhilfe bereits im Jahr 2013 bis zu 1,5 Millionen Euro für Maßnahmen zur Weiterentwicklung von ambulanten und teilstationären Pflegeangeboten sowie Angeboten der Kurzzeitpflege zu gewähren. Das beinhaltet Möglichkeiten, zusätzliche Kosten der integrierten Pflegesozialplanung inklusive der Kosten für Kümmerer oder Netzwerkinitiativen zu finanzieren, auch die Möglichkeit für Modellprojekte. Gleichzeitig kann dies auch eine direkte oder indirekte Finanzierungsmöglichkeit für bürgerschaftliches Engagement in der Pflege einschließen. Auch in den kommenden Jahren wollen wir das Prinzip „ambulant vor stationär“ über die Aus- gestaltung des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes stär- ken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das Landespflegegesetz hat vor allem in den vergangenen Jahren versucht, mit dem Pflegewohngeld einen Ausgleich zu schaffen für die fehlende Investition im stationären Bereich. In den letzten 20 Jahren haben wir mit viel Geld zunächst ganz direkt Pflegeeinrichtungen gefördert. Die Menschen, die in diesen Einrichtungen sind, erhalten kein Pflegewohngeld. Später gab es keine direkte Förderung mehr für den Bau von Pflegeeinrichtungen. Und für die Menschen hat man ein Pflegewohngeld von durchschnittlich 100 Euro monatlich eingeführt. Irgendwann passt dieses System nicht mehr, weil auch die Pflegeeinrichtungen, für die es direkte Investitionen gibt, wieder neu investieren müssen und es hier kein Pflegewohngeld gibt. Und ich empfehle, dass wir, anders als es im Gesetz angelegt war, das Pflegewohngeld weiterzahlen für alle die, die es bisher bekommen, weil gerade Menschen in unserem Land keine besonders hohen Renten haben, und da ist wichtig, dass die Menschen, die bisher diese Leistungen bekommen haben, darauf vertrauen können, dass sie die weiter bekommen und zukünftig unbefristet.
Ich empfehle Ihnen aber, nicht weiter nur für einen kleinen Teil dieses Pflegewohngeld zu zahlen, denn derzeit bekommen nur 5.600 Menschen das Pflegewohngeld, die Hälfte davon würde die Unterstützung auch über die Sozialhilfe bekommen. Ich empfehle, dass wir zukünftig ab 2013 dieses Geld nutzen, es den Kommunen geben, dass alle Menschen, die sich selbst diesen Platz nicht leisten können, über die Sozialhilfe weiter unterstützt werden. Das ist ein wichtiger Grundstein in unserem Sozialsystem, dass Menschen, die alt und pflegebedürftig sind, aber nicht das Geld haben, trotzdem diesen Pflegeplatz bekommen. Das zahlen die Kommunen. Wir gleichen es aus über das Sozialhilfefinanzierungsgesetz. Und das ist ein kleiner Teil, der da am Ende übrig bleibt. Wir werden sehen, wie sich das im Laufe der Jahre entwickelt. Wir starten in 2013 mit der Differenz von 1,5 Millionen Euro, die eingesetzt wird, den ambulanten Bereich zukünftig zu stärken. Ich meine, das ist eine sozial verantwortliche und auch finanziell verantwortliche Regelung. Wir gewährleisten damit, dass das Geld weiter im System bleibt und jetzt Menschen zugutekommt, die dringend auch gute Angebote im ambulanten Bereich brauchen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wenn ich die Überschrift des Antrages der SPD- und CDU-Fraktion noch leicht ergänzen darf in „Pflege braucht Anerkennung, Qualität und leistungsfähige Strukturen“, so, wie es die einzelnen Punkte des Antrages auch belegen, dann kann diese Überschrift auch als Motto für das Änderungsgesetz gelten. Ich kann mich mit diesem Antrag identifizieren und würde mich freuen, wenn wir eben das Gesetz und den Antrag nutzen und im Sozialausschuss und in anderen Ausschüssen eine breit angelegte Diskussion führen, um die Qualität in unserem Land weiter zu sichern und den Menschen die Sicherheit zu geben, dass die Leistungen, die sie bisher bekommen haben, auch weiter ab nächstes Jahr gezahlt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU hat der Abgeordnete Jörg Heydorn.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU legen Ihnen heute den Antrag „Pflege braucht Qualität und Anerkennung“ vor, den man durchaus in dem von der Ministerin gerade genannten Sinne „und gute Strukturen“ ergänzen kann. Den legen wir Ihnen heute vor und ich will kurz in den Antrag einführen, worum es da geht.
