Protocol of the Session on August 29, 2012

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er darf also den Landtag wählen nach Ihren Vorstellungen, allerdings wenn er einen Kaugummi klaut, dann gilt er noch als Kind und wird als solches behandelt. Auch da kommen wir in Diskrepanzen, auch da kommen wir in Kalamitäten, und ich denke, wir sollten schauen, wie man solche Diskrepanzen auflöst

(Torsten Renz, CDU: Überzeugende Argumente, Herr Müller.)

oder ob man – und das tun wir im Moment beim Wahlrecht – sagt, mit gewissen Diskrepanzen kann ich auch leben. Das tun wir im Moment, was das aktive Wahlrecht bei der Landesebene und der kommunalen Ebene angeht. Also das sind sehr schwierige Fragen und ich glaube, die einfachen Lösungen verbieten sich.

Wir müssen allerdings sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass, seit wir die Beschlüsse gefasst haben, an denen ich hier auch beteiligt war, die politische Diskussion natürlich weitergegangen ist und dass wir zusätzliche und dass wir neue Argumente haben.

(Torsten Renz, CDU: Eigentlich nicht, eigentlich nicht. Es wurde neu aufgemacht, das Thema.)

Und ich denke, zusätzliche und neue Argumente, lieber Kollege Renz, muss man auch zur Kenntnis nehmen, und wir haben im Moment eine relativ breite Debatte. Die Diskussionen in anderen Landtagen zeigen dies sehr deutlich, ob wir beim Wahlrecht 18 bleiben sollen. Zwei Bundesländer, Bremen und Brandenburg, haben das Wahlrecht bei Landtagswahlen bereits abgesenkt, andere diskutieren darüber und ich denke, so etwas muss man auch in unsere Überlegungen mit einbeziehen.

Wir werden also einen sehr schwierigen, einen sehr komplizierten Diskussionsprozess im Ausschuss haben und vielleicht machen zwei Beispiele deutlich, wie groß eigentlich die Spanne ist, über die wir reden.

Ich würde mir zum Beispiel gern mal anschauen, wie denn das in Österreich aussieht. Wir haben schon mal bei anderen Materien, ich sage nur das Stichwort „Wegweisung“, uns aus Österreich kluge, rechtliche Regelungen importiert und das kann ja nicht so schlecht sein. In der Republik Österreich gilt seit einer Reihe von Jahren das aktive Wahlrecht mit 16 für alle Wahlen von der Bezirksvertretung in Wien bis zur Wahl des Bundespräsidenten. Also das ist in Österreich durchaus möglich und soweit ich weiß, hat es den Alpen noch keinen Schaden getan und auch der Alpenrepublik nicht.

Auf der anderen Seite würde ich natürlich gern auch mal sehen und da gucke ich jetzt in die grüne Richtung, wo

denn eigentlich unsere Diskussion endet. Das klang auch beim Kollegen Saalfeld ein wenig an und deswegen gestatten Sie mir, dass ich hier einmal aus dem Bereich der GRÜNEN, nicht des Landes Mecklenburg-Vorpommern, eine Position zitiere, mit der wir uns dann vermutlich auch werden auseinandersetzen müssen. Das ist Julia Rothenburg, die politische Geschäftsführerin der Grünen Jugend in Berlin, die im Jahre 2010, als dort in Berlin über das Thema diskutiert worden ist, geäußert hat, ich darf zitieren, Frau Präsidentin:

„Die GRÜNE JUGEND Berlin spricht sich langfristig aber für eine komplette Abschaffung von Wahlaltergrenzen und der damit verbundenen Unterbindung von politischer Partizipation aus. Wir streben eine Gesellschaft an, in der jeder Mensch befähigt ist, auf die Politik Einfluss zu nehmen und zu partizipieren. Entscheidungen der Politik haben Auswirkungen auf alle Menschen in einer Gesellschaft, auch Kinder müssen die Möglichkeit bekommen, ihre Bedürfnisse, Interessen und Wünsche zu äußern, aber auch auf die gesellschaftlichen Prozesse durch Wahlentscheidungen einzuwirken. Das Alter kann kein gerechter Maßstab für die Fähigkeit zur Willensbildung der einzelnen Individuen sein.“ Zitatende.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch solche Positionen, dass alle Menschen komplett unabhängig vom Alter das Wahlrecht haben müssen, werden in der Partei der GRÜNEN, und soweit ich weiß nicht nur dort, auch durch den Landesjugendring des Landes Baden-Württemberg, vertreten. Also auch damit sollten wir uns auseinandersetzen, auf welchem Weg wir hier sind.

