Protocol of the Session on August 29, 2012

In 2011 hat P+S mit Kautionsversicherungsunternehmen erstmals neue Partner auf dem Markt gefunden, die Bauzeitenfinanzierungen ermöglichen. Die Liquiditätsausstattung der Werft ist knapp gewesen. Der Gesellschafter Hegemann war nicht in der Lage, das notwendige Eigenkapital bereitzustellen. Hinzu kamen die enorm hohen Fremdfinanzierungskosten während der Wirtschafts- und Finanzkrise. Ins Schlingern sind die P+S Werften gekommen, als ab November 2011 fällige Anzahlungen großer Besteller in einem Gesamtvolumen von 84 Millionen Euro monatelang nicht geleistet wurden. Eine so große unvorhersehbare Liquiditätslücke würde wohl das Bauprogramm jeder Werft über den Haufen werfen. Bei den P+S Werften kamen jedoch noch hohe Altlasten aus der Hegemann-Ära bis 2009 sowie die aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise zu geringen Margen im Schiffbaugeschäft hinzu. Fremdfinanzierungskosten haben ein Übriges geleistet.

Damit verfügte das Unternehmen nicht mehr über eine Finanzausstattung, die ausreichend gewesen wäre, um die Liquiditätslücke kurzfristig zu schließen. In der Folge konnten Lieferanten nicht vertragsgemäß bezahlt werden. Die Arbeiten an den parallel im Bau befindlichen Schiffen, insbesondere am Bau der Scandlines-Fähren, wurden unterbrochen. Im Ergebnis kam es zu deutlichen Verzögerungen im Bauablauf.

Wir haben den Wirtschafts- und den Finanzausschuss des Landtages im März dieses Jahres über Liquiditätsprobleme der P+S Werften unterrichtet.

(Regine Lück, DIE LINKE: Die aber schon seit einem Jahr existieren.)

Wir haben die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC beauftragt, die Probleme gründlich zu analysieren. Das

Ergebnis wurde im Mai vorgelegt und führte zu der Erkenntnis, dass die P+S Werften den EU-beihilferechtlichen Status eines Unternehmens in Schwierigkeiten leider wieder erreicht hatten. Damit bleibt als letztes Instrument zur Vermeidung einer Insolvenz nur die Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe. Den Finanzbedarf der Rettungsbeihilfe hat das Unternehmen selbst mit circa 80 Millionen Euro angegeben.

In der Prüfung durch das Wirtschaftsprüferunternehmen PwC wurde ein Szenario für den ungünstigsten anzunehmenden Fall durchgerechnet, das alle damals absehbaren Planabweichungen beinhaltete. Das Ergebnis war ein Spitzenbedarf in Höhe von 152 Millionen Euro in der Rettungsphase.

Die PwC ist sowohl Mandatar des Landes als auch des Bundes. Die Einschätzungen der PwC haben sich nicht nur die Landesregierung, sondern auch die Bundesregierung zu eigen gemacht, ebenso haben Landesregierung und Bundesregierung gemeinsam die Gespräche in Brüssel mit der EU-Kommission über die Rettungs- und Umstrukturierungshilfen geführt. Im Ergebnis ist der Weg einer Rettung und Umstrukturierung umfänglich geprüft worden und war aus meiner Sicht richtig,

(Udo Pastörs, NPD: Ha, das können Sie beurteilen!)

ja, er war sogar fast alternativlos.

Ich komme zum zweiten Punkt, zum angeblich fehlenden Controlling.

Bund, Land und Banken haben nach einer gemeinsamen Entscheidung im Jahr 2009, die Werftstandorte in Stralsund und Wolgast zu sanieren, auch ein umfangreiches Controlling installiert. Es besteht aus folgenden Teilen:

1. eine bankenübliche Kreditüberwachung der Schiffs

neubaufinanzierungen durch die Banken Nord/LB und KfW IPEX,

2. einen Gutachter, eine renommierte Wirtschaftsprüfer

gesellschaft, die im Auftrag des Bankenkonsortiums unter anderem auch dafür Monatsreporte vorlegte, zur geschäftlichen Entwicklung der Werftstandorte Aussagen traf, die Wirtschaftlichkeit von Schiffsneubauprojekten bewertete und Dreijahresplanungen fortschrieb oder aktualisierte,

3. ein Schiffbausachverständiger, der über die Durch

führung des Bauprogramms monatlich berichtet und die technische Durchführbarkeit von Neuprojekten bewertet,

4. eine Bewertung der Liquidität des Unternehmens

durch die PwC auf Basis der Berichte von Gutachtern, des Schiffbausachverständigen sowie von Informationen der Banken. Diese Bewertung wurde zeitnah vor jeder Bürgschaftsentscheidung beziehungsweise vor jeder Entscheidung über Auszahlungen der Rettungsbeihilfen eingeholt.

5. Die Umsetzung der seit 2010 eingeleiteten Sanie

rungsmaßnahmen wurde durch einen Beirat der HSW Treuhand- und Beteiligungsgesellschaft überwacht, die Anteile des Alleingesellschafters Hegemann am Unternehmen verwaltet. Dazu fanden regelmäßig Bei

ratssitzungen statt. Dieser Beirat hat die Aufgabe, alle wichtigen Entscheidungen im Rahmen der Sanierung zu begleiten, ausgestattet mit umfangreichen Zustimmungsrechten. Diese Rechte bestanden gegenüber dem Treuhänder, der auf die Geschäftsführung der Werft entsprechend Einfluss nahm. Der Beirat hatte keine direkten Weisungs- und Kontrollrechte gegenüber der Geschäftsleitung der Werft. Diese Rechte obliegen dem Aufsichtsrat der Werft. Da die Treuhand doppelnützig sowohl den Interessen des Gesellschafters als auch den Gläubigern der Werft verpflichtet ist, haben sowohl die Banken als auch das Land jeweils einen Vertreter im Beirat benannt. Auf Wunsch des Landes wurde Rüdiger Möller als Beiratsmitglied bestellt.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zum dritten Punkt, dem Vorwurf an die Landesregierung, die aktuelle Entwicklung angeblich nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Die Landesregierung konnte einerseits zu Recht erwarten, dass mit der Gewährung eines auskömmlichen Finanzierungsrahmens durch die Rettungsbeihilfe zumindest die Liquiditätsprobleme der Werft gemildert wurden und damit auch Zulieferer bedient wurden. Die Lieferanten haben sich schließlich in mehreren Gesprächen und Terminen seit Juni bereit erklärt, sich an der Umstrukturierung der P+S Werften mit Eigenbeiträgen zu beteiligen. Dass die fristgemäße Fertigstellung der Scandlines-Fähren der Schlüssel für den erfolgreichen Abschluss der Rettungsphase war, ist allen Beteiligten bekannt.

Auf der anderen Seite hat das Land auf aktuelle Verzögerungen, insbesondere bei dem Bau der ScandlinesFähren, sofort reagiert. Als Scandlines im Juni die Kündigung der Bauverträge der ersten Fähre androhte, ist es gelungen, in einem gemeinsamen Treffen der Werftleitung mit Scandlines und unter Teilnahme von Vertretern der Landesregierung neue Ablieferungstermine für die Fähren zu vereinbaren.

Diese Termine waren nach Aussagen der damaligen Geschäftsführung der Werft in jedem Falle ausreichend, um zu einer fristgerechten Ablieferung beider Fähren zu kommen. Die Erreichbarkeit dieser Termine wurde im Juli durch den Schiffbausachverständigen nochmals bestätigt.

Als wir Anfang August über weitere Verzögerungen unterrichtet wurden, hat die PwC die neue Situation mit dem Ergebnis bewertet, dass die Liquiditätsausstattung bis zum Abschluss der sechsmonatigen Rettungsphase als äußerst knapp, aber noch positiv eingeschätzt werden könne, jedoch keinen Spielraum mehr für weitere Planabweichungen biete.

Die Landesregierung hat es bei dieser Aussage nicht bewenden lassen, sondern sich in Terminen am 7. und 13. August über den aktuellen Baustand informiert. Erst zu diesem Zeitpunkt hat die Geschäftsführung der Werft ihre Einschätzung mitgeteilt, dass die mit Scandlines verabredeten Termine nochmals um mehrere Monate überschritten würden und damit eine vertragsgerechte Durchführung gescheitert sei.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Worte zu den letzten Wochen verlieren. Die neue Werftleitung hat in der vergangenen Woche zunächst mitgeteilt, dass der Rahmen der Rettungsbeihilfe nicht

mehr ausreiche, um den Zeitraum bis zur möglichen Genehmigung eines Umstrukturierungskonzeptes zu überstehen. Nach der Antwort, dass eine Erhöhung der Rettungsbeihilfe EU-beihilferechtlich ausgeschlossen

sei, hat die Geschäftsführung erklärt, in Abstimmung mit den Kunden und Lieferanten der Werft eine neue Liquiditätsplanung für das Jahr 2013 zu erstellen. Diese Planung setzte voraus, dass auch private Beiträge für die Finanzierung und Fortführung des Unternehmens im Jahr 2013 in einem ausreichenden Umfang eingeworben werden konnten. Nach Angaben der Geschäftsführung ist dies trotz intensiver Verhandlungen in den letzten Tagen nicht gelungen. Insbesondere der Besteller Scandlines sei nicht bereit gewesen, auf vertragliche Kündigungs- und Schadensersatzansprüche zu verzichten.

Meine Damen und Herren, bei all diesen Dingen, die mit Scandlines zusammenhängen, geht es um Schlusszahlungen in Höhe von 127 Millionen Euro. Damit konnte die Geschäftsführung insgesamt keine Fortschritte bei den Verhandlungen erreichen und damit war am Ende der Gang zum Insolvenzgericht aus der Sicht der Geschäftsführung unvermeidlich.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird im Insolvenzverfahren das ihr rechtlich Mögliche tun, um die eingeleitete Umstrukturierung weiter zu unterstützen, die Suche nach Investoren zu forcieren und die notwendigen Maßnahmen zu flankieren. Unser Ziel ist es, beide Werftstandorte zu erhalten. Ich weiß, dass uns hier weitere anstrengende Wochen und Monate noch bevorstehen. Es werden weiterhin konsequente und mutige Entscheidungen notwendig sein,

(Udo Pastörs, NPD: Ha!)

wenn die Umstrukturierungsphase

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

doch noch erfolgreich abgeschlossen werden soll.

Meine Damen und Herren, dafür bitte ich aus allen demokratischen Fraktionen hier im Landtag um Unterstützung.

(Stefan Köster, NPD: Sie hinterlassen auf dem Wirtschaftsgebiet einen Scherbenhaufen.)

Es geht um die Zukunft der maritimen Industrie in Vorpommern. Dazu brauchen wir Zusammenhalt und nicht gegenseitige Schuldzuweisungen.

Meine Damen und Herren,

(Udo Pastörs, NPD: Mein Gott! – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

es geht um die Fortführungsperspektive, wahrscheinlich auch um die Einrichtung einer Transfergesellschaft und um viele andere Dinge, vor allen Dingen auch um das Insolvenzausfallgeld für die Mitarbeiter auf den Werften. Das war der Bericht der Regierung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: Toll!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Fraktionsvorsitzende Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Geschichte des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist eng mit der schicksalhaften Geschichte seiner Werften verbunden. Für mich ist unser Küstenland ohne Schiffbau, ohne maritime Technologieunternehmen nicht vorstellbar. Stahl zum Schwimmen zu bringen, macht Arbeit und schafft Arbeit. Meine Fraktion und ich stehen in erster Linie hinter den Beschäftigten und ihren Familien. Das war vor der Insolvenz so und ist jetzt erst recht so.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

5.000 Arbeitsplätze in der Region stehen auf dem Spiel. Dabei geht es nicht nur um die Beschäftigten an den beiden Werftstandorten in Wolgast und Stralsund, es geht auch um die Arbeiterinnen und Arbeiter und die Angestellten bei den Zuliefererbetrieben, bei den vielen Dienstleistern, die zurzeit um ihre Existenz bangen. Wir erlebten und erleben in diesen Tagen ein nervenaufreibendes Auf und Ab. Heute wurde dann endlich klar, gestern Abend deutete es sich schon an, dass die P+S Werften den Weg in die Insolvenz gehen müssen. Für mich ist diese Entwicklung mit vielen Emotionen verbunden. Doch wie müssen es erst die Beschäftigten erleben? Sie fragen sich: Wie geht es weiter? Habe ich morgen noch Arbeit? Kann ich meine Familie noch versorgen?

Wohlfeile Reden werden den Beschäftigten wohl kaum helfen und ihnen die Sorgen nicht nehmen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass ein Neustart in Stralsund und Wolgast möglich ist. Ja, auch ich sehe das so: Aus der Insolvenz kann ein Neustart gelingen. Und wenn Sie die entsprechenden Maßnahmen beschließen durch die Regierung, dann werden wir auch wieder dabei sein. Was vernünftig ist für die Werften, hat DIE LINKE immer unterstützt, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Hier, glaube ich, gibt es eine klare Einheit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber, aber, meine Damen und Herren, wir erleben in diesen Tagen auch eine Landesregierung und einen Ministerpräsidenten, die nach meiner Auffassung fahrlässig und sträflich mit Aufträgen, Arbeit und den Menschen umgehen. Seit Tagen warteten die Beschäftigten und die Zulieferer, die Branche in Deutschland und in Europa und die Auftraggeber für die P+S Werften auf klare positive Signale des Ministerpräsidenten.