Protocol of the Session on June 22, 2012

Paragraf 72a SGB VIII besagt, dass das Führungszeugnis in regelmäßigen Abständen vorzulegen ist. Also ist doch bei der Wiedervorlagepflicht keine Lücke vorhanden. Das Gesetz sagt „in regelmäßigen Abständen“. Aber vielleicht haben Sie ja einfach die Wörter verwechselt und meinten nicht „Lücke“ sondern „Unbestimmtheit im Gesetz“. Dazu kann ich nur aus meiner juristischen Ausbildung sagen, dass es Gesetze nun mal so an sich haben, dass sie abstrakt gehalten sind, um einen möglichst großen Wirkungskreis zu entfalten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da hat Andrejewski bestimmt gerade gefehlt bei der Ausbildung. – Zuruf von David Petereit, NPD)

Nur im Bereich des Strafrechts wird die Voraussetzung an Gesetze gestellt, dass sie bestimmt sein müssen, damit die Leute auch wissen, wenn sie gegen etwas verstoßen,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

was dann konkret auf sie zukommt.

Aber für den Bereich des SGB VIII trifft dieses Bestimmtheitsgebot

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

von gesetzlichen Regelungen gerade nicht zu, wie Herr Andrejewski sicherlich aus seiner juristischen Ausbildung bestätigen kann. Aber er ist ja nicht da und konnte Sie auch nicht beraten.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und wenn wir solche unbestimmten Rechtsbegriffe wie „regelmäßige Abstände“ haben, dann wird die Praxis damit nicht alleine gelassen. Es werden der Praxis durch Verordnungen oder Richtlinien Vorgaben an die Hand gegeben, die dann konkret die Dinge benennen. Und so ist es auch im Fall des Paragrafen 72a SGB VIII mehrfach geschehen – zum einen in der juristischen Literatur wie in Kommentaren oder in Aufsätzen. Herrscht ansonsten das Vorurteil „zwei Juristen – drei Meinungen“, so ist es in der juristischen Literatur eindeutig klargestellt, dass „unter regelmäßigen Abständen“ ein Zeitraum nicht unter drei Jahren und nicht über fünf Jahre zu verstehen ist.

Aber nicht nur das: Zeitnah zum Erlass dieser Regelung beschloss der 4. Landesjugendhilfeausschuss Mecklenburg-Vorpommern am 14. Dezember 2006 Empfehlun

gen zur Umsetzung der Paragrafen 8a und 72a SGB VIII. Und in Bezug auf die nach Paragraf 72a SGB VIII abzuschließenden Vereinbarungen wurde dann vorgeschrieben, dass freie Träger gegenüber dem öffentlichen Träger zu versichern hätten, dass vor Einstellung sowie in einem Abstand von fünf Jahren die Vorlage eines Führungszeugnisses zu verlangen sei.

(David Petereit, NPD: Als Empfehlung.)

Bei der Erarbeitung der Empfehlungen sind Jugendämter immer mit dabei, sodass sichergestellt ist, dass die Empfehlungen des Landesjugendhilfeausschusses auch vor Ort in die Praxis umgesetzt werden.

Und nicht nur das: Erst am 28.04.2011 erließ der 5. Landesjugendhilfeausschuss „Empfehlungen zur Umsetzung der §§ 8a und 72a SGB VIII“. Inhalt dieser Empfehlungen war unter anderem eine „Mustervereinbarung zu § 72a SGB VIII“. In Paragraf 2 unter dem Stichwort „Führungszeugnis“ heißt es in dieser Mustervereinbarung noch einmal: „Der Träger verpflichtet sich darüber hinaus, … regelmäßig eine wiederkehrende Vorlage eines Führungszeugnisses gem. § 30a BZRG“ – Bundeszentralregistergesetz – „spätestens nach fünf Jahren zu verlangen.“

Also erst im letzten Jahr wurde die Klarstellung aus dem Jahr 2006 nochmals mit in die Mustervereinbarung aufgenommen. Deshalb noch mal meine Frage: Wo ist die Regelungslücke? Wo ist das Regelungsbedürfnis?

