Protocol of the Session on August 29, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur beabsichtigten Absenkung des aktiven Wahlalters gibt es ein umfangreiches Pro, aber auch ein ebenso umfangreiches Kontra. Es gab zum Beispiel im Jahr 2010 Gegenargumente unserer Landesregierung, die mich insbesondere hinsichtlich der juristischen Stichhaltigkeit damals nicht überzeugt haben. Und vielleicht gelingt es uns ja in den Debatten im Rechtsausschuss, auch diese juristischen Argumente noch einmal abzuwägen.

Wir haben die Problematik der Kopplung beziehungsweise Entkopplung von der Volljährigkeit. Hier sei die Frage gestattet, was eine theoretische Herabsetzung der Volljährigkeit an der politischen Weisheit eines 16- oder 17Jährigen ändern würde.

Dann haben wir die These „Jugend wählt Protest“ be- ziehungsweise „Jugend wählt extrem“. Zumindest die Extremismusthese wurde durch die Bremer Wahl nicht bestätigt. Aber selbstverständlich müssen wir uns in den Ausschussberatungen, also neben dem Rechtsausschuss vielleicht auch im Innenausschuss und im Bildungsausschuss mit Fragen der qualifizierten Vorbereitung der Politikeinsteiger befassen. Aber ich weiß, wir haben uns verständigt mit einer Überweisung in den Rechtsausschuss, und dort sollten wir dann von einer Anhörung Gebrauch machen und alle diese Fragen, die möglicherweise im Bildungsausschuss oder auch im Innenausschuss besser aufgehoben wären, eben im Rechtsausschuss diskutieren.

Und schließlich möchte ich daran erinnern, dass wir sogenannte Jugendprobleme, also sachliches Desinteresse oder völlige Politikabstinenz, durchaus in anderen Altersgruppen antreffen. Und warum sollen wir ausgerechnet den 16-Jährigen einen Vorwurf machen, wenn sie am Wahlsonntag den Hintern nicht hochkriegen, wenn ihre Eltern genauso zu Hause bleiben? Das ist also die falsche Adresse der Kritik.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend klarstellen, dass wir keine überhöhten Erwartungen an ein abgesenktes Landeswahlalter stellen, dass zum Beispiel mit dem Landeswahlalter 16 die Wahlbeteiligung exorbitant ansteigt. Nein, diese Gesetzesänderung allein wird nicht ausreichen, um Jugendliche für Politik zu begeistern. Und diese Änderung wird auch kaum zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wahlbeteiligung führen. Wir verstehen diese Änderung als ein Angebot, welches angenommen werden kann durch die Jugendlichen, und als ein Signal, dass weder Kommunal- noch Landesebene politische Spielwiesen sind, übrigens ebenso wenig wie die Bundesebene, doch dazu morgen mehr.

Und zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe bereits darauf verwiesen: Wir haben uns darauf verständigt, diesen oder beide Gesetzentwürfe in den

Rechtsausschuss zu überweisen. Begründung war, es handelt sich hier um Landeswahlrecht, also nicht um Kommunalwahlrecht, also muss dieser Antrag auch nicht in den Innenausschuss. Bemerkenswerterweise redet aber der Innenminister zu vorliegenden Gesetzentwürfen. Die Jugendministerin sagt als Jugendministerin nichts, hat sich lediglich als SPD-Vize geäußert. Und die Justizministerin sagt auch nichts, obwohl sie während der Verhandlung im Rechtsausschuss sicherlich gefragt werden wird. Also das ist dann doch schon eine sehr merkwürdige Herangehensweise. Aber vielleicht erklärt uns das die Koalition auch.

Insgesamt bin ich zufrieden, dass wir es dann doch zu einer Überweisung und vielleicht zu einer Verabschiedung schaffen im Sinne und im Interesse der Kinder und Jugendlichen in unserem Land.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nun, Kinder aber noch nicht! – Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt der Innenminister Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Lieber Kollege Ritter, also das Wahlgesetz ist immer noch im Innenministerium in der Zuständigkeit, wenn es rechtlich …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hab ich auch so gedacht.)

Ich habe mich zwar auch etwas über den Überweisungsvorschlag gewundert, aber das ist ja nun nicht Zuständigkeit der Minister. Und dass die Jugendministerin nicht spricht, hat einfach damit zu tun, dass ein Minister spricht, in dem Fall der zuständige.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ei, jei, jei, jei!)

Und über die Frage, wie die Jugendministerin dazu denkt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, ja, ja.)

werde ich auch noch ein paar Ausführungen machen.

Wir haben heute zwei Gesetzentwürfe, die wir in verbundener Aussprache behandeln. Sie zielen beide auf das Gleiche ab. Ob die Forderungen dadurch besser oder richtiger werden, wird zu klären sein.

Richtig ist, dass ich als Kommunalminister und meine Fraktion hier der Auffassung sind, dass die Herabsetzung der falsche Weg ist, dass aber meine Kollegin Frau

Schwesig, die Jugendministerin, und ein großer Teil der Fraktion der SPD hier eine andere Auffassung haben. Das ist auch legitim. Und deswegen ist es umso richtiger, dass wir uns in der Sache in den Ausschüssen über das Pro und Kontra zu dem Thema unterhalten. Dazu gibt es viele Gründe, sowohl dafür als auch dagegen. Und deswegen werde ich hier als Kommunalminister in Kürze einige Gründe dagegen und einige Gründe dafür sprechen. Dann können Sie das Thema intensiv im Ausschuss vertiefen.

Ich sage allerdings dazu, in der Regel wissen Sie, was herauskommt, wenn die Großen Koalitionen im Thema in der Gänze unterschiedliche Auffassungen haben. Auch das ist keine neue Erkenntnis, lieber Kollege Ritter, damit wir nachher nicht eine Streiterei anfangen, wie es schon in den letzten 20 Jahren in diesem Parlament so üblich war.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Als Kommunalminister gibt es aus meiner Sicht gute Gründe, gegen eine Einführung des Wahlalters ab 16 zu sein.

Erstens sollte schon das Alter nach meiner Auffassung, der Auffassung auch meiner Kollegen, mit dem Alter der Volljährigkeit übereinstimmen. Es ist systematisch und inhaltlich richtig, das Recht zur Beteiligung an der Wahl zur Volksvertretung an die Verantwortung als mündiger Staatsbürger zu knüpfen. Dies wird richtigerweise, zumindest bisher, in Deutschland mit dem 18. Lebensjahr erreicht.

Auch eine Vergleichbarkeit mit dem Kommunalwahlrecht ist im Gegensatz zu Ihrer Argumentation nicht gegeben. Beim Landtag, und im Übrigen auch beim Bundestag – darüber reden wir ja übermorgen noch mal –, handelt es sich um staatliche Parlamente und nicht um Vertretungsorgane der kommunalen Selbstverwaltung, also schon ein großer Unterschied. Im Gegensatz zu diesem befassen sich die staatlichen Parlamente mit Gesetzgebungstätigkeit als Ausdruck des souveränen Willens des Volkes. Für diesen Kernbereich der demokratischen Teilhabe sollte aus unserer Sicht an der Volljährigkeit festgehalten werden. Wenn ich jetzt „unsere“ sage, dann sage ich mal an der Stelle, aus der Sicht meiner Fraktion zu dem Punkt.

Mir ist bei den vielen Argumenten, die Wahl mit 16 zuzulassen, auch nicht klargeworden, wie gerade 16 zustande kommt. Kollege Saalfeld hat schon darauf hingewiesen, wie weit die Spanne von unterschiedlichen Altersstrukturen ist – von 14, was man darf, was man nicht darf, über 16 bis zu 18. Wieso dann an und für sich gerade 16 und möglicherweise nicht auch 14?

(Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch diese Frage stellt sich.

Und außerdem ist wichtig – darauf ist schon mal eingegangen worden –, dass aktives und passives Wahlrecht bei Parlamentswahlen weiterhin übereinstimmen. Eine Absenkung des Alters zur Wählbarkeit des Landtages ab 16 Jahre wird aber nicht gefordert und ist derzeit auch in keinem Bundesland bisher eingeführt. Sie würde wegen der Verantwortlichkeit der Amtsträger allenfalls an der noch nicht eingetretenen Volljährigkeit scheitern.

Und vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, befragen wir auch die Jugendlichen mal selbst. Brandenburg ist hier so häufig genannt worden. In Brandenburg ist vor Kurzem eine Studie erstellt worden. „Jugend in Brandenburg 2010“ hat erstmalig abgefragt, und zwar Jugendliche abgefragt, welche Haltung unter den Jugendlichen zur Herabsetzung des Alters, des Wahlalters besteht. Eine Zustimmung für die Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 äußerten insgesamt 33 Prozent der Jugendlichen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Tja.)

Das bedeutet, dass selbst bei denen, um die es hier geht, sich zumindest derzeit nur eine Minderheit für eine Herabsetzung des Wahlalters ausspricht. Aber ich habe es eingangs erwähnt, es gibt auch durchaus diskussionswürdige, interessante Gründe zu sagen: Wir müssen uns dem Thema stellen. Dazu zählt eben, die Eröffnung des aktiven Wahlrechts bei Landtagswahlen mit 16 als ein geeignetes Instrument zum politischen Interesse in Gänze zu schaffen, denn das ist bekannt, dass die allgemeine Interessenlage zur Politik in Gänze in Deutschland, ich formuliere es mal freundlich, verbesserungswürdig ist.

Durch die Absenkung des Wahlalters würde natürlich Politik möglicherweise auch mehr gefordert sein, als sich wie bisher mit ganz konkreten Themen aus dem jeweiligen Wahlalter zu befassen, um auch mit den jeweiligen betreffenden Jugendlichen des Wahlalters zu reden. Die Herabsetzung des Wahlrechts bei den 16- und 17-Jährigen ist in der Tat umstritten. Da sich Befürworter und Gegner aber die Waage halten und nach Artikel 20 Grundgesetz ein Rechtsgut darstellen sowie in freier Entscheidung ausgeübt werden kann, sollte man für diejenigen, die es wollen, dann auch das Wahlrecht einführen. Auch das ist ein Argument, was derzeit sehr häufig ins Gefecht geführt wird zu der Frage Herabsetzung oder nicht. Ich meine, es wird eine spannende Diskussion in dem zuständigen Ausschuss. Deswegen möchte ich dem hier an dieser Stelle nicht weiter vorgreifen.

Ich teile die Auffassung, dass der Rechtsausschuss ein interessantes Kriterium dafür ist, auch wenn die Kollegin Justizministerin für die Frage, höchstens was das Alter betrifft, die Zuständigkeit hat. Wahlrecht ist immer noch Politik des Innenressorts. Nichtsdestotrotz gemeinsame gute Beratungen im Ausschuss! – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinz Müller von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns die beiden Drucksachen anschauen, die der Diskussion unter diesem Tagesordnungspunkt zugrunde liegen, also weniger die mündlich vorgetragenen Einbringungsreden, sondern die Drucksachen, dann argumentieren beide Gesetzentwürfe damit, dass wir das Wahlalter bei den Kommunalwahlen ja bereits auf 16 Jahre abgesenkt haben und dass es hier eine Diskrepanz zwischen dem Wahlrecht auf der kommunalen Ebene und der Landesebene gibt.

Peter Ritter hat vorhin so einen schönen Ausflug in die Geschichte gemacht und an die Jahre 1998 folgende

erinnert. Ich möchte gern diesen Ausflug in die Geschichte, lieber Kollege, noch um einen Aspekt erweitern.

Ich bin damals derjenige gewesen, der für die SPDFraktion die Begründung vorgetragen hat, warum wir das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt haben für die Kommunalwahlen. Und wir haben damals eine Menge kritischer Diskussionen geführt, gerade mit Kommunalpolitikern. Ich nehme an, Sie auch gerade mit Kommunalpolitikern, die dieses abgelehnt haben mit der Begründung, wir sind doch nicht weniger wert als die Landespolitik, wir sind nicht so eine Art politischer Kindergarten und wir möchten bitte schön genauso ernst genommen werden wie die Landespolitik und deswegen das gleiche Wahlalter für Kommunal und für Land, bei vielen damals aber mit der Tendenz, lasst es bitte auch kommunal bei den 18 Jahren. Dennoch haben wir dies damals gemacht. Wir haben es damals als Angebot an die Jugend verstanden und es wäre vielleicht einer genaueren Betrachtung, ich kann sie hier im Moment gar nicht liefern, einer genaueren Betrachtung wert, wie weit dieses Angebot eigentlich von denen, die wir erreichen wollten, angenommen worden ist. Vielleicht ein interessanter Aspekt für die weitere Diskussion.

Ich habe allerdings in der Folge, und das war zum letzten Mal, wenn ich das noch richtig im Kopf habe, 2010, hier die Begründung vorgetragen für meine Fraktion, warum wir damals eine Absenkung des Wahlalters auf der Landesebene von 18 auf 16 Jahre abgelehnt haben. Und damit, meine Damen und Herren, befinde ich mich, und das weiß ich auch, durchaus in der Kalamität, auf der einen Ebene das Wahlalter mit 16 begründet zu haben und auf der anderen Ebene die Absenkung des Wahlalters abgelehnt zu haben. Nun, wenn ich Ihren Anträgen folgen würde und für die Landtagswahlen das Wahlalter auf 16 absenken würde, dann allerdings käme ich in eine andere Kalamität, und da, Herr Saalfeld, habe ich durchaus eine andere Einschätzung als Sie. Ich würde nämlich in die Kalamität kommen, dass ich einem Menschen das Recht zubillige, ein Gremium zu wählen, diesem Gremium aber nicht selbst anzugehören. Denn auch Ihr Antrag enthält nicht die Forderung, das passive Wahlrecht von 18 Jahren abzusenken, sondern Sie bleiben beim aktiven Wahlrecht. Sie haben das hier auch begründet und haben gesagt, lass das doch ruhig auseinanderfallen.

Ich glaube, so einfach können wir es uns nicht machen. Ich glaube, es ist politisch sehr schwer vermittelbar, warum ich jemandem das Recht gebe, ein Gremium zu wählen, aber ihm nicht gleichzeitig das Recht gebe, diesem Gremium anzugehören. Sich selbst dürfte er also beispielsweise gar nicht wählen, eine Regelung, die in allen anderen Zusammenhängen völlig undenkbar ist.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei einer Wahl darf man sich immer selbst wählen und dass wir bei ganz bestimmten Funktionen, wie beim Bundespräsidenten, ein Mindestalter für die Wählbarkeit voraussetzen, ich glaube, das ist der besonderen Rolle des Bundespräsidenten in unserer Verfassung geschuldet und sollte für allgemeine Wahlen hier nicht als Argument herangezogen werden.

Ich glaube, und da kann ich an den Innenminister anknüpfen, es ist auch schwer vermittelbar, warum ich Wahlrecht und allgemeine Geschäftsfähigkeit auseinan

dernehme. Sie haben gesagt, der kann ja zur Bundeswehr gehen – ja, mit Zustimmung seiner Eltern. Aber, meine Damen und Herren, bitte schauen Sie ins Bürgerliche Gesetzbuch, diesem Jugendlichen wollen wir dann zubilligen, den Landtag zu wählen, und übermorgen wollen Sie ihm auch das Wahlrecht für die Bundestagswahlen geben. Er ist allerdings nicht rechtlich in der Lage, ohne Zustimmung seiner Eltern allein ein Fahrrad zu kaufen, und auch beim Strafrecht wird er nach wie vor nicht wie ein Erwachsener behandelt.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)