Protocol of the Session on August 29, 2012

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat er vergessen. – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

dass es eine strikte Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz gibt.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kontrollieren, Fusionieren, Abschaffen – das sind einige Schlagworte der gegenwärtigen allgemeinen und parteiübergreifenden Verfassungsschutzreformdebatte. Und ich sage, trotz der anderslautenden Einschätzung des Vorsitzenden der IMK in seiner Pressemitteilung: Auslöser der schwersten Krise des Verfassungsschutzes, die zu dieser Debatte geführt hat – und darauf verweist auch der vorliegende Gesetzentwurf zu Recht –, sind die Geschehnisse und Ermittlungspannen rund um die Mordserie der rechtsextremistischen NSU-Terroristen, in der Bundesrepublik insgesamt und auch in Mecklenburg-Vorpommern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hält man sich aber vor Augen, dass für die Verfolgung von Straftaten und die Festnahme von Tatverdächtigen die Staatsanwaltschaft und die Polizei und nicht der Verfassungsschutz zuständig sind, dann wird etwas anderes deutlich. Die NSUMordserie hat mit all ihrem Versagen der Sicherheitsbehörden, mit allen bis heute ungeklärten Fragen die Verfassungsschutzkrise zwar deutlich und öffentlich sichtbar gemacht, die Ursachen dieser Krise aber liegen tiefer, nämlich im strukturellen Eigenleben einer solchen Behörde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst wenn wir erkennen beziehungsweise anerkennen, dass es sich bei den

NSU-Ermittlungspannen nicht allein um ein behördliches Versagen – etwa in Thüringen, Sachsen, Bayern, Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern – handelt, sondern dass das unsägliche und zum Teil schädliche V-Leute-System, das behördeninterne, behörden- und länderübergreifende Misstrauen untereinander, die Aufklärungsvereitelungs- und Aufklärungsirreleitungsversuche und andere kritisierte Arbeitsweisen keine Ausrutscher, sondern eben Arbeitsgrundlage potenziell jeder Verfassungsschutz- behörde sind, erst dann, meine ich, wird der gesetzli- che Änderungsbedarf auch in unserem Land unüber- sehbar.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion wird die Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes unterstützen. Auch wenn die allgemeine Begründung nicht ganz stimmig beziehungsweise etwas holprig daherkommt, wäre das Anliegen ein erster diskutabler Schritt. Und zweitens ermöglicht die Überweisung eine Ausschussberatung zu weiteren notwendigen Veränderungen, denn die geforderte Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen der PKK ist aus meiner Sicht nicht das drängendste Problem. Viel wichtiger ist doch, was aus den Erkenntnissen wird, die der Verfassungsschutz gewinnt, egal ob sie nun öffentlich oder nicht öffentlich vorgetragen werden.

So stellt sich mir schon die Frage, warum zum Beispiel immer wieder festgestellt wird und im Verfassungsschutzbericht ja nachzulesen ist, dass Wahlkreisbüros von Mitgliedern des Landtages angegriffen werden, ein rechtsextremistischer Hintergrund vermutet wird, es bislang aber zu keiner einzigen Aufklärung oder Ermittlung kam.

(David Petereit, NPD: Propaganda.)

Was nützt es mir dann, wenn ich diese Erkenntnis öffentlich oder nicht öffentlich in der PKK

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

vermittelt bekomme?

(Stefan Köster, NPD: Es liegt nahe, dass sie die Täter woanders suchen.)

Die Täter sind uns persönlich bekannt, Herr Köster,

(Stefan Köster, NPD: Ja, natürlich.)

zum Beispiel die,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

die in der Nacht vom 16. zum 17. Juni mein Wahlkreisbüro in Stavenhagen angegriffen haben.

(Stefan Köster, NPD: Machen Sie doch eine Strafanzeige!)

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wem nützt es, wenn im VS-Bericht zum Beispiel regelmäßig aufgezählt wird, wie viele Konzerte mit rechtsextremistischem Hintergrund stattgefunden haben, die Polizei aber gleichzeitig einräumt, dass sie nichts unternehmen kann.

(Stefan Köster, NPD: Ja, so ist die Rechtslage.)

Da macht es keinen Sinn, ob ich diese Information öffentlich oder nicht öffentlich erhalte.

(Stefan Köster, NPD: Kennen Sie geltendes Recht, Herr Ritter? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Stefan Köster, NPD: Wollen Sie wieder Ihre DDR-Stasimethoden einführen?)

wie und warum konnte das NSU-Mördertrio auch in Mecklenburg-Vorpommern mit Unterstützung von Menschen, die hier im Plenarsaal sitzen, sein Unwesen treiben, obwohl die rechtsextreme Szene unter Beobachtung steht? Was nützt es mir, wenn ich diese Erkenntnisse öffentlich oder nicht öffentlich erhalte, wenn daraus keine adäquaten Schlussfolgerungen gezogen werden?!

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wer sagt denn das, dass keine Schlussfolgerungen gezogen werden?)