Wir sehen einen starken Zusammenhang mit dem vorgelegten Gesetzentwurf und deswegen sollte dieser Antrag auch im Weiteren mit dem Gesetzentwurf diskutiert werden. Sie werden sehen, wir schlagen nicht vor, den Antrag abzustimmen, sondern den Antrag mit dem Gesetzentwurf in den Sozialausschuss zu überweisen und da zu diskutieren, weil es gibt gerade zur Pflege, was ja für das Land Mecklenburg-Vorpommern von hoher Aktualität ist
und für die nächsten Jahrzehnte von hoher Aktualität bleiben wird, auch noch andere Aspekte, die man aufwerfen kann. Ich weiß, DIE LINKE hat eine Pflegetour gemacht, sicherlich Erkenntnisse gewonnen, und wir wollen mal gucken, was wir im weiteren Fortgang der Diskussion hinkriegen, um hier ein Stück weit was Gutes im Ergebnis auf den Tisch zu legen.
Inhaltlich stellt unser Antrag darauf ab, dass wir mehr lokale Vernetzungen brauchen. Das heißt, gute Lösungen in der Pflege sind immer lokal und unserer Kenntnis nach gibt es zu viel fragmentierte Arbeit. Das heißt, stationäre Einrichtungen machen ihr Ding, teilstationäre und ambulante arbeiten häufig vor sich hin und das Ganze muss besser miteinander verzahnt und koordiniert werden, weil dann wird die Versorgungsstruktur vor Ort besser.
Wir brauchen, das ist der zweite Punkt unseres Antrages, verbessertes bürgerschaftliches Engagement. Wenn man auf der einen Seite sieht, wie die Anzahl der Pflegebedürftigen sich entwickeln wird, dann ist einfach klar, dass man diese Aufgaben nicht mehr in Gänze mit professionellen Kräften wird bewältigen können. Das heißt, wir brauchen mehrere Säulen, die helfen, dieses Thema in adäquater Art und Weise zu bearbeiten. Dazu gehört bürgerschaftliches Engagement. Wenn man sich die Situation des bürgerschaftlichen Engagements in Mecklenburg-Vorpommern ansieht, …
Ein weiterer Punkt ist das Thema „angemessene Löhne“. Es kann nicht sein, dass es nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Lohnspreizungen gibt in der Pflege, je nachdem, wo jemand arbeitet. Also der, der in der Nähe zu Niedersachsen oder auch SchleswigHolstein wohnt, fährt aus finanziellen Gründen sicherlich nicht schlecht, wenn er sich dahin begibt, weil Pflegefachkräfte in diesen Bundesländern noch deutlich besser bezahlt werden als in Mecklenburg-Vorpommern, weil da die Leistungsvergütung dann auch teilweise deutlich besser ist. Daran müssen wir arbeiten, das greifen wir in unserem Antrag auf. Aber auch im Gesetzentwurf, die Ministerin hat es gesagt, gibt es eine Vielzahl von Passagen und Ausführungen, die das zum Ziel haben, dass wir hier vorankommen.
Wir haben das initiiert, die Landesebene hat sich dazu bekannt, wir stellen Geld zur Verfügung bei Pflegestützpunkten, die errichtet werden, und zwar nicht nur einmalig, sondern dauerhaft. Und inzwischen müssen wir feststellen, dass wir eine völlig disperse Situation im Lande haben.
Ich weiß, die Hansestadt Rostock, die will inzwischen den zweiten Pflegestützpunkt aufmachen, in Schwerin haben wir bisher keinen.
Also hier brauchen wir Verbesserungen, denn diese Pflegestützpunkte haben zur Aufgabe, zu beraten und zu organisieren.
… sowohl Strukturen als auch Hilfeleistungen für Einzelne, denn jeder weiß, der plötzlich mal mit dem Thema Pflegebedürftigkeit von einem Angehörigen konfrontiert wurde, was da dranhängt, und er stellt häufig fest, wie hilflos er ist und wie wenig Kenntnisse er oft hat, um dieser Situation begegnen zu können. Hier muss man adäquate Strukturen haben. Unserer Meinung nach sind Pflegestützpunkte adäquate Strukturen und deswegen müssen wir das pushen und dafür sorgen, dass wir hier eine flächendeckende Versorgung mit diesen Einrichtungen zur Verfügung haben.
Und der letzte Punkt: Wir sind der Meinung, wir sollten uns aus Mecklenburg-Vorpommern heraus auf der Bundesebene für eine umfassende Pflegereform engagieren, wo es in erster Linie und vor allem auch darum geht, dass der Pflegebedürftigkeitsbegriff endlich zeitgemäß angepasst wird. Wenn wir uns den jetzigen Pflegebedürftigkeitsbegriff im SGB XI ansehen, dann müssen wir sagen, der ist stark somatisch orientiert. Er setzt auf eine verrichtungsbezogene Pflege und Vergütung, und Menschen, die beispielsweise an einer Demenz erkrankt sind, kommen hier an der Stelle deutlich zu kurz. Also dieser Pflegebedürftigkeitsbegriff muss verändert werden, das muss kommen, denn damit können dann Leistungsverbesserungen für eine Vielzahl von Menschen einhergehen.
Jetzt bin ich schon am Ende, meine Damen und Herren. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Durch die Befristung der Paragrafen 7 bis 9 im Landespflegegesetz vom 16. Dezember 2003 und durch die grundlegenden Urteile des Bundessozialgerichts zur Berechnung der Investitionskosten in geförderten Pflegeeinrichtungen wurde die Novellierung des Landespflegegesetzes zum 31. Dezember dieses Jahres notwendig.
Die Landesregierung hat ihren Gesetzentwurf am 11. Sep- tember vorgelegt. Das ist eigentlich zu spät. Da das neue Gesetz zum 1. Januar 2013 in Kraft treten soll, ergeben sich aus der Vorlage am 11. September wieder Sondersitzungen der Ausschüsse und eine verkürzte Einbringung in den Landtag. Mit der späten Vorlage dieses Gesetzentwurfes behindert die Landesregierung nicht zum ersten Mal ein ordentliches Arbeiten des Landtages.
In meiner Fraktion herrscht Konsens, dass Pflege mehr gesellschaftliche Anerkennung verdient. Wer professionell pflegt, braucht bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Entlohnung. Der gesetzliche Mindestlohn in der Pflege ist für uns zu niedrig. Und warum ist dieser Mindestlohn in den neuen Bundesländern niedriger als in den alten? Das ist 22 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht zu akzeptieren. Deshalb unterstützen wir das Vorhaben der Landesregierung, in der Pflege nur noch die Unternehmen zu fördern, die ihren Pflege- und Betreuungskräften eine angemessene Vergütung zahlen. Diese soll sich an den einschlägigen Tariflöhnen im Pflegebereich orientieren, so sinngemäß zitiert aus dem Gesetzentwurf. Damit diese Festlegung eindeutig und damit auch besser kontrollierbar ist – Frau Schwesig hat ja eben gesagt, dass sie für eine klare Regelung ist –, sollte sie im Gesetz unmissverständlich formuliert werden. Beispielsweise könnte es heißen: Eine Förderung ist an die Vergütung nach Tariflohn gebunden.
Dass ab 2013 keine neuen Anträge auf Pflegewohngeld angenommen werden, lehnen wir ab. Wir lehnen das geplante Auslaufen ab, weil es neue Heimbewohner ungerecht benachteiligt. Die Zahl derjenigen, die die Investitionsumlagen nicht aus eigenem Einkommen zahlen können, wird sich aufgrund der deutlich sinkenden Rentenzahlbeträge für Neurentner in den nächsten Jahren deutlich erhöhen. Wir fordern im Interesse einer Gleichbehandlung und auch angesichts der drohenden Altersarmut, dass das Landespflegegeld weiterhin auch an neue Heimbewohner gezahlt wird.
Wir lehnen das geplante Auslaufen aber auch ab, weil die Begründung, dass durch das Pflegewohngeld die angestrebte Vermeidung von Sozialhilfe nicht erreicht wurde, nicht stichhaltig ist. Dass gerade das Gegenteil der Fall war, werden die Kommunen ab dem Jahr 2013 erleben. Die Anträge auf Hilfe zur Pflege und damit auf kommunale Sozialhilfe werden steigen und hier lässt der Gesetzentwurf die Landkreise und kreisfreien Städte weitgehend allein. Die Landesregierung spart durch die Neuregelung des Pflegewohngeldes im Jahr 2013 2 Millionen Euro, sie erwartet aber nur 1 Million Euro Mehrausgaben bei der kommunalen Hilfe zur Pflege. Auch wenn es in der Begründung auf Seite 5 heißt, dass
nach dem Konnexitätsprinzip der tatsächliche Mehraufwand im Sozialhilfebereich für die Kommunen ausgeglichen werden soll, die Rechenansätze lassen zumindest Probleme befürchten. Der Landeshaushalt wird mit dem Auslaufen des Pflegewohngeldes entlastet, ob die Kommunen jedoch für ihre Mehrausgaben und ihre Mehrarbeit bei der Bearbeitung der Anträge der Hilfe zur Pflege kompensiert werden, ist nach diesem Gesetzentwurf offen.
Und noch ein grundsätzlicher Einwand: Mit der Novellierung des Landespflegerechts soll die Förderarchitektur den künftigen Herausforderungen an die Pflege angepasst und sollen vor allem Einrichtungen im ambulanten und im teilstationären Bereich gefördert werden. Diese Position teilen wir. Die Landesregierung muss sich jedoch fragen lassen, warum diese Schwerpunktsetzung erst jetzt erfolgt. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gilt seit 1995 in der sozialen Pflegeversicherung. Auch das noch geltende Landespflegegesetz vom 16. Dezember 2003 betont, ich zitiere, in Paragraf 1: „Bei der Umsetzung des Gesetzes ist den Grundsätzen ambulanter Versorgung vor teilstationärer Versorgung und teilstationärer Versorgung vor stationärer Versorgung sowie Rehabilitation vor Pflege Rechnung zu tragen.“ Zitatende. Deshalb muss die Landesregierung erklären, warum sie erst jetzt die ambulante und teilstationäre Versorgung fördern will. Andere Bundesländer machen das seit Jahren.
Noch einige Bemerkungen zum Antrag „Pflege braucht Qualität und Anerkennung“. Als ich diesen las, dachte ich, schön, dass sie unsere pflegepolitische Agenda gelesen haben. Wir haben sie nach unserer Pflegetour ins Internet gestellt und damit für alle freigegeben. Es ist erfreulich, dass jetzt auch die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auffordern, sich auf Bundesebene für eine umfassende Pflegereform einzusetzen,
für die Angleichung des Mindestlohns Ost an den Mindestlohn West, die ambulante und teilstationäre Versorgung stärker zu fördern und endlich den flächendeckenden Ausbau der Pflegestützpunkte voranzutreiben. Das sind Forderungen, die seit der 5. Legislatur immer wieder aus meiner Fraktion kamen und die wir auch heute teilen.