Also Strich drunter: Wir haben eine komplizierte Situation mit sehr vielen Argumenten für eine Absenkung, mit sehr vielen Argumenten dagegen. Wir sollten im Europa- und Rechtsausschuss uns diesem Thema widmen und wir sollten vielleicht es mal schaffen, ohne eine vorgefertigte Position da reinzugehen und uns wirklich mit Argumenten und mit Fakten auseinanderzusetzen, um am Ende zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich glaube, es ist zu spät.)

Ja, wenn Peter Ritter sagt, es ist zu spät –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nach der Rede des Innenministers ist es zu spät.)

ich wollte ja mal den Versuch machen, aber wenn Sie meinen, das geht nicht, okay, dann geht es nicht,

(Torsten Renz, CDU: Wir machen es besser, Herr Müller.)

dann ist das in Ordnung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Er hat doch gesagt, was passiert, wenn sich die Koalition nicht einig ist.)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Zack, weg damit!)

Ich glaube immer noch, dass wir eine Chance haben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, nein.)

über dieses Thema einfach mal sachbezogen zu reden. Wir werden es jedenfalls versuchen und deswegen stimmen wir der Überweisung in den Europa- und Rechtausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. Sehr gut.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tino Müller von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden den vorliegenden Gesetzentwürfen unsere Zustimmung erteilen, weil die Herabsetzung der Altersgrenze bei Landtagswahlen auf 16 Jahre weiteren 24.000 jungen Menschen zumindest die Möglichkeit der politischen Einflussnahme eröffnet. Allerdings steht heute schon fest, dass die jungen Leute nicht so rege von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden, wie Sie es sich hier insgeheim wünschen, und das hat seinen Grund.

Stellen Sie sich vor, ein gewählter Landtagsabgeordneter aus Ihrem Block lässt sich urplötzlich von der praktikablen Idee inspirieren, eine Bürgersprechstunde durchzuführen. In aller Ruhe wägt er Pro und Kontra ab, Eile ist nicht geboten, schließlich finden die Wahlen ja nur alle fünf Jahre statt. Nach langem Hin und Her entscheidet er sich zur Durchführung. Zuerst wird ein Ort ausgesucht, am besten dafür geeignet scheint eine sogenannte rechte Hochburg im Land. Die jahrelang aufgebauten und bei etlichen Sektempfängen vertieften Kontakte zur gleichgeschalteten Presse werden dafür genutzt, eine Annonce zu schalten. Hinzu kommt ein Aufruf zur Sprechstunde auf der eigenen Netzseite, der gekonnt mit einer klaren Ansage gegen rechts für eine bunte Zivilgesellschaft vermischt wird. Nun hofft man voller Erwartung auf den großen Tag.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Typischer Fall von Verfolgungswahn.)

Nach erfolgter Bürgersprechstunde dann das ernüchternde Ergebnis, Herr Ritter: Die Bürger blieben fern.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie fragen sich sicher: Was hat diese Erzählung mit den vorliegenden Gesetzentwürfen zu tun?

(Udo Pastörs, NPD: Kennen wir schon.)

Ganz einfach, zum einen handelt es sich nicht um eine fiktive Erzählung, denn so erging es sicher nicht wenigen von Ihnen, zuletzt der bunten Abgeordneten Ulrike Berger in Ueckermünde.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Zum anderen lassen Sie sich an diesem Beispiel sehr anschaulich die Parallelen, Herr Ritter, zu Ihren Gesetzentwürfen verdeutlichen, genauso wirklichkeitsfremd wie Ihre bunte Zivilgesellschaft, was auch immer das sein mag.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und die Hoffnung, dass ein durchschnittlicher Landsmann freiwillig zu Ihren Sprechstunden kommt, ist auch

die Hoffnung darüber, dass Sie mit dem Herabsetzen des Wahlalters etwas gegen die Politverdrossenheit in unserem Land ausrichten können. Der einzige Grund für die Politikverdrossenheit sind Gestalten wie Ulrike Berger, Nieszery, IM Martin und Co. Sie leben in einer bunten Scheinwelt, die mit der rohen Realität der Bürger in unserem Land nichts mehr zu tun hat.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Treten Sie zurück und lassen Sie Menschen in diesem Haus Platz nehmen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, die aus eigener Erfahrung wissen, Herr Ritter, was Arbeitslosigkeit, Altersarmut, Lehrer- und Ärztemangel bedeuten!

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, das weiß ich, das weiß ich.)

Nur solche Menschen sind auch in der Lage, mit Tatkraft gegen den Niedergang anzukämpfen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja.)

Solchen Politikern würde das Volk auch Vertrauen schenken.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach so?)

Die Wahlbeteiligung würde real und nicht nur durch statistische Tricks steigen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Wunderbar.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ringguth von der CDU-Fraktion.