Es steht also vielmehr die Frage nach der Art und Wei- se der Arbeit des Verfassungsschutzes, nach der Effektivität der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Geheimdiensten in Bund und Ländern, nach der richtigen Schwerpunktsetzung der Arbeit des Verfassungsschutzes, und es geht um die Frage der Sinnhaftigkeit des Wirkens von V-Leuten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf will also die öffentlich tagende Parlamentarische Kontrollkommission zur Regel machen und die nicht öffentliche Sitzung zur Ausnahme. Darüber kann man ernsthaft nachdenken. Und dann wollen Sie aber für den Fall einer Geheimhaltungsbedürftigkeit eine Begründungspflicht für die Regierung gewährleisten, so zu lesen in der allgemeinen Begründung Ihres Gesetzentwurfes. Wenn ich mir aber im Ergebnis Ihres abgeänderten Paragrafen 28 Absatz 2 dann ansehe, dann gibt es niemanden mehr aus der Regierung, der etwas begründen könnte. Hier müsste man also noch mal den Text nacharbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unabhängig vom Schicksal des vorliegenden Gesetzentwurfes – und es ist ja hier schon angedeutet worden, dass er nicht mal die Chance hat, überwiesen zu werden – ist aus meiner Sicht Reformbedarf unübersehbar. Wäre es denn zum Beispiel nicht sinnvoll, wenn jedes einzelne PKK-Mitglied über die bisherigen Rechte der PKK als Gremium verfügen würde?

So heißt es im Paragrafen 29, ich zitiere: „Die Parlamentarische Kontrollkommission kann von dem Innenministerium alle für ihre Kontrollaufgaben“ et cetera pp. Da steht nicht: „das Mitglied der PKK“, sondern immer die Kommission in Gänze. Es heißt weiter: „Die Parlamentarische Kontrollkommission kann ferner den Landesbeauftragten für den Datenschutz beauftragen...“ Noch weiter heißt es: „Die Parlamentarische Kontrollkommission kann mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder nach Anhörung des Innenministeriums im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen...“

Es ist also immer nur die Kommission insgesamt, die agieren kann. Weitreichende Rechte für einzelne PKK

Mitglieder sind im Gesetz so noch nicht ausgewiesen. Und darüber sollte man meiner Meinung nach nachdenken und auch über die Frage, ob für eine systematische Kontrolle des Verfassungsschutzes nicht letztendlich eine personelle Stärkung der PKK notwendig ist, bis hin zu Fraktionsmitarbeitern, die die Mitglieder der PKK und ihre Arbeit unterstützen, auch wenn dies Geld kosten sollte. Alle, die wir in der PKK sitzen, wissen wir, dass das für uns alle eine unwahrscheinliche zusätzliche Belastung ist. Da muss man dann also darüber nachdenken, wie hoch die Arbeitsfähigkeit des Einzelnen in der PKK vielleicht ist.

Und, ganz klar, die IMK hat sich ja auch verständigt über die Frage des Umgangs mit den V-Leuten. Ich habe da eine etwas andere Sicht. Wir müssen also die Frage zum Beispiel stellen: Ist der Umgang mit V-Leuten rechtssicher genug ausgestaltet oder müssen die Kriterien für Anwerbung, Führung und Bezahlung von V-Leuten präziser formuliert werden? Aber da wird uns die IMK sicherlich auch noch etwas vorlegen.

Also, meine Damen und Herren, schließlich werden wir auch die bundesweite sowie die Diskussion auf Bundesebene aufmerksam verfolgen müssen. Wenn die Abschaffung des Verfassungsschutzes beziehungsweise seine Umwandlung in eine Forschungs- und Dokumentationsstelle bisher nahezu das Alleinstellungsmerkmal meiner Partei, aber auch der GRÜNEN war, so denkt inzwischen zum Beispiel auch der Innenminister Jäger in Nordrhein-Westfalen über einen Thinktank für Analyse und Strategieentwicklung nach, wenn er den Verfassungsschutz der Zukunft meint. Aber vielleicht ist das ja nach der IMK-Beratung gestern auch anders.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mit Sicherheit.)

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich aus Sicht meiner Fraktion eine Reihe von Fragestellungen formuliert, die über den vorliegenden Gesetzentwurf hinausgehen. Und obwohl angekündigt worden ist, dass die Koalition nicht bereit ist, den Gesetzentwurf zu überweisen, sollten wir aber doch Zeit und Gelegenheit finden, gerade angesichts der Herausforderungen der Aufklärung der NSU-Verbrechen über die Arbeitsweise und die Möglichkeiten auch des Landesverfassungsschutzes hier gemeinsam nachzudenken und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, anstatt festzustellen, das Sicherheitssystem in der Bundesrepublik hat sich im Grundsatz in den letzten 60 Jahren bewährt. Wenn es so wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann hätten die NSU-Verbrechen nie stattfinden dürfen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Ringguth von der CDU-Fraktion.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem sehr emotionalen Vortrag meines Kollegen Dachner mit der Grünäugigkeit meine ich, dass es vielleicht jetzt dem Thema doch angemessen ist, das völlig unemotional sozusagen noch einmal zu reflektieren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber die Rede war durchaus angemessen, fand ich.)

Ich will es gerne unemotional tun,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das ist ja in Ordnung.)

und das steht mir ja frei.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ich möchte trotzdem sagen, Herr Suhr,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Pathos Ringus.)

also unserer Fraktion erschließt sich beim besten Willen nicht, was Sie eigentlich mit diesem Gesetzentwurf bezwecken wollen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das steht ja drin.)

Also Sie wollen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wenig emotional, würde ich sagen. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)