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Und noch etwas hat mich stutzig gemacht: Ich habe erwähnt, dass diese Regelung sieben Jahre alt ist. Wenn Sie ein Regelungsbedürfnis gesehen haben und es Ihnen ernsthaft um Kinderschutz ginge, dann frage ich mich, warum Sie diesen Antrag nicht in den letzten Jahren eingebracht haben. Erst am 01.01.2012 trat das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft. Unter anderem wurde in diesem Zusammenhang auch Paragraf 72a SGB VIII verändert, aber nicht so, wie von Ihnen beantragt.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Dazu gab es anscheinend keinen Anlass seitens des Gesetzgebers. Bevor dieses Bundeskinderschutzgesetz erlassen wurde, gab es ein jahrelanges Gesetzgebungsverfahren. Wieso haben Sie nicht damals den Antrag eingebracht, wenn Ihnen der Kinderschutz so wichtig ist und Sie Handlungsbedarf sahen? In einem laufenden Gesetzgebungsverfahren ist es doch immer einfacher, eine Gesetzesänderung herbeizuführen.

Sind das die klaren Vorstellungen beim Kinderschutz, eine Regelung zu konkretisieren, die es schon seit sieben Jahren gibt?

Sie geben vor, Kinderschützer Nummer eins zu sein, wenn man sich Ihr Propagandamaterial anschaut, und leider musste ich das in Vorbereitung auf diese Rede tun. Dabei sind Sie ganz schnell entlarvt. Entweder ist es so wie hier, dass Sie ein veraltetes Thema aufgreifen, wo es keinen aktuellen Handlungsbedarf gibt, wo Sie einfach nur in populistischer Art und Weise Ängste bei der Bevölkerung schüren wollen, oder aber Ihre Lösungsansätze beim Kinderschutz sind menschenverachtend. Sie wirken weder präventiv noch haben Sie den Opferschutz im

Blick. Ihnen geht es nur darum, dieses hochsensible Thema mit Klischees zu nähren, um in populistischer Art und Weise – und was anderes bin ich von Ihnen auch nicht gewohnt – dieses Thema zu bedienen. Wirklich sachdienliche Vorstellungen habe ich von Ihnen noch nie gehört, Herren der NPD.

Das alles zeigt nicht nur dieser Antrag, sondern das zeigen auch andere Forderungen zu diesem Thema. Und eigentlich fällt mir da nur eine ein und das ist die Todesstrafe für Kinderschänder, wie Sie es nennen.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Und gerade diese Forderung macht deutlich, wie menschenverachtend Ihre Vorstellungen sind

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

und mit welchem Rechtsverständnis Sie an dieses Thema herangehen. Sie pfeifen auf das Grundgesetz, auf die Menschenwürde und die Opfer.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Deshalb kann ich nur noch einmal meine Worte zum Eingang meiner Rede wiederholen: Ihr Antrag ist überholt und überflüssig. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Das Wort hat jetzt noch mal der Abgeordnete Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Bernhardt, mir sind nicht alle Missstände, die in diesem Staate bestehen, bekannt, kann auch nicht, denn in diesem Staatengebilde, in dem wir leben, gibt es so viele Missstände, dass einem alle nicht bekannt sein können. Wenn sie mir aber bekannt werden, dann agieren wir natürlich, selbstverständlich.

Und bezüglich der unbestimmten Regelungen: Wir wollen halt konkrete Regelungen. Und Sie jammern doch auch hier immer vom Rednerpult, wenn irgendwas im Sozialgesetzbuch nicht konkret geregelt ist,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Wann denn?)

das Sie dann konkret geregelt haben wollen. Sie werden sich selbst wieder untreu, nur um irgendwie eine Lücke zu finden, um einen NPD-Antrag ablehnen zu können.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Aber das ist die Heuchelei, die von Ihrer Seite kommt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und man kann so viel in diesem Staat empfehlen. Wir wollen aber keine Empfehlung, wir wollen dies konkret geregelt wissen, und deswegen haben wir diesen Antrag eingereicht. Und ob es notwendig ist oder nicht,

da gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Wir sind der Ansicht, dass es notwendig ist. Und es ist dringend geboten, hier eine klare Regelung ins Gesetz einfließen zu lassen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Warum haben Sie das nicht vor zwei Jahren eingebracht?)

Weil uns dieser Fehlstand oder dieser Missstand da noch nicht bekannt war.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das gibt es seit sieben Jahren, diese Regelung.)

Ja. Kennen Sie alle Regelungen im Sozialgesetzbuch, in den ganzen Sozialgesetzbüchern?

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Wenn es so wichtig wäre, dann würde ich das schon lesen, ja.)

Sie sind eine Heuchlerin.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, na, na!)

Mit einem weiteren Mosaikstein haben wir Ihnen